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Die Dämonen

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Die Dämonen

Artemis & Winkler,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein Roman von einer atemberaubenden Wucht: das Treiben der Nihilisten und Anarchisten im vorrevolutionären Russland.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Den Teufel im Herzen

Kinderschändung, Mord, Massenhysterie – in den Dämonen geht es selbst für Dostojewski’sche Verhältnisse ausgesprochen düster zu. Inspiriert von historischen Ereignissen um den skrupellosen Anarchisten und Mörder Netschajew erzählt der russische Meisterschriftsteller von einem Generationswechsel mit katastrophalen Folgen. Die liberalen Ideale des alten Hauslehrers Stepan Werchowenskij werden von seinem Sohn Pjotr und seinem Schüler Nikolaj Stawrogin im nihilistischen Rausch zu einer Philosophie des Terrors verzerrt. Nur noch der Untergang liegt ihnen am Herzen, die Zerstörung der bestehenden Verhältnisse, die Macht über Leben und Tod. Ihre Lust am Bösen wirkt auf die Bewohner einer kleinen russischen Provinzstadt verführerisch. Nikolaj und Pjotr lotsen bald eine Schar williger Gefolgsleute in den sicheren Abgrund. Mit dem Wissen um die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts erscheinen die beiden Figuren aus heutiger Sicht geradezu gespenstisch, nehmen sie doch die verheerende Demagogie eines Hitler oder Stalin vorweg.

Take-aways

  • Die Dämonen ist der am stärksten politisch motivierte Roman Dostojewskis.
  • Inhalt: Der revolutionäre Nihilist Pjotr Werchowenskij und der ganz und gar amoralische Nikolaj Stawrogin treiben in einer namenlosen russischen Kleinstadt ihr Unwesen. Höhepunkt ihrer Machenschaften ist der Mord an dem Studenten Schatow. Aus Ekel vor dem Leben erhängt sich Stawrogin schließlich, während Pjotr ins Ausland fliehen muss.
  • Für Dostojewski bilden die liberalen Ideale der Vätergeneration den Nährboden für die mörderische Skrupellosigkeit der Söhne.
  • Trotz ihrer menschenverachtenden Gesinnung geht von den beiden Nihilisten eine enorme Strahlkraft aus.
  • Die historische Vorlage der Geschichte lieferte das Leben des russischen Anarchisten und Mörders Sergei Netschajew.
  • Der hochkomplexe Roman ist wegen seiner unübersichtlichen Handlungsstruktur nicht leicht zu lesen.
  • Die kompromisslose Hoffnungslosigkeit der Dämonen war für die zeitgenössischen Behörden zu viel: Teile des Romans fielen der Zensur zum Opfer.
  • Später wurde Dostojewski für seine Analyse der politischen Zusammenhänge gefeiert: Albert Camus hielt nicht Karl Marx, sondern ihn für den wahren Propheten.
  • Joseph Goebbels stellte seiner Dissertation ein Zitat aus den Dämonen voran.
  • Zitat: „Kann man an den Teufel glauben, wenn man nicht an Gott glaubt?“

Zusammenfassung

Ehen und eheähnliche Zustände

In einem Städtchen nahe St. Petersburg lebt Stepan Werchowenskij, der sich seit 22 Jahren von der Generalleutnantswitwe Warwara Stawrogina aushalten lässt. Nachdem Stepan ursprünglich als Hauslehrer auf Warwaras Gut angestellt worden war, entwickelte sich im Lauf der Zeit eine eheähnliche Beziehung zwischen den beiden. Offen eingestanden haben sie sich ihre Liebe jedoch nie. Stepan kokettiert mit seinen revolutionären Überzeugungen, ist insgeheim den russischen Traditionen aber zu sehr verhaftet, als dass er einen sozialistischen Umsturz des Landes befürworten würde.

