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Eugen Onegin

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Eugen Onegin

Reclam,

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12 take-aways
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What's inside?

In seiner bedeutendsten Oper vertonte Tschaikowsky ein Schlüsselwerk der russischen Literatur: „Eugen Onegin“ von Alexander Puschkin.

Literatur­klassiker

  • Oper
  • Romantik

Worum es geht

Verhindertes Liebesglück

Neben seinen Ballettmusiken und Sinfonien ist Tschaikowsky besonders für seine einfühlsamen Vertonungen lyrischer Werke des russischen Dichters Alexander Puschkin bekannt. Eine Lesung aus dessen Versroman Eugen Onegin hatte es ihm so angetan, dass er unverzüglich mit der Komposition der darauf beruhenden Oper begann. Er bezeichnete das Werk allerdings bewusst nicht als Oper, sondern als "Lyrische Szenen in drei Akten". Das Thema "verhindertes Liebesglück" spielte auch in seinem eigenen Leben eine Rolle. Nachdem sich die schwärmerische Gutsbesitzertochter Tatjana auf den ersten Blick in den Lebemann Eugen Onegin verliebt hat, gesteht sie ihm ihre Gefühle in einem Brief. Onegin weist zwar nicht ihre Liebe, wohl aber ihre romantischen Ehevorstellungen zurück. Aufgrund eines Missverständnisses tötet er wenig später seinen Freund Lenski, den Bräutigam von Tatjanas Schwester, im Duell. Nach 16 Jahren sehen sich Onegin und Tatjana wieder und lieben sich immer noch. Doch nun sind die Rollen vertauscht: Onegin macht der verheirateten Tatjana den Antrag, mit ihm zu kommen, und sie erteilt ihm schweren Herzens eine Absage. Die dramatischen Verstrickungen zweier Liebender, die sich stets im falschen Augenblick begegnen, boten Tschaikowsky reichlich Gelegenheit, die literarische Vorlage nuanciert in Musiksprache zu übersetzen. Eugen Onegin wurde ein Welterfolg und Tschaikowsky ein gefeierter Komponist, dem allerdings im privaten Leben das Glück versagt blieb.

Take-aways

  • Eugen Onegin gilt als die bedeutendste Oper des russischen Komponisten Tschaikowsky.
  • Sie beruht auf dem gleichnamigen Versroman von Alexander Puschkin, einem Schlüsselwerk der russischen Literatur.
  • In einem Gutshaus begegnen sich zwei Paare: die Gutsbesitzertochter Olga und der Dichter Lenski sowie Olgas Schwester Tatjana und Lenskis Freund, der Lebemann Eugen Onegin.
  • Lenski und Olga kennen sich seit ihrer Jugend und sind im Begriff, sich zu verloben. Die schüchterne Tatjana wird von glühender Liebe zu Onegin erfasst.
  • In einem Brief lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf und hofft, ihr Liebestraum möge wahr werden.
  • Onegin bekennt ihr gegenüber kühl, dass er nicht glaubt, für die Ehe geeignet zu sein.
  • Bei einem Ball auf dem Gut langweilt sich Onegin und flirtet mit Olga.
  • Rasend vor Eifersucht fordert Lenski seinen Freund zum Duell. Onegin erschießt ihn.
  • 16 Jahre später treffen sich der schuldbewusste Onegin und Tatjana auf einem Ball des Fürsten Gremin. Tatjana ist inzwischen dessen Gattin.
  • Onegin fleht Tatjana an, mit ihm fortzugehen; auch sie gesteht ihm ihre Liebe, weigert sich jedoch, ihren Mann zu verlassen.
  • In seiner von Molltonarten bestimmten Oper verleiht Tschaikowsky allen Beteiligten und ihren Gefühlen beredten musikalischen Ausdruck.
  • Das Werk thematisiert die Schwierigkeit, ein erfülltes Liebesglück zu finden, eine Erfahrung, die auch Tschaikowsky selbst zutiefst bewegt hat.

