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Heliopolis

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Heliopolis

Klett-Cotta,

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12 take-aways
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What's inside?

Totalitarismus war gestern? Ernst Jüngers Roman entführt den Leser in die Zukunftsstadt Heliopolis, in der sich Technikfetischisten und Aristokraten bekämpfen.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Kampf um die Stadt Heliopolis

In seinem Roman Heliopolis entführt Ernst Jünger den Leser in eine Stadt gleichen Namens und in eine undefinierte Zukunft. Zwei Parteien kämpfen in Heliopolis um die Macht: Auf der einen Seite steht der technokratische, skrupellose Landvogt, auf der anderen der aristokratische, schöngeistige Prokonsul als Vertreter der alten Ordnung. Lucius de Geer, aus dessen Perspektive die Handlung erzählt wird, ist Kommandant der Kriegsschule des Prokonsuls. Nach und nach kommen ihm Zweifel am Spiel von Machtkampf und Machterhalt, das auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird. Bei einer Geheimaktion befreit er den Vater eines mit ihm befreundeten Mädchens und wird für diese eigenmächtige Handlung mit Suspendierung bestraft. Sein Glück: Ausgerechnet in diesem Moment erhält er eine Einladung des fern im Weltraum residierenden, mysteriösen Regenten. De Geer soll in 25 Jahren, nach dem Ende aller Kämpfe, als Mitglied einer Elite zurückkehren. Jüngers Roman ist ein mit philosophischen Reflexionen durchsetztes Stück Science-Fiction-Literatur, eine Gratwanderung zwischen romantisierendem Kitsch, ernsthafter politischer Botschaft und dem Traum vom Übermenschen. Im Gesamtwerk des Autors fristet der Roman bis heute eher ein Schattendasein.

Take-aways

  • Heliopolis ist ein Zukunftsroman. Der Titel bezeichnet eine fiktive Stadt, in der zwei politische Parteien um die Macht kämpfen.
  • Die eine Partei folgt dem Landvogt, einem brutalen Technokraten, die andere dem elitären, konservativen Prokonsul.
  • Höchster Herrscher ist der Regent – doch der hat sich ins All abgesetzt.
  • Lucius de Geer, Kommandant der Kriegsschule des Prokonsuls, wird Zeuge, wie der Landvogt ein Pogrom gegen die Minderheit der Parsen in Gang setzt.
  • Im brennenden Parsenviertel rettet de Geer eine Frau vor den Übergriffen eines Schlägers.
  • Später befreit er Budur, die Nichte eines ihm bekannten Buchhändlers, aus einem Konzentrationslager des Landvogts.
  • Im Zuge einer Geheimaktion rettet er auch ihren Onkel: Er sprengt ein Institut des Landvogts, in dem mit Viren und Massenvernichtungswaffen experimentiert wurde.
  • De Geer muss demissionieren, weil er den politischen Anschlag für private Zwecke missbraucht hat.
  • Ein Abgesandter des Regenten lädt ihn ein, Heliopolis per Raumschiff zu verlassen. 25 Jahre später soll er als Teil einer Elite zurückkehren.
  • Heliopolis verbindet Science-Fiction-Elemente mit philosophischen Exkursen.
  • Jünger verfasste das Werk Ende der 40er Jahre, als er in Deutschland mit einem Publikationsverbot belegt war.
  • Er kritisiert, offenbar als Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, die totalitäre Staatsmacht, verharrt aber gleichzeitig in einem elitären Hierarchiedenken.

Zusammenfassung

Rückkehr von den Hesperiden

Ein Schiff namens „Blauer Aviso“ läuft am frühen Morgen in den Hafen von Heliopolis ein. An Bord ist Lucius de Geer, der von einer Mission jenseits der Hesperiden zurückkehrt. In der Stadt, die unlängst einen verheerenden „Feuerschlag“ überstanden hat, schwelt seit einiger Zeit ein Konflikt zwischen dem nihilistischen Landvogt und dem konservativen Prokonsul. Man munkelt, dass ein Bürgerkrieg bevorsteht. De Geer ist Kommandant der Kriegsschule des Prokonsuls, der die militärische Macht innehat und die bestehende Ordnung verteidigt. Im Namen seines Herrn hat er Asturien und das Burgenland besucht, um herauszufinden, wie man dort zu dem Konflikt in Heliopolis steht. De Geer, in der grünen Uniform der „Jäger zu Pferde“, wird von seinem Diener Costar begleitet; beide stammen ursprünglich aus dem Burgenland. An Bord befinden sich auch der Bergrat, ein hutzliger Akademiker, mit dem sich de Geer über Naturwissenschaften unterhält, der junge Professor der Kulturgeschichte Konrad Orelli und Dr. Thomas Becker, ein Gelehrter im Polizeidienst.