„Eine Zeit lang hieß es von uns in der Stadt, unser Kreis sei eine Pflanzstätte der Freigeisterei, der Ausschweifung und der Gottlosigkeit (...). Und dabei plauderten wir doch nur auf ganz unschuldige, liebenswürdige, echt russische, lustige und liberale Art miteinander.“ (S. 43)

Warwara hängt sehr an ihrem Sohn Nikolaj Stawrogin. Er ist als Leutnant bei der Kavallerie in Petersburg, von wo beunruhigende Gerüchte in das Städtchen dringen: Nikolaj umgebe sich mit Bettlern und Säufern, habe Spaß daran, die feine Gesellschaft zu beleidigen, und gehe keinem Streit oder Duell aus dem Weg. Bei einem Besuch im Städtchen packt er den eitlen Pawel Gaganow an der Nase und zieht ihn vor aller Augen hinter sich her. Als Nikolaj sich in Paris mit Lisa Tuschina anfreundet, reist Warwara ihrem Sohn gemeinsam mit der Magd Darja Schatowa nach, um die Hochzeit zu arrangieren. Doch sie hat wenig Erfolg: Nikolaj bändelt mit Darja an, und Lisa reagiert höchst eifersüchtig. Damit die Magd der Hochzeit ihres Sohnes nicht länger im Weg steht, kehrt Warwara in ihr Städtchen zurück und versucht Darja mit Stepan zu verheiraten. Der stimmt tatsächlich zu, ist jedoch tief beleidigt, dass nicht Warwara selbst ihn heiraten will und ihn lediglich für ihre Zwecke benutzt.

Die heimliche Braut

Drei junge Männer, die in Petersburg gemeinsam mit Nikolaj ihre revolutionären Theorien entwickelt haben, treffen in der Stadt ein: Pjotr Werchowenskij, Stepans Sohn, hat infolge seiner aufrührerischen Tätigkeiten bereits aus Petersburg fliehen müssen. Alexej Kirillow will eines Tages Selbstmord begehen: Nur wer es wage, sich umzubringen, könne den Schmerz des Lebens überwinden und wirklich frei sein. Iwan Schatow ist im Unterschied zu den anderen beiden ein stiller und moralischer Mensch, der sich von den radikalen Umsturzplänen zurückgezogen hat. Sowohl Kirillow als auch Schatow wohnen im Haus des Hauptmanns Lebjadkin. Dessen verkrüppelte und geisteskranke Schwester Marja hütet ein Geheimnis: Sie ist seit Nikolajs wilden Petersburger Tagen dessen Ehefrau.

„(...) wie kommt das nur, dass alle diese fanatischen Sozialisten und Kommunisten gleichzeitig so unglaublich geizig, habgierig und eigennützig sind, und zwar umso mehr, je überzeugter sie von ihren sozialistischen Ideen sind ... wie kommt das nur?“ (Stepan Werchowenskij, S. 95)

Gerüchte über diese Ehe erreichen schließlich Warwara. Als Marja nach einem Kirchbesuch vor ihr auf die Knie fällt, lädt sie die Frau aus Mitleid zu sich nach Hause ein. Die Stimmung ist gespannt, da niemand weiß, wie mit der behinderten Marja umzugehen ist. Lisa ist zugegen, ebenso Schatow, Pjotr und die Magd Darja. Hauptmann Lebjadkin taucht ebenfalls auf, er scheint plötzlich in Lisa verliebt zu sein und trägt ein peinliches Gedicht vor. Als auch Nikolaj den Raum betritt, fragt Warwara ihn rundheraus, ob er mit Marja verheiratet sei. Er leugnet die Ehe. Schatow verpasst ihm dafür vor versammelter Gesellschaft eine Ohrfeige, worauf Lisa einen nervösen Zusammenbruch erleidet.

Aus Lust am Bösen

Als Nikolaj einige Tage später bei Schatow vorspricht, wirft dieser ihm vor, er habe die behinderte Marja aus nihilistischen Motiven geheiratet: nicht aus Liebe, sondern aus Freude am Tabubruch und aus reiner Lust am Bösen. Die beiden Männer diskutieren über Atheismus und Sozialismus. Die Arbeit müsse dem Volk Gott ersetzen, formuliert Schatow.

