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Kamasutra

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Kamasutra

S. Fischer,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein Bilderbogen mit Sexstellungen, die beim bloßen Anschauen für Schweißausbrüche sorgen? Das Kamasutra bietet mehr: Es ist der älteste Beziehungsratgeber der Geschichte.

Literatur­klassiker

  • Erotik
  • Antike

Worum es geht

Kultivierte Lust

Eine fröhliche Aneinanderreihung aller möglichen und unmöglichen Sexstellungen? Das Kamasutra – das älteste Erotiklehrbuch der Hindus – ist weit mehr als das. Es ist ein Buch über die Lebenskunst im Allgemeinen, für die das Liebesleben besondere Bedeutung hat. Zwischen 200 und 300 n. Chr. zerbrach sich der aus Nordindien stammende Mallanaga Vatsyayana den Kopf über das Thema der Liebe und fasste die Resultate seiner Überlegungen und seiner Lektüre im Kamasutra zusammen. Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen der so genannte Lebemann und die Kunst der Verführung, die sehr viel Einfühlungsvermögen erfordert, wenn sie zum Erfolg führen soll. Frauen, sagt Vatsyayana, sind empfindsam und sollten wie Blumen behandelt werden, damit sie nicht verblassen und ihren Duft verlieren. Mit Einsichten wie dieser taugt der uralte Ratgeber in mancher Hinsicht auch heute noch als Anleitung zu einer erfüllten Beziehung. Auch erprobte Tipps zum Fremdgehen fehlen nicht, aber wenn das Kamasutra eine Hauptaussage hat, dann die, dass die Lust kultiviert werden muss und der menschliche Sexualtrieb der Mäßigung bedarf, um seine Kraft zu entfalten.

Take-aways

  • Das Kamasutra („kama“ = Liebe, „sutra“ = Abhandlung) ist weit mehr als eine bloße Sammlung von Sexualpraktiken.
  • Zwischen 200 und 300 n. Chr. führte der Autor Mallanaga Vatsyayana verschiedene Liebeslehren des alten Indien im Kamasutra zusammen.
  • Inhalt: Das Kamasutra bietet vielfältige Anleitungen, wie Lust gelebt werden kann. Es plädiert aber auch für Kultur und Mäßigung in der Erotik wie im Leben überhaupt. Nur in einem Kapitel geht es explizit um Sex, die übrigen sechs behandeln die Lebenskunst im Allgemeinen und die Beziehung zwischen Mann und Frau im Speziellen.
  • Entsagung und Erotik beruhen beide auf der Technik der Körperkontrolle, dem Yoga.
  • Das „Liebeslehrbuch“ wurde in der Sprache des alten Indien, im Sanskrit, verfasst.
  • Die sieben Kapitel enden jeweils mit konkreten Ratschlägen in Versform.
  • Vatsyayana empfiehlt, die Frau ernst zu nehmen – eine fortschrittliche Haltung im Vergleich mit anderen indischen Klassikern.
  • Gewaltlosigkeit, Keuschheit und Mitgefühl sind ebenso wichtig wie die Freude an der Erotik.
  • Das Werk gilt als wichtige historische Quelle über das Leben im alten Indien.
  • Zitat: „Wer dieses Lehrbuchs kundig und darin wohl unterrichtet ist, der achtet auf Religion und auf Macht; er frönt der Leidenschaft nicht übermäßig und hat so in der Rolle der Liebenden Erfolg.“

Zusammenfassung

Die drei Lebensziele

Macht, Lust und Religion: Das sind die drei Lebensziele, die es zu verfolgen gilt, wobei in jeder Lebensphase ein anderes im Vordergrund steht. Die Kindheit ist die Phase des Wissens- und Machterwerbs, die Jugend ist die Zeit der Lust, im Alter widmet man sich der Religion und hofft auf Erlösung. Wie man Macht erwirbt, kann man von tüchtigen Kaufleuten erfahren. Über Lust belehrt einen das Kamasutra. Widmet man sich ganz der Religion, muss man auf Handlungen verzichten, die dem materiellen Leben zuzuordnen sind.

