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Meister und Margarita

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Meister und Margarita

Galiani,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein Teufelsroman, ein Jesusroman, ein Jahrhundertroman: das Kultbuch aus der Zeit des Stalinismus.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Ein russisches Kultbuch

Meister und Margarita, in Russland so sehr Kult, dass die Verehrung quasi religiöse Züge trägt, ist auch für den unbeleckten deutschen Leser faszinierend. Der Teufel persönlich erscheint mit mehreren spaßig-diabolischen Assistenten im stalinistischen Moskau der 1930er-Jahre und mischt die Metropole gründlich auf: Er schädigt, blamiert, foppt und ängstigt die Menschen, die sich durch seine Tricks selbst als gierige Verräter entlarven. Er lässt die Mühlen der überbordenden Bürokratie leer drehen und löst alltägliche Gewissheiten auf. Verschont werden nur Margarita und ihr Geliebter, der Meister, Autor eines Pontius-Pilatus-Romans, der als düstere und atmosphärisch bedrückende Machtstudie in den Roman eingeflochten ist. Bulgakows Werk ist so komisch, wie er andererseits ergreifend und finster ist, ein eigentliches Sprachkunstwerk, dessen Verehrung verstehen wird, wer es liest.

Take-aways

  • Meister und Margarita ist in Russland ein Kultbuch.
  • Inhalt: Der Teufel erscheint mit Gehilfen im Moskau der 1930er-Jahre und treibt dort seine diabolischen Späße mit den Leuten, die er als geldgierig und betrügerisch entlarvt. Nur einen Autor, den „Meister“, und seine Geliebte, Margarita, verschont Satan. Er führt sie nach einer Geisteskrankheit des Meisters wieder zusammen und eröffnet ihnen ein dauerhaftes Glück in einem wunderbaren Jenseits.
  • Hervorstechendstes Merkmal des Romans ist die absurde Komik.
  • Ein Roman im Roman, verfasst vom Meister, behandelt die Ereignisse um die Hinrichtung von Jesus aus der Sicht von Pontius Pilatus.
  • Der Teufel erscheint nicht als Gegenspieler Gottes, eher als sein Kompagnon.
  • Der Meister und Margarita tragen wesentliche Züge von Bulgakow und seiner dritten Ehefrau Jelena.
  • In der psychischen Krise des Meisters samt Manuskriptverbrennung gestaltet Bulgakow das Drama des Künstlers im Stalinismus.
  • Bulgakow schrieb ohne Aussicht auf Veröffentlichung die letzten zwölf Jahre seines Lebens an dem Buch, bis zu seinem frühen Tod 1940.
  • Der Roman erschien erstmals 1966 in zensierter Form und löste gleich große Begeisterung aus.
  • Zitat: „Glauben Sie wenigstens an den Teufel!“

Zusammenfassung

Ein Kopf wird rollen

Am Patriarchenteich in Moskau sind zwei Männer angeregt in ein Gespräch vertieft: Michail Alexandrowitsch Berlioz, Redakteur einer namhaften Literaturzeitschrift und zugleich Vorstandsvorsitzender der größten Moskauer Autorenvereinigung, und der junge agitatorische Dichter Iwan Nikolajewitsch Ponyrjow. Ihr Thema ist Jesus Christus, denn der Redakteur hat beim Dichter ein antireligiöses Gedicht in Auftrag gegeben, mit dem er nun nicht zufrieden ist: Iwans Jesus ist zwar eine dunkle Gestalt, aber Berlioz meint, er wirke zu lebendig. Nun hält er dem jungen Mann einen Vortrag darüber, dass es Jesus überhaupt nicht gegeben habe, alle Erzählungen über ihn seien Hirngespinste.

„Unter anderem habe ich gesagt (...), dass jede Staatsmacht die Menschen knechtet. Doch es kommt eine Zeit, in der es keine Macht geben wird, keine Caesaren oder sonstigen Herrscher.“ (Jeschua Ha-Nozri, S. 40)