„Die volle Freiheit wird dann da sein, wenn es ganz gleich sein wird, leben oder nicht leben. Das ist für alles das Ziel.“ (Kirillow, S. 138)

Nikolaj besucht auch Lebjadkin und Marja im Stadtteil auf der anderen Seite des Flusses. Auf dem Weg dorthin begegnet ihm der entlaufene Sträfling Fedjka, der ihm für Geld seine Dienste anbietet. Nikolaj weist ihn zurück. Dem Hauptmann Lebjadkin erklärt er, dass er seine Ehe öffentlich machen und Marja vielleicht sogar zu sich ins Haus holen wolle. Lebjadkin, der bisher von Nikolaj Unterhaltszahlungen für Marja erhalten hat, ist entsetzt. Nikolaj bietet Marja an, mit ihr gemeinsam in die Schweiz zu gehen, wo er in aller Abgeschiedenheit mit ihr leben will. Sie jedoch hat jeden Bezug zur Realität verloren und sitzt halluzinierend da. Nikolaj lässt sie zurück und begegnet noch einmal dem Sträfling Fedjka. Rasend vor Wut schlägt er den Mann nieder und wirft dann in einer verrückten Anwandlung 50 Rubel in die Luft. Fedjka versteht das Geld als Bezahlung dafür, dass er Lebjadkin und Marja umbringen soll.

Anarchisten am Werk

Am nächsten Tag wird Nikolaj zum Duell gefordert – von Artemij Gaganow, dessen Vater er einst wortwörtlich an der Nase herumgeführt hat. Der Herausforderer ist zu zornig, um einen gezielten Schuss abzufeuern. Nikolaj schießt mehrmals gleichgültig in die Luft. Unverrichteter Dinge verlassen die Kontrahenten den Ort des Geschehens, und Nikolaj setzt für sich eine neue Lebensmaxime fest: Er will nicht mehr töten.

„Hätte ihn jemand ins Gesicht geschlagen, so hätte er, glaube ich, den Beleidiger gar nicht erst zum Duell gefordert, sondern ihn auf der Stelle erschlagen; gerade zu diesen Naturen gehörte er, und er hätte mit vollem Bewusstsein getötet, und keineswegs deshalb, weil er außer sich gewesen wäre.“ (über Nikolaj, S. 240)

Pjotr freundet sich mit Julija Michajlowna von Lembke an, die ihn bald für seine revolutionären Theorien vergöttert. Ihr Mann, Gouverneur von Lembke, ist eifersüchtig, hofft jedoch von Pjotr Hinweise auf einen evtl. bevorstehenden politischen Aufstand zu erhalten. Pjotr nutzt die Gelegenheit, seinen Vater anzuschwärzen: Stepan sei der Drahtzieher aller politischen Intrigen. Von Lembke lässt daraufhin dessen Haus durchsuchen.

„Bereden Sie vier Mitglieder des Komitees, das fünfte zu ermorden, unter dem Vorwand, dass jenes ein Verräter sei, und sogleich werden Sie durch das vergossene Blut alle wie mit einem Tau zusammenketten. Sogleich werden alle Ihre Sklaven sein (...). Ha-ha-ha!“ (Nikolaj zu Pjotr, S. 456)

Pjotr organisiert ein verschwörerisches Treffen. In einem Gespräch mit Nikolaj erklärt er seinen Plan. Er will landesweit Gruppen von jeweils fünf Aktivisten bilden, die im Untergrund arbeiten und Anarchie verbreiten sollen. Der Mord an dem gemäßigten Schatow soll der Anfang sein. Wenn ganz Russland im Chaos zu versinken drohe, solle Nikolaj als Führer die Macht an sich reißen. Der Angesprochene scheint jedoch wenig Interesse an Pjotrs Ideen zu haben.

Nikolajs Beichte

Nikolaj sucht in einem Kloster den Bischof Tichon auf. Er beichtet, wie er in Petersburg ein zwölfjähriges Mädchen verführt und in den Selbstmord getrieben und wie er anschließend aus Wut auf sich selbst die hässliche und verrückte Marja geheiratet hat. Nikolaj erklärt, dass er an den Teufel glaube, aber nicht an Gott. Der Bischof erwidert, ein überzeugter Atheist sei ihm immer noch lieber als jemand, dem alles gleichgültig ist.