Zusammenfassung

  1. Akt, 1. Bild: Besuch zweier Herren

Das Vorspiel beginnt mit einem schwermütig-sehnsuchtsvollen, mehrmals variierten Motiv in Moll, das später noch mehrfach auftaucht und mit der weiblichen Hauptfigur verbunden ist. Dieses Motiv hat zwar nichts Volksliedhaftes, klingt aber gleichwohl unverkennbar russisch. Nach dem Vorspiel beginnt der Gesang sofort mehrstimmig. Die Gutsbesitzerin Larina (Mezzosopran) und ihre Töchter Olga (Alt) und Tatjana (Sopran) verweilen zusammen mit der alten Dienerin und Amme Filipjewna (Mezzosopran) im Garten ihres Landhauses. Beim Gesang der Nachtigall fragen die Töchter ihre Mutter nach deren Jugendzeit. Von der Harfe begleitet, erinnern sich Larina und Filipjewna im Duett an einen Kavalier aus den Jugendtagen der Mutter, der deren Herz hat höher schlagen lassen. Sie wurde jedoch mit jemand anderem verheiratet; ihre romantischen Neigungen mussten den prosaischen Gewohnheiten einer Ehe weichen. Die Szene endet mit einer von den dunklen Streichern gespielten Coda (Schlussstück).

„Ich folge gern beim Klange dieser Lieder dem Spiel der Phantasie, das mich entrückt so weit von hier, so fern.“ (Tatjana, S. 11)

Der Chor der Leibeigenen des Guts tritt auf und überbringt der Herrin Erntedankgaben. Die Leute singen zunächst choralartig ihren Dank für die eingebrachte Ernte. Dann geht es munter weiter mit einem Lied über einen Spielmann, dem die Mädchenherzen zufliegen, wenn er sie mit seiner Fiedel unterhält. Larina bittet Filipjewna, die Leute zum Dank im Haus mit Wein zu bewirten. Die Töchter Tatjana und Olga reagieren völlig unterschiedlich auf das Lied der Landleute. Tatjana ist traurig gestimmt, Olga hingegen gibt in einer Arie ihrer Lebensfreude Ausdruck: "Was sollte ich seufzen (...)?" Sie hält nichts von traurigen Klagen. Olga und die Mutter Larina machen sich Sorgen wegen Tatjanas Schwermut, die vielleicht auf ein romantisches Buch zurückzuführen sein könnte, das sie gerade gelesen hat.

„Nie habe ich des Nachts mit Tränen geseufzt aus bangem Herzensdrang. Warum auch seufzen, wenn jeden Morgen ein neuer froher Tag beginnt?“ (Olga, S. 11)

Überraschend nähert sich eine Kutsche und bringt den Besuch zweier Herren. Die Frauen streichen sich eilig ihre Kleider glatt und ordnen ihre Haare. Die Ankömmlinge sind der Dichter Lenski (Tenor), ein Gutsnachbar und Freund des Hauses, und Eugen Onegin (Bariton), der seinerseits ein Gutsnachbar und Freund von Lenski ist. Larina heißt die Besucher willkommen und geht rasch ins Haus, um Tee bringen zu lassen.

„Was ich erträumt, geschah. Ich fühle, ich weiß, er ist’s, nur er allein. Des Tages Licht, der Nächte Kühle, ja, selbst der Träume bunten Schein durchdringt sein Bild, das mich erfüllte, bevor sich’s meinem Aug‘ enthüllte.“ (Tatjana, S. 14)

Die Töchter und die beiden Männer bleiben allein zurück und stehen einander gegenüber. Jeder für sich, allerdings musikalisch verbunden in einem Quartett, drücken sie nun ihre Reaktionen auf die unverhoffte Situation aus: Onegin ist sofort von Tatjana entzückt, Lenski ist schon seit Jugendtagen mit Olga befreundet. Olga erkennt die Liebe auf den ersten Blick zwischen Onegin und der schüchternen und romantisch veranlagten Tatjana. Lenski und Olga entfernen sich plaudernd in den Garten. Onegin wendet sich an Tatjana und fragt sie, wie sie sich auf dem abgelegenen Gut die Zeit vertreibt. Sie antwortet, sie sei eine schwärmerische Leserin. Dann promenieren sie ihrerseits durch den Garten, während das andere Paar zurückkommt. Lenski bekennt sich gegenüber Olga zu viel mehr als bloß freundschaftlichen Gefühlen: Er gesteht ihr, dass er sie liebt.

