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Trauer muss Elektra tragen

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Trauer muss Elektra tragen

Eine Trilogie

Fischer Tb,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Griechische Tragödie, historisches Drama und moderne Psychoanalyse in einem.

Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Familie als unausweichliches Schicksal

Als Eugene O’Neills Familiendrama Trauer muss Elektra tragen 1931 in New York uraufgeführt wurde, waren die Kritiker begeistert. Auf der Bühne sahen sie eine griechische Tragödie in modernem Gewand. O’Neill übertrug die Orestie des Aischylos auf das Amerika des 19. Jahrhunderts. Antike Charaktere, Themen wie Rache, Eifersucht und Mord, ja selbst den – freilich verfremdeten – Chor übernahm der amerikanische Dramatiker aus der griechischen Vorlage. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: In der modernen Welt sind nicht mehr die Götter, sondern familiäre Verstrickungen, inzestuöse Wünsche und letztlich das Individuum selbst für das persönliche Schicksal verantwortlich. Hoffnung auf Erlösung gibt es nicht, jeder Versuch, sich aus neurotischen Verhältnissen zu befreien, ist zum Scheitern verurteilt. Trotz dieses Pessimismus ist die von Freud inspirierte Neuversion der Orestie äußerst sehens- und lesenswert.

Take-aways

  • Eugene O’Neills Stück Trauer muss Elektra tragen zählt zu den Klassikern unter den modernen amerikanischen Dramen.
  • Inhalt: Als Ezra Mannon aus dem amerikanischen Bürgerkrieg heimkehrt, wird er von seiner Frau Christine vergiftet. Ihre Kinder Lavinia und Orin decken den Mord auf und rächen sich, indem sie den Geliebten ihrer Mutter töten. Daraufhin begeht Christine Selbstmord. Vergeblich versuchen Lavinia und Orin, ihren Schuldgefühlen zu entkommen. Die familiären Verstrickungen treiben sie in Tod und Vereinsamung.
  • Trauer muss Elektra tragen folgt der Vorlage von Aischylos’ Trilogie Orestie.
  • O’Neill übertrug die Tragödie aus dem antiken Griechenland in das vom Sezessionskrieg gezeichnete Amerika der 1860er Jahre.
  • Anders als im klassischen Mythos bestimmen nicht die Götter, sondern familiäre Konflikte und inzestuöse Verhältnisse das Schicksal des Einzelnen.
  • Als Anhänger der Theorien Sigmund Freuds betrachtete O’Neill die Familie als Quelle neurotischer Störungen.
  • Die Sprache des Stücks ist realistisch und wirkt nur selten poetisch überhöht.
  • Trauer muss Elektra tragen trug maßgeblich dazu bei, dass O’Neill im Jahr 1936 der Nobelpreis verliehen wurde.
  • Das Stück wurde 1947 mit Kirk Douglas in einer Nebenrolle verfilmt.
  • Zitat: „Die einzige Liebe, die es jetzt noch für mich gibt, ist die Liebe der Schuld zur Schuld, die wieder nur noch mehr Schuld zeugt –, bis man auf dem tiefsten Grund der Hölle angelangt ist und nicht mehr tiefer sinken kann und dort in Frieden ruht!“

Zusammenfassung

Familiengeheimnisse

Neuengland im April 1865: Die immer noch jugendlich wirkende Christine Mannon wartet zusammen mit ihrer Tochter Lavinia auf ihren Ehemann Ezra Mannon, der im Krieg gegen die Südstaaten als Brigadegeneral an der Front kämpfte und jeden Moment zurückkehren sollte. Draußen, im Garten des herrschaftlichen Hauses, das von fern an einen griechischen Tempel erinnert, tratschen der Gärtner Seth und seine Freunde aus der Stadt über die Familie des reichen Reedereibesitzers und Bürgermeisters Mannon. Offenbar hat sie so manches Geheimnis zu verbergen. Seth möchte der eher reizlosen, strengen Lavinia etwas erzählen und macht sie mit merkwürdigen Andeutungen neugierig.