„Kann man an den Teufel glauben, wenn man nicht an Gott glaubt?“ (Nikolaj, S. 508)

Die Arbeiter einer Fabrik ziehen zu einer friedlichen Demonstration vor das Haus des Gouverneurs. Weil von Lembke eifersüchtig ist auf Pjotr und all die jungen Revolutionäre, mit denen sich seine Frau Julija neuerdings umgibt, lässt er die Versammlung niederknüppeln. Julija trifft mit einer Clique von nihilistischen Tunichtguten im Haus ihres Mannes ein. Sie will ein großes Literaturfest veranstalten, um den neumodischen Theorien eine Bühne zu bieten. Auch Lisa ist anwesend und spricht Nikolaj an: Sie bekomme unablässig Briefe vom Hauptmann Lebjadkin, der ihr ein Geheimnis verraten wolle. Nikolaj gibt daraufhin öffentlich zu, dass er seit fünf Jahren mit Lebjadkins Schwester Marja verheiratet ist. Der Skandal in dem Städtchen könnte nicht größer sein.

Die Stadt brennt

Das literarische Fest findet statt, und das ganze Städtchen nimmt daran teil. Es kommt jedoch zu mehreren Zwischenfällen. Hauptmann Lebjadkin ist betrunken und trägt ein beleidigendes Spottgedicht auf Julija vor. Der alternde Schriftsteller Karmasinow hält eine selbstverliebte Endlosrede und langweilt das Publikum zu Tode. Stepan spricht sich in großväterlichem Ton gegen die Revolte und für die Kunst aus. Und ein unbekannter Unruhestifter wiegelt die Gäste dermaßen auf, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt.

„Jede außerordentlich schändliche, maßlos erniedrigende, gemeine und vor allem lächerliche Lage, in die ich während meines Lebens gekommen bin, hat neben einem grenzenlosen Zorn einen unglaublichen Genuss in mir erregt.“ (Nikolaj, S. 514)

Als zweiter Teil des Festes soll am Abend ein Ball stattfinden. Julija lässt sich von Pjotr überreden, die Veranstaltung trotz des Debakels am Morgen nicht abzusagen. Die Feierlichkeiten werden allerdings bald von einer Schreckensnachricht gestört: Jemand hat ein Feuer gelegt – der Stadtteil auf der anderen Seite des Flusses brennt. Ganze Straßenzüge werden vernichtet. Gouverneur von Lembke wird von einem herabfallenden Balken getroffen und verletzt. Dann eine weitere Unglücksbotschaft: Hauptmann Lebjadkin und Marja werden ermordet aufgefunden.

„Ich habe sie nicht getötet und war dagegen, aber ich wusste, dass man sie töten würde, und hielt die Mörder nicht zurück.“ (Nikolaj über Marja und Lebjadkin, S. 668)

Nikolaj geht zu Lisa und versucht sie davon zu überzeugen, mit ihm die Stadt zu verlassen. Er gesteht, dass er an dem Mord an seiner Frau Marja nicht unschuldig ist: Er hat davon gewusst und die Tat nicht verhindert. Lisa ist schockiert. Sie eilt an den Tatort und wird dort als Nikolajs neue Geliebte erkannt – für die Marja hat sterben müssen. Das Volk stürzt sich auf sie, und Lisa kommt nur knapp mit dem Leben davon.

Schatows kurzes Glück

Die von Pjotr gegründete Fünfergruppe befürchtet, mit dem Mord und der Brandstiftung in Verbindung gebracht zu werden. Pjotr behauptet, Schatow plane, die Gruppe am nächsten Tag anzuzeigen. Daraufhin wird dessen Tod beschlossen. Als Sündenbock für den Mord wird Kirillow geradestehen: Er soll nach der Tat sein Vorhaben, sich selbst umzubringen, verwirklichen und sich in einem Abschiedsbrief zu dem Mord an Schatow bekennen. Bei Kirillow trifft Pjotr auf Fedjka. Pjotr war es, der den Sträfling mit dem Mord an Marja und Lebjadkin beauftragt hatte, er bezahlte ihn aber nie. Fedjka schlägt Pjotr nieder und entkommt. Dieser schwört Rache, und kurz darauf wird Fedjka erschlagen aufgefunden.