„Wir verneigen uns vor der Religion, der Macht und der Lust, weil sie der Gegenstand dieses Lehrbuchs sind (...)“ (S. 67)

Die Lust ist wie das Essen nur ein Mittel, um den Körper zu erhalten. Der Mensch muss sich seiner Lüste aber bewusst werden, damit sie ihn nicht überwältigen und damit daraus keine Nachteile entstehen, die wiederum Krankheiten hervorrufen könnten. Der Mann, insbesondere der Lebemann, soll sich der Lust zuwenden, solange es zeitlich nicht auf Kosten der anderen beiden Lebensziele geht. Die Frau sollte sich der Kunst widmen, bevor sie die Blüte der Jugend erreicht hat und wenn der Gatte es nach der Hochzeit so wünscht. Die Unterweisung in die 64 schönen Künste – beispielsweise in den Gesang, den Tanz, die Malerei, die Kunst, Blumen zu arrangieren, ins Nähen und ins Mischen von Parfüm, in die literarische Bildung und in leichtere handwerkliche Tätigkeiten, ins Massieren usw. – erfolgt durch eine nahestehende Person. Eine Kurtisane, die in diesen Künsten bewandert ist, zeichnet sich vor allen anderen als Edelkurtisane aus und genießt entsprechendes Ansehen in der Öffentlichkeit. Mithilfe der Vermittlung dieser Künste kann sie ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Der Lebemann

Nachdem ein Mann Bildung erlangt hat, beginnt er mit dem Geld, das ihm durch Erbschaft oder Handel zugeht, den Lebensstil eines Lebemannes zu führen. Dazu gehören u. a. die Einrichtung eines kulturellen Salons, das Veranstalten bestimmter feierlicher Zeremonien und die Organisation von Ausflügen. Ein Libertin ist jemand, der kein Vermögen besitzt, wohl aber in den Liebeskünsten bewandert ist; er führt sich selbst in die besseren Kreise ein. Ein Kuppler wiederum ist jemand, der sein Vermögen verbraucht hat, aber bei den Kurtisanen noch immer wohlgelitten ist.

„Aber man muss sich der Nachteile der Lüste bewusst sein, da diese Nachteile wie Krankheiten sind.“ (S. 71)

Gelüstet es den Mann danach, mit der Frau eines anderen zusammen zu sein, so sei er davor gewarnt, dass diese Lust zu nichts führt, nämlich zu keinen Kindern. Wenn die Lust übermächtig wird und er darunter leidet, ist es legitim, sich mit einer Frau einzulassen, die einer der folgenden drei Kategorien angehört: Jungfrauen, Witwen, Kurtisanen. Ein Mann, der bei der Übermittlung seiner Liebesbezeugungen die richtigen Boten zu nutzen weiß und der die rechte Zeit und den rechten Ort kennt, kann mühelos eine vermeintlich Unerreichbare gewinnen.

Der Akt der Liebe

Der Mann muss zuerst herausfinden, was die Frau glücklich macht. Dazu empfängt er die Frau in einem schön geschmückten, wohlduftenden Raum und beginnt mit zärtlichen Umarmungen. Vielleicht spielt hinter einer Wand ein kleines Ensemble. Wenn er meint, dass ihre Gefühle für ihn erwacht sind, beginnt er mit dem Liebesakt.

„Ein Mann, der Freunde hat und der sich kennt, gut ausgebildet ist und auf Gefühle sich versteht und der die rechte Zeit, den rechten Ort erkennt, kann mühelos selbst eine Unerreichbare gewinnen.“ (S. 80)

Je nach Größe des Geschlechtsteils wird der Mann als Rammler, Stier oder Hengst kategorisiert, die Frau als Gazelle, Stute oder Elefantenkuh. Die Frau hegt eine Abneigung gegen schnelle Männer, da ihr bei diesen nicht genügend Zeit bleibt, um den Höhepunkt zu erreichen. Frauen müssen stimuliert werden. Als Vorbild dient ein Kreisel, der sich zu Beginn schwerfällig dreht und erst allmählich schneller wird. Daher sollte der Mann versuchen, durch Liebeskünste wie Küsse und Umarmungen zuerst der Frau zum Höhepunkt zu verhelfen, und sich dann beeilen, den eigenen Höhepunkt zu erreichen.