„Wenn mich für die Häuslichkeit im Leben erkoren hätte das Geschick, als Gatte, Vater mich zu geben, ich zögert‘ keinen Augenblick. Sie gleichen meinem Ideal, ich wüßte keine bessre Wahl.“ (Onegin, S. 27)

Der Tee ist bereitet, Tatjana und Onegin werden aus dem Garten zurückgerufen. Auf dem Weg ins Haus erzählt Onegin Tatjana, dass er wegen der Krankheit eines Onkels, der auf einem Gut in der Nachbarschaft lebt, in diese Gegend gekommen sei. Die Dienerin und Amme Filipjewna bemerkt, wie traurig - oder nur schüchtern? - Tatjana wirkt. Ein schwebend-leichtes Orchesterspiel beschließt die Szene.

  1. Bild: Tatjana schreibt einen Brief
„Wohin, wohin seid ihr entschwunden, o Jugendzeit, o Liebesglück? Was wird der nächste Tag mir bringen? Mein Blick vermag nicht zu durchdringen, was mir verbirgt der Zukunft Schoß.“ (Lenski, S. 38)

Die Streicher kreieren in der kurzen Orchestereinleitung wieder eine schwermütige, russisch klingende Stimmung. Tatjana ist unruhig und bittet Filipjewna, ihr ein Märchen zu erzählen. Dann fragt sie ihre alte Amme, ob sie jemals verliebt gewesen sei. Filipjewna berichtet, wie sie in jungen Jahren nach kurzer Brautwerbung verheiratet wurde. Angesichts Tatjanas fiebrigen Zustandes macht sie sich Sorgen, ob das Mädchen krank sei. Daraufhin gesteht ihr Tatjana, verliebt zu sein. Doch sie fürchtet sich auch vor diesem Zustand und schickt die Dienerin fort.

„Das Leben, ach, nur ein ermüdend Einerlei! Im Zweikampf meinen Freund gemordet, mein Dasein ohne Sinn und Ziel. Und schon sind volle sechzehn Jahr‘ seit jenem Unglückstag vergangen. Ich fand Zerstreuung nicht noch im Amt, vergeudete mit Nichtstun meine Zeit.“ (Onegin, S. 42)

Allein gelassen, versucht Tatjana ihrer Gefühle Herr zu werden. Die begleitende Musik spiegelt ihr aufgewühltes Inneres wider. Tatjana will ihr Liebesgefühl auskosten und es in einem Brief offenbaren. Ein geeigneter Anfang gelingt ihr jedoch nicht, sie unterbricht sich, will den Brief nicht abschicken und fühlt sich dann doch wieder innerlich zum Schreiben gedrängt. Sollte sie vielleicht besser einen Mann heiraten, den sie nicht so liebt? Dann aber sieht sie die Begegnung mit Onegin wieder als Gottesfügung. Sehr lange ist sie hin- und hergerissen. Schließlich will sie dem Geliebten doch ihr Vertrauen schenken und siegelt den Brief. Tatjana verstummt, doch das Orchester singt ihre Gefühle und Hoffnungen zu Ende.

„O Himmel, gib mir Mut und Kraft zu dämpfen jähe Leidenschaft.“ (Tatjana, S. 44)

Früh am nächsten Morgen erklingt eine Hirtenflöte. Filipjewna erscheint und ist froh, Tatjana gesund und munter zu sehen. Das Mädchen bittet die Amme, Onegin den Brief zustellen zu lassen. Filipjewna versteht sie im ersten Augenblick nicht recht, verspricht aber, den Brief abzuschicken. In einem Orchesternachspiel steigern sich die Streicher zu größter Klangfülle.