In ihr Gespräch mischt sich ein ausländisch aussehender Mann in einem eleganten grauen Anzug. Er fragt sie, ob sie denn nicht an Gott glauben, und Berlioz verneint arrogant. Das sei übrigens auch die überwiegende Meinung in diesem Land. Der Fremde beginnt, die beiden Literaten zu verunsichern mit der Frage, wer denn dann die Geschicke des Menschen lenke; der Mensch selbst könne es nicht sein, weil er ja nicht einmal sicher sei, ob er den aktuellen Tag noch überlebe. Und er prophezeit Berlioz, er werde sterben, er werde noch heute geköpft werden. Der Fremde wird den beiden immer unheimlicher, Iwan vermutet einen Spion. Schließlich stellt der Unbekannte sich als Professor für schwarze Magie vor. Jesus, so sagt er, habe übrigens sehr wohl existiert. Er selbst sei dabei gewesen. Aus der Perspektive von Pontius Pilatus erzählt er die letzten Stunden von Jesus bis zu seiner Verurteilung. Iwan und Berlioz halten ihn jetzt für geistesgestört. Der Fremde wird immer unverschämter, er sagt, er gedenke, in Berlioz’ Wohnung unterzukommen, und fragt die beiden, ob sie an den Teufel glauben. Berlioz beschließt, die Behörden zu verständigen: Er will zur nächsten Telefonzelle gehen, während Iwan bei dem Fremden bleibt. Doch auf dem Weg rutscht Berlioz auf verschüttetem Öl aus und wird von einer Straßenbahn erfasst, die ihm den Kopf abtrennt.

Der Teufel nistet sich ein

Der verstörte Iwan sieht den Fremden zusammen mit einem langen Dünnen in einem karierten Anzug und einem riesigen Kater davongehen. Er versucht, sie zu verfolgen, doch es gelingt ihm nicht. Am Abend kommt er in die Villa des Schriftstellerverbands, wo man gerade die Nachricht vom Tod des Vorsitzenden erhalten hat. Iwan will, dass der unheilvolle Professor gestoppt und festgenommen wird, aber niemand glaubt seinen Warnungen. Schließlich wird er gewaltsam in die Psychiatrie gebracht.

„Glauben Sie wenigstens an den Teufel.“ (Woland zu Berlioz, S. 59)

Wie angekündigt taucht der Fremde in Berlioz’ Wohnung auf, die sich dieser mit dem Varietédirektor Stjopa Lichodejew teilt. Er stellt sich dem gerade verkatert erwachenden Lichodejew mit dem Namen Woland vor: Er sei Professor für schwarze Magie und habe gestern mit ihm, Lichodejew, einen Vertrag über sieben Auftritte in seinem Varietétheater geschlossen. Lichodejew erinnert sich an nichts, aber Woland kann den Vertrag zeigen, und auch in der Kreistheaterkommission weiß man Bescheid. Wolands Gehilfen entsteigen nach und nach einem Spiegel: Korowjew, der schmale Lange im karierten Anzug, Behemoth, der riesige sprechende Kater, sowie Azazello, ein kleiner, breitschultriger Mann mit einem Stoßzahn. Woland sagt, sie bräuchten die Wohnung ganz für sich, und der Kater zaubert Lichodejew weg. Er findet sich in Jalta wieder.

„Weder die Schaffnerin noch die Fahrgäste erkannten den Kern des Problems: Dass ein Kater in die Trambahn steigt, sei geschenkt, aber dass er dann auch noch zahlen will!“ (S. 67)

Im Varieté treffen Telegramme aus Jalta ein, die melden, Direktor Lichodejew sei dort. Der Administrator Warenucha wird von Behemoth, kurzzeitig in Menschengestalt, zuerst telefonisch gewarnt und dann zusammengeschlagen, damit er selbst nicht nach Jalta telegrafiert. Man bringt ihn in die Wohnung, wo jetzt der Teufel wohnt, und als ihn eine nackte Frau mit glühenden Augen und eiskalten Händen küssen will, fällt er in Ohnmacht.

Die Séance der schwarzen Magie

Der Abend der ersten magischen Show ist gekommen. Woland und seine Gehilfen fesseln die Aufmerksamkeit des Publikums, indem sie Geld verschenken: Ein Kartenspiel verwandelt sich in der Westentasche eines Zuschauers in ein 1000-Rubel-Notenpäckchen, Korowjew schießt aus einem Revolver 10-Rubel-Scheine ins Publikum. Irgendwann fordert der Ansager Pierre Bengalski Woland auf, den Trick hinter seinem Experiment zu enthüllen. Korowjew entgegnet, Bengalski nerve und störe gewaltig, und er fragt das Publikum, was man mit so einem machen solle. Als einer ruft: „Den Kopf abreißen!“, fordert Korowjew den Kater Behemoth auf, genau das zu tun. Dieser reißt dem Ansager tatsächlich den Kopf ab, Blut schießt aus dem Hals, und der abgetrennte Kopf heult nach einem Arzt. Aus dem schockierten Publikum kommt der Ruf, den Armen zu verschonen, und der Kater setzt den Kopf zurück auf den Hals. Der Ansager sucht jammernd und taumelnd das Weite – auch er landet in der Psychiatrie.