„Ich weiß nichts von der Liebe! Ich will auch nichts davon wissen! (...) Ich hasse die Liebe!“ (Lavinia, S. 21)

Sie werden jedoch unterbrochen, als Hazel und Peter vorbeischauen, ein mit Lavinia befreundetes Geschwisterpaar. Peters Annäherungsversuche weist Lavinia mit Ausflüchten zurück. Peter ahnt, dass sie in Wahrheit in den schnittigen Schiffskapitän Adam Brant verliebt ist. Umso erschrockener ist Lavinia über die Mitteilung, die Seth ihr schließlich doch noch macht: Brant, den sie so sehnsüchtig erwartet, könnte ihr Cousin sein. Vor über 30 Jahren hatte der Bruder ihres Großvaters ein Verhältnis mit einem kanadischen Kindermädchen. Er wurde von der Familie verstoßen und zog mit der Frau fort. Sie bekamen einen Jungen – wahrscheinlich ebenjenen Brant. Jedenfalls sieht er den Mannons sehr ähnlich.

„Sie sind so feige wie alle Mannons, wenn’s darum geht, der Wahrheit über sich selbst ins Auge zu blicken, stimmt’s?“ (Brant zu Lavinia, S. 33)

Als Lavinia Brant mit dem Verdacht konfrontiert, rückt er mit der ganzen Wahrheit heraus: Nicht nur der erwähnte Großonkel von Lavinia, sondern auch dessen Bruder, ihr Großvater, war in das Kindermädchen verliebt. Er verbannte den Bruder und betrog ihn um seinen Erbteil. Brant wuchs in Armut auf. Er war sieben Jahre alt, als sein Vater, der trank und die Mutter prügelte, sich erhängte. Seine Mutter schuftete sich ab, um ihm ein Leben als Gentleman zu ermöglichen. Als sie krank wurde und nicht mehr arbeiten konnte, bat sie Ezra Mannon um finanzielle Hilfe. Der antwortete aber nicht auf ihren Brief. Deshalb ist er für Brant mitschuldig an ihrem Tod. Brant hat sich geschworen, seine Mutter zu rächen. Lavinia durchschaut seinen Plan: Er hat eine Affäre mit Christine, um sich an Ezra Mannon zu rächen.

Eifersucht und Rachepläne

Nach einer heftigen Auseinandersetzung gesteht Christine, dass sie eine Affäre mit Adam Brant hat. Lavinia kann nicht verstehen, wie sie das ihrem Vater antun konnte. Christine erklärt, dass sie nur kurze Zeit in Ezra Mannon verliebt war. Nach der Hochzeit wurde aus Romantik Ekel. Lavinia ist erschüttert darüber, im Ekel gezeugt worden zu sein. Den Hass ihrer Mutter habe sie immer schon gespürt. Den Sohn dagegen, Orin, habe Christine immer geliebt. Diese erwidert, nur weil Orin gezwungen worden sei, in den Krieg zu ziehen und sie zu verlassen, habe sie sich überhaupt auf ein Verhältnis mit Brant eingelassen, der Orin sehr ähnele. Am liebsten würde Lavinia dem geliebten Vater alles erzählen, sobald er zurück ist. In einem Brief an ihn und den Bruder hat sie ohnehin bereits erwähnt, dass Brant die Mutter besucht und die Leute darüber tratschen. Aber um Ezra zu schonen, will sie schweigen, vorausgesetzt Christine beendet die Affäre. Die entgegnet, Lavinia sei ja nur eifersüchtig und wolle Brant für sich. Immer schon habe Lavinia sie vertreiben und ihre Stelle als Mannons Frau und Orins Mutter einnehmen wollen.

„Ich bin also aus deinem Ekel geboren! Das habe ich immer schon geahnt, Mutter – schon von klein auf –, wenn ich zu dir kam – voller Liebe – und du mich jedes Mal weggestoßen hast.“ (Lavinia, S. 40)

Nachdem Lavinia gegangen ist, sucht Christine zusammen mit Brant einen Ausweg. Man müsste Ezra töten, dann wäre der Weg frei für ein gemeinsames Leben. Und mit dem Geld der Mannons könnte Brant sich das Schiff kaufen, von dem er träumt. Die Frage ist nur, wie man vorgehen soll. Da fällt Christine ein, dass ihr Mann in seinen Briefen von der Front immer über Herzschmerzen geklagt hat. Sie hat es anderen erzählt; inzwischen weiß jeder darüber Bescheid. Christine will ihm darum ein tödliches Medikament verabreichen, und wenn er stirbt, werden alle denken, es sei das Herz gewesen.