  1. Bild: Onegins Antwort
„Ein jeder kennt die Lieb‘ auf Erden, ein jeder muß ihr Sklave werden: der Jugend ungebrochne Kraft, des reifen Alters Leidenschaft.“ (Fürst Gremin, S. 44)

In einem abgelegenen Teil des Gartens singt ein munterer Mädchenchor, wie lustig und wie vertrackt es sein kann, in der Verliebtheit dem auserwählten Burschen - und nicht etwa dem falschen - die richtigen Signale zu senden. Ein Stimmungswechsel im Orchester kündigt die höchst aufgeregte Tatjana an. Sie bereut, den Brief geschickt zu haben. Dann hört sie, wie sich jemand nähert. Es ist Onegin. Er hat sich über die Offenheit des Briefes gefreut und will nun seinerseits ganz offen sein, denn er hat Tatjana etwas zu beichten: Er liebe sie aufrichtig wie ein Bruder und würde sich sofort für sie entscheiden. Doch er glaube nicht, dass er für eine Ehe geeignet sei, ja mehr noch, er halte eine glückliche Ehe für eine Illusion und wolle sich und Tatjana Leid ersparen. Nach diesem Geständnis kehren die Mädchen mit ihrem heiteren, ironischen Gesang zurück.

  1. Akt, 1. Bild: Eklat beim Ball
„Ach, wie war einst das Glück so nahe!“ (Tatjana und Onegin, S. 49)

In einer Zwischenaktmusik sind drei Themen eng miteinander verwoben: ein besinnliches, ein erregtes und ein walzerartiges Tanzmusikthema. Auf einem Ball zu Tatjanas Ehren im Festsaal des Larin'schen Gutshauses preist der Chor der Gäste die gelungene Feier. Kurz klingen Hörner aus dem Orchester auf: Denn auf dem Land gibt es außer der Jagd wenig Abwechslung. Onegin führt Tatjana aufs Parkett. Sofort fangen ältere Damen an, über ihn zu klatschen. Sie finden ihn ungehobelt, halten ihn für einen Freimaurer und mokieren sich darüber, dass er nur Rotwein trinkt. Olga bemerkt das Getuschel. Onegin findet den Ball langweilig. Aus Verärgerung über Lenski, der ihm die Einladung aufgenötigt hat, bittet er dessen Verlobte Olga um den nächsten Tanz und flirtet mit ihr. Darüber ärgert sich wiederum Lenski, der sich von Olga stehen gelassen fühlt. Er macht ihr heftige Vorwürfe, doch Olga lacht nur über ihn.

„Verschmäht, verstoßen! O welch hartes Los!“ (Onegin, S. 51)

Alle drängen sich nun um den greisen Monsieur Triquet (Tenor), der für Tatjana ein Lied mit einer schlichten, altmodischen Melodie vorträgt. Dann beginnt als Höhepunkt des Festes der Cotillon, ein Gesellschaftstanz. Die Paare ordnen sich zur Mazurkamusik, und auch dieses Mal tanzen Onegin und Olga gemeinsam. Lenski bleibt abseits stehen und grollt den beiden auch weiter, als Onegin ihn zu beschwichtigen versucht, weil die übrigen Gäste den Disput bereits bemerkt haben. Lenski glaubt seine Liebe und Freundschaft zu Olga, die er so lange gepflegt hat, verraten, und das ausgerechnet durch seinen eigenen Freund. Vor aller Augen und Ohren kündigt er Olga die Freundschaft auf. Onegin fühlt sich sehr unbehaglich, Lenski vergreift sich in seiner Überreaktion nun auch ihm gegenüber im Ton - beide fühlen sich in ihrer Ehre verletzt. Um die Lage zu bereinigen, fordert Lenski Satisfaktion. Das Orchester tremoliert erregt.

Als Hausherrin verlangt Larina eine Erklärung. Lenski hebt zu einer langen Arie an: In diesem Haus seien die Stunden stets angenehm verflossen. Aus diesem Sologesang entwickelt sich wieder eine große Ensembleszene: Onegin hebt an und macht sich Vorwürfe, er habe bewusst und zu offensichtlich mit Olga geflirtet. Tatjana ist erschüttert über ihre eigene Eifersucht, sie sieht sich in ihrem Liebespech bestätigt und wünscht sich fast, lieber jetzt gleich zu sterben, solange Onegin noch in der Nähe ist. Olga und Larina fürchten, das Fest könnte vorzeitig ein ungutes Ende nehmen. Genau das tut es auch: Alle Ballgäste stimmen in den Ensemblegesang ein, das Fest sei nun wegen des Streits an ein jähes, unschönes Ende gekommen. Onegin braust auf und meint, dass er dem überempfindlichen Lenski eine Lektion erteilen wolle, und Lenski verabschiedet sich überstürzt von Olga.