Liebespraktiken

Es gibt vielerlei Liebespraktiken, dazu zählen Schlagen, Schreien, Umarmen, Küssen, Kratzen, Stöhnen und besondere sexuelle Stellungen. Zu den Umarmungen gehört beispielsweise das „Mahlen“: Hierbei reiben sich Körper für eine gewisse Zeit einfach aneinander. Bei der „schlingenden Ranke“ umschlingt die Frau den Mann und beugt sich zu ihm nieder, um ihn zu küssen; beim „Besteigen des Baumes“ tritt sie ihm auf den Fuß und stellt gleichzeitig den anderen Fuß gegen die Innenseite seines Oberschenkels. Bei „Reis und Sesam“ liegen Mann und Frau mit verschränkten Armen und Beinen auf dem Bett ineinander verschlungen, so als würden sie miteinander ringen.

„Denn selbst die Leidenschaft verlangt Vielfalt. Und durch Vielfalt erwecken die Partner die Leidenschaft ineinander.“ (S. 118 f.)

Wenn die Leidenschaft im Akt zunimmt, kratzen sich die Geliebten. Ein Mann kann durch Kratzer seine Frau „zeichnen“, sodass sie sich an ihn erinnert. Zur Steigerung der Ekstase können auch Schläge beitragen. Die Frau kann durch Schreie Einhalt gebieten, stachelt damit aber nur noch die Lust des Mannes an. Die Spielarten der Liebe sind vielfältig; „Sex im Verbund“, d. h. mit mehreren Frauen gleichzeitig, gehört ebenso dazu wie die Tatsache, dass sich manche Frauen viele junge Männer zu ihren Diensten halten. Auch ein Streit kann mit einem Akt der Liebe beendet werden: Mit Sanftmut und indem er die 64 Liebeskünste anwendet, kann der Mann die Frau versöhnlich stimmen. Mithilfe der Kenntnisse über diese Künste kann sich ein Mann hohes Ansehen in der Gesellschaft verschaffen und hat Erfolg bei den Frauen. Allerdings werden in Indien von Region zu Region andere sexuelle Techniken praktiziert, dies gilt es zu beachten.

Von Mädchen und Frauen

Der Mann sollte nach einer jungen Frau vom selben gesellschaftlichen Status suchen, die mindestens drei Jahre jünger ist als er selbst. Eltern und Verwandte sollen ihm bei der Brautwerbung helfen. Hat er das Vertrauen einer Jungfrau gewonnen, soll das Paar in den ersten drei Nächten sexuell enthaltsam bleiben. Zehn Tage lang soll er sie zärtlich umwerben wie eine Blume, denn wenn Männer Mädchen gewaltsam nehmen, werden sie als Frauen den Sex hassen.

„Man sagt, Sex sei eine Form des Streitens, weil Begehren seinem Wesen nach Streit ist und von widerborstigem Charakter.“ (S. 124)

Hat ein Mann nur eine Frau, stimmt diese ihr Handeln ganz auf ihn ab. Ist er z. B. einmal für einige Zeit weg, fastet sie und trägt nur Schmuck mit religiöser Bedeutung. Ein Mann kann sich eine Nebenfrau zulegen, wenn seine Frau frigide, promisk oder glücklos ist und wenn sie keine Kinder oder nur Mädchen bekommt. Die neue Frau soll die erste Frau dann wie eine Schwester betrachten und ihr beim Schminken helfen. Macht die Nebenfrau jedoch Fehler, tröstet die Hauptfrau sie zwar, berichtet aber insgeheim ihrem Mann davon. Nimmt der Mann mehrere Nebenfrauen, verbündet sich die erste Frau mit der Frau, die ihr von der Hierarchie her am nächsten steht. Wenn sie geschickt intrigiert, indem sie die Frauen gegeneinander aufhetzt, insbesondere gegen jene, die vom Mann bevorzugt wird, kann sie die Liebe ihres Mannes zu sich selbst mehren.

„Der Laut des Kreischens klingt wie splitternder Bambus und Schluchzen klingt wie ins Wasser fallende Beeren.“ (S. 125)

Haremsfrauen werden vom König der Reihe nach besucht. Wenn der König aus dem Nachmittagsschlaf erwacht, erhält er eine Botschaft in Form von Duftöl von den Frauen, die den Dienstplan überwachen, von jenen, die als Nächste an der Reihe sind, die Nacht mit ihm zu verbringen, von den Frauen, die übergangen wurden, und von denen, die gerade fruchtbar sind.