„Nun ja (...) – es sind halt Menschen. Nicht besser und auch nicht schlechter als andere. Sie lieben das Geld – doch das ist ja nichts Neues (...) Und manchmal pocht auch Mitleid an ihre Herzen ... Gewöhnliche Menschen ... Im großen Ganzen: fast so wie früher ...“ (Woland, S. 166)

Als Nächstes eröffnet die Teufelsbande ein „Damengeschäft“ auf der Bühne: Alle Frauen können ihre alten Kleider gegen neue, elegantere eintauschen und sich außerdem mit Schuhen, Schminke und Parfüm eindecken. Der Zulauf ist groß. Als auch das vorbei ist, wird von Neuem nach einer Erklärung der Tricks verlangt, diesmal von einem Herrn aus dem Publikum. Korowjew kommt dem Wunsch nach, indem er enthüllt, dass dieser Herr am Abend zuvor seine Gattin mit einer Schauspielerin betrogen hat. Der Mann ist blamiert und Kater Behemoth erklärt die Séance für beendet. Ein weiterer Skandal wartet nach der Vorstellung: Die neu eingekleideten Damen stehen plötzlich in Unterwäsche da. Und die Geldscheine verwandeln sich – oft nach dem Bezahlen – in Papierschnipsel oder Vögel.

Der Auftritt des Meisters

Iwan bekommt nachts in seinem Krankenzimmer in der psychiatrischen Klinik Besuch: Über den Balkon kommt ein Mitpatient herein, der sich „der Meister“ nennt. Iwan erzählt ihm seine Geschichte und der Meister weiß sofort, dass Iwan dem Satan begegnet ist. Der Meister ist ebenfalls Schriftsteller und, genau wie Iwan, letztlich wegen Pontius Pilatus in der Klinik: Als ehemaliger Museumshistoriker hatte er 100 000 Rubel gewonnen, war in eine Kellerwohnung gezogen und hatte begonnen, einen Roman über Pilatus zu schreiben. Dann trat die Liebe in sein Leben: Beim Spazieren traf er Margarita. Sie sprach ihn an, und beide wussten sofort, dass sie füreinander bestimmt waren. Sie war die einsame Frau eines anderen, und auch er war verheiratet. So wurden sie heimliche Lebensgefährten. Margarita spornte ihn bei der Arbeit an seinem Roman an, den sie bewunderte, und nannte ihn nur noch „Meister“. Als der Roman fertig war, versuchte der Meister ihn zu veröffentlichen, doch er wurde abgelehnt. Trotzdem erschienen bald darauf Essays in der Presse, die den Autor als „militanten Betbruder“ bezeichneten – der schlimmste Angriff stammte vom Kritiker Latunski. Durch diese Hetze wurde der Meister psychisch krank. Eines Abends machte er sich daran, sein Manuskript zu verbrennen. Margarita kam dazwischen und rettete, was noch zu retten war. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Margarita wollte vor diesem Treffen endlich ihren Mann verlassen. Doch noch in jener Nacht wies der Meister sich selbst in die psychiatrische Klinik ein. Dort ist er jetzt seit vier Monaten.