  1. Bild: Das Duell

Im Orchestervorspiel erklingt düster-bedrohliche Musik von den Blechbläsern, fast schon ein Trauermarsch. Dazu kommen dunkle Streicher und Holzbläser. Lenski und sein Sekundant Saretzki (Bass) erwarten Onegin, der sich verspätet, zum Duell. Das gibt Lenski Gelegenheit, noch einmal über die vergangene Jugendzeit mit ihrem Liebesglück nachzudenken: "Wohin seid ihr entschwunden, goldne Tage meiner Jugend?" Er sieht sich schon im Grab liegen und stellt sich vor, wie Olga, die er so sehr geliebt hat, ihm auf dem Friedhof nachweint. Um zu zeigen, für was für eine Farce er das Duell hält, erscheint Onegin absichtlich unpünktlich und mit seinem Kammerdiener als Sekundant. Während die Vorbereitungen für das Pistolenduell getroffen werden, gedenken Lenski und Onegin ihrer Freundschaft, können sich aber nicht versöhnen. Die anschließende Aufstellung zum Duell wird nur vom Orchester begleitet. Ohne hinzusehen, erschießt Onegin Lenski.

  1. Akt, 1. Bild: Wiederbegegnung

Eine Ballszene in einem fürstlichen St. Petersburger Palais wird mit einer Polonaise eröffnet. Auch Eugen Onegin ist anwesend, gerade heimgekehrt von langen Reisen im Ausland. Nach 16 Jahren leidet er trotz aller Zerstreuungen noch immer darunter, seinen Freund getötet zu haben. Er kann nicht vergessen und findet keinen Seelenfrieden. Die übrigen Gäste halten ihn für einen merkwürdigen Sonderling. Endlich erscheinen die Gastgeber des Abends, Fürst Gremin (Bass) und seine Gemahlin, die wegen ihrer Schönheit und ihrer Güte sogleich vom Chor der Ballbesucher gepriesen wird. Die Fürstin ist niemand anderes als Tatjana, wie Onegin nach und nach bewusst wird. Sie wiederum erkundigt sich, wer der eigenartige Herr sei, erkennt ihn dann aber ebenfalls.

Wegen seiner langen Abwesenheit weiß Onegin nicht, was sich in der Zwischenzeit zugetragen hat. Fürst Gremin, sein Verwandter und Freund, teilt ihm mit, dass er nun mit Tatjana verheiratet ist. Der Fürst preist seine Frau in den höchsten Tönen, denn: "Liebe macht vor dem Alter nicht Halt." Gremin stellt Onegin und Tatjana einander vor. Tatjana bewahrt die Fassung und erklärt, man kenne sich wohl von früher. Dann gibt sie vor, müde zu sein, und verlässt mit ihrem Gatten den Ball. Onegin kann es nicht fassen: Ist es denn wirklich Tatjana? Er erinnert sich, wie sie ihm ihre Liebe offenbart und wie er sie verschmäht hat. Nun spürt er, wie in ihm aufrichtige Liebe zu ihr erwacht.

