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Subtile Jagden

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Subtile Jagden

Klett-Cotta,

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12 take-aways
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What's inside?

Der unbekannte Ernst Jünger: Als passionierter Insektenforscher berichtet er über sein Steckenpferd, das auch mal ein Heupferd sein kann.

Literatur­klassiker

  • Essay
  • Moderne

Worum es geht

Vom Zauber der Insektenkunde

Das kleine lateinische Wörtchen „subtil“ wird im Duden mit „zart, fein, sorgsam, spitzfindig, schwierig“ übersetzt. Zart und fein ist das Objekt der Subtilen Jagden: Insekten, die von vielen Menschen kaum eines Blickes gewürdigt werden, sind in den Augen Ernst Jüngers die Krone der Schöpfung. „Sorgsam“, „spitzfindig“ und „schwierig“ ist seine Tätigkeit: An den abgelegensten Orten, in den unwirtlichsten Gegenden stellt Jünger seiner Beute nach, opfert seinen Urlaub, um sie zu fangen und sie dann daheim in Ruhe zu untersuchen und zu katalogisieren. Die Anziehungskraft dieses Steckenpferds kommt in Jüngers Buch sehr schön zum Ausdruck, ebenso wie die Schwierigkeit, die der subtile Jäger damit hat, dass kaum jemand Verständnis für seine Leidenschaft zeigt. Neben spannenden Einblicken in einen eher abseitigen Bereich der naturwissenschaftlichen Forschung bietet Subtile Jagden auch unterhaltsame Anekdoten, Reiseberichte und persönliche Erinnerungen des ewigen Außenseiters Jünger.

Take-aways

  • Subtile Jagden ist eine Mischung aus Autobiografie, Reisebericht und Essaysammlung.
  • Jünger verbindet darin seine beiden größten Leidenschaften, die Käferjagd und die Literatur.
  • Die Beschäftigung mit den kleinen Dingen ist für ihn ein Versuch, etwas Größerem, einer allumfassenden kosmischen Harmonie näherzukommen.
  • Schon als Kind interessierte sich der Autor für Insekten, später wurde daraus eine quasiprofessionelle Tätigkeit.
  • Ab den 30er Jahren veröffentlichte er regelmäßig Aufsätze in Fachzeitschriften. Mehrere Insektenarten wurden nach ihm benannt.
  • Die „Hauptdarstellerin“ von Subtile Jagden ist die Käferart Cicindela, die Jünger sein ganzes Leben faszinierte und der er in verschiedenen Ländern nachjagte.
  • Die Insektenforschung (Entomologie) reicht bis in die Antike zurück.
  • Sie ist für Jünger eine der letzten Wissenschaften, die noch nicht vollständig durch ökonomisch-mechanische Methoden entzaubert wurden.
  • Dennoch bemerkt er auch hier eine zunehmende Mathematisierung: Die Arbeitsweisen werden statistischer, es bleibt kaum noch Raum für die liebevolle Naturbetrachtung.
  • Jünger beklagt, dass Insektenforscher von der Landwirtschaft eingespannt werden, um die angeblich nutzlosen Kleinstlebewesen durch Pestizide zu bekämpfen.
  • Das Werk erschien 1967 und wurde von der Germanistik bisher kaum beachtet.
  • Jünger zählt aufgrund seiner reaktionären politischen Haltung zu den kontroversesten Figuren der deutschen Literatur.

Zusammenfassung

Beginn einer Leidenschaft

Schon als Kind ist Ernst Jünger von Insekten fasziniert. Die Veranlagung zu derartiger Leidenschaft hat er von seinem Vater geerbt, der sich oft über Monate oder Jahre hinweg einem bestimmten Gebiet widmete. Eine besonders lang anhaltende Begeisterung entwickelte der Vater für das Schachspiel, dem er sich bis ins hohe Alter mit Inbrunst hingab. Ähnlich dauerhaft verschreibt sich der Sohn nun den Sechsbeinern. Die Erinnerung an die erste Käferjagd wird ihn sein Leben lang begleiten: Mit einer vorerst noch bescheidenen Ausrüstung und einem einzigen Buch bewaffnet macht er sich in seiner Geburtsstadt Rehburg auf die Suche nach einem geeigneten Forschungsobjekt, das er schließlich, gemeinsam mit seinem Bruder, in der Gattung der Caraben findet.

