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Gösta Berling

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Gösta Berling

dtv,

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12 take-aways
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What's inside?

Das moderne schwedische Nationalepos: Ein Pfarrer muss durch alle Tiefen des Lebens und der Liebe gehen, um ein guter Mensch zu werden.

Literatur­klassiker

  • Liebesroman
  • Realismus

Worum es geht

Das moderne schwedische Nationalepos

Gösta Berling ist ein Roman über Schweden, ein Roman über Buße, Ehre und harte Arbeit, vor allem aber ein Roman über die Liebe. All deren Facetten werden von Selma Lagerlöf aufs Feinste dargestellt: die unerfüllte und die lächerliche, die kurze und heftige, die oberflächliche und die ewige, nicht zu tilgende Liebe. Sämtliche Episoden, die im Roman erzählt werden, widmen sich am Ende nur diesem einen Thema, und doch ist kein Detail überflüssig, immer gelingt es der Autorin, Altbekanntes auf neue Weise darzustellen. In oft überschwänglicher Sprache breitet Selma Lagerlöf eine eigene kleine Welt vor dem Leser aus, in der das höchste der Gefühle die Armut erträglich macht und den ewigen Jungen Gösta zum ernsthaften Mann reifen lässt. Lagerlöfs sicheres Gespür für die menschliche Psyche und ihr warmherziges Einfühlungsvermögen haben die kauzigen Figuren des Romans zu den bekanntesten und beliebtesten der schwedischen Literatur werden lassen. Auch über 100 Jahre nach Erscheinen des Buchs bleiben seine Liebes- und Lebensgeschichten im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdig.

Take-aways

  • Gösta Berling war Selma Lagerlöfs erster Roman und machte sie weltweit bekannt.
  • Er spielt im schwedischen Värmland und erzählt die Geschichte des innerlich zerrissenen, abgesetzten Pfarrers Gösta Berling.
  • Gösta, jung, schön und charmant, verliert seine Stelle wegen Trunksucht. Auf dem Gut Ekeby, das von einer alten Majorin geleitet wird, findet er freundliche Aufnahme.
  • Gösta wird zu einem ihrer „Kavaliere“: Er lebt mit anderen Herren auf Kosten der Majorin und füllt seine Tage mit der Jagd, prächtigen Bällen und Trinkgelagen.
  • Nach einer Liaison mit der hübschen Anna verliebt sich Gösta in Marianne, die Tochter eines reichen Gutsbesitzers.
  • Die Beziehung währt nicht lange: Marianne, unfähig zur Liebe, verlässt Gösta.
  • Dafür schließt er Freundschaft mit der schönen und gutherzigen Gräfin Elisabet Dohna.
  • Schon bald entstehen die ersten Gerüchte. Elisabets Mann Henrik wendet sich von seiner Frau ab und lässt die Ehe für ungültig erklären.
  • Elisabet bringt ein Kind zur Welt; sie und Gösta heiraten. Obwohl das Kind stirbt, werden sie glücklich und führen ein einfaches, barmherziges Leben.
  • In die Geschichte der Titelfigur sind zahlreiche kleinere Erzählungen eingeschoben, die vom Werdegang anderer Charaktere oder von unerhörten Ereignissen berichten.
  • Mit detailreichen Schilderungen malt Selma Lagerlöf ein fesselndes und farbenprächtiges Bild einer Landschaft und ihrer Bewohner.
  • 1909 gewann sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur.