Ehefrauen anderer Männer

Es gibt zehn Stufen des Begehrens, darunter die Liebe auf den ersten Blick, die Reizung der Fantasie, die Schlaflosigkeit und der Verlust jeglichen Schamgefühls. Bevor ein Mann sich einer verheirateten Frau nähert, muss er ihr Verhalten deuten können. Die Bedenken der Frau – z. B. die Liebe zu ihrem Gatten oder Zorn über die Annäherungsversuche – sind evtl. bloß neckische Spiele, darum sollte der Mann versuchen, solche Zweifel aus dem Weg zu räumen. Wie aber kann man als Mann bei Frauen erfolgreich sein? Wenn der Mann in den Liebeskünsten bewandert ist, wenn er schöne Geschichten zu erzählen weiß und ein guter Unterhalter ist, der die Schwächen der Frauen kennt, wenn er gern ins Theater geht, wenn er mutig und tapfer ist, wenn er den Ehemann an Bildung und Schönheit übertrifft, sich fein kleidet und gut lebt, dann hat er gute Chancen.

„Wenn ein Mann in der Hitze der Leidenschaft eine Frau wiederholt schlägt, benutzt sie Worte wie ,Halt!‘ oder ‚Lass mich los!‘ oder ,Genug!‘ oder ,Mutter!‘“ (S. 125)

Leicht zu gewinnen ist beispielsweise eine Frau, die durch eine Nebenfrau ins Abseits gedrängt wurde, die ihren Gatten hasst und unter ihm leidet, die kinderlos ist, die gern in Gesellschaft lebt, eine junge Witwe, eine Frau, die das Vergnügen sucht, deren Gatte oft verreist oder die es gewohnt ist, in Aktion zu treten und zu handeln. Der Mann muss dann nur noch einen Anlass herbeiführen, um sie auf Umwegen kennen zu lernen. Zunächst prüft er das Verhalten und die Gefühle der Frau und nähert sich ihr dann. Geht sie nicht auf seine Annäherungen ein, trifft sich aber weiter mit ihm, so ist sie leicht zu gewinnen. Wenn sie sich zudem sorgfältig kleidet und herausputzt, sollte er sie heimlich mit Gewalt nehmen. Wenn sich die Frau aber nicht mit ihm treffen will, ist sie nur mit viel Mühe zu gewinnen. Eine Frau, die viele Annäherungen zwar erduldet, aber nicht nachgibt, ist kokett. Grundsätzlich ist es gefährlich, die Ehefrauen anderer Männer zu nehmen, und zudem ist es ein Verstoß gegen die Religion.

Die Kurtisanen

Die in den 64 Liebeskünsten bewanderte Kurtisane überlegt genau, wer als Freund und wer als Liebhaber in Betracht kommt. Beziehungen zu Männern bereiten ihr zwar sexuellen Genuss, doch der Gewinn muss nach sorgfältiger Abwägung im Vordergrund stehen. Denn immerhin gibt es Männer, die wegen ihres Reichtums begehrt sind, und andere, die dank ihrer sexuellen Vorzüge oder wegen ihres Ruhmes attraktiv sind. Wie kann sich eine Kurtisane bei einem begehrten Mann einschmeicheln? Wenn sie den Mann durch Mittelsleute ihrer Wahl geprüft hat, bietet sie ihm über einen Kuppler ihre Liebe an. Dann tut sie so, als wäre er ihr Ehemann, und weiß ihn geschickt zu lenken und ihm in jeder Hinsicht zu gefallen. Sollte sie auf natürlichem Weg nicht zu ihrem Geld kommen, darf sie eine List einsetzen. Sie kann beispielsweise erzählen, dass sie Schmuck und Opfergaben kaufen muss oder dass sie auf dem Weg zu ihm bestohlen wurde. Hat sie eines Tages genug von dem Mann, weil er nur noch wenig abwirft und sie seiner überdrüssig ist, ärgert sie ihn unablässig mit Dingen, von denen sie weiß, dass er sie nicht mag. Sie hat Affären mit anderen Männern, weicht ihm aus, wenn sie allein sind, und verdreht seine Worte. Schließlich kann sie sich ihres Liebhabers entledigen und zu einem früheren zurückkehren, wenn ihr das passend erscheint.