Eine Leiche im Wasser

Der Frühstückssaal des Schiffs ist voll von Offizieren des Prokonsuls und Beamten des Zentralamts, dem der Landvogt vorsteht. Alle benutzen „Phonophore“, eine Art Mobiltelefon mit Bild- und Tonempfang. Mit diesen Geräten, deren Vergabe an die jeweilige Funktion des Trägers gekoppelt ist, sind alle möglichen Informationen, z. B. über den Wetterstand, abrufbar. Außerdem dienen sie zum Bezahlen oder als Ausweis bei Behörden. Jeder Phonophorbesitzer lässt sich punktgenau orten. Als das Schiff die Gefängnisinsel Castelmarino passiert, sehen die Passagiere auf den Stufen zum Wasser die Leiche eines Greises liegen. Der Körper wird bereits von Vögeln und Krabben befallen und ist so platziert, dass ihn die Wächter in den Klippen nicht sehen können. De Geer nimmt an, dass Messer Grande, der Polizeichef des Landvogts, die Leiche als Warnung hingelegt hat, um die Bevölkerung einzuschüchtern und klarzumachen, dass er auch vor Verbrechen nicht zurückschreckt.

Plünderungen im Parsenviertel

Als das Schiff in den Hafen einfährt, erblickt de Geer Rauchwolken, die aus dem Parsenviertel aufsteigen. Da er bis zum Termin bei seinem Vorgesetzten noch Zeit hat, beschließt er, mit Costar und dem Wagenlenker Mario zu Fuß zum Palast zu gehen und sich unterwegs umzuschauen. Je weiter sie in die Stadt hineingelangen, desto weniger Menschen begegnen ihnen. Auf dem Parsenviertel lastet eine erdrückende Stille. Die Parsen sind einst, vor der „Gottlosenbewegung“ aus dem Mittleren Osten flüchtend, nach Heliopolis gekommen. Ihre Religion haben sie beibehalten, ihre Bräuche hingegen angepasst. Sie arbeiten als Handwerker der feinen Künste mit Steinen, Leder, Metallen und Seide, sind äußerst kultiviert und gewinnen wirtschaftlich immer mehr an Einfluss, wofür man sie beneidet und hasst. Jetzt zeigt sich, dass ihr Viertel geplündert worden ist – eine beliebte Taktik des Landvogts, um sich der Zustimmung des Pöbels zu versichern. Die Straße ist mit den Scherben zerbrochener Fensterscheiben übersät. Plötzlich hört man Hilferufe. Eine Frau mit zerrissenem Kleid rennt aus einem Haus, verfolgt von einem hageren Kerl. Auf de Geers Geheiß schlägt Costar auf ihn ein. Der Bursche haut ab. Das Mädchen, eine Hausangestellte namens Melitta, verkündet, sie wolle mit den Parsen nie mehr etwas zu tun haben. De Geer ist zerknirscht, weil sich wieder einmal herausstellt, dass der Landvogt mit seinem Terror Erfolg hat.

„Die Hesperiden bildeten den großen Umschlagplatz der Güter und Ideen; in ihren Häfen landeten die Raumflotten. Jenseits der Hesperiden lagen die ungewissen Reiche, die wunderbaren Gründe, die keine Technik zwingt.“ (S. 38)

In einer Straße mit Juweliergeschäften sucht er den Laden des Buchhändlers Antonio Peri auf. Dort hat er vor seiner Abfahrt eine seltene Handschrift des Schriftstellers Heinse binden lassen, die er abholen will. Antonio ist ausgegangen, de Geer wird von dessen hübscher Nichte Budur bedient. Sie ist promovierte Germanistin und schlägt ihm vor, einmal beim Tee über den Dichter Heinse zu diskutieren.