Zusammenfassung

Ein schöner Trunkenbold

Anfang der 1820er Jahre in einem kleinen Dorf im schwedischen Värmland: Der schöne Pfarrer Gösta Berling betritt zum letzten Mal die Kanzel. Seine Gemeinde hat den Bischof zu Hilfe gerufen, weil Gösta in letzter Zeit sonntags lieber trank, als den Gottesdienst zu feiern. Während der Predigt hat der junge Geistliche eine Erleuchtung und spricht so eindringlich und mitreißend wie nie zuvor. Begeistert lassen die Gemeindemitglieder ihre Vorwürfe fallen und wollen den Reumütigen wieder als ihren Pfarrer aufnehmen. Doch als der Bischof und seine Begleiter sich auf den Heimweg machen, entschließt sich der hünenhafte Hauptmann Christian Bergh, auch er ein Trunkenbold, die frommen Herren von einer weiteren Einmischung abzuhalten: Er entführt ihren Wagen und jagt sie, selbst auf dem Kutschbock sitzend, in einer halsbrecherischen Fahrt über Stock und Stein, durch Sümpfe und einen See. Als Gösta davon erfährt, weiß er, dass man ihm diesen Racheakt anlasten und ihn suspendieren wird. Er verlässt das Dorf, bevor der Bischof zurückkehren und ihn offiziell entlassen kann.

„Der Pfarrer war jung, hochgewachsen, schlank und strahlend schön. Hätte man ihm einen Helm aufs Haupt gesetzt, ihm Schwert und Harnisch gegeben, so hätte man ihn als Modell für den schönsten Athener gebrauchen können.“ (über Gösta, S. 7)

Als Bettler reist Gösta Berling nun über das Land und entschließt sich schon bald, seinem armseligen Leben ein Ende zu setzen. Zuerst aber will er noch ein letztes Gläschen Branntwein trinken. Er kehrt ein und bezahlt mit einem Sack Mehl, den er zuvor einem kleinen, verwahrlosten Mädchen geklaut hat. Aus dem Wirtshaus wankend, wirft er sich zum Sterben auf eine Schneewehe. Die reiche Majorin Samzelius, die ihre Zuneigung zu dem gefallenen Pfarrer nur schlecht verbergen kann, rettet ihn: Wenn er sich nicht umbringe, sondern fortan auf ihrem Gut Ekeby als einer ihrer „Kavaliere“ lebe, wolle sie sich auch des kleinen Mädchens annehmen, sagt sie. Gösta würde zwar sein Leben statt dem Müßiggang lieber harter Arbeit widmen. Doch nach einigen Wochen als Bauer und dem Verlust einer Stelle als Hauslehrer beim Grafen Dohna zieht er endgültig nach Ekeby in den Kavalierflügel.

Die zwölf Kavaliere

Die Kavaliere von Ekeby sind eine illustre Schar von zwölf Männern, unter ihnen der alte Oberst Beerencreutz, bekannt für seine Vorliebe fürs Glücksspiel, und Major Andres Fuchs, ein Bärenjäger. Auch Hauptmann Bergh gehört zu den Kavalieren; er ist ein heimlicher Verehrer der Majorin. Der kugelrunde Patron Julius tut sich vor allem durch seine Redekunst hervor. Dann sind da noch der deutsche Khevenhüller, ein Ritter, der berühmt wurde durch seine unglaublichen Erfindungen, aber das Kavaliers- dem Erfinderdasein vorzog, der alternde Onkel Eberhard, ein Philosoph, der seit Jahren an seinem atheistischen Hauptwerk arbeitet, der Musiker Liljecrona, der eine liebende Familie und ein schönes Haus besitzt, aber die Ruhe und den Frieden nicht ertragen konnte – und jetzt auch Gösta Berling, der Zwölfte im Bunde. Schnell wird er zum Anführer der kuriosen Schar.