  1. Bild: Trennung für immer

In der in Moll gehaltenen Orchestereinleitung erklingen Holzbläser, dann treten Streicher hinzu, erst ruhig, dann stärker bewegt. Tatjana erwartet angespannt den Besuch Onegins, den er in einem Brief angekündigt hat. Ihre Gefühle für ihn sind nicht erloschen. Als er eintrifft, erinnern sie sich - erst in Sologesängen, dann gemeinsam im Duett - an die Begegnung in ihrer Jugendzeit und daran, wie er sie von sich stieß und damit kränkte. Will er nun ihren Frieden und ihre Ehe zerstören? Auf Knien fleht Onegin um Verzeihung und gesteht ihr seine Liebe. Beide denken daran zurück, wie einst das Glück so nahe war. Um Tatjanas Ehre willen möge Onegin nun gehen, doch er bringt es nicht über sich. Da gesteht auch sie ihm ihre Liebe. Dadurch ermuntert, fleht Onegin sie umso mehr an, ihrer inneren Stimme zu gehorchen und ihm zu folgen, damit ihr gemeinsames höchstes Glück Wirklichkeit werden könne. Tatjana durchficht einen inneren Kampf zwischen Leidenschaft und Pflicht. Mit letzter Kraft reißt sie sich nach Onegins unverhohlener Aufforderung zum Ehebruch zurück und erteilt ihm eine Absage. Er bricht verzweifelt zusammen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Eugen Onegin besteht aus drei Akten. Der erste Akt beinhaltet drei Bilder oder Szenen, der zweite und der dritte jeweils zwei, was insgesamt sieben Bühnenbilder erforderlich macht. Die Oper ist durchkomponiert, es gibt also keine Wechsel zwischen gesprochenen oder Rezitativpassagen und Arien, wie es in älteren Opern häufig der Fall ist. Gleichwohl treten in diesem in sich geschlossenen Werk bestimmte ariose Gesänge in fast jedem Bild hervor.

Interpretationsansätze

  • Die romantische Liebe hat keine Chance: In der stark von Konventionen beherrschten Gesellschaft der aristokratisch-bürgerlichen Oberschicht (vertreten durch Larina) wie auch der Unterschicht (Filipjewna) werden Frauen verheiratet, ohne gefragt zu werden. Romantische Liebesträume wie der von Tatjana sind zum Scheitern verurteilt. Mehr noch: Erfüllte, glückliche Liebe erscheint in der gesamten Oper als Ding der Unmöglichkeit. Weder das Paar Olga/Lenski noch das Paar Tatjana/Onegin erreicht dieses Ziel. Lenski zerstört sich und sein Glück durch seine grundlose Eifersucht, Onegin verpasst die Chance seines Lebens.
  • Kennzeichnend für die Gefühlswelt der Hauptfiguren ist ihre Widersprüchlichkeit, das ständige Hin-und-hergerissen-Sein. In der Darstellung dieses Zustands liegt das musikalische Schwergewicht der Oper. Tatjana weiß nicht, ob und wie sie ihre Liebe offenbaren soll; als Lenski von Eifersucht befallen wird, zeigt er sich unfähig, mit seinen Gefühlen umzugehen; vor dem Duell besteht noch kurz die Chance auf eine Versöhnung zwischen den Freunden, die sie aber vertun; auf dem Ball sind sowohl Tatjana wie Onegin verunsichert; und zum Schluss gibt Tatjana ihre Liebe zu Onegin zwar zu, besinnt sich aber sogleich wieder auf ihre eheliche Pflicht.
  • Das Werk verfügt weniger über eine äußere als über eine innere Dramatik. Die Widersprüchlichkeit der Figuren verleiht dem Geschehen etwas sehr Differenziertes. Es gibt kein einfaches Gut und Böse, Richtig und Falsch. Die Identifikation des Zuschauers bleibt dementsprechend in der Schwebe.
  • In Eugen Onegin prallen unterschiedliche Welten aufeinander: das beschauliche, altmodische Reich des abgelegenen Landguts und die große Welt, für die einerseits der Lebemann Onegin, andererseits Fürst Gremin stehen.
  • Leise gesellschaftskritische Töne finden sich in der positiven, heiteren Darstellung des Landvolks gegenüber der Demaskierung der klatschsüchtigen Gutsgesellschaft und in dem aufbrausenden, übersteigerten Ehrgefühl des unglückseligen Lenski sowie in dem zwar würdigen, aber auch selbstgefälligen Gehabe des Fürsten Gremin.