Der Roman des Meisters

Pontius Pilatus, Statthalter der römischen Provinz Judäa, sitzt in der glühenden Hitze von Jerusalem einsam in seinem Palast und hat marternde Kopfschmerzen. Er soll ein Todesurteil absegnen. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, sein Volk angestiftet zu haben, den Tempel von Jerusalem zu zerstören. Der Häftling erscheint vor Pontius Pilatus, sein Name ist Jeschua Ha-Nozri. Er verwirrt und berührt den Mächtigen, indem er ihn als einen guten Menschen bezeichnet, indem er überhaupt nicht unterwürfig mit ihm redet – und indem er seine fürchterlichen Kopfschmerzen nicht nur erkennt, sondern auch auf wundersame Weise von ihm nimmt. Pilatus ist fasziniert von dem Wanderphilosophen und beschließt, ihn nicht zu verurteilen – er möchte ihn sich als Gesprächspartner und Heiler erhalten. Die Anstiftung zur Tempelzerstörung ist schnell wiederlegt: Jeschua hat lediglich in Bildern gesprochen. Nun steht aber noch der Vorwurf der Majestätsbeleidigung im Raum: Im Haus des Judas von Kirjath habe Jeschua den Kaiser beleidigt. Und Jeschua wiederholt naiv, was er gesagt hat: Jede Staatsmacht knechte den Menschen. Das ist zu viel für den Repräsentanten der römischen Obrigkeit: Er ist gezwungen, das Todesurteil zu unterschreiben. Allerdings hofft er immer noch darauf, dass Jeschua mit dem Leben davonkommt, weil er noch begnadigt werden könnte. Aber der jüdische Hohepriester Kaiphas, der Jeschua als Ketzer sieht, begnadigt einen anderen. Pilatus fühlt sich ohnmächtig und verloren.

„Die Liebe sprang zwischen uns, wie nachts auf der Straße – aus dem Nichts – ein Mörder herausspringt, uns niederschmetternd.“ (der Meister, S. 185)

Nach der Hinrichtung, bei der als einziger Jünger Levi Matthäus zugegen ist, bespricht Pilatus sich mit seinem Geheimdienstchef Afranius. Pilatus sagt, Judas von Kirjath müsse geschützt werden; er habe Nachricht, dass Judas, der Jeschua verraten hat, in dieser Nacht erstochen werden solle. Afranius ist überrascht, denn er weiß nichts von diesem Mordkomplott. Doch Pilatus redet mit solcher Bestimmtheit über die Sache, dass Afranius begreift: Es ist ein verschlüsselter Auftrag an ihn, Judas zu töten.

Margaritas Verwandlung

Margarita verzehrt sich seit Monaten nach dem verschwundenen Meister, ohne zu wissen, ob er überhaupt noch lebt. Bei einem Spaziergang setzt sich Azazello neben sie. Er lädt sie für den Abend zu einem „höchst vornehmen Ausländer“ ein und lockt sie damit, dass er alles über sie und den Meister wisse. Außerdem gibt er ihr ein Döschen mit einer Salbe: Am Abend um halb zehn solle sie Gesicht und Körper damit einreiben und dann um zehn auf seinen Anruf warten. So geschieht es. Als sie sich mit der Zaubersalbe eincremt, verjüngt sich die 30-jährige Margarita zu einer 20-Jährigen. Von Freude erfüllt, schreibt sie einen Abschiedsbrief an ihren Mann: Sie sei zur Hexe geworden und verlasse ihn. Azazello ruft an und sagt, sie solle losfliegen. Nackt setzt sie sich auf einen herantänzelnden Schrubber und fliegt los, unsichtbar über Moskaus Dächern. Ihr erstes Ziel ist die Wohnung des verhassten Kritikers Latunski, die sie gründlich zerstört. Nach einem berauschenden Flug durch die Nacht samt Bad im Fluss geht es wieder nach Moskau. In Wolands Wohnung tut sich ein Ballsaal auf. Korowjew verkündet: Margarita soll die Gastgeberin für Wolands „Ball der Hundert Könige“ sein, der jährlich im Frühling zu Vollmond stattfindet. Sie selbst wird behandelt wie eine Königin.

Satansball und Wiedersehen

Der Ball ist ein rauschendes Fest, die Gäste sind dunkle Gestalten aus den verschiedensten Epochen: Mörder, Selbstmörder, Wahnsinnige, Falschmünzer, Staatsverräter. Die meisten von ihnen Herrscher. Die Frauen sind nackt, die Männer tragen Frack. Margarita hat die Aufgabe, alle zu begrüßen und ihnen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die Gäste küssen ihr ehrerbietig Knie und Hand. Es dauert lange und wird für Margarita sehr anstrengend, aber sie schlägt sich wacker. Nach dem Ball – der Ballsaal und alle Gäste zerfließen zu nichts – fragt Woland Margarita nach ihrem Wunsch, dem Preis für ihre Mühen. Sie wünscht sich den Meister zurück. Er taucht noch in derselben Sekunde auf, in Krankenhauskleidung, psychisch zerrüttet. Woland stellt sein Romanmanuskript wieder her – Margarita ist überglücklich und wünscht sich, dass alles wieder so ist wie früher. Margarita und der Meister werden zurück in die Kellerwohnung gebracht.