Der Pakt

An Heiligabend haben sich die Kavaliere zum Feiern versammelt und sprechen bereits kräftig dem Punsch zu, als plötzlich der Gutsherr Sintram, der sich seiner Natur entsprechend als Teufel verkleidet hat, als Dreizehnter den Raum betritt. Die Kavaliere heißen ihn willkommen. Der Unruhestifter erzählt den Männern eine Legende, nach der die Majorin von Ekeby jedes Jahr dem Teufel die Seele eines Kavaliers überlässt, um ihre Machtposition zu festigen. Und tatsächlich ist seit Langem bekannt, dass jedes Jahr einer der Kavaliere von Ekeby stirbt. Die Männer glauben Sintram und wollen ihn überreden, einen neuen Vertrag aufzusetzen: Ein Jahr lang sollen die Kavaliere auf dem Gut herrschen, ohne dass einer von ihnen geopfert wird. Als Gegenleistung versprechen sie dem Teufel Folgendes: Wenn sie sich in diesem Jahr auch nur einmal nicht wie Kavaliere benehmen, also etwas Nützliches, Kluges oder Unmännliches tun, darf er die Seelen aller zwölf holen. Wenn sie sich jedoch an alle Regeln halten, soll Sintrams Seele sein Lohn sein.

„Sintram heißt der böse Gutsherr auf Fors, der Mann mit dem plumpen, affenartigen Leib, mit dem kahlen Schädel und dem hässlichen, grinsenden Gesicht, der Mann, dessen größte Lust es ist, Böses anzustiften.“ (S. 39)

Was als nächtliche Schnapsidee begann, wird schon am nächsten Tag Wirklichkeit: Während des Weihnachtsessens sind die Kavaliere wütend auf die Majorin, weil sie sie nicht am Haupttisch sitzen lässt. Christian Bergh gerät so in Rage, dass er die Majorin offen des Ehebruchs bezichtigt. Ihre frühere Affäre zu dem reichen Altringer ist allgemein bekannt, jeder weiß, dass sie nur ihm den Besitz ihrer Güter verdankt. Jeder – bis auf ihren Mann, Major Samzelius. Der reagiert schnell und wirft seine Gattin aus dem Haus. Die Majorin wendet sich Hilfe suchend an die Kavaliere, doch die Männer sind noch zu sehr von der Geschichte beeinflusst, die ihnen der teuflische Sintram erzählt hat, und weigern sich, ihr zu helfen. So verlässt die Majorin Ekeby, und der Major, der nichts mehr mit dem verhassten Gut zu tun haben will, überlässt die Leitung den Kavalieren.

Unglückliche Liebe

Als Gösta Berling eines Abends bei der armen, aber allseits beliebten Familie Uggla zu Gast ist, bittet diese ihn um Hilfe. Die Familie Stjärnhök, deren Tochter Anna von Ferdinand Uggla geheiratet werden soll, will die Verlobung lösen, weil sie für Anna eine bessere Partie gefunden hat. Gösta verspricht Ferdinands Eltern, Anna auf einem bald stattfindenden Ball zu entführen und zu ihrem Verlobten zu bringen.

„Seht, dort sitzen sie im Kreise um die Bowle, ein Kavalier neben dem andern! Es sind ihrer zwölf, zwölf Männer. Keine Eintagsfliegen, keine Modehelden, sondern Männer, deren Ruf erst spät in Värmland verhallen wird, mutige Männer, starke Männer!“ (S. 41)

Auf dem Ball versucht Gösta Anna zur Hochzeit mit Ferdinand zu überreden. Doch diese versteht ihn falsch und verliebt sich in Gösta selbst. Auf dem Heimweg entschließt sich Gösta, sein Versprechen gegenüber den Ugglas zu brechen und Anna mit nach Ekeby zu nehmen. Im Wald aber wird ihr Wagen von Wölfen umzingelt, was Gösta als Gotteswink deutet: Ihre Liebe steht unter einem schlechten Stern. Nur mit Not können sich die beiden im nahe gelegenen Haus der Ugglas in Sicherheit bringen. Nun ist klar, dass Anna dort bleiben muss – schließlich hat die Familie sie den Abend über sehnlichst erwartet. Gösta bittet Anna, auf ihr gemeinsames Glück zu verzichten und stattdessen mit ihrer Aussteuer die arme Familie Uggla zu retten. Anna willigt schweren Herzens ein, Gösta bricht in Tränen aus.