„Selbst wenn eine sinnliche Frau ihre Gefühle verdeckt und ihre Zeichen versteckt, so enthüllt sie doch all ihre Gefühle, wenn ihre Leidenschaft sie nach oben treibt.“ (S. 128)

Wie soll die Edelprostituierte zwischen dem Verliebten und dem Großzügigen wählen? Gar nicht, sie sollte vielmehr versuchen, den Verliebten zur Großzügigkeit zu erziehen, denn selbst ein Habsüchtiger zeigt sich großzügig, wenn er verliebt ist. Sie muss aber bei der Wahl darauf bedacht sein, sich demjenigen hinzugeben, der auch in Zukunft ihre Bedürfnisse zu befriedigen versteht. Wie kann die Kurtisane aus einer Beziehung Vorteile für sich ziehen? Nützlich ist ein reicher Liebhaber, der sie in die besseren Gesellschaftskreise einführt. Wenn sie mit einem Mächtigen zusammen ist, mag sie dadurch nicht unbedingt unmittelbaren Gewinn erzielen, kann aber vielleicht drohendes Unheil verhindern oder sich eine bessere Zukunft ermöglichen. Eine Beziehung kann ihr aber auch zum Nachteil gereichen, nämlich wenn sie mit einem Liebhaber zusammen ist, den keiner leiden kann. Damit ruiniert sie ihre Zukunft. Alles in allem ist der Gelderwerb durch Liebschaften riskant, denn die Quelle ist nicht beständig.

Erotische Esoterika

Wem die bisher beschriebenen Methoden nicht helfen, eine begehrte Frau für sich zu gewinnen, der kann gewisse Geheimrezepte anwenden. Macht über eine Frau kann man beispielsweise erlangen, indem man sein Glied mit schwarzem Pfeffer einstreicht – allerdings darf die Frau das nicht merken. Damit die Säfte im Fluss gehalten werden, gibt es zahlreiche Mittel zur Potenzsteigerung; auch die Einhaltung der ayurvedischen Regeln ist hilfreich. Wenn man beim Liebesakt die erschöpfte Leidenschaft der Frau neu entfachen will, darf man durchaus auch zu Hilfsmitteln greifen. Diese sollten aus Holz und außen mit Noppen versehen sein. Es gibt auch Methoden zur Vergrößerung des männlichen Geschlechtsteils: Man kann es mit Essenzen so behandeln, dass es anschwillt. Oft werden dazu auch Insekten verwendet. Ebenso kann die Frau sich und ihre Scheide mit bestimmten Mitteln einreiben, damit der Mann Freude an ihr hat – oder die Lust an ihr verliert.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das „Liebeslehrbuch“ Kamasutra („kama“ = Begehren, Liebe, Lust; „sutra“ = Abhandlung) wurde in der Schriftsprache des alten Indien, dem Sanskrit, verfasst. Es ist in Anlehnung an das siebenaktige indische Drama in sieben Bücher aufgeteilt, die wiederum 36 Kapitel und 64 Paragrafen beinhalten. Die Kapitel werden oftmals durch Verse beendet, in denen der Autor ausdrücklich Empfehlungen abgibt. Die Beschreibung einzelner Sexualpraktiken ist ebenso technisch konkret wie bildhaft („Wenn eines ihrer Beine auf der Schulter des Mannes liegt, wird das Bambusspalten genannt“). Alle Bücher (bis auf das sechste, das offenbar im Auftrag der Kurtisanen erstellt wurde) sind vom Autor in Anlehnung an alte Überlieferungen geschrieben worden, wobei er die Meinung von anderen Gelehrten, die er z. T. namentlich erwähnt, in seinem Diskurs berücksichtigt. Insofern erhält das Kamasutra an manchen Stellen den Charakter einer wissenschaftlichen Abhandlung. Stellenweise sind die Ausführungen schwer zu deuten, weshalb die Kommentare bei der Entschlüsselung der Texte sehr wichtig waren. Darin ähnelt das Kamasutra den Veden, früheren religiösen Texten, die von Gurus gedeutet werden mussten.