„Du hast versucht, die Frau deines Vaters und die Mutter Orins zu werden! Du hast immer schon geplant, mir meinen Platz zu rauben!“ (Christine zu Lavinia, S. 43)

Als Ezra Mannon zurückkehrt, ist Lavinia außer sich vor Freude. Der Vater hingegen, förmlich und unterkühlt, zeigt sich angesichts ihrer Tränen peinlich berührt. Zum Entsetzen seiner Frau und der Tochter erzählt er, Orin sei verwundet. Nur eine Schramme – aber endlich sei aus dem Muttersöhnchen ein richtiger Mann geworden. Als Lavinia Brants Anwesenheit erwähnt, stellt Christine die Situation geschickt so dar, als wäre er nur hier, um der Tochter den Hof zu machen – was prompt Mannons Eifersucht weckt. Doch Lavinia versichert dem Vater, er sei der einzige Mann, den sie je lieben werde.

Ezra Mannons Ermordung

Der Krieg hat Mannon verändert. Im Angesicht des Todes hat er über sein Leben und seine Ehe nachgedacht. Nun offenbart er Christine seine Gefühle: Zwischen ihnen beiden habe stets eine Mauer des Schweigens gestanden. Nach Orins Geburt sei sie nur noch für den Sohn dagewesen, der Mann habe nicht mehr existiert. Um sich abzulenken, habe er Karriere als Richter und Bürgermeister gemacht, doch eigentlich habe er sich nur nach Christines Liebe gesehnt. Er habe es ihr nie richtig zeigen können, aber er liebe sie – immer noch. Mannon möchte die Mauer zwischen ihnen niederreißen und von vorn beginnen, doch Christine wehrt ab. Mitten in das Gespräch platzt Lavinia hinein, die eine Annäherung der Eltern vermutet. Dies versucht sie eifersüchtig zu verhindern – die Liebe des Vaters gehört ihr allein.

„Es ist mir immer schwergefallen, über Gefühle zu sprechen. Wenn du mich angesehen hast, konnte ich es nie. Dein Blick war immer so – so voller Schweigen!“ (Mannon zu Christine, S. 67)

Im Schlafzimmer macht Mannon seiner Frau den Vorwurf, sie habe sich ihm nur unter Zwang hingegeben, wie eine Prostituierte. In ihrer Wut gesteht Christine ihm die Wahrheit: Sie erzählt ihm, dass sie ein Verhältnis mit Brant, dem Sohn seines Onkels und des Kindermädchens, hat. Er sei zärtlich und liebevoll und gebe ihr, was sie in ihrer Ehe stets vermisst habe. Auf diese Nachricht hin erleidet Mannon einen Herzanfall und verlangt nach seiner Medizin. Doch statt ihm die benötigten Herztabletten zu geben, verabreicht Christine ihm das tödliche Mittel, das Brant ihr besorgt hat. Die herbeigeeilte Lavinia, die vor dem Schlafzimmer der Eltern lauerte, erkennt entsetzt, dass die Mutter den Vater vergiftet hat.

Wechselnde familiäre Fronten

Zwei Tage später sind Hazel und Peter wieder einmal bei den Mannons zu Besuch und warten auf Orins Heimkehr. Christine nimmt die sanfte und freundliche Hazel, die schon seit Längerem in Orin verliebt ist, beiseite. Sie warnt das Mädchen eindringlich vor Lavinia: Diese werde niemals eine Beziehung zwischen Hazel und Orin zulassen, da sie den Bruder ganz für sich haben wolle. Unter diesem Vorwand bittet Christine Hazel um Hilfe: Gemeinsam wollen sie verhindern, dass Lavinia auf ihren Bruder zu großen Einfluss nimmt.