„Ein jeder Ihrer Schritte führe vorläufig nur dazu, dass alles zusammenstürze, sowohl der Staat als auch seine Moral. Dann werden nur wir übrig bleiben, die wir uns von vornherein zur Machtübernahme bestimmt haben.“ (Pjotr zu den Nihilisten, S. 755)

Schatow bekommt Besuch von seiner Ehefrau Marie, die er seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hat. Er ist glücklich über die Begegnung, denn er liebt sie noch immer. Von den Verschwörern der Fünfergruppe wird Schatow für den nächsten Tag in einen Park bestellt unter dem Vorwand, er solle eine Druckerpresse zurückgeben, die er noch aus der Zeit besitzt, als er sich selbst für die Revolution engagiert hat.

„(...) aber aus mir ist immer nur die Negation geströmt, ohne jede Großmut und ohne jede Kraft.“ (Nikolaj, S. 833)

Marie geht es nicht gut. Sie ist, wie sich herausstellt, hochschwanger. Schatow ist aufgeregt, glücklich, verwirrt. Er besorgt eine Hebamme, und seine Frau bringt einen Sohn zur Welt. Schatow und Marie können das Wunder der Geburt kaum fassen und glauben nun an das Gute im Menschen. Am selben Abend geht Schatow in den Park, um die Druckerpresse zurückzugeben. Er wird von der Fünfergruppe niedergeschlagen und von Pjotr mit einem Schuss in die Stirn ermordet.

Abschied vom Leben

Pjotr geht zu Kirillow, um dessen Selbstmord beizuwohnen. Kirillow, der von der Geburt von Schatows Sohn und von dem Glück des wiedervereinten Ehepaares weiß, weigert sich jedoch zunächst, das Geständnis zu unterschreiben. Erst nach einer langen Diskussion tut er es doch: Er glaubt, dass er mit dem Selbstmord gottgleich werden und über alle Wahrheit erhaben sein wird. Er tötet sich mit einem Schuss in die Schläfe. Pjotr reist Richtung Petersburg.

„Die starke Seidenschnur, mit der sich Nikolaj Wsewolodowitsch erhängt hatte, war offenbar vorher zu diesem Zweck besorgt und ausgewählt worden; sie war dick eingeseift. Alles deutete auf Vorbedacht und Überlegung bis zum letzten Augenblick.“ (S. 835)

Auch Stepan hat die Stadt verlassen. Er wandert bis in das übernächste Dorf, dann wird er krank. Die Bibelverkäuferin Sofia Matwejewna pflegt den fremden Mann, da sie ihn nicht allein sterben lassen will. Stepan findet in seiner Krankheit zum Glauben an Gott. Warwara kommt ihm schließlich nachgereist, setzt sich an sein Krankenbett, und nach über 20 Jahren gestehen sich die beiden ihre Liebe. Warwara ist schockiert über Stepans Zustand. Sie lässt einen Arzt aus der Stadt kommen, doch es ist zu spät. Stepan stirbt nur wenige Tage danach.

Ohne jede Hoffnung

Marie entdeckt den Leichnam Kirillows. Sie ahnt, dass auch ihrem Mann etwas geschehen sein muss, und rennt voller Verzweiflung mit ihrem Kind in die Kälte hinaus. Der Säugling wird krank und stirbt, Marie verliert das Bewusstsein und stirbt nach drei Tagen ebenfalls.

Der Postbeamte Ljamschin, einer von Schatows Mördern, kann mit seiner Schuld nicht leben und legt bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab. Die Geheimbündler werden festgenommen. Der flüchtige Pjotr wird als Haupttäter und Initiator aller Verbrechen erkannt.