Interpretationsansätze

  • Neben konkreten Anleitungen zum Sex vermittelt das Kamasutra vor allem elementare Grundlagen für die Beziehung zwischen den Geschlechtern, die von gegenseitiger Achtung geprägt sein soll.
  • Das Werk ist eine wertvolle Quelle für Informationen über das häusliche und gesellschaftliche Leben im alten Indien. Die namenlosen, typisierten Protagonisten sind wohlhabende Lebemänner und gebildete Frauen – offenbar meint der Autor, dass die oft kostspielige Kunst der Liebe eine gewisse materielle Sicherheit voraussetzt.
  • Weite Teile des Buches sind offenkundig für Männer geschrieben. Dennoch legt der Autor Wert darauf, dass auch Frauen über das Kamasutra Bescheid wissen sollten. Die Diskussion über das stärkere Engagement der Frau in der Liebe kann allerdings auch dem männlichen Wunsch entsprungen sein, die sexuelle Lust durch ihr Mittun noch anzustacheln.
  • Ein aus heutiger Sicht besonders interessanter Aspekt des Kamasutra ist die Entdeckung der Frau als selbstbestimmtes Subjekt; sie ist nicht nur passive Empfängerin der männlichen Wollust, sondern hat selbst Freude am Geschlechtsverkehr.
  • Der Autor empfiehlt, die Frau ernst zu nehmen, und er hegt auch Sympathie für sie, vor allem wenn sie unter einem untauglichen Ehemann zu leiden hat. Damit ist das Kamasutra im Vergleich zu anderen indischen Klassikern erstaunlich unkonventionell.
  • Selbst wenn der Autor des Kamasutra auf die unterschiedlichsten Liebestechniken eingeht, weist er doch immer wieder auf Gewaltlosigkeit, Keuschheit und Mitgefühl als moralische Werte hin.
  • Das Kamasutra ist in seinen Aussagen nicht immer konsistent. Die Beschreibung mancher fragwürdiger Praktiken wird im Anschluss gleich wieder relativiert. Die Verschiedenheit der Quellen, aus denen sich das Buch speist, ist offenkundig.

Historischer Hintergrund

Das indische Altertum

Zwischen 500 v. Chr. und 500 n. Chr. fand in Indien eine gewaltige Umgestaltung statt, die eine neue Gesellschaftsordnung hervorbrachte. Nachdem das Auftreten Buddhas im fünften Jahrhundert v. Chr. die so genannte vedische Periode abgelöst hatte, entstanden in den darauffolgenden Jahrhunderten weitere religiöse Bewegungen. Auch wechselten sich Dynastien in rascher Reihenfolge ab oder kämpften gegeneinander. Vor dem Hintergrund der wachsenden ökonomischen Erstarkung des Landes entstanden bald die ersten Städte, darunter auch Pataliputra (das heutige Patna) im Nordosten Indiens, wo das Kamasutra mutmaßlich geschrieben wurde. Eine urbane Kultur entwickelte sich, die Künste wurden gepflegt und Eliten bildeten sich heraus.

In einigen staatlichen Gebilden teilten sich mehrere führende Familien die Macht, andere wurden von einzelnen Herrscherdynastien regiert. Die Maurya-Dynastie (320–180 v. Chr.) erreichte unter dem buddhistischen Herrscher Ashoka ihre höchste Machtentfaltung und beherrschte zeitweise fast ganz Indien. Erstmals sorgten die Herrscher nicht nur für das eigene Wohl, sondern schützten den Handel und förderten eine kosmopolitische Geisteshaltung. Brahmanismus, Buddhismus und Jainismus boten den Menschen religiöse Hilfe. Die Religionsvertreter wurden von den Königen unterstützt, ihre geistigen Vertreter passten alte Traditionen den neuen Gegebenheiten an. Während der Brahmanismus die Grundlagen für das gesellschaftliche Kastensystem legte, wandten sich die Jainas und Buddhisten gegen derlei Konventionen.

Entstehung

Der älteste heilige Text Indiens, der Rigveda (1750–1200 v. Chr.), ist noch heute für gewisse Bereiche der indischen Gesellschaft bestimmend, doch wurde seine Bedeutung bald durch andere Texte wie etwa die Upanischaden (700–200 v. Chr.) abgeschwächt, die von den Yogis weitergegeben wurden und dazu aufforderten, der sinnlichen Welt den Rücken zu kehren. Im Kamasutra, das im dritten Jahrhundert n. Chr. vermutlich in Nordostindien entstand, wurden diese beiden Strömungen zusammengeführt und traten in einen Dialog: Sowohl die Entsagung wie auch die Erotik beruht auf der Technik der Körperkontrolle, dem Yoga.