Lucius’ Bericht

Im Palast angekommen, wird Lucius zum Chef geführt, einem General im Dienst des Prokonsuls. Wie de Geer war er ursprünglich ein Jäger zu Pferde. De Geer berichtet von seiner Erkundungsreise. Im Burgenland habe man ihm geraten, an der alten Ordnung festzuhalten und sich nicht in Händel einzumischen. Der Chef bittet ihn, über Nacht eine allgemeine Beurteilung der Lage zu verfassen. Als de Geer nach der Versehrung des Parsenviertels fragt, erwidert der Chef pragmatisch, man könne kaum etwas für die Parsen tun. Der Landvogt habe eine spezielle Behörde ernannt, die sich um sie kümmere. De Geer begibt sich in die „Volière“, einen Mansardenaufbau auf dem Palast. Hier lässt der Prokonsul alle jene wohnen, die ihm wichtig sind; er will nicht, dass sie weiterhin über die Stadt verteilt und damit gefährdet sind. Nachdem de Geer in seiner Wohnung gegessen und seine Post durchgesehen hat, begibt er sich in eine angebaute, durch zwei Schlösser gesicherte Panzerzelle, um dort abhörsicher und im Geheimen seinen Bericht zu verfassen. Er schreibt auf ein spezielles Papier, das sich bei Tageslicht sofort auflöst. Dom Pedro, hält er fest, der Herrscher von Asturien, plane einen Staatsstreich und hoffe auf die Unterstützung des Prokonsuls von Heliopolis. Es sei jedoch vorauszusehen, dass der Versuch scheitern werde. Deshalb rät de Geer von einem Bündnis ab. Nach der Korrektur und Abschrift des Berichts beschäftigt er sich bis zum Morgen mit Heinse und seinen Reisenotizen.

Was ist Glück?

Den folgenden Abend verbringt de Geer auf der Geburtstagsfeier seines Nachbarn, des Malers Halder. Ebenfalls anwesend sind der Philosoph Serner und der Schriftsteller Ortner. Ortner, ein Freund des Prokonsuls, soll Heliopolis „geistig durchdringen“. Serner, den de Geer verwahrlost auf der Insel Vinho del Mar entdeckt hat, wo er nach einem Vagabundenleben gestrandet war, hat das Interesse des Prokonsuls geweckt und ist daher in die Volière eingezogen. Halder hat einen Imbiss aus Mandeln, Oliven und einer Fleischpastete vorbereitet, und man spricht eifrig dem guten Wein zu. Schließlich wird die Frage aufgeworfen, was eigentlich Glück sei. De Geer führt aus, dass Glück für ihn in der Unberührtheit liege. Weiße Flächen, ein ungeöffneter Brief oder eine unberührte Schneelandschaft böten ein Potenzial für Illusionen – wie während der Kinderzeit, in der noch alles offen und möglich sei. Auch für den Maler Halder liegt das Glück in der Illusion. Er beschreibt ein erstes Treffen mit einer Frau. Da man sich noch kaum kannte, war vieles vorstellbar, was er als besonderes Glück empfand. Der Philosoph Serner betont das Glück im Augenblick, dauerhaft könne es niemals sein. Wahres Glück erfahre nur derjenige, der keine Wünsche habe. Ortner wiederum findet Glück in der Harmonie mit seiner Umgebung. Wer sich an schlichten Dingen erfreuen könne, sei glücklich.

„So hatte sich in der Altstadt eine kultivierte Rasse herausgebildet, die freilich vom Vorwurf der Verweichlichung nicht freizusprechen war.“ (über die Parsen, S. 66)

Zum Abschluss des Gelages unterhält der Schriftsteller die Runde mit einer Erzählung. Sie handelt von einem Berliner Trinker, der von geheimnisvollen Fremden einer Augenoperation unterzogen wird. Danach kann er hellsehen und wird unermesslich reich. Doch schon bald wird ihm die Gabe zur Qual. Bei nächster Gelegenheit lässt er den Eingriff rückgängig machen, worauf er zwar den Großteil seines Vermögens verliert, jedoch seine Frau und ein bescheidenes Glück findet.