Spiel um die Liebe

Auf Ekeby findet abermals ein Ball statt, und alle freuen sich, dass unter den Gästen auch die weit gereiste und wunderschöne Marianne Sinclaire ist. Gemeinsam mit Gösta führt sie ein kleines Theaterstück auf, das von zwei Liebenden handelt. Während des Spiels gehen beide so in ihren Rollen auf, dass sie sich am Ende leidenschaftlich küssen. Etwas später spielt Gösta mit Mariannes Vater Melchior Sinclaire Karten. Gösta gewinnt ein Spiel nach dem anderen, und bald hat Sinclaire nichts mehr, was er als Einsatz nutzen könnte. Da schlägt Sintram vor, die Hand Mariannes einzusetzen, natürlich unter der Bedingung, dass auch sie mit dem Bräutigam einverstanden wäre. Melchior sagt zu, nicht ahnend, dass Marianne an Gösta Gefallen gefunden hat. Prompt verliert er das Spiel. Als Sintram ihm später erzählt, dass der Kuss gar nicht zum Stück gehörte, wird Melchior so zornig, dass er ohne Marianne das Fest verlässt und ihr später, als sie zu Fuß zu Hause ankommt, die Tür nicht öffnet. Marianne, die nicht weiß, warum ihr Vater wütend auf sie ist, legt sich in den Schnee, um zu sterben. Durch Zufall kommen jedoch kurz darauf die Kavaliere am Hof Sinclaires vorbei und nehmen die unterkühlte Marianne mit nach Ekeby.

Gescheiterte Rückeroberung

Für dieselbe Nacht hat die Majorin die Vertreibung der Kavaliere geplant, die ihr geliebtes Gut herunterwirtschaften und ihren Besitz verprassen. Doch weil Marianne von dem Plan Wind bekommen hat und sofort zum Major gelaufen ist, kann dieser rechtzeitig eingreifen. Die Majorin ihrerseits muss fliehen, und die Kavaliere regieren weiterhin das Gut, das sie mit ihren Ausschweifungen und ihrer Faulheit an den Rand des Ruins bringen.

„Du bist trotzdem ein Poet, Gösta, den Beinamen musst du dir gefallen lassen. Du hast mehr Gedichte gelebt, als unsere Dichter geschrieben haben.“ (Frau Uggla, S. 72)

Marianne erkrankt in der schicksalhaften Nacht schwer und bekommt die Pocken. Nach Wochen erst hat sie sich wieder erholt – ihr hübsches Gesicht ist jedoch für immer entstellt. Ihr Vater verzeiht ihr den Fehler mit Gösta und kommt nun nach Ekeby, um sie nach Hause zu holen. Marianne begleitet ihn, ohne sich von Gösta zu verabschieden. Später will sie ihren Geliebten zurückgewinnen, doch der hat inzwischen gemerkt, dass sie zu echten Gefühlen unfähig ist.

Erneute Enttäuschung

Gösta ist zutiefst verbittert über die gescheiterte Liebe zu Marianne und fasst erst neuen Lebensmut, als er die schöne junge Gräfin Elisabet Dohna kennen lernt, die mit seinem einstigen Schüler Henrik Dohna verheiratet ist. Er will fortan der gutherzigen Dame dienen – ganz keusch. Tatsächlich werden die beiden schon bald enge Freunde. Doch eines Tages erfährt Elisabet durch die eifersüchtige Anna Stjärnhök von der tragischen Geschichte der frommen Ebba Dohna, Henriks Schwester. Diese war einst in Gösta verliebt und nahm sich das Leben, als sie erfuhr, dass er sein Pfarramt durch Trunksucht verloren hatte. Als Elisabet kurz darauf auf Gösta trifft, kündigt sie ihm die Freundschaft.