Dem gewöhnlichen Leben enthoben

Moskau kämpft damit, die unerhörten Ereignisse um Woland zu verarbeiten. Das Varieté wird geschlossen. Bei den Behörden existieren keine Papiere über Einreise oder Auftritt des Fremden. Mehrere Verhörte bitten darum, in eine gepanzerte Zelle gesperrt zu werden, aus Angst vor ihm. In Wolands Wohnung kommt es zum Showdown: Bei einem Schusswechsel mit einigen bewaffneten Männern in Zivil wird Kater Behemoth scheinbar verwundet – um sich dann umso hartnäckiger als unverwundbar zu zeigen. Der Teufel und seine Gehilfen setzen schließlich die Wohnung in Brand und entschwinden mit dem Rauch. Die offizielle Interpretation von alldem lautet: Massenhypnose.

„Und ich trat in die Welt, mit ihm in der Hand, und da war meine Welt für immer zerbrochen (...)“ (der Meister über seinen Roman, S. 189)

Jeschuas Jünger Levi Matthäus sucht Woland auf. Jeschua schickt ihn: Er habe das Werk des Meisters gelesen und bitte Woland darum, den Meister und Margarita mit Ruhe zu entlohnen. Woland lässt ausrichten, so solle es geschehen. Azazello kommt in die Kellerwohnung und vergiftet die beiden mit uraltem Wein, den auch schon Pontius Pilatus getrunken hat. Mit demselben Wein erweckt er sie anschließend wieder zum Leben: Auf schwarzen Rössern fliegen sie in den Nachthimmel. Sie begegnen dem unerlösten Pontius Pilatus, der unbedingt sein Gespräch mit Jeschua Ha-Nozri zu Ende führen will. Der Meister spricht ihn frei: Jeschua warte auf ihn. Dem Meister selbst und Margarita weist Woland die Zukunft – nicht in Moskau, sondern in einem schönen Haus mit rankenden Rosen, wo der Meister bei Kerzenlicht mit einem Gänsekiel seine künftigen Werke schreiben könne: in seinem ewigen Heim.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die 32 Kapitel von Meister und Margarita gliedern sich in zwei Teile, wobei die Titelfiguren erst relativ spät auftreten. Das episodenreiche Geschehen spielt auf drei Ebenen: erstens im Moskau der 1930er-Jahre, zweitens – in vier eingestreuten Kapiteln aus dem Roman des Meisters – im Jerusalem zur Zeit Jesu und drittens in einer fantastischen Sphäre, in der etwa Margaritas Flüge und der Satansball angesiedelt sind. Der Tonfall in den Pontius-Pilatus-Kapiteln ist tiefernst und getragen und unterscheidet sich damit stark vom absurd-komischen Pointenfeuerwerk der Moskauhandlung. Überall ist Bulgakows Sprache so durchgearbeitet, dass sie an Lyrik erinnert: Er arbeitet mit Rhythmen, Reimen und Refrains und vor allem mit kühnen Sprachbildern. Eine besondere Stärke sind auch die kernigen, unverschämten Dialoge, die den Dramatiker verraten. Alle Hauptfiguren werden durch einen eigenen sprachlichen Duktus charakterisiert: So spricht Pilatus lakonisch und düster, Jeschua ziemlich naiv, und Woland, der Teufel, aristokratisch und gewählt.