In der Kriegsschule

De Geer besucht den Bergrat auf dessen Sitz im Hinterland von Heliopolis und reist dann weiter zur Kriegsschule. Um die Soldaten zu eigener Urteilsfähigkeit zu erziehen, wurde auf de Geers Geheiß ein Kurs in Moraltheologie eingerichtet. Er besucht die Klasse, die gerade eine schwierige Aufgabe zu lösen hat. Es geht darum, einen Konflikt so beizulegen, dass es dem Wohle aller dient. Als einer von wenigen Schülern gelangt Kadett Winterfeld zu einer befriedigenden Lösung. Der Chef, auch er auf Schulbesuch, hält den Kurs für überflüssig: Soldaten sollen gehorchen und zügig handeln, anstatt sich Gedanken zu machen. Am Nachmittag besucht de Geer Pater Foelix, der sich als Einsiedler der Bienenzucht widmet. Der Vorschlag des Bergrats, angesichts des knappen Bodens die Geburten zu beschränken, kommt zur Sprache. Eine gut gemeinte, aber falsche Idee, findet der Pater. Enthaltsamkeit müsse freiwillig sein. Auch die Selbstmordkommandos, die der Prokonsul laut de Geer gegen den Landvogt plant, werden diskutiert. Der Eremit hat Bedenken: Man dürfe die Soldaten nicht in ausweglose Situationen treiben. Sonst würden sie entmenschlicht und zu reinen Instrumenten der Macht.

Ein Attentat und seine Folgen

Messer Grande, der Polizeichef des Landvogts, wird in einem offenen Tourenwagen, durch die Stadt gefahren. Diesen Umstand nutzt ein junger Parse, um Grande zu erstechen. Noch an Ort und Stelle prügelt der Mob den Attentäter zu Tode. In der ganzen Stadt kommt es zu Aufständen, bei denen „Schwebepanzer“ eingesetzt werden, und es folgt ein regelrechtes Pogrom gegen die Parsen. Auf Geheiß des Landvogts werden sie systematisch interniert oder ermordet. Neben dem Zentralamt wird eine Art Käfig errichtet, in dem die Parsen eingeschlossen werden. Darin befindet sich auch Budur Peri. De Geer bittet Costar, sie zu befreien und aus der Stadt hinauszubringen. Straßensperren verhindern das Vorhaben. Aber Costar schafft es, Budur in die Volière zu schmuggeln. Ihre Anwesenheit ist de Geer zunächst unangenehm, doch mit der Zeit genießt er die abendlichen Gespräche mit ihr. Auf Befehl und im Namen des Prokonsuls drückt de Geer dem Landvogt sein Bedauern über dessen Verluste in den bürgerkriegsähnlichen Kämpfen aus. Der Machthaber begegnet ihm mit beißender Ironie. Dr. Becker, der im Zentralamt arbeitet, schlägt de Geers Bitte aus, Budurs Vater Antonio freizulassen.

Die Sprengung

Auf Befehl des Prokonsuls soll de Geer das „Toxikologische Institut“ des Dr. Mertens zerstören, das versteckt in einer Schlucht im Innern der Insel Castelmarino liegt. Zunächst besucht er das Waffenarsenal des Oberfeuerwerkers, um sich und seine Truppe mit Schutzanzügen und Waffen auszurüsten. Im Arsenal sieht er Geheimwaffen wie magnetische Armbrüste und Spiegel für „diathermische Verbrennung“. Das Kommando besteht neben de Geer aus Costar, Mario, Winterfeld und einem weiteren Kriegsschüler. Eines Nachts landen sie auf der Insel und dringen in das Institut ein. Sie betreten eine geheime Bibliothek mit Büchern über Vergiftungen und die Herstellung von Viren. Offenbar forscht Dr. Mertens an Massenvernichtungswaffen und betreibt Menschenversuche. Bevor sie die Bibliothek verlassen, platziert de Geer eine Bombe in einem Regal. Als sie eine Zelle aufsprengen, erkennt er einen ausgemergelten Gefangenen: Antonio Peri, der von dem Gift, das ihm mit der Nahrung eingeflößt wurde, schon ganz schwach ist. Als sie auf dem Rückzug sind, lässt Lucius das Institut sprengen. Das Boot der Flüchtenden wird beschossen. Da mischt sich der Oberfeuerwerker ein: Von einem Turm aus feuert er Rauchbomben in Richtung des Boots, das im dichten Nebel unangreifbar wird.