Historischer Hintergrund

Russland im 19. Jahrhundert

Nachdem Russland unter Zar Peter dem Großen und Zarin Katharina II. zur europäischen Großmacht geworden war, erlebte das Land den Russlandfeldzug Napoleons 1812 als tiefen Einschnitt. Der militärische Erfolg der Russen stärkte die Stellung des Zarentums, das Land wurde zur konservativen Vormacht in Europa. Die führende Gesellschaftsschicht, der Adel, verkrustete noch stärker als in anderen Teilen des Kontinents. Die gesamte Oberschicht sprach ausschließlich französisch - die Sprache des Feindes. Russisch war somit dem einfachen Volk vorbehalten und als Literatursprache überhaupt nicht präsent. Es war in erster Linie das Verdienst des Dichters Alexander Puschkin, dass sich das änderte. Puschkin stand den Dekabristen nahe, den Teilnehmern eines Aufstands am Jahresende 1825. Dieser wurde von Geheimbünden junger Aristokraten und Offiziere angezettelt, die von westlichen Reformideen erfüllt waren. Aber wie auch im übrigen Europa der Restauration schotteten sich die Machteliten mit repressiven Methoden gegen liberale und republikanische Bestrebungen ab. Nachdem Zar Nikolaus I. den Dekabristenaufstand mühelos niedergeworfen hatte, isolierte er Russland vom übrigen Europa und verwandelte das Land in einen regelrechten Polizeistaat mit Zensur, Unterdrückung jeglicher Opposition, Hinrichtungen und Verbannung aller unliebsamen Elemente nach Sibirien. Das änderte sich weitgehend unter Zar Alexander II. Russland wurde nun, nach den Maßstäben der Zeit, ein Reformstaat: wirtschaftlich, teilweise politisch (Aufhebung der Leibeigenschaft 1861) und geistig. Aufklärerisches Denken, im Untergrund längst vorbereitet, war nun angesagt. Gleichwohl blieb vieles im Argen. Die sozialen Ungleichheiten, die Korruption, ja die Reformen als Ganzes wurden von vielen Bevölkerungsgruppen abgelehnt. Alexander II. war keine starke Persönlichkeit, manche Reformen wurden gar wieder zurückgenommen. Der Zar war ständig von Attentaten bedroht und fiel schließlich auch einem Sprengstoffanschlag im Jahr 1881 zum Opfer. Unter seinen Nachfolgern Alexander III. und Nikolaus II. kehrte das Land bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der Oktoberevolution zu den reaktionären Verhältnissen zurück, von denen es sich nie wirklich weit entfernt hatte.

Entstehung

Im Frühjahr 1877 wurde Tschaikowsky, der auf der Suche nach einem geeigneten Opernstoff war und bereits einige Ideen verworfen hatte, von der Sängerin Elisabeth Lawrowskaja auf Puschkins Versroman Eugen Onegin hingewiesen. Tschaikowsky war sofort ergriffen, er konnte, wie er schrieb, "in dieser Nacht, als ich das Werk las, nicht schlafen" und fertigte eine Skizze des Szenariums an. Während es im Roman eine Vielzahl von Nebenfiguren gibt, verdichtete Tschaikowsky den dramaturgischen Ablauf im Wesentlichen auf die vier Hauptpersonen, die ungefähr so schon bei Puschkin vorkommen. In der literarischen Vorlage ist jedoch die Figur des Onegin deutlicher als Dandy und zynischer Lebemann gezeichnet, und anders als bei Puschkin bleibt das weitere Schicksal von Olga in der Oper ausgeblendet. Mit der Ausarbeitung des Librettotextes betraute Tschaikowsky Konstantin Schilowski, einen bereits erfahrenen Librettisten. Als Erstes komponierte Tschaikowsky die Briefszene Tatjanas, das Kernstück der Oper. Nachdem er mit der Arbeit begonnen hatte, geriet er in eine persönliche Lebenskrise. Längere Zeit war Tschaikowsky von seiner Verehrerin Antonina Miljukowa mit Liebesbekenntnissen und Selbstmorddrohungen bestürmt worden, bis er - obwohl homosexuell veranlagt - in die Ehe einwilligte, die dann sehr unglücklich verlief und bald wieder beendet wurde. Nach Tschaikowskys eigenen Aussagen führten diese Erlebnisse bei ihm zu einer noch stärkeren Identifikation mit dem Lieben und Leiden seiner Opernfiguren, als er sie ohnehin bei seiner ersten Begegnung mit dem Werk Puschkins empfunden hatte. Der Komponist vollendete die Oper während einer fluchtartigen Reise durch die Schweiz, Frankreich und Italien.