„Die Jagd konnte beginnen: Der Vater hatte uns zu Weihnachten die Ausrüstung geschenkt. Die Alten sahen es gern, wenn die Söhne Steine, Pflanzen und Tiere eintrugen, wie es seit Generationen Brauch gewesen war.“ (S. 11)

Begegnungen mit der Cicindela

Die Käferjagd wird zum andauernden Verlangen und trägt mit der Zeit beinahe erotische Züge. In der Nähe seines Elternhauses trifft Jünger zum ersten Mal auf Cicindela, eine Käferart, die ihn für den Rest seines Lebens faszinieren wird. Die Gattung wurde erstmals von dem großen Naturwissenschaftler Carl von Linné benannt, war jedoch schon Jahrhunderte vorher bekannt. Cicindela zeichnet sich besonders durch die glänzend-metallische, leuchtende Farbe des Chitinpanzers aus, der den Käfer im Sonnenlicht beinahe wie ein überirdisches Wesen leuchten lässt.

„Höchst ungern lässt der Subtile Jäger sich die Autorschaft bestreiten; die Verleihung von Namen ist sein Regal, sein Waidrecht, um das er, ohne es zu merken, auf absonderliche und oft auch unduldsame Weise kämpft.“ (S. 29)

Jünger macht sich schon bald, wann immer er irgendwo am Meer ist, auf die Suche nach dem Sandlaufkäfer und jagt ihn mit unermüdlichem Eifer. Gerade im Urlaub, wenn die meisten anderen Touristen in der Sonne liegen, stößt diese Leidenschaft auf großes Unverständnis. Viele meinen, dass die Sammler bei der Käferjagd die wirklichen Schönheiten der Landschaft übersehen. Doch die Jagd und die Landschaftsbetrachtung ergänzen sich perfekt und verschmelzen zu einer Gesamtsicht. Die Beobachtung des Kleinen, Unscheinbaren ist zugleich der Schlüssel zum Verständnis des Großen, des Kosmos. Der subtile Jäger ist somit ein Suchender, der über die kleinen Dinge zur großen Harmonie des Universums strebt.

„Ein Gast aus dem Wunderland; ich musste seiner habhaft werden, musste ihm nacheilen.“ (über Cicindela, S. 70)

Der Reiz der Käferjagd liegt in der einzigartigen Verbindung ganz verschiedener Tätigkeiten: Aktive Jagdphasen wechseln sich ab mit ruhigem, geduldigem Warten; der Lust an der Verfolgung des Objekts schließt sich die Lust an der wissenschaftlich-systematischen Einordnung an.

„Zu nächtlicher Stunde, von ‚angerauchtem‘ Papier umgeben, sich in ein Stückchen geformter Materie zu vertiefen, das heißt anklopfen. Es heißt auch, die Zeit vergessen, nicht nur die unsere, sondern die Zeit als solche, die so viel Widriges birgt.“ (S. 86)

Persönliches und Systematisches

Sommer 1965, an Bord eines Schiffes auf dem Weg nach Genua. Jünger ist 70 Jahre alt, sein bisheriges Leben zieht an ihm vorbei. Schon immer ließ er es an Fleiß und Ordnung mangeln – zumindest aus der Sicht derer, die darüber zu urteilen hatten. Sowohl in der Schule als auch später in der Fremdenlegion und in der Reichswehr musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, geistig nicht voll bei der Sache zu sein. In dem, was ihn fesselte, ihn neugierig machte, war er jedoch immer voller Elan: insbesondere bei der Käferjagd und der Romanlektüre.

„Casanova sagt einmal, auf sein Leben zurückblickend, er habe dessen eine Hälfte damit, sich krank zu machen, und die andere damit, sich zu kurieren, verbracht. Ähnlich ist es mit der Anhäufung von Kenntnissen auf den verschiedensten Gebieten und dem Versuch, sie durch Synthese zu bewältigen.“ (S. 138 f.)