De Geers Entlassung

Kurz nach seiner Befreiung stirbt Antonio Peri. De Geer erlebt mit Budur eine rauschhafte Nacht mit Drogenexperimenten und wird daraufhin zum Chef zitiert. Dieser hält ihm vor, sich entgegen seiner Anweisungen noch 20 Minuten im Institut aufgehalten zu haben, nachdem er die Bombe bereits in der Bibliothek ausgelegt hatte. Dadurch habe er nicht nur die Mission, sondern auch die Kameraden in Gefahr gebracht. Die Befreiung Antonio Peris sei eine Privatsache gewesen, die er unerlaubt durchgeführt habe. Im Übrigen habe ihn das Zentralamt des Landvogts abgehört und sei bei der Untersuchung des Anschlags zu dem Schluss gekommen, dass de Geer der Hauptverdächtige sei. Das Zentralamt fordere deshalb de Geers Auslieferung. Dem will der Chef aber nicht nachkommen: De Geer wisse zu viel, sagt er eiskalt. Er entlässt ihn aus der Kriegsschule. Lucius ordnet seine Papiere und gibt den Schlüssel für die Panzerzelle ab. Im Gespräch mit Ortner erfährt er, dass der Chef schon länger einen Grund gesucht hat, um ihn loszuwerden.

Ein blauer Pilot

Auf Einladung von Pater Foelix besucht de Geer nochmals dessen Bienenhaus, wo er auf einen fremden Piloten in einem Gewand aus blauem Asbest trifft. Es ist Phares, der Abgesandte des ominösen „Regenten“. Der hat sich ins All zurückgezogen und wartet laut Phares im Verborgenen, bis die Menschen jeden möglichen Fehler gemacht hätten. Dann erst wolle er – ein Anhänger von Zarathustras Lehre vom Übermenschen – mit einer Elite zurückehren. De Geer könne dazugehören. Phares bietet ihm an, für den Regenten tätig zu werden. In Phares’ Raumschiff fliegt Lucius de Geer, gemeinsam mit Budur und Winterfeld, davon. Bis zu seiner Wiederkunft wird es 25 Jahre dauern.

Zum Text

Aufbau und Stil

Heliopolis besteht aus zwei Teilen, gegliedert in 19 Kapitel. Hauptschauplatz des Romans ist die „Sonnenstadt“ (so die Übersetzung von „Heliopolis“). Wirkliche Charaktere hat Jünger in diesem Buch nicht erschaffen, vielmehr beschreibt er Typen, die jeweils für eine bestimmte politische Haltung oder philosophische Sicht stehen. Ein Großteil des Personals und der Orte lässt sich in ein simples bipolares Schema einordnen: hier der regierende Prokonsul, dort der rebellische Landvogt, hier der Palast, dort das Zentralamt, hier der undurchsichtige Chef und Vorgesetzte de Geers, dort der rücksichtslose Polizeichef Messer Grande usw. Die vergleichsweise einfach gestrickte Handlung bietet den Rahmen für Gespräche und Reflexionen, für verträumte, impressionistisch anmutende Detailschilderungen wie auch für eine Erzählung innerhalb des Romans in Form eines Vortrags. Viele Hintergründe der politischen Konflikte in Heliopolis erfährt der Leser erst sehr spät oder sie bleiben komplett im Dunkeln. Jüngers Stil ist trotz poetischer Formulierungen von eigentümlicher Strenge und Unnahbarkeit; die Figuren bleiben dem Leser merkwürdig fremd, ihre Gedanken weitgehend abstrakt. Die für Zukunftsromane typischen Worterfindungen („Phonophor“) stehen unvermittelt neben nostalgisch anmutenden Begriffen („Jäger zu Pferde“). Damit ruft der Roman teils die Vorstellung einer antiken Mittelmeerstadt, teils die eines futuristischen Kampfplatzes in kühler Science-Fiction-Ästhetik hervor.

Interpretationsansätze

  • Jünger leistet in seinem in den späten 40er Jahren verfassten Zukunftsroman augenscheinlich eine Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur: Er verlagert sie in die Zukunft und spaltet sie in zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen totalitäre Machtsysteme auf. Die Bezüge zur NS-Zeit werden vor allem im Kapitel über das toxikologische Institut deutlich: Hier wird nicht nur mit Massenvernichtungswaffen, sondern auch an Menschen herumexperimentiert.
  • Der Landvogt steht für eine technokratische, nihilistische und klassenlose Gesellschaft. Forschung ist für ihn streng utilitaristisch: Sie muss einem Zweck dienen, und der besteht zumeist in der Bekämpfung der ihm zuwiderlaufenden Interessen.
  • Der Prokonsul verkörpert die historische Ordnung und konservative Gesinnung. In seinem Herrschaftsbereich sucht eine aristokratische, gebildete und künstlerisch verfeinerte Gesellschaft ihre Vervollkommnung in Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Dichtung.
  • Bei aller Demonstration totalitärer Gräuel verharrt der Roman in einem ausgesprochen elitären Hierarchiedenken. Lösung und Erlösung kann es offensichtlich nur über den Wolken geben: durch einen der Welt entrückten, beobachtenden „Regenten“, der in expliziter Anleihe an Nietzsches Zarathustra ein Übermenschentum anstrebt. Jüngers soziale Skala reicht vom „Pöbel“ bis zu den „Edlen“ – der Autor zählte sich immer wieder gern zu den Letzteren.
  • Unter den für Science-Fiction typischen technischen Spielereien sticht ein Gerät heraus: der Phonophor, der Eigenschaften heutiger Handys und des Internets verbindet. Nicht zuletzt dient der Phonophor der lückenlosen Überwachung der Bevölkerung durch die herrschende Klasse und die Polizei.