Wirkungsgeschichte

Tschaikowsky selbst hielt sein Werk wegen seines eher intimen, kammerspielartigen Charakters für nicht besonders bühnenwirksam als "große Oper" und vertraute die Uraufführung im Jahr 1879 daher der Opernklasse seines Moskauer Konservatoriums an. Dennoch fand das Werk seinen Weg auf die großen Bühnen, etwa mit einer Inszenierung am Moskauer Bolschoitheater (1881) oder in St. Petersburg im Jahr 1884, wo Eugen Onegin auf Befehl des Zaren inszeniert wurde - es war seine Lieblingsoper. Schon 1892 konnte die 100. Aufführung des Werks gefeiert werden. Die deutsche Erstaufführung in Hamburg im gleichen Jahr wollte Tschaikowsky selbst dirigieren, er wurde aber wegen Komplikationen mit der deutschen Übersetzung des Librettos so nervös, dass er die Leitung abgab. Das Dirigat übernahm der damals noch junge Gustav Mahler. Bis heute ist Eugen Onegin eine der weltweit meistgespielten Opern. Das Bild des Komponisten wurde in Russland auf eine Münze geprägt, und alle vier Jahre findet in Moskau ein nach ihm benannter Musikwettbewerb statt. Die Oper wurde 1958 in Russland von Roman Tichomirov verfilmt. Von Puschkins Originalwerk Eugen Onegin entstand 1999 ein Film von Martha Fiennes.

Über den Autor

Peter Iljitsch Tschaikowsky gilt als bedeutendster russischer Komponist des 19. Jahrhunderts. Er wird am 7. Mai 1840 in Wotkinsk (Ural) geboren. Nach dem Willen seines Vaters soll er Beamter werden, er studiert in St. Petersburg Jura und tritt 1859 in ein Ministerium ein. Schon als Kind im Klavierspiel unterrichtet, entschließt er sich ab 1861 zu einem Musikstudium am Konservatorium; dessen Gründer Anton Rubinstein ist einer seiner Lehrer. 1866 wird Tschaikowsky von Rubinsteins Bruder eine Position als Lehrer an einer Zweigstelle des Konservatoriums in Moskau vermittelt. Er arbeitet auch als Dirigent und Kritiker und vollbringt erste Kompositionen. Wegen Arbeitsüberlastung wird er zu einer Erholungspause gezwungen und hält sich 1876 in Bayreuth auf, wo er der Eröffnung des Festspielhauses und der Erstaufführung von Richard Wagners Ring des Nibelungen beiwohnt - und diese als Qual empfindet. Dank einer Brieffreundschaft zu seiner Gönnerin Nadeshda von Meck, die ihn fortan mit einer Apanage von 6000 Rubel jährlich unterstützt, kann er sich in finanzieller Unabhängigkeit ganz seinem musikalischen Schaffen widmen. 1877 ist sein Krisenjahr, in dem ihn die unglückselige Heirat mit einer glühenden Verehrerin fast in den Selbstmord treibt. In der Folge reist er durch Europa, vor allem als Konzertdirigent. 1891 unternimmt er auch eine Konzertreise in die USA. Bei seinem plötzlichen Tod am 25. Oktober 1893 in St. Petersburg hinterlässt Tschaikowsky ein umfangreiches Werk: sieben Sinfonien, etliche weitere Orchesterwerke und Kammermusiken, drei Ballette (Schwanensee, Dornröschen, Der Nussknacker) und zehn Opern, darunter Eugen Onegin (1879) und Pique Dame (1890). Alexander Puschkin (1799-1837) ist einer der größten russischen Dichter, er gilt als der eigentliche Schöpfer der russischen Literatursprache. Der Versroman Eugen Onegin wird als sein Hauptwerk betrachtet. Puschkin stirbt, wie der Dichter Lenski in Eugen Onegin, bei einem Duell, im Alter von nur 38 Jahren. Das Libretto zur gleichnamigen Oper fertigt Tschaikowsky mithilfe des Musikdramaturgen Konstantin Schilowski an, unter direkter Verwendung von Textpassagen aus Puschkins Dichtung.

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