„Dein Körper? Was bedeutet mir schon dein Körper? Ich habe zu viele davon in der Sonne faulen sehen, damit das Gras grünt! Asche zu Asche und Dreck zu Dreck!“ (Mannon zu Christine, S. 74)

Orin kehrt zurück, heilfroh, endlich wieder daheim zu sein. Die Erinnerungen an den Krieg und an all die Toten quälen ihn mehr als seine leichte Kopfverletzung. Er kann nicht um den Vater trauern, denn das Leben an der Front hat ihn zu soldatischer Gefühllosigkeit erzogen. Doch dass seine Mutter ein Verhältnis mit Brant haben soll, reizt ihn zur Eifersucht. Er wundert sich auch, warum Christine die ganze Zeit versucht, ihn mit Hazel zu verkuppeln, für die sie früher doch nie etwas übrig hatte. Will sie ihn jetzt, wo sie Witwe ist, loswerden? Seltsamerweise habe sie ihm auch nur noch selten an die Front geschrieben. Doch Christine versichert ihn ihrer Liebe. Immer schon seien sie beide gegen Vater und Tochter verbündet gewesen. Und nun, da der Ehemann und Vater endlich tot sei, würden sie sich ihre eigene Welt schaffen. Orin dürfe bloß nicht auf die Lügen der wahnsinnigen Lavinia hören, die ihr doch tatsächlich unterstelle, sie hätte ein Verhältnis mit Brant und habe zudem ihren Mann vergiftet. Doch Orin versichert, dass ihm selbst ein solches Verbrechen egal wäre. Er will einzig seine Mutter für sich haben. Im Krieg habe er nur von ihr geträumt: wie sie zusammen auf einer Südseeinsel gewesen seien – dem Inbegriff von Frieden, Wärme und Sicherheit. Sie selbst sei die Insel gewesen, die Brandung ihre Stimme, der warme Sand ihre Haut. Es sei die schönste Insel der Welt gewesen, so schön wie sie, seine Mutter.

„Ihr hier zu Hause nehmt den Tod so ernst! An der Front, da hättet ihr rasch kapiert, dass er bloß ein Witz ist.“ (Orin, S. 113)

Trotz Orins Einwänden bleibt Lavinia dabei: Christine hat Mannon ermordet. Wenn Orin ihr nicht helfe, die Mörderin ihres Vaters zu bestrafen, werde sie zur Polizei gehen, auch wenn es für die Familie einen Skandal bedeute. Doch Orin zeigt sich gleichgültig. Was sei denn angesichts der Leichenberge im Krieg schon ein Toter mehr? Erst als Lavinia ihn aufklärt, in welchem Verhältnis die Mutter zu Brant steht, wacht er auf. Wenn es stimme, dass Brant und die Mutter gemeinsam den Mord am Vater geplant hätten, werde er sich rächen und Brant umbringen. Er brauche nur noch einen Beweis.

Tödliche Mutterliebe

Christine sucht Brant auf seinem Schiff im Bostoner Hafen auf, um ihn zu warnen. Sie glaubt sich unbeobachtet, doch ihre Kinder sind ihr heimlich gefolgt und belauschen das Gespräch. Brant beschließt, mit seiner Geliebten zu fliehen – vielleicht finden sie die Südseeinseln, von denen er träumt. Nun erkennt Orin, dass seine Mutter tatsächlich ein Verhältnis mit Brant hat. Nachdem Christine gegangen ist, erschießt er ihn rasend vor Eifersucht aus dem Hinterhalt. Anschließend verwüstet er die Kapitänskajüte, um einen Raubüberfall vorzutäuschen. Als Orin dem Toten ins Gesicht blickt, erstaunt ihn dessen Ähnlichkeit mit dem Vater und auch mit sich selbst. Er erkennt: An Brants Stelle hätte er genauso gehandelt und aus Liebe zu Christine den alten Mannon beiseitegeschafft.