„Ach, Gösta Berling, du, der Stärkste und Schwächste unter den Menschen!“ (S. 85)

Wieder hat Gösta eine Liebe verloren. Er redet sich immer mehr ein, nichts wert zu sein, und will, um dies allen zu beweisen, eine hübsche, aber geistig beschränkte Besenbinderin heiraten. Sie scheint ihm die richtige Braut für einen glücklosen Pfarrer zu sein. Als Elisabet davon erfährt, macht sie sich noch in derselben Nacht auf den Weg nach Ekeby, um Gösta von seinem Plan abzubringen. Es gelingt ihr tatsächlich, doch der nächtliche Ausflug ist nicht unbemerkt geblieben. Die intrigante Mutter Henriks, Gräfin Märta, erzählt ihrem Sohn, Elisabet habe eine Affäre mit Gösta und sie habe Henrik ohnehin nur wegen seines Geldes geheiratet. Henrik glaubt ihr und wendet sich von seiner Frau ab. Die nächsten Wochen werden für Elisabet zur Hölle: Wie eine Magd muss sie im Haushalt schuften. Als sie bemerkt, dass sie schwanger ist, flieht sie.

Elisabets Buße

Elisabet will fort aus der Gegend, fort von ihrem Mann und auch von Gösta, obwohl sie erkannt hat, dass sie diesen wirklich liebt. Sie flüchtet sich auf einen kleinen Bauernhof, wo sie eine Anstellung als Dienstmagd annimmt. Durch die ungewohnt harte Arbeit erleidet sie eine Frühgeburt: Das Kind kommt krank und schwach zur Welt. Elisabets größter Wunsch ist nun, ihm einen Vater zu finden. Als sie erfährt, dass Henrik in ihrer Abwesenheit ihre Ehe für ungültig hat erklären lassen, entschließt sie sich, nach Gösta zu schicken und ihn um die Heirat zu bitten. Gösta willigt sofort ein, obwohl er befürchtet, die gute und schöne Elisabet damit ins Verderben zu stürzen. Wie soll ein Engel wie sie mit einem Nichtsnutz wie ihm schon glücklich werden? Er erfüllt ihr dennoch den Wunsch, heiratet sie und nimmt sie mit nach Ekeby. Wenige Tage später stirbt das Kind.

„Ich warte auf den Gewaltigen, der mich mir selbst entreißt; so stark muss ich die Liebe in meinem eigenen Herzen empfinden, dass ich davor erbebe. Bis jetzt kenne ich nur die Liebe, über die mein Verstand lächeln muss.“ (Marianne, S. 93)

Marianne Sinclaire hat inzwischen ihren Freund aus Kindertagen, Baron Adrian, geheiratet. Ferdinand Uggla ist gestorben, noch bevor er und Anna Stjärnhök heiraten konnten. Diese ist dennoch geblieben, um den Hof fortan zu leiten. Die Kavaliere haben eingesehen, dass sie Ekeby mit ihren Festen und Trinkgelagen zugrunde richten, und bemühen sich, den Schaden wiedergutzumachen.

Gösta Berlings neues Leben

Der beim Volk beliebte und bewunderte Hauptmann Lennart ist bei einer Jahrmarktprügelei erschlagen worden. Während Gösta am Sarg steht, fährt ein Gefängniswagen vorbei, der Sintram abtransportiert. Er ist verurteilt worden, weil er im Krieg Schießpulver an die Gegner verkauft hat. Ein letztes Mal will der böse Gutsherr Zwietracht säen und versucht, Gösta, der sich schuldig an Lennarts Tod fühlt, zum Selbstmord zu überreden. Gösta geht in den Wald, um zu sterben. Doch Elisabet lässt ihn suchen und zu ihr zurückbringen. Sie ist wütend, weil er sein Leben wegwerfen will, anstatt es den Armen zu weihen und endlich der gute Mensch zu werden, den bereits alle in ihm sehen.