Die Insektenkunde als Wissenschaft (Entomologie) wurde bereits 200 Jahre zuvor etabliert. Linnés Systematik machte aus einem Hobby eine Lehre, die auch den Typus des Sammlers veränderte. Waren es zuvor vor allem Kuriositäten, die vereinzelte Jäger fesselten, besteht die Passion der Insektenkundler mittlerweile eher darin, ein Objekt ins System einzuordnen. Ein weiterer wichtiger Wendepunkt war Charles Darwins Evolutionstheorie. Insekten zählen zu den besten Beispielen für Mutation und Selektion, für „struggle for life“ und natürliche Zuchtwahl. Das wirkt sich auf die Insektenkunde aus: Aus dem einstmaligen Liebhabervergnügen wird zunehmend eine kalte, statistische Wissenschaft. Die Entomologen werden zu nützlichen Forschern, die mit der Ausrottung ganzer Arten im Dienst der Landwirtschaft beauftragt werden. Ihre neuen Aufgaben ähneln denen der Physiker, die an der Entwicklung der Atombombe beteiligt sind, ihre Taten den Giftgasangriffen in den Weltkriegen.

„Jeder Sammler ist auf Vollständigkeit erpicht. Er tut daher gut daran, sein Feld zu begrenzen; das ist nicht nur einer Frage der praktischen, sondern auch der idealen Ökonomie, der gelungenen Abrundung.“ (S. 155)

In exotischen Ländern

Reisen in ferne Länder sind für den subtilen Jäger immer besondere Herausforderungen: Schließlich könnte sich dort viel eher die Möglichkeit einer neuen Entdeckung ergeben als daheim. Eines der bekanntesten Jagdgebiete ist das Nildelta, wo sich die erfahrenen Insektenjäger in Khartoum ein Lager einrichten, um Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. So ist die Stadt in vielen Fällen afrikanischer Entdeckungen als Fundort angegeben – nicht weil die Tiere dort tatsächlich gefunden worden wären, sondern weil die Forscher dort ihre Beute ausgewertet haben.

„Das Wetter schien zum Sammeln wenig günstig, doch schlug der Rektor einen Waldgang vor. Daran erkennt man den Erotiker. ‚Wann ist Gelegenheit?‘ – ‚Immer.‘ ‚Wo ist Gelegenheit?‘ – ‚Überall.‘“ (S. 162)

Ob am Nil oder in den Mangrovenwäldern Malaysias: Immer ist es die Cicindela, die Jünger lockt und die er an den ungewöhnlichsten Orten antrifft. Reisen aus mehreren Jahrzehnten und an die verschiedensten Orte verbinden sich zu einer einzigen, kaleidoskopisch zusammengesetzten Episode. In Angola gelingt Jünger schließlich der größte Glückstreffer seines Lebens: Er fängt ein Tier, das bisher noch nicht beschrieben worden ist. Professor Mandl, ein renommierter Spezialist, wertet den Fund aus und nennt die neue Gattung nach dem Entdecker „Juengeria“. Für Außenstehende mag es ein nichtiger, evtl. sogar komisch wirkender Erfolg sein – für den subtilen Jäger jedoch geht ein Traum in Erfüllung.

„Es ist übrigens ein Vorurteil, dass während der Kriege die Subtile Jagd zu ruhen hat. Sie schenkt im Gegenteil dem Eingeweihten eine der möglichen Absencen – und sei es nur durch einen Seitenblick. Das stellt die innere Ordnung wieder her.“ (S. 172 f.)

Von Berlin nach Goslar

Winter 1933: Jünger fühlt sich an seinem Wohnsitz Berlin nicht mehr wohl. Nicht nur der politische Umschwung, auch die Sehnsucht nach Ruhe und Muße – und nicht zuletzt die Hoffnung auf eine systematischere Form der Jagd – führen zu der Entscheidung, aufs Land zu ziehen. Das Ziel ist Goslar, wo sich Jünger von einem alteingesessenen Entomologen ausbilden lassen will: dem Rektor einer örtlichen Schule, der sich seit Jahren mit der regionalen Flora und Fauna beschäftigt und vorhat, ein Buch darüber zu verfassen. Jünger möchte ihn dabei unterstützen. Die Hilfe ist dem Rektor höchst willkommen und so beginnen die beiden kurz nach der ersten Begegnung mit ihren Streifzügen durch das Umland. Der Rektor erweist sich als hervorragender Lehrer und findiger Insektensammler. Noch lange nach dessen Tod erinnert sich Jünger oft an die gemeinsamen Spaziergänge. Der erwartete Nachruhm bleibt jedoch aus, das Lebenswerk des Rektors wird kaum beachtet. Der Grund dafür ist die allgemeine Mathematisierung der Entomologie, die keinen Raum mehr lässt für die liebevolle Naturbetrachtung.