„Mich beschlich das komische Gefühl, Krieg bedeute, denselben Mann immer wieder zu töten, um am Ende festzustellen, dass ich selbst dieser Mann war!“ (Orin, S. 114)

Vor dem Haus wartet Christine nachts ungeduldig auf ihre Kinder. Als sie endlich auftauchen, gesteht Lavinia Christine ohne Umschweife, dass sie ihr nach Boston gefolgt sind und sie in der Kajüte mit Brant beobachtet haben. Und Orin schockiert sie mit der Nachricht, er habe ihren Geliebten getötet. Der habe nur seine gerechte Strafe erhalten, erklärt Lavinia der Mutter kühl, die entsetzt ins Haus stürmt. Kurz darauf hört man einen Pistolenschuss – Christine hat sich umgebracht. Orin fühlt sich schuldig am Tod der Mutter, Lavinia dagegen behält die Nerven und teilt Seth sogleich die angebliche Ursache für den Selbstmord der Mutter mit: Sie habe sich aus Kummer über den Tod ihres Mannes erschossen.

In der Rolle der Eltern

Ein Jahr später erwartet man die Rückkehr der Geschwister Mannon, die nach dem Selbstmord der Mutter überstürzt in die Südsee aufgebrochen sind. Die Leute in der Stadt behaupten, dass es im Haus der Mannons spukt. Peter und Hazel halten das für Unfug, aber Seth meint, es sei was dran. Nicht dass er an Gespenster glaube, aber in dem Haus spüre man eine Art bösen Geist. Während ihrer Abwesenheit haben sich Lavinia und Orin sehr verändert. Aus dem mageren, reizlosen Mädchen ist eine üppige und anmutige Frau geworden. Ihre Bewegungen sind weicher und sie ähnelt auf verblüffende Weise ihrer Mutter. Orin dagegen hat abgenommen, wirkt jetzt hölzern und steif wie ein Soldat und erinnert sehr an seinen Vater. Lavinia hat sich, wie Orin bemerkt, nicht nur äußerlich der Mutter angeglichen: Sie behandelt ihn so, wie ihn einst die Mutter behandelte, und er gehorcht ihr wie ein braver Sohn. In herrischem Ton fordert Lavinia Orin auf, endlich seine krankhaften Schuldgefühle in den Griff zu kriegen.

„Früher war ich wie du! Ich glaubte an den Himmel! Heute weiß ich, dass es nur eine Hölle gibt!“ (Christine zu Hazel, S. 140)

Peter ist von Lavinias Wandel positiv überrascht. Orin bestätigt, sie sei auf den Inseln sinnlich und romantisch geworden, die hübschen Eingeborenen hätten es ihr angetan. Nachdem sie den Bruder fortgeschickt hat, offenbart Lavinia Peter, dass sie ihn liebe. Die Inseln hätten sie befreit und den Tod vergessen lassen. Sie wolle die Liebe spüren, Peter heiraten, mit ihm Kinder bekommen und aufs Land ziehen. Allerdings stellt sie sich die Frage, was mit Orin geschehen soll. Denn auch nachdem dieser sich mit Hazel verlobt hat, bessert sich sein Zustand nicht. In seiner düsteren Stimmung hat er die Familiengeschichte der Mannons aufgeschrieben. Die Wahrheit sei, dass Lavinia Brant geliebt habe und eifersüchtig auf die Mutter gewesen sei; außerdem soll sie es mit einem Eingeborenen getrieben haben – davon lässt er sich nicht abbringen. Wenn sie ihn verlasse und Peter heirate, werde er alles verraten.

„Dunkelheit ohne einen Stern, der uns leitet! Wohin gehen wir, Vinnie?“ (Orin, S. 177)

Lavinia bewacht ihren zusehends pflegebedürftigen Bruder scharf – zum Ärger Hazels, die ihn zu sich holen möchte. In einem unbewachten Moment überreicht Orin Hazel das Manuskript seiner Familiengeschichte. Als Lavinia den Umschlag in Hazels Händen entdeckt, tobt sie. Erst nachdem sie versprochen hat, auf Peter zu verzichten, fordert Orin von Hazel das Manuskript zurück. Doch seine Schuldgefühle über den Tod der Mutter und Lavinias Weigerung, seine Geliebte zu werden, treiben ihn schließlich in den Selbstmord: Er erschießt sich im Arbeitszimmer des Vaters. Lavinia bereitet sich auf ein neues Leben mit Peter vor, fernab von den Mannons. Als sie Peter am Tag von Orins Beerdigung versehentlich „Adam“ nennt, erkennt sie, dass sie die Toten nicht loswerden kann. Peters Misstrauen lenkt sie mit dem Geständnis ab, sie habe auf der Insel einen Eingeborenen geliebt – was Peter reicht, um sie zu verlassen. Lavinia muss fortan allein im Haus der Mannons leben. Sie betrachtet das als gerechte Strafe.