„Wahrlich – Lieblosigkeit und Übermut begannen wirklich von dem Gehirn der mittellosen Abenteurer Besitz zu ergreifen. Sintram hatte Hass in ihre Herzen gesät.“ (S. 114)

Die alte Majorin kehrt nach Ekeby zurück. Sie ist schwer krank und erfährt kurz vor ihrem Tod noch von dem Pakt zwischen den Kavalieren und Sintram. Verbittert will sie der Bande das Gut überschreiben, damit sie es verprassen und unglücklich sterben. Gösta aber gelingt es, ihr zu zeigen, dass sich die Kavaliere ihr zu Ehren gebessert haben und nun hart arbeiten, damit Ekeby seinen Reichtum zurückerlangt. Die alte Frau wird weich und stirbt schließlich in Frieden, ohne einen Erben zu benennen. Die Kavaliere verlassen Ekeby, Sintram stirbt an Weihnachten, und Gösta und Elisabet erfüllen sich ihren Wunsch nach einem zurückgezogenen, barmherzigen Leben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Gösta Berling ist in 38 Kapitel gegliedert, die jeweils eine Geschichte aus dem schwedischen Värmland erzählen. Nicht immer steht dabei die Titelfigur im Mittelpunkt. Die Autorin gibt u. a. die Lebensgeschichten einzelner Kavaliere zum Besten (z. B. in den Kapiteln „Patron Julius“ oder „Khevenhüller“) oder schildert die Umgebung, in der das Ganze spielt („Die Landschaft“). Auf diese Weise entsteht ein überaus lebendiges, plastisches Bild Värmlands und seiner Bewohner.

Die Autorin bleibt keineswegs unbeteiligte Beobachterin: Aus einem Abstand von mehreren Jahrzehnten kommentiert sie die Ereignisse, teilt ihre Erinnerungen mit dem Leser und trauert den vergangenen Zeiten nach. Mitunter belegt sie einzelne Geschichten, indem sie auf ihre Quellen verweist. Mythen, die im frühen 19. Jahrhundert im schwedischen Hinterland noch zum Alltag gehörten, werden mit der Realität verquickt – ob man ihnen Glauben schenkt oder nicht, wird ausdrücklich dem Leser überlassen. Lagerlöf fühlt, jubelt und leidet mit ihren Figuren, manchmal kippt ihre Empathie aber auch unvermittelt ins Ironische. Ihre Sprache ist bildreich und stark rhythmisiert, sie sprudelt förmlich über von Fragen, Ausrufen und direkten Ansprachen der Figuren oder des Lesers. Obwohl die Handlung munter voranprescht, scheut die Autorin auch vor liebevoll gezeichneten Details nicht zurück.

Interpretationsansätze

  • Gösta Berling ist in erster Linie ein Liebesroman, der die Liebe in den verschiedensten Schattierungen zeigt: Nach seinen glücklosen Romanzen mit Anna Stjärnhök und Marianne Sinclaire findet Gösta in Gräfin Elisabet Dohna seine große Liebe, verliert sie wieder und gewinnt sie am Ende zurück, weil er ein besserer Mensch geworden ist.
  • Die Verwandlung der Titelfigur vom gescheiterten Pfarrer und Trunkenbold zum Ehemann und Retter der Armen legt eine Deutung des Buchs als Entwicklungsroman nahe. Gösta Berling muss erst verschiedene Rückschläge erleben, bevor er seine wahre Berufung erkennt. Die Verwandlung ist jedoch nicht vollkommen: Am Ende weiß Gösta noch immer nicht, „wie ein Mensch gut und fröhlich zugleich sein könne“.
  • Die zahlreichen Anleihen an die schwedischen Volksmythen verleihen dem Roman märchenhafte Züge: Ein böser Gutsherr agiert als Teufel, der Kavalier Khevenhüller verdankt seine außergewöhnliche Begabung einer Waldfrau, und die Majorin wird als Hexe verschrien.
  • Gösta Berling ist ein einfühlsames Porträt Schwedens, seiner Landschaft und seiner Einwohner. Die Ansichten und Hoffnungen des einfachen Volkes werden genauso detailliert geschildert wie die Bälle und Feste des Adels und die erhabene nordische Landschaft. Zu Recht ist Selma Lagerlöfs Erstlingsroman denn auch als schwedisches Nationalepos bezeichnet worden.