„Jaköbli, den ich nun für einige Wochen neben mir hatte, besaß das Geheimnis, das die Jagd erfolgreich macht, denn er verfügte über die beiden Tugenden, die den großen Jäger auszeichnen: Geduld und Elan.“ (S. 256)

Ein Urlaub auf Sardinien

Jeder Käferjäger ist irgendwann gezwungen, das Feld seiner Leidenschaft einzugrenzen. Und selbst bei einem sehr limitierten Forschungsgebiet kann das letzte Ziel des Sammlers, die Vollständigkeit, nur ein frommer Wunsch bleiben. Alles, was er zu erreichen vermag, ist, einen Überblick zu gewinnen. Die Festlegung von Grenzen, die Aufstellung von Definitionen – das gibt dem subtilen Jäger Sicherheit.

„Einmal geht jeder in die ewigen Jagdgründe. Es kann keine glücklichere Existenz geben als die des Jägers; das erweist sich schon daran, dass er sein Leben im Jenseits genau so fortzuführen hofft, wie es ihm auf Erden beschieden gewesen ist.“ (S. 274 f.)

Ein Käfer aus der Gattung Ochthebius hat es Jünger angetan. Vollkommen im Widerspruch zu seinem Hang zur systematischen Einordnung hat er jedoch den wissenschaftlichen Namen vergessen und nennt ihn einfach „den Moosgrünen“ – nach seinem Fundort an moosbedeckten Ufern kleiner Tümpel. Der Moosgrüne stammt aus Sardinien, und keiner der zahlreichen Urlaube auf der Insel vergeht, ohne dass Jünger sich auf die Suche nach ihm macht. Sein Aufenthalt beinhaltet immer einige feste Termine, die dem Besuch einen klaren Rahmen geben. So verabredet er sich zum Beispiel mit seinem Freund Valentino zum Muränenangeln und zu einem Ausflug in die Berge, um gemeinsam ein Spießferkel zu braten. Sardinien und seine Bewohner sind liebenswert. Jünger liebt die Urtümlichkeit und Einfachheit, die überall zu spürende Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart. Doch dieses Paradies ist in Gefahr: Luxushotels werden gebaut.

Nach dem Ausflug in die Berge kann sich Jünger endlich seinem eigentlichen Ziel widmen: Er macht sich auf die Suche nach dem Moosgrünen. Das Tier ist auf den kleinen vorgelagerten Inseln zu finden. In einer Schlucht am Roten Kap hofft der Sammler auf eine Begegnung – und wird enttäuscht, der Moosgrüne ist nicht da. Der Weg und die Suche waren allerdings allein schon die Mühe wert, das Ziel wird am Ende zur Nebensache.

Pilzjagd

Neben der Käferjagd widmet sich Jünger den Pilzen. Mit den Jahren eignet er sich fundierte Kenntnisse der verschiedenen Arten an. Oft überschneiden sich die Interessen des Insektenkundlers mit denen des Pilzjägers: Schließlich gehören Pilze zu den beliebtesten Speisen vieler Käferarten. Bereits in Rehburg war Jünger oft unterwegs, um Champignons zu sammeln. Doch kaum eine Beschäftigung birgt so viele Tücken: Selbst der Kenner kann leicht auf Doppelgänger hereinfallen, von denen es sehr viele gibt. So manche Verwechslung kann tödlich enden, etwa wenn man statt eines Champignons einen Knollenblätterpilz serviert.

Die Formen und Wirkungen der Pilze sind faszinierend. Es gibt solche, die in Massen auftreten, und solche, die nur selten und einzeln zu finden sind. Aufgrund ihrer seltsamen Eigenschaften sollten sie neben Pflanzen und Tieren eine ganz eigene Kategorie bilden. Ihre verborgenen Myzelien, die Zellen, die die eigentliche Pilzpflanze darstellen, kann man als Gleichnis sehen: Sie stehen für die verborgene Struktur der Welt, von der der Neugierige nur die oberflächlichen Auswüchse wahrnehmen kann.