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Aufbau und Stil

Eugene O’Neills Drama Trauer muss Elektra tragen folgt seinem Vorbild, der Orestie des Aischylos, in seiner Dreiteilung. Der erste Teil ist mit „Heimkehr“, der zweite mit „Die Gehetzten“ und der dritte mit „Die Heimgesuchten“ überschrieben. Jeder Teil gliedert sich in vier oder fünf Akte, die jeweils zugleich einer Szene entsprechen. Zu Beginn jedes Teils finden sich sehr detaillierte Regieanweisungen zum Handlungsort und zum Aussehen der Figuren. Auch zwischen den Dialogen werden immer wieder Angaben zu Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Tonfall und Gefühlszuständen eingefügt. Die Sprache ist überwiegend naturalistisch: So reden der Gärtner und seine Freunde, die aus der unteren Gesellschaftsschicht stammen, einen Slang, der sich deutlich vom gehobenen Duktus der Oberschichtfamilie Mannon unterscheidet. Realistisch sind die Dialoge auch insofern, als sich die Figuren immer wieder gegenseitig ins Wort fallen. Wenn dagegen von den traumatischen Kriegserlebnissen oder von den Südseeinseln die Rede ist, herrscht eine deutliche Tendenz zur sprachlichen Verdichtung und poetischen Überhöhung vor.

Interpretationsansätze

  • O’Neills Familiendrama Trauer muss Elektra tragen basiert auf Aischylos’ Orestie. Es überträgt die Atridensage ins Neuengland der 1860er Jahre, unmittelbar nach Beendigung des amerikanischen Sezessionskriegs. Ezra Mannon verkörpert Agamemnon, der aus dem Krieg heimkehrt, seine Frau Christine die Klytaimnestra, die Brant alias Aigisthos liebt und ihren Mann vergiftet. Tochter Lavinia, nach dem Vorbild der Elektra geschaffen, entdeckt den Mord und überredet ihren Bruder Orin – im antiken Vorbild Orest –, die Mutter zu töten.
  • Wie schon im antiken Mythos erweist sich das Schicksal als unausweichlich. Im Unterschied zur griechischen Sage bestimmen allerdings nicht die Götter, sondern innerfamiliäre Konflikte und Emotionen über den Einzelnen. Schuld und Sühne kann nicht – wie noch bei Aischylos – göttlichen Mächten überantwortet werden. Der moderne Mensch trägt seine Schuld allein.
  • Als Chor und „menschlicher Hintergrund“, wie O’Neill es selbst nannte, agieren die mit dem Gärtner Seth befreundeten Stadtbewohner, die zu Beginn des jeweils ersten Aktes der drei Teile die Familientragödie kommentieren sowie Klatsch und Tratsch austauschen.
  • Wie ein Leitmotiv zieht sich die physische und psychische Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter sowie Vater und Sohn durch das Drama. O’Neill führt dem Zuschauer damit plastisch vor Augen, dass niemand seiner familiären Abstammung und Prägung entkommen kann.
  • Die inzestuösen Verstrickungen wie auch die erlittenen Kriegstraumen bestimmen das hochneurotische Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder zueinander, die sich gegenseitig abwechselnd ihrer Liebe und ihres Hasses versichern. Bei allen Konflikten werden die patriarchalischen Familienstrukturen jedoch niemals grundsätzlich infrage gestellt.
  • Das immer wieder auftauchende Motiv der Südseeinseln, nach denen sich fast alle Figuren sehnen, symbolisiert den unerfüllbaren Traum von Liebe und Frieden, Harmonie und sexueller Freiheit. Es steht in deutlichem Kontrast zu der streng puritanischen Haltung der neuenglischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert.