Historischer Hintergrund

Schweden im 19. Jahrhundert

Nach den Erschütterungen durch die Französische Revolution und die Eroberungskriege Napoleons kehrte mit dem Wiener Kongress 1814/15 wieder Ruhe in Europa ein. Zwischen 1815 und 1871 sorgte die „Pentarchie“ aus Russland, England, Österreich, Preußen und Frankreich für einen labilen, aber dauerhaften Frieden. Auch für Schweden, das nach dem Ende des russischen Zarenreiches Finnland verloren und nach den napoleonischen Kriegen die Herrschaft über Norwegen zugesprochen bekommen hatte, begann eine lang erwartete Zeit des Friedens. Unter König Karl XV. wurden mehrere liberale Reformen durchgesetzt, u. a. erhielt Schweden 1865 eine Repräsentativverfassung, die den Wählern mehr Mitspracherechte einräumte. Außenpolitisch setzte das Land auf eine pragmatische Neutralitätspolitik. So griff Schweden weder in den Deutsch-Dänischen Krieg um Schleswig-Holstein (1864) ein, noch verhinderte es die Unabhängigkeitsbestrebungen Norwegens (1905).

Die großen Veränderungen, die die Industrialisierung auf dem ganzen Kontinent mit sich brachte, erreichten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch den Agrarstaat Schweden. Die Arbeiterklasse wuchs in den Städten rasant an, weil immer mehr Bauern ihre Dörfer verließen, um in den großen Fabriken Arbeit zu finden. Ab 1889 organisierte sich die schwedische Arbeiterschaft politisch unter der Führung von Hjalmar Branting. Mit der zunehmenden Industrialisierung ging ein wahrer Boom der Naturwissenschaften einher: In allen Gebieten der wissenschaftlichen Forschung wurden, nicht zuletzt durch die Entdeckung der Elektrizität, enorme Fortschritte gemacht. Die Erkenntnisse von Forschern wie Georg Simon Ohm, Michael Faraday und Thomas Alva Edison waren Wegbereiter für die moderne Technik. Die bahnbrechenden wissenschaftlichen Fortschritte beeinflussten die Kultur auf vielfältige Weise: Reagierten die Künstler der Romantik noch mit einer ablehnenden Haltung, setzte sich Ende des Jahrhunderts im Realismus und schließlich im Naturalismus eine Hinwendung zur naturwissenschaftlichen Erkenntnisweise durch.

Entstehung

Wie kein anderes Jahrhundert war das 19. das Zeitalter des Romans: Zwischen Romantik und Realismus entstanden die Meisterwerke von Autoren wie Fjodor Dostojewski, Honoré de Balzac, Jane Austen und Theodor Fontane. Auch durch den Nobelpreis, der seit 1901 alljährlich für Verdienste in den Naturwissenschaften, zur Sicherung des Völkerfriedens und eben auch für schriftstellerische Errungenschaften verliehen wird, stieg die Bedeutung der Literatur in der Öffentlichkeit. Die epische Fülle der Kunstform Roman hat die junge Selma Lagerlöf beeindruckt. Aber auch die Sagas Islands, die Märchen Hans-Christian Andersens und die Essays Thomas Carlyles hinterließen Spuren in ihrem Erstling Gösta Berling. Aus den großen literarischen Bewegungen des späten 19. Jahrhunderts griff sich Lagerlöf das Beste heraus: Die Anklänge an Volksmärchen verband sie mit der Romantik, die Liebe zur wirklichkeitsgetreuen Abbildung mit dem Realismus und Naturalismus.