Heuschrecke und Chamäleon

n Jüngers Haus finden sich immer wieder illustre Gäste aus dem Tierreich ein. Zwei seiner außergewöhnlichen Haustiere sind die Stabheuschrecke Ferdinand und das Chamäleon Jaköbli. Ferdinand wurde von Jünger selbst aus dem Ei großgezogen und dann liebevoll gepflegt. Erst als die Heuschrecke die ersten Eier legt, wird klar, dass es sich um ein Weibchen handelt und der Name also falsch gewählt ist. Nach etwa einem Jahr verstirbt das interessante Tier, doch Ersatz lässt nicht lange auf sich warten. Das Chamäleon Jaköbli hat Jünger von Freunden geschenkt bekommen. Unsicher, wie ein solches Tier zu halten sei, probiert Jünger so lange verschiedene Kost aus, bis die richtige Nahrung gefunden ist: Lebende Insekten wie Motten oder Fliegen kommen bei dem Reptil gut an. Jünger ist fasziniert von dessen Jagdkünsten und beobachtet es gebannt, wann immer er neue Insekten ins Terrarium bringt. Schon bald wird das Tier zutraulich und handzahm. Einige Zeit später stellt sich heraus, dass auch Jaköblis Name unpassend ist: Das Weibchen legt eines Tages unbefruchtete Eier und stirbt bald darauf.

Neben den Gästen im Haus freut sich Jünger jedes Jahr auf die Vögel, die er im Winter auf dem Fensterbrett füttert. Er nimmt die gefiederten Besucher als willkommenen Anlass, immer wieder von der Arbeit aufzusehen und das geschäftige Treiben vor dem Fenster zu beobachten. Nach Jahren der intensiven Observation kennt sich Jünger hervorragend mit den verschiedenen Arten aus.

Was bleibt, ist bunter Staub

Subtile Jäger beginnen mit ihrer leidenschaftlichen Tätigkeit oft schon in jungen Jahren und behalten ihren Jagdtrieb bis ins hohe Alter. In einem langen Leben können beeindruckende Sammlungen zusammenkommen, die bei Gleichgesinnten nicht selten Neid auslösen. Wenn einer dieser ehrwürdigen Herren in die ewigen Jagdgründe eingeht, kann manchmal ein anderer dessen Schätze an sich nehmen. In den meisten Fällen werden die liebevoll gehorteten Fundstücke jedoch von den Angehörigen irgendwo eingelagert, wo sie sich mit der Zeit in Staub verwandeln. Das ist das Los des subtilen Jägers: Von all seinen Eroberungen, seinen Triumphen bleibt – neben einigen Referenzen in der Literatur – nur bunter Staub.

Zum Text

Aufbau und Stil

Subtile Jagden widersetzt sich einer eindeutigen Gattungszuordnung. Das Buch ist ein außergewöhnliches Konglomerat aus Reiseberichten, tagebuchartigen Einträgen, entomologischen Betrachtungen und autobiografischen Rückblicken. Die 31 Kapitel des Werkes folgen keinem logischen Ordnungsprinzip: Jünger springt von Erinnerung zu Erinnerung, nimmt kleine Anekdoten zum Anlass, über bestimmte Themen zu reflektieren, um dann plötzlich zur zuvor begonnenen Erzählung zurückzukehren. Der rote Faden ist eindeutig die leidenschaftliche Beschäftigung mit der Insektenkunde, die sich durch alle beschriebenen Lebensphasen zieht.

Auch stilistisch ist Subtile Jagden äußerst abwechslungsreich. Während die Ausführungen zu Geschichte und Theorie der Insektenkunde teils etwas trocken wirken, erzählt Jünger den Großteil der biografischen Episoden in einem bildreichen, anekdotenhaften Stil, der durchaus poetische Züge trägt. Seine Begeisterung für die Insektenkunde ist offensichtlich: Geht es um seine Lieblingsbeschäftigung, verfällt Jünger oft in einen aufgeregten, fast atemlosen Stil, etwa in der Beschreibung von Cicindela: „Die Unterseite spielt in lebhaftem Metallglanz; der Feuerstoff will überall hervortreten: aus den Nähten, den Gelenken, den Poren des sanguinisch-solarischen Geschöpfes“. In fast religiös anmutender Art und Weise versenkt sich Jünger in die Betrachtung der geliebten Insekten – die Darstellung von Menschen und Orten fällt deutlich kühler aus, selbst die eigene Ehefrau wird nur am Rande erwähnt.