Historischer Hintergrund

Nachkriegsdeutschland und Entnazifizierung

Im Februar 1945 trafen sich der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill und der sowjetische Staatschef Josef Stalin in der Nähe von Jalta, um die Zukunft eines besiegten Deutschlands nach dem Krieg zu planen. Nebst der Aufteilung in vier Besatzungszonen strebten die Siegermächte eine „Entnazifizierung“ Deutschlands an: die vollständige Tilgung des Einflusses der Nationalsozialisten in Deutschland bzw. die Entfernung früherer Nationalsozialisten aus leitenden Positionen. Die USA erprobten nach der Niederlage Deutschlands in ihrem Bereich ein System der politischen Säuberung, das schrittweise auch in den anderen Besatzungszonen angewandt wurde. Hierzu wurde ein Fragebogen verwendet, der im Prinzip die gesamte deutsche Bevölkerung auf ihre Einstellung zur NSDAP untersuchen sollte. Manche Deutsche, unter ihnen Ernst Jünger, weigerten sich allerdings, diesen Bogen auszufüllen. 1946 wurden spezielle Spruchkammern eingerichtet, die alle betroffenen Personen in eine von fünf Gruppen einteilen sollten: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete. Aufgrund der Menge der Verfahren geriet die Entnazifizierung bald ins Stocken. Überdies deckten sich einige der Belasteten gegenseitig und sorgten so dafür, dass sie den so genannten „Persilschein“ erhielten, also nicht weiter unter Verdacht standen. Mit dem Entnazifizierungsschlussgesetz vom 11. Mai 1951 wurde der Prozess beendet. Wer nicht hauptschuldig oder belastet war, durfte in den öffentlichen Dienst zurückkehren.

Entstehung

Als Hauptmann der Wehrmacht leistete Ernst Jünger im Zweiten Weltkrieg Dienst in Frankreich, er verließ das Land kurz nach der Landung der Alliierten in der Normandie. Zurück in Deutschland wurde er Volkssturmkommandant bei Kirchhorst in Niedersachsen, befahl seinen Untergebenen aber, gegen die anrückenden Alliierten keinen Wiederstand zu leisten. Nach der Niederlage Deutschlands weigerte sich Jünger, den Entnazifizierungsfragebogen auszufüllen, worauf er in der britischen Besatzungszone mit einem Publikationsverbot belegt wurde. Im Januar 1947 begann er gleichwohl mit seinem neuen literarischen Projekt, dem Roman Heliopolis, der ihn während der gesamten Zeit seines Publikationsverbotes beschäftigen sollte.

Zu der Binnenerzählung Ortners Erzählung, die auch separat veröffentlicht wurde, inspirierte Jünger ein Unglücksfall: Beim Holzhacken zog er sich eine Augenverletzung zu. Um eine irreversible Netzhautablösung zu verhindern, wurde er in der Augenklinik in Göttingen operiert. Die damit einhergehende „Zwangsverdunklung“ sah er in der Rückschau sehr pragmatisch: „(...) wahre Trauben von Bildern tauchten bald vor dem inneren Auge auf. Im Fortgang von Heliopolis begann ich mit Ortners Erzählung, die ich in einer Nacht beendete. Handlung und Einzelheiten fielen mir in der Klinik ein.“ Jünger siedelte erst in die französische, dann in die amerikanische Besatzungszone über. Dort konnte Heliopolis 1949 erscheinen.