Nikolaj schreibt einen Brief an die Magd Darja, in dem er sie fragt, ob sie mit ihm in der Schweiz den Rest seines Lebens verbringen möchte. Sie will den Antrag annehmen. Als sie jedoch gemeinsam mit Warwara in seine Wohnung eilt, hat Nikolaj sich aufgehängt. Er selbst sei schuld, niemand sonst, heißt es in seinem Abschiedsbrief.

Zum Text

Aufbau und Stil

Dostojewskis Roman ist in drei Bücher unterteilt. Das erste ist vergleichsweise arm an Handlung und erzählt vor allem aus der Vergangenheit der zahlreichen Figuren, sodass der Leser deren Beziehungen und Eigenarten kennen lernt. Im zweiten Buch werden die Konflikte zwischen den Charakteren zugespitzt, woraufhin sie im dritten Buch schließlich zum Ausbruch kommen und in die Katastrophe führen. Erzählt wird der Roman aus der Sicht Anton Lawrentjewitschs, eines Freundes von Stepan Werchowenskij. Lawrentjewitsch ist, so stellt er sich selbst dar, ein eher ungeübter Erzähler. Und tatsächlich hat der Leser zuweilen Probleme, ihm zu folgen: Die Aufregung, die zitternden Hände oder die Ohnmachtsanfälle der Figuren werden detailliert beschrieben – ohne dass der Leser so recht weiß, was eigentlich vor sich geht. Immer wieder ist geheimnisvoll die Rede von „dem, was wir besprochen haben“, oder „diesem Brief, von dem ich Ihnen erzählt habe“. Dostojewski treibt in den Dämonen das für ihn typische Verfahren des Spannungsaufbaus auf die Spitze. Er zögert die Preisgabe wichtiger Informationen so lange wie möglich hinaus, erklärt etliche Zusammenhänge und Lösungen nur nebenbei oder verdeckt. Der hochkomplexe Roman ist darum nicht leicht zu lesen und verlangt vom Leser viel Aufmerksamkeit. Trotz der düsteren Handlung gelingen Dostojewski ein fein ironischer Ton und eine satirische Darstellung der russischen Gesellschaft, die durchaus auch ihre amüsanten Seiten hat.

Interpretationsansätze

  • Im Zentrum des Romans steht der Nihilismus: Die Gruppe um Pjotr Werchowenskij will die Zerstörung der bestehenden Verhältnisse ohne jede Rücksicht auf Verluste. Sie begrüßt das Elend in den unteren Bevölkerungsschichten und will es sogar noch vergrößern: Denn nur so wachse die Unzufriedenheit der Menschen, die sich schließlich nach einem Führer sehnen und sich von den Nihilisten steuern lassen würden.
  • Verantwortlich für die Willkür der Nihilisten macht Dostojewski den Liberalismus der Vätergeneration. Stepan Werchowenskij liebäugelt Zeit seines Lebens mit radikalen Theorien, ohne jedoch Taten folgen zu lassen. Als Hauslehrer gibt er seine Geisteshaltung bedenkenlos an die nächste Generation weiter – die dann ohne Unrechtsbewusstsein tatsächlich nach der Macht greift.
  • Paradoxerweise wohnt den zerstörerischen Idealen der jungen Nihilisten eine große Faszination und Lebenskraft inne. Sogar von seinem Selbstmord redet Kirillow noch mit sprühender Intensität. Diese gefährliche Begeisterungsfähigkeit tritt im Roman deutlich hervor: Die Freude an der Zerstörung wirkt ansteckend, sie wird zu einem gesellschaftlichen Phänomen, zu einer Modewelle.
  • Nikolaj Stawrogin verkörpert die Dekadenz: Ihm stehen alle Möglichkeiten offen, er ist aus bestem Hause, intelligent und derart charismatisch, dass ihm die Welt zu Füßen liegt. Genau in dieser Vollkommenheit liegt jedoch sein Problem. Er hat das Leben durchschaut und empfindet nur noch Ekel. Er wird getrieben von der Sehnsucht nach dem Untergang, der für ihn kein gesellschaftliches Ziel, sondern die persönliche Vollendung darstellt. Entsprechend erhängt er sich schließlich außerordentlich stilvoll: mit einer Seidenschnur.