Das Kamasutra ist der „erotischen Wissenschaft“ zuzuordnen und gehört damit zu den drei grundlegenden indischen Wissenschaften vom Menschen – neben der Lehre vom religiösen und sozialen Gesetz sowie der Wissenschaft von politischer und wirtschaftlicher Macht. Das Kamasutra gilt vielen Wissenschaftlern als historische Quelle der damaligen Gesellschaft, über die ansonsten nicht allzu viel bekannt ist. Wenngleich der Autor Mallanaga Vatsyayana sich mit präzisen Daten zurückhält, bezieht er sich auf frühere Texte, die heute nicht mehr überliefert sind, was die kulturhistorische Bedeutung des Werks steigert.

Wirkungsgeschichte

Manche Historiker sehen das Kamasutra als Anstandsregelwerk, das trotz seiner Sittentreue gegen die gängigen Gesellschaftsregeln und die Diskriminierung der Frauen aufbegehrte. Zahlreiche Kommentare wurden zu dem Werk geschrieben, wie beispielsweise der Jayamangala von Yashodhara Indrapada, der vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammt. Ein Vergleich zeigt, wie sich gewisse Vorstellungen im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Einen Kommentar jüngeren Datums verfasste Devadatta Shastri; er erschien zusammen mit seiner Übersetzung des Kamasutra 1964. Darin spiegelt sich ein Verständnis von Sexualität wider, wie es in Indien heute verbreitet ist.

Das Kamasutra wurde erstmals 1884 von Richard Francis Burton ins Englische übersetzt. Die ersten europäischen Übersetzer betrachteten das Werk als Verbündeten im Kampf gegen die vorherrschenden prüden Moralvorstellungen. Schließlich sei der Inder, so der deutsche Übersetzer Richard Schmidt, der wahre Virtuose der Liebe. Im Jahr 1965 wurde die Neuübersetzung des Kamasutra wegen „Verbreitung unzüchtiger Schriften“ vor dem Landgericht in Kempten verhandelt, doch die kulturhistorische Bedeutung des Werks siegte über den Kleinmut der Kläger.

„Kamasutra“ ist heute zu einem Modewort geworden; selbst Brillengestelle und Computerspiele werden danach benannt und Managerfibeln wie jene des Hongkonger Autors Nury Vittachi richten sich danach aus. Vom Hauptthema des Werks ist hierbei allerdings nicht viel übrig geblieben, von der Aussage nämlich, dass die Erotik nicht den ungehemmten Trieben das Feld überlässt, sondern zur Verfeinerung der Beziehung zwischen Mann und Frau beiträgt.

Über den Autor

Mallanaga Vatsyayana (um 250 n. Chr.) ist Autor des in der damaligen Gelehrtensprache Sanskrit verfassten Kamasutra. Über sein Leben ist nichts weiter bekannt. Auch gibt es nur wenige Hinweise darauf, wann und wo das Kamasutra entstanden ist. Da vor allem die Lebenswelt des Nordwestens Indien beschrieben wird und der Süden sowie Osten des Landes eher abschätzig erwähnt werden, entstand das Werk vermutlich in Nordindien, möglicherweise in Pataliputra, denn nur diese Stadt wird ausdrücklich erwähnt. Wahrscheinlich wurde der Text in einem urbanen und kosmopolitischen Umfeld geschrieben, denn die erwähnten Salons und Theater gab es damals nur in den Städten. Der Autor zitiert häufig ältere Werke und Lehrbücher und geht auf deren Entstehung ein. Demnach fertigte der Gelehrte Nandin in 1000 Kapiteln das ursprüngliche Kamasutra an, Shvetaketu Auddalaki verkürzte es auf 500 Kapitel, Babhravya von Panchala reduzierte es weiter auf 150 Kapitel in sieben Teilen, Dattaka wiederum verfertigte auf Geheiß der Kurtisanen das sechste Buch. Vatsyayana verdichtete nach eigener Aussage lediglich Texte, die schon vorlagen, und die darin enthaltenen Gedanken der diversen gesellschaftlichen und religionsphilosophischen Strömungen. Immer wieder führt er verschiedene Ansichten und Meinungen auf, ja er arrangiert sie wie ein rhetorischer Lehrmeister, um sie zu bestätigen oder eine gegenteilige Meinung zu inszenieren. Die intertextuellen Bezüge machen das Kamasutra kulturhistorisch überaus wertvoll, da die Vorgängertexte im Lauf der Jahrhunderte verloren gegangen sind.

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