Wirkungsgeschichte

Im Gesamtwerk Ernst Jüngers führt Heliopolis eher ein Schattendasein. Während ihm seine großen Tagebuchromane – allen voran In Stahlgewittern – nach dem Ersten Weltkrieg einigen Ruhm einbrachten, schieden sich die Geister nach 1945 an Jünger. Der Kritiker Fritz J. Raddatz verunglimpfte seinen Stil als „Herrenreiterprosa“, Theodor W. Adorno nannte Jünger gar einen „ekelhaften Kerl, der meine Träume träumt“. Andere, darunter Alfred Andersch und Bertolt Brecht, setzten sich für ihn und eine differenzierte Sicht seines Werks ein. Im Ausland, wo seine Erzählungen eher unter ästhetischen als unter politischen Gesichtspunkten gelesen wurden, erfreute sich der Deutsche großer Beliebtheit. Literaturwissenschaftler verglichen Heliopolis mit den Antiutopien von George Orwell und Aldous Huxley. Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit teilt der Roman u. a. mit Der Oberst und der Dichter (1946) von Alfred Döblin oder Die Stadt hinter dem Strom (1947) von Hermann Kasack.

Für die Werkausgabe von 1965 wurde Heliopolis einerseits gekürzt und andererseits um die 1949 separat erschienene Binnenerzählung Ortners Erzählung ergänzt. Auch strich der Autor Sätze, die ihm aus der Perspektive der 60er Jahre zu sperrig und anachronistisch erschienen. 1977 veröffentlichte Jünger mit Eumeswil einen ebenfalls in der Zukunft spielenden Roman, der zwar keine Fortsetzung darstellt, aber zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Heliopolis aufweist. So taucht etwa der „Phonophor“ hier wieder auf. Der französische Jünger-Übersetzer Julien Hervier sah Heliopolis als Teil einer Trilogie mit Eumeswil und Auf den Marmorklippen (1939): „Im Romanschaffen Ernst Jüngers nehmen drei Romane eine Sonderstellung ein. Sie heben sich eindeutig von der Autobiografie ab und versetzen uns in imaginäre Gegenden, in denen antagonistische, politische und soziale Mächte in sagenhafter Atmosphäre aufeinandertreffen.“

Über den Autor

Ernst Jünger wird am 29. März 1895 in Heidelberg als Sohn eines promovierten Chemikers geboren. Einer seiner Brüder ist der ebenfalls bekannte Schriftsteller Friedrich Georg Jünger. Seine Kindheit verbringt Jünger vor allem in Hannover. Noch als Gymnasiast geht er zur Fremdenlegion nach Nordafrika, wird aber vom Vater zurückgeholt. Nach dem Notabitur 1914 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger und erhält im Ersten Weltkrieg höchste militärische Auszeichnungen als Soldat. Seine Kriegserlebnisse verarbeitet er in mehreren Werken, darunter In Stahlgewittern (1920), das ihn sogleich berühmt macht. Nach dem Krieg dient er bis 1923 in der Reichswehr und studiert danach Zoologie und Philosophie, bricht seine Studien aber ab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Nach anfänglichen Sympathien hält er sich von den Nationalsozialisten fern und lehnt sowohl einen ihm von der NSDAP angebotenen Sitz im Reichstag als auch die Aufnahme in die Dichterakademie ab. 1939 erscheint seine Erzählung Auf den Marmorklippen, in der das Regime eines brutalen „Oberförsters“ beschrieben wird. Im gleichen Jahr wird Jünger zur Wehrmacht eingezogen und leistet als Hauptmann Dienst in Frankreich, vor allem in Paris. 1944 wird Jünger, der einigen der Attentäter vom 20. Juli nahesteht, wegen kritischer Äußerungen aus der Wehrmacht entlassen. Weil er sich weigert, den Entnazifizierungsbogen der Siegermächte auszufüllen, wird er nach dem Krieg zunächst mit Publikationsverbot belegt. Anfang der 50er Jahre zieht Jünger nach Wilflingen in Baden-Württemberg, wo er bis zu seinem Lebensende wohnt. Jünger erhält u. a. den Goethepreis und das Bundesverdienstkreuz. Er wird in Frankreich sehr geschätzt, der französische Präsident Mitterand besucht ihn sogar in Wilflingen. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller betätigt er sich auch als angesehener Insektenforscher. Sein tagebuchartiges Werk Siebzig verweht erscheint in fünf Teilen von 1980 bis 1997. Jünger stirbt kurz vor seinem 103. Geburtstag am 17. Februar 1998. Erst nach seinem Tod wird bekannt, dass er 1996 zum Katholizismus konvertierte.

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