Interpretationsansätze

  • Der stalinistische Alltag, wie Bulgakow ihn ironisch darstellt, ist vor allem ein Exzess der Bürokratie: So nimmt die Verwaltung des Literaturbetriebs weit größeren Raum ein als die Literatur selbst. Schriftstellerverband, Kommission für schöngeistige Literatur, Poetenausschuss und Kreistheaterkommission sind die Institutionen eines aufgeblähten Systems, das aber nur von mittelmäßigen Schriftstellern bevölkert wird.
  • Bulgakow zeigt das Drama des Künstlers im Stalinismus – das er auch selbst durchlitt –, indem er den Meister unter die Räder dieser Literaturbürokratie schickt: Seine Manuskriptverbrennung ist eine symbolische Selbstauslöschung.
  • Im Pontius-Pilatus-Roman des Meisters, einer Passionsgeschichte aus verändertem Blickwinkel, geht es um das, was Bulgakow in der Schilderung der Moskauer Gegenwart ausspart: um die finsteren Mechanismen der Politik. Jeschua zeigt Pontius Pilatus seine eigene Verlorenheit auf.
  • Die zentrale Figur des Teufels ist nicht eindeutig definiert, mehrere Luzifer-Bilder klingen in Woland an. Zentral ist, dass er nicht als Widersacher Gottes erscheint, eher als sein Kompagnon – in diesem Sinne ist auch das Motto aus Goethes Faust zu verstehen: Der Teufel sei „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“.
  • Der Teufel ist auch ein Provokateur, der mit seiner Allmacht in die bürokratisch-totalitäre Ordnung einbricht und die Grenzen des Systems aufzeigt, die Unfähigkeit, mit Unvorhergesehenem umzugehen. Für das System gibt es nur diese Ordnung oder die Psychiatrie.
  • Schließlich ist der Teufel ein Satiriker, der mithilfe seiner Spießgesellen die Menschen in dieser angeblich klassenlosen Gesellschaft entlarvt und bestraft: Alle betrügen, alle sind geldgierig, sie setzen im Kampf um knappe Güter Bestechung ein und sind für eigene Privilegien bereit, ihre Mitmenschen zu denunzieren. Ausgenommen sind der Meister und Margarita – und sie sind denn auch die Einzigen, die vom Teufel nicht geschädigt werden, sondern dessen Hilfe erfahren.

Historischer Hintergrund

Stalinismus in Russland

Am 7. November 1917 putschten sich die Bolschewiken in Russland an die Macht. Es folgte ein mehrjähriger Bürgerkrieg zwischen der kommunistischen Roten Armee und der Weißen Armee, die dem zaristischen System treu war.1922 wurde die kommunistische Sowjetunion gegründet. Nach dem Tod von Lenin 1924 wurde Josef Stalin sein Nachfolger. Er sicherte sich seine Macht durch die gezielte Ausschaltung seiner Gegner: Ein Großteil seiner Parteigenossen wurde in öffentlichen Schauprozessen zum Tode verurteilt, inklusive der Parteielite und der Minister. Stalin legitimierte seine „Säuberungen“, die ihren Höhepunkt im „Großen Terror“ zwischen 1936 und 1938 fanden, mit einer „Verschärfung des Klassenkampfs“.

Stalin errichtete ein Netz von Spitzeln und Denunzianten, die Angst war im Alltag allgegenwärtig. Die Verhöre von mutmaßlich „antisowjetischen“ Gegnern waren geprägt von Demütigung, Schlafentzug, Prügel, Hunger und Durst; Geständnisse wurden unter Folter erpresst. Ethnische Minderheiten, Priester, Intellektuelle und Militärs wurden entweder gleich erschossen oder in Arbeitslager, sogenannte Gulags, deportiert, wo sie oft ermordet wurden. Man geht davon aus, dass bis zu 20 Millionen Menschen in diesen Lagern interniert waren. Wie viele darin umkamen, ist bis heute umstritten.

Künstler, die sich außerhalb der vorgeschriebenen sozialistischen Ästhetik bewegten, erhielten zumindest ein Veröffentlichungs- bzw. Aufführungsverbot. Stalin herrschte bis zu seinem Tod 1953. Mit seinem gemäßigteren Nachfolger Nikita Chruschtschow begann zuerst eine stille, dann eine offene Entstalinisierung, mit der auch der Personenkult um Stalin abebbte.

Entstehung

Der heute vorliegenden Textfassung von Meister und Margarita gingen insgesamt acht Versionen voraus, wobei sich die Anfänge vom Endresultat gewaltig unterscheiden. Die erste Stufe sind die 1928 bis 1929 geschriebenen Fragmente „Der schwarze Magier“ und „Der Huf des Ingenieurs“ – zwei Texte, die sich ganz im Expressionistischen, Grotesken erschöpfen. Nach und nach entwickelte Bulgakow Motive, die mehr in die Tiefe gingen, und dämpfte das Klamaukhafte immer mehr ab, in den Pilatus-Kapiteln sogar vollständig.

Als er 1939 an Nierensklerose erkrankte und langsam seine Sehfähigkeit verlor, ging er dazu über, die letzte Fassung seiner Frau Jelena zu diktieren. Den letzten Korrekturdurchgang konnte er nicht mehr ganz abschließen, er musste am 13. Februar 1940 abgebrochen werden, weil Bulgakow nicht mehr sprechen konnte. Vier Wochen später starb er.