Historischer Hintergrund

Der russische Nihilismus

Mit dem Regierungsantritt von Zar Alexander II. im Jahr 1855 begann in Russland eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Die Bauern wurden aus der Leibeigenschaft befreit, die staatliche Zensur wurde gelockert. Eine Bildungsreform trat in Kraft, in deren Folge Frauen und ärmere Bevölkerungsschichten – zumindest vorübergehend – an den Schulen und Universitäten zugelassen wurden. Die philosophische Strömung, die den theoretischen Hintergrund der Entwicklungen im Land lieferte, bezeichnete Iwan Turgenjew in seinem Roman Väter und Söhne als Nihilismus. Dessen Anhänger vertraten freiheitliche und radikaldemokratische Positionen und lehnten sich gegen die Normen der alten Adelsgesellschaft auf. Jegliche Form von Autorität – Staat, Kirche oder Familie – wurde abgelehnt. Es sollte ein von allen Zwängen emanzipierter Mensch entstehen.

Die Gründungsphase des Nihilismus in den 1850er Jahren war von einer sehr optimistischen Stimmung geprägt. Obwohl die gesellschaftliche Sonderstellung des Adels durch die Reformen infrage gestellt wurde, war zumindest auch die junge Generation wohlhabender Kreise an den neuen Idealen interessiert. Es war Mode, sich schwarz zu kleiden, sich an der intellektuellen Diskussion zu beteiligen und sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einzusetzen. In der zweiten, revolutionären Phase des Nihilismus in den 60er Jahren kam es dann allerdings zu starken sozialen Unruhen im Land. Die Studenten demonstrierten, in St. Petersburg wurden mehrere Brände gelegt. Ein erstes Attentat auf den Zaren im April 1866 ließ dessen Sympathien für die Reformbewegung deutlich schwinden. Die Zensur wurde strenger als zuvor wieder eingeführt und man etablierte ein umfassendes Polizeisystem. Als Reaktion darauf radikalisierte sich die nihilistische Strömung zu einer tatsächlichen revolutionären Bewegung. Es kam zu zahlreichen weiteren Anschlägen auf politische Amtsinhaber. Zar Alexander überlebte zwei Angriffe im Jahr 1879, bevor er im März 1881 einem Sprengstoffanschlag zum Opfer fiel. Als Nihilisten wurden zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch politisch eher orientierungslose Mörder und Verbrecher bezeichnet.

Entstehung

Wie kaum ein anderer Roman Dostojewskis basiert Die Dämonen auf historischen Tatsachen. Zwar hat der Autor die tatsächlichen Geschehnisse bearbeitet, die Vorlagen aus der russischen Geschichte sind jedoch deutlich zu erkennen. Als Vorbild für die Figur des Pjotr Werchowenskij diente der russische Revolutionär Sergei Netschajew, der sich Mitte der 1860er Jahre in St. Petersburg an den Studentenunruhen beteiligte und sich später im Exil in der Schweiz mit dem anarchistischen Philosophen Michail Bakunin anfreundete. Gemeinsam mit Bakunin verfasste er sein politisches Programm, den Revolutionären Katechismus. Im August 1869 kehrte Netschajew nach Russland zurück, verbreitete seinen Katechismus und gründete die Untergrundorganisation Narodnaja Rasprawa („Strafgericht des Volkes“). Wie Pjotrs Geheimbund in den Dämonen bestand auch Netschajews Clique lediglich aus einer Fünfergruppe – der er zunächst den Glauben an eine internationale Verschwörung auf Basis unzähliger solcher Gruppen vermitteln konnte. Als es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten kam und der Student Iwan Iwanow den Bund verlassen wollte, ereignete sich jene Katastrophe, die Dostojewski drei Jahre später zum dramatischen Höhepunkt seines Romans verarbeiten sollte: Iwanow wurde von Netschajew und den anderen Gruppenmitgliedern verprügelt und erschossen. Netschajew setzte sich nach dem Mord in die Schweiz ab, wurde von den dortigen Behörden jedoch 1872 nach Russland ausgeliefert und starb zehn Jahre später im Zuchthaus in St. Petersburg. Auch einige andere Figuren des Romans sind nach historischen Vorbildern gestaltet.