Interpretationsansätze

  • Auch wenn sich Jünger in Subtile Jagden hauptsächlich mit Insekten beschäftigt, ist das Buch in erster Linie Teil seines umfangreichen autobiografischen Werks.
  • Das Buch kann auch als Versuch gedeutet werden, ein eigenständiges Genre der entomologischen Literatur zu entwickeln, das sowohl fachspezifische Informationen als auch persönliche Erlebnisse verarbeitet. Jünger geht so weit, den Schriftsteller mit dem Insektenforscher und sogar mit dem Insekt selbst zu identifizieren.
  • In vielen Exkursen und Reflexionen entpuppt sich Jüngers Werk zudem als Streitschrift gegen die Moderne: Jüngers Beschäftigung mit der Entomologie entspricht einem Rückzug oder einer Flucht in einen Bereich, der von der ökonomisierten Welt noch nicht vereinnahmt wurde.
  • Jünger entwickelt eine Harmonietheorie, nach der der gesamte Kosmos durch ein unsichtbares Netz von Beziehungen verbunden ist. Dieses Netz ist als solches nicht erkennbar, sondern offenbart sich in den kleinen Zusammenhängen, wie sie etwa in der Insektenforschung deutlich werden.
  • Zuletzt tauchen in Subtile Jagden immer wieder Elemente einer sozialen Studie auf, die den Mann als Jäger und Sammler fokussiert und vor allem den Sondertypus des subtilen Jägers untersucht. Jünger präsentiert seine Thesen als Lebensbeichte eines Vertreters dieser Gattung.

Historischer Hintergrund

Die Geschichte der Entomologie

Die Beschäftigung mit Insekten reicht zurück bis in die Antike, als sich u. a. Aristoteles und Plinius der Ältere mit einer Katalogisierung der Tierwelt befassten. Aristoteles definierte die Insekten als „blutlose Tiere“; unter diesen Begriff fielen auch Spinnen und Würmer. Die Erkenntnisse der antiken Denker waren lange Zeit die geltende Lehrmeinung. Erst im 17. Jahrhundert beschäftigten sich erneut Naturforscher intensiv mit der Insektenkunde. In den Naturenzyklopädien des Mittelalters spielten Insekten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Im 16. und 17. Jahrhundert konnte sich die Zoologie als eigenständige Wissenschaft etablieren. Doch auch hier blieb die Entomologie zunächst noch eine Randerscheinung.

Erst nach der Entdeckung, dass auch Insekten sich durch Fortpflanzung vermehren (zuvor galt die aristotelische Annahme, sie würden einfach aus der Erde entstehen), setzte eine stärkere Beschäftigung mit den kleinen Tieren ein. Im 18. Jahrhundert gab es erste Bemühungen, ein vollständiges System der Insektenwelt zu erstellen, das 1735 in Carl von Linnés Systema naturae seine vorläufige Vollendung fand. Linné unterschied die einzelnen Gattungen anhand der Form ihrer Flügel. Dem folgten weitere Versuche einer Systematisierung nach Mundorganen, Beinen usw. Als eigentlicher Begründer der Entomologie als Wissenschaft gilt Johann Christian Fabricius, der 1775 sein Systema entomologiae sistens insectorum classes veröffentlichte. Seine Systematik wurde allerdings einige Jahrzehnte später aufgegeben. Im 19. Jahrhundert wurde die noch heute gültige Definition von Insekten unter Ausschluss von Spinnen, Tausendfüßlern und Krebsen erarbeitet. Wichtigstes Standardwerk dieser Zeit wurde Carl Hermann Conrad Burmeisters Handbuch der Entomologie (1832–1855), das alle wichtigen Erkenntnisse der Insektenforschung in fünf Bänden versammelte. Zu dieser Zeit setzte auch eine immer weiter fortschreitende Untergliederung der Entomologie ein: Die Forscher konzentrierten sich zunehmend auf eine Gattung oder Art.

Großen Einfluss auf die Insektenkunde hatte die Evolutionstheorie von Charles Darwin, die die zuvor angenommene Konstanz der Arten widerlegte und ein vollkommen neues Forschungsfeld für Entomologen eröffnete. Bis heute ist die Wissenschaft weit davon entfernt, sämtliche Insekten erforscht zu haben: Von schätzungsweise 10–20 Millionen Arten ist bislang eine Million bekannt.