Historischer Hintergrund

Die Familie als Ursprung neurotischer Störung

Herrschte bis weit ins 18. Jahrhundert noch die Großfamilie als „Hausgenossenschaft“ vor, in der Eheleute und ihre Kinder zusammen mit Großeltern, entfernteren Verwandten und Dienstboten lebten und arbeiteten, so bildete sich im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert allmählich die moderne Kleinfamilie heraus. Mit dem Aufstieg des Bürgertums als politisch und gesellschaftlich bestimmender Schicht entstand zugleich ein neues bürgerliches Familienideal. In vorbürgerlicher Zeit war die Familie vorwiegend ein Zweckbündnis, doch nun rückten Gefühle in den Vordergrund. Die funktionalen Beziehungen wurden zunehmend durch emotionale Bindungen ersetzt. Als Schutzraum und Gegenpol zur Öffentlichkeit und zur Arbeitswelt gewann die Familie im 19. Jahrhundert an Bedeutung und wurde zum höchsten Wert bürgerlichen Lebens.

Das bürgerliche Familienideal hatte allerdings auch eine Kehrseite, die in der Literatur diskutiert wurde. Die einstmals so geschätzte Intimität, die die Kleinfamilie als geschützter, nach außen abgeschotteter Raum bot, wurde zunehmend als bedrückend und beengend empfunden. Das idealisierte traute Heim geriet immer stärker in die Kritik. Der Blick von Autoren richtete sich auf mögliche negative Konsequenzen enger familiärer Bindungen und Abhängigkeiten. Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert setzte sich eine Vielzahl literarischer Texte kritisch mit der Institution der Kleinfamilie als Brutstätte von Neurosen auseinander. Autoren wie August Strindberg, Henrik Ibsen, Emile Zola, Arthur Schnitzler, Gerhart Hauptmann und Franz Kafka stellten die bedrückende Realität hinter der Fassade der heilen bürgerlichen Familien dar, die den Einzelnen in seinen Wünschen und seiner Entwicklung hemmte.

Nicht nur die Literatur, auch die Psychoanalyse blies zum Angriff auf die Kleinfamilie. Bereits in den frühen 1890er Jahren erkannte Sigmund Freud im Sexualtrieb und in den bis in die frühe Kindheit zurückreichenden sexuellen Sehnsüchten und Wünschen die Hauptursache des neurotischen familiären Lebens. In diese Zeit fällt auch seine Entdeckung des Ödipuskomplexes, der fortan eines der Kernstücke seiner Theorie der Psychoanalyse bildete. In den 1905 erschienenen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie legte Freud in dem für ihn typischen nüchternen Ton offen und frei von jeder moralisierenden Kritik die Entwicklung von der Kindheit bis zur Pubertät dar. Die Figur des griechischen Königs Ödipus von Theben, der den Vater tötet und ohne sein Wissen in einem inzestuösen Verhältnis mit seiner Mutter lebt, diente Freud als Beschreibung eines komplexen Phänomens, das er bei sich selbst und bei seinen Patienten beobachtet hatte: Im Alter von drei bis fünf Jahren, so seine Theorie, seien Jungen gewöhnlich in die eigene Mutter verliebt, während sie den Vater aus Eifersucht am liebsten beseitigen würden. In der Unterdrückung dieses Verlangens sah der Wiener Arzt die Ursachen zahlreicher seelischer Störungen.

1913 sprach Freuds Schüler Carl Gustav Jung vom weiblichen Pendant des Ödipuskomplexes: dem Elektrakomplex. Er bezeichnete damit eine ausgeprägte Bindung der Tochter an den Vater, die zugleich zu einer Feindseligkeit gegenüber der Mutter führe.