Wirkungsgeschichte

Die extreme Hoffnungslosigkeit des Romans war für den zeitgenössischen Leser starker Tobak. Das Kapitel „Bei Tichon“ etwa, in dem Nikolaj Stawrogin den Missbrauch des zwölfjährigen Mädchens beichtet und dessen Selbstmord schildert, wurde von den Behörden als moralisch verwerflich und blasphemisch eingestuft und zensiert. Noch heute ist das Kapitel in einigen Ausgaben der Dämonen lediglich im Anhang zu finden.

Nach der Jahrhundertwende wurde Dostojewskis Roman nicht selten wie ein philosophischer Text gelesen. Der französische Existenzialist Albert Camus, der das Werk für die Bühne bearbeitete, stellte die Bedeutung Dostojewskis sogar über die von Karl Marx. Für Camus nahmen die im Roman beschriebenen gesellschaftlichen Strukturen prophetisch die politische Katastrophe des 20. Jahrhunderts vorweg. In diesem Zusammenhang geradezu gruselig ist die Tatsache, dass der spätere Propagandaminister der Nationalsozialisten, Joseph Goebbels, seiner Dissertation ein Zitat aus den Dämonen voranstellte: „Vernunft und Wissen haben im Leben der Völker stets nur eine zweitrangige (...) Rolle gespielt.“

Über den Autor

Fjodor M. Dostojewski wird am 11. November 1821 als zweites von acht Kindern in einem Moskauer Armenhospital geboren. Nach einer Jugendzeit in ärmlichen Verhältnissen tritt er 1838 gemeinsam mit seinem Bruder in die St. Petersburger Militärakademie ein. Hier zeigt sich bereits sein schriftstellerisches Talent. Nach Abschluss des Studiums wird Dostojewski 1843 im Kriegsministerium angestellt. Dort hält es ihn aber nicht lange: Trotz massiver finanzieller Probleme quittiert er den Dienst bereits ein Jahr später. Sein Ziel: Schriftsteller zu werden. Sein Erstling, der Briefroman Arme Leute (1846), macht ihn schlagartig berühmt. Die intensive Arbeit an weiteren Werken und die Versagensangst führen zu ersten epileptischen Anfällen. 1849 wird er wegen Mitgliedschaft im revolutionären Petraschewski-Kreis, einer Art Geheimbund, zum Tod verurteilt. Buchstäblich in letzter Sekunde, bereits auf dem Richtplatz, wird er jedoch vom Zaren begnadigt und zu vier Jahren Zwangsarbeit sowie vier Jahren Militärdienst verurteilt. Während der Zeit in Sibirien bekehrt er sich zum christlichen Glauben. 1854 lernt er Marja Dimitrijewna kennen, die er 1857 heiratet. Nach Beendigung des Militärdienstes kehrt er 1859 nach Moskau zurück. Die Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, eine Beschreibung seiner Verbannung nach Sibirien, erscheinen 1861 in der von Dostojewski gegründeten Zeitschrift Vremja. Im nächsten Jahr unternimmt er seine erste Europareise und ein Jahr darauf die zweite. Dostojewski ist ein Spieler, der sich wegen seiner Sucht hoch verschuldet. Nach der dritten Europareise erscheint 1866 der Roman Schuld und Sühne in der Zeitschrift Russkij vestnik. Der Roman Der Spieler wird im selben Jahr veröffentlicht. Bis 1871 reist Dostojewski auf der Flucht vor seinen Gläubigern durch Europa und hält sich unter anderem in Florenz auf, wo er seinen Roman Der Idiot verfasst. Die Romane Die Dämonen (1871) und Die Brüder Karamasow (1879) werden große Erfolge. Am 9. Februar 1881 stirbt Dostojewski in St. Petersburg an den Folgen seiner Epilepsie und einem chronischen Lungenleiden.

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