Es gibt zahlreiche autobiografische Bezüge im Roman. Die Figur, die am deutlichsten an Bulgakow angelehnt ist, ist der Meister. Margarita trägt weitgehend die Züge von Bulgakows dritter Ehefrau Jelena, die lange Jahre seine Geliebte (und Ehefrau eines Generals) gewesen war.

Den wichtigsten literarischen Einfluss auf den Satiriker Bulgakow hatte sicherlich sein Landsmann Nikolai Gogol. Ein wichtiger Ahnherr für Meister und Margarita war aber auch Johann Wolfgang von Goethe, der Gestalter des Faust-Mythos.

Wirkungsgeschichte

Meister und Margarita erschien erstmals 1966/67 in stark zensierter, gekürzter Form in zwei Ausgaben der Literaturzeitschrift Moskwa. Schon diese Veröffentlichung war ein einschneidendes Ereignis in der intellektuellen Sowjetunion: Nicht nur wurde sofort der literarische Wert des Textes erkannt – man sprach von einem Jahrhundertwerk –, es wurde im Sowjetkommunismus auch schnell selbst zu einer Offenbarungsschrift für kritisch eingestellte Leser. Die Pilatus-Kapitel waren für nicht wenige der Einstieg ins Christentum und der längst vergessene Bulgakow wurde postum zum wichtigsten sowjetischen Schriftsteller gekürt.

In den 1990er-Jahren breitete sich der Roman dann in unzensierter Form millionenfach aus und wurde zum Kultbuch in sehr breiten Bevölkerungsschichten, gerade auch unter Jugendlichen und bei den verschiedensten Vertretern des Undergrounds. Ob Mystiker, Hippies oder Satanisten, alle fanden in diesem Roman ihre spirituellen Wurzeln, lernten Passagen auswendig, diskutierten darüber oder trafen sich in der Wohnung Nummer 50 in der Moskauer Gartenstraße, dem zentralen Schauplatz der Romanhandlung. Bis heute ist das Buch in Russland Gegenstand einer beinahe religiösen Ehrfurcht; über kaum ein Werk der russischen Literatur wurde und wird so viel geschrieben.

Über den Autor

Michail Bulgakow wird am 15. Mai 1891 als Sohn eines Universitätstheologen in Kiew geboren. Schon als Schüler schreibt er Erzählungen. In Kiew studiert er Medizin, 1913 heiratet er Tatjana Lappa. Er arbeitet als Landarzt und als Chirurg in Feldlazaretten des Ersten Weltkriegs. Er wird morphiumsüchtig und muss einen Entzug machen. Anfang der 20er-Jahre veröffentlicht er einige Erzählungen; der Kriegsroman Die weiße Garde, geschrieben 1924, wird nicht veröffentlicht. Auch im russischen Bürgerkrieg arbeitet er als Militärarzt, aufseiten der Weißen Armee. Nach dem Sieg der Roten Armee will er sich deshalb ins Ausland absetzen wie seine Brüder, die in Paris leben. Die Flucht misslingt, und er geht 1921 nach Moskau. 1924 lässt er sich scheiden, 1925 heiratet er Ljubow Beloserskaja. Im gleichen Jahr entsteht seine satirische Novelle Hundeherz, die aber nicht veröffentlicht wird. 1930 wird Bulgakow mit einem Aufführungs- und Veröffentlichungsverbot belegt und von den staatlichen Literaturverbänden angefeindet. Er stellt mehrere Ausreiseanträge, die aber abgelehnt werden. Bulgakow arbeitet als Regisseur und Dramaturg an verschiedenen Theatern. Trotz der Ächtung und ohne jede Aussicht auf Veröffentlichung beginnt er Ende der 20er-Jahre mit der Arbeit an seinem Hauptwerk Meister und Margarita. Während zwölf Jahren erstellt er unterschiedliche Fassungen. Als er an Nierensklerose erkrankt und erblindet, diktiert er die letzte Fassung seiner langjährigen Geliebten und dritten Ehefrau Jelena Sergejewna. Er stirbt am 10. März 1940. Meister und Margarita wird erstmals 1966/68 veröffentlicht, wenn auch stark zensiert. Schon in dieser Form wird das Werk als Jahrhundertroman gefeiert und Bulgakow als führender Satiriker und Kritiker der sowjetischen Verhältnisse seiner Zeit wiederentdeckt.

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    D. Z. vor 8 Jahren
    ausführliche und perfekte zusammenfassung! vielen dank

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