Entstehung

„Schicksal entspringt der Familie“, schrieb Eugene O’Neill 1930 während seiner Arbeit an Trauer muss Elektra tragen. Der Autor, der von sich selbst sagte, er lebe allein für das Schreiben, arbeitete oft an mehreren Stücken gleichzeitig. Für Trauer muss Elektra tragen benötigte der Vielschreiber O’Neill drei Jahre – was für ihn ungewöhnlich lange war. Nachdem er den ersten Entwurf des Stücks fertig hatte, schrieb er seinem Verleger, er habe daran gearbeitet wie noch an keinem Stück zuvor – aber das sei es wert gewesen. Während er andere Dramen im Rückblick oftmals kritisch beurteilte, änderte er sein Urteil über das Familiendrama, das er seiner dritten Frau Carlotta Monterey widmete, auch später nicht. 1936, sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung von Trauer muss Elektra tragen, sagte er, dieses Stück habe ihm die größte persönliche Befriedigung verschafft, und noch 1945 machte er die Äußerung, es sei das beste seiner älteren Stücke.

Wirkungsgeschichte

Trauer muss Elektra tragen wurde am 26. Oktober 1931 im New Yorker Guild Theatre uraufgeführt. Während die Kritiker sich vor Begeisterung überschlugen, hielten sich die Reaktionen des Theaterpublikums im Rahmen. Weder löste das über drei Stunden währende Familiendrama einen Begeisterungssturm aus, noch war es ein Flop. Die deutsche Erstaufführung fand 1947 in Hamburg statt. Seitdem steht das Stück, das maßgeblich zur Verleihung des Nobelpreises an Eugene O’Neill beitrug, immer wieder auf dem Spielplan deutscher Theater. Es wurde mehrfach verfilmt, u. a. 1947 vom amerikanischen Regisseur Dudley Nichols mit Kirk Douglas in einer Nebenrolle.

Über den Autor

Eugene O’Neill wird am 16. Oktober 1888 als dritter Sohn des irischstämmigen Schauspielers James O’Neill und seiner Frau Mary in einem New Yorker Hotelzimmer am Broadway geboren. Der zweite Sohn Edmund ist im Alter von anderthalb Jahren an Masern gestorben. Mit seiner Mutter und dem älteren Bruder James begleitet der junge Eugene den Vater auf dessen Tournee quer durch die USA und besucht verschiedene katholische Internate. Nach Abschluss der Schule beginnt er 1906 ein Studium an der Universität Princeton, aus der er jedoch bereits ein knappes Jahr später wegen Regelverstoßes ausgeschlossen wird. In den folgenden Jahren versucht er sich u. a. als Goldsucher in Honduras und als Seemann. Eine Zeit lang führt er das Leben eines alkoholkranken Obdachlosen in New York, Buenos Aires und Liverpool, wobei er auch einen Selbstmordversuch unternimmt. Im Alter von 24 Jahren findet er für ein paar Monate einen Job als Reporter und Autor lyrischer Beiträge beim New London Telegraph. 1912 erkrankt er an Tuberkulose und verbringt ein halbes Jahr im Sanatorium, wo er sich intensiv mit Ibsen, Strindberg, Nietzsche und Dostojewski beschäftigt und beschließt, selbst Dramatiker zu werden. O’Neill arbeitet einige Jahre für eine experimentelle Künstlergruppe, die alle seine Einakter aufführt. Mit Beyond the Horizon (Jenseits vom Horizont, 1920) erlangt er erstmals die Aufmerksamkeit eines breiteren Theaterpublikums. In den folgenden Jahrzehnten feiert er große Erfolge mit Stücken wie Mourning Becomes Electra (Trauer muss Elektra tragen, 1931). Sein Meistwerk Long Day’s Journey into Night (Eines langen Tages Reise in die Nacht) wird erst 1956 posthum veröffentlicht. 1936 gewinnt er – als erster amerikanischer Dramatiker – den Nobelpreis für Literatur. Privat allerdings erleidet er zahlreiche Schicksalsschläge. Seine beiden ersten Ehen werden geschieden, von seiner dritten Frau lebt er zeitweise getrennt. Sein alkoholkranker Sohn begeht Selbstmord und zu seiner Tochter Oona, deren Heirat mit Charlie Chaplin er missbilligt, bricht er jeden Kontakt ab. Seine letzten Jahre verbringt der an einem Nervenleiden erkrankte Autor zurückgezogen in einem Bostoner Hotel, wo er am 27. November 1953 stirbt. „In einem Hotelzimmer geboren und verdammt noch mal in einem Hotelzimmer gestorben“, sind angeblich seine letzten Worte.

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