Entstehung Ernst Jünger hat sich schon früh einen Ruf als Insektenforscher erarbeitet. Die Verbindung von Entomologie und Literatur erschien dem Insektenfan naheliegend. Bei einer Ansprache vor den Bayerischen Entomologen sagte er: „Das Objekt des Entomologen ist das Insekt, dessen Struktur und Verhalten er in den feinsten Zügen zu erkunden sucht. Das Objekt des Autors ist die Sprache; dem Dienst an ihr ist sein Leben geweiht. Ist er auf beiden Feldern zu Hause, so wird das für beide Gewinn bringen.“ Nach der frühen Phase seines Schaffens als politischer Publizist und Kriegstheoretiker, die 1932 endete, begann Jünger, sich immer mehr auf die Arbeit an entomologischen Schriften zu konzentrieren. Ab den frühen 30er Jahren erschienen Aufsätze von ihm in einschlägigen Fachzeitschriften, 1938 veröffentlichte er die ersten Entwürfe zu dem erst 30 Jahre später vollständig erschienenen Werk Subtile Jagden. Jünger war mittlerweile über 70 und hatte einen guten Teil der vergangenen Jahrzehnte der Insektenforschung und zahlreichen Reisen geopfert.

Wirkungsgeschichte

Für die literaturwissenschaftliche Jünger-Forschung ist Subtile Jagden noch immer eine Randerscheinung, die bestenfalls anekdotenhaft in die Ausführungen zu den „wichtigen“ Werken eingebunden wird. Zu krass erscheint auf den ersten Blick die Differenz zwischen dem Antidemokraten und Kriegsverherrlicher Jünger und dem stillen Käferfreund, der seine Erinnerungen nach Begegnungen mit den kleinen Tieren sortiert. Dabei können gerade diese autobiografisch-entomologischen Aufzeichnungen tiefe Einblicke in das Denken eines Autors liefern, der zu den umstrittensten Literaten des 20. Jahrhunderts zählt.

Obwohl er sich selbst, auch in Subtile Jagden, immer als einfachen Liebhaber darstellte, der weit hinter den eigentlichen Koryphäen auf dem Gebiet zurückstand, wird Jünger noch heute als bedeutender Insektenkundler des 20. Jahrhunderts angesehen. Das zeigt sich nicht zuletzt an den verschiedenen Ehrungen, die ihm auf dem Gebiet der Entomologie zuteilwurden. Unter anderem wird seit 1986 alle drei Jahre vom Land Baden-Württemberg der Ernst-Jünger-Preis für Entomologie verliehen.

Über den Autor

Ernst Jünger wird am 29. März 1895 in Heidelberg als Sohn eines promovierten Chemikers geboren. Einer seiner Brüder ist der ebenfalls bekannte Schriftsteller Friedrich Georg Jünger. Seine Kindheit verbringt Jünger vor allem in Hannover. Noch als Gymnasiast geht er zur Fremdenlegion nach Nordafrika, wird aber vom Vater zurückgeholt. Nach dem Notabitur 1914 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger und erhält im Ersten Weltkrieg höchste militärische Auszeichnungen als Soldat. Seine Kriegserlebnisse verarbeitet er in mehreren Werken, darunter In Stahlgewittern (1920), das ihn sogleich berühmt macht. Nach dem Krieg dient er bis 1923 in der Reichswehr und studiert danach Zoologie und Philosophie, bricht seine Studien aber ab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Nach anfänglichen Sympathien hält er sich von den Nationalsozialisten fern und lehnt sowohl einen ihm von der NSDAP angebotenen Sitz im Reichstag als auch die Aufnahme in die Dichterakademie ab. 1939 erscheint seine Erzählung Auf den Marmorklippen, in der das Regime eines brutalen „Oberförsters“ beschrieben wird. Im gleichen Jahr wird Jünger zur Wehrmacht eingezogen und leistet als Hauptmann Dienst in Frankreich, vor allem in Paris. 1944 wird Jünger, der einigen der Attentäter vom 20. Juli nahesteht, wegen kritischer Äußerungen aus der Wehrmacht entlassen. Weil er sich weigert, den Entnazifizierungsbogen der Siegermächte auszufüllen, wird er nach dem Krieg zunächst mit Publikationsverbot belegt. Anfang der 50er Jahre zieht Jünger nach Wilflingen in Baden-Württemberg, wo er bis zu seinem Lebensende wohnt. Jünger erhält u. a. den Goethepreis und das Bundesverdienstkreuz. Er wird in Frankreich sehr geschätzt, der französische Präsident Mitterand besucht ihn sogar in Wilflingen. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller betätigt er sich auch als angesehener Insektenforscher. Sein tagebuchartiges Werk Siebzig verweht erscheint in fünf Teilen von 1980 bis 1997. Jünger stirbt kurz vor seinem 103. Geburtstag am 17. Februar 1998. Erst nach seinem Tod wird bekannt, dass er 1996 zum Katholizismus konvertierte.

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