Die Autorin nannte es ihre Absicht, mit dem Roman „eine Art romantisierte Kulturgeschichte“ ihres Volkes zu verfassen. Als Vorbild für die Figuren dienten ihr die Bewohner ihrer Heimat: Die Geschichte Gösta Berlings geht in Grundzügen auf den wegen Trunksucht abgesetzten Pfarrer Emanuel Branzell zurück, der 1888 in Värmland starb, in der Figur des Liljecrona sehen viele Forscher Züge von Lagerlöfs Großvater, während Marianne Sinclaires nachdenkliches und selbstkritisches Wesen nahelegt, dass die Autorin sich in dieser Figur bis zu einem gewissen Grad selbst porträtiert hat.

Gösta Berling besteht aus einzelnen Erzählungen und Novellen, die Lagerlöf kunstvoll zu einem großen Ganzen flocht. Die ersten fünf Kapitel veröffentlichte sie bereits 1890 in der Frauenzeitschrift Idun. Deren Redakteure waren begeistert von der spannenden Lebensgeschichte des jungen Pfarrers und sagten der jungen Autorin zu, den ganzen Roman drucken zu lassen, sobald sie ihn vollendet habe. Das Buch erschien 1891.

Wirkungsgeschichte

Zunächst blieb der Erfolg aus. In einer Zeit, in der die naturalistische Betrachtungsweise zum künstlerischen Leitbild erhoben worden war, schienen die Kritiker kaum Interesse an einem Roman zu haben, der in seinen Grundzügen romantisch war. 1893, ein gutes Jahr nach der Veröffentlichung, machte jedoch eine begeisterte Rezension des dänischen Literaturkritikers Georg Brandes Selma Lagerlöfs Roman weltbekannt. Bis heute ist Gösta Berling der meistgelesene schwedische Roman, er wurde gar als „schwedisches Nationalepos“ bezeichnet. 1924 verfilmte der Schwede Mauritz Stiller das Werk als Stummfilm mit Lars Hanson als Gösta und der 19-jährigen Greta Garbo als Elisabet.

Über den Autor

Selma Lagerlöf wird am 20. November 1858 in Värmland (Schweden) geboren und wächst auf dem Gut Mårbacka ihres Vaters Leutnant Erik Gustav Lagerlöf auf. Ihre Kindheit wird sie 1930 in ihrer Autobiografie Ett barns memoarer (Aus meinen Kindertagen) schildern. Als Vierjährige erkrankt sie schwer an Kinderlähmung und muss sich in den folgenden Jahren verschiedenen Therapien zur Heilung des daraus resultierenden Hüftleidens unterziehen. Trotzdem wird sie ein Leben lang hinken. Bereits mit 15 Jahren verfasst Lagerlöf die ersten Gedichte. Nachdem sie einige Jahre Privatunterricht erhalten hat, geht sie ab 1882 auf ein Mädchengymnasium in Stockholm und lässt sich anschließend zur Volksschullehrerin ausbilden. Nach dem Tod des Vaters 1885 muss das Familiengut veräußert werden – 1908 kauft Selma es zurück. 1891 erscheint Gösta Berlings saga (Gösta Berling), womit ihr gut ein Jahr später der weltweite Durchbruch gelingt. Ab 1895 bereist die junge Autorin aufgrund eines Stipendiums ganz Europa, Nordafrika und den Nahen Osten. In den Jahren 1897–1907 veröffentlicht Lagerlöf zahlreiche weitere Erzählungen, darunter auch das weltberühmte Kinderbuch Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige (Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen, 1906). 1909 erhält sie als erste Frau den Literaturnobelpreis, 1914 wird sie das erste weibliche Mitglied der Schwedischen Akademie. Ab 1933 setzt sich die Autorin für die Rettung jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland ein und ist u. a. an der Flucht der Lyrikerin Nelly Sachs beteiligt. Nur im historischen Zusammenhang verständlich ist, dass die sozial überaus engagierte Schriftstellerin das „Rassenbiologische Institut“ des Nazi-Sympathisanten Herman Lundborg unterstützt. Nach einem schweren Schlaganfall stirbt Selma Lagerlöf am 16. März 1940 auf ihrem geliebten Gut Mårbacka.

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