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Auf der Suche nach Indien

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Auf der Suche nach Indien

Fischer Tb,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Auf der Suche nach Indien finden zwei britische Damen nur einen spätkolonialen Kuddelmuddel.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

O-u-bo-um

E. M. Forster gehört zu den großen Pessimisten der Weltliteratur. Das Motiv der Enttäuschung zieht sich durch sein Leben und Werk wie eine ins Unendliche gedehnte Dissonanz. Auch in Auf der Suche nach Indien ist das Thema allgegenwärtig. Hier wird alles und jeder enttäuscht: der Glaube des indischen Protagonisten an die Kraft des guten Willens; der Wunsch einer Engländerin, das „wahre“ Indien kennen zu lernen; die Selbstverliebtheit der britischen Kolonialherren, die sich verzweifelt als Vertreter einer höheren Zivilisation sehen möchten; die anfängliche Bewunderung der Inder für die gut organisierten Fremdherrscher; das Streben der alten, lebensmüden Mrs. Moore nach einem höheren Sinn. Jedes Sehnen und Verlangen zurückweisend, steht im Zentrum des Romans das pulsierende Echo in den Marabar-Grotten, das auf alle Stimmen ewig gleich ist: „O-u-bo-um.“ Der Roman müsste bei einer solchen Anlage ein bleischweres Unglücksepos sein – wäre nicht sein Urheber einer der feinfühligsten und präzisesten Sprachkünstler der Weltliteratur.

Take-aways

  • Mit Auf der Suche nach Indien schuf der Engländer Edward Morgan Forster den Indienroman des 20. Jahrhunderts.
  • Inhalt: Der junge Inder Aziz wird von der britischen Gemeinde der Stadt Tschandrapur beschuldigt, eine Engländerin sexuell belästigt zu haben. Durch den Vorfall und seine Folgen verschärft sich das zerrüttete Verhältnis zwischen Einheimischen und Kolonialherren. Aziz wird zwar freigesprochen, doch die Spannungen bleiben bestehen.
  • Der Roman ist eine schonungslos pessimistische Analyse der Situation im Indien des ausgehenden Kolonialzeitalters.
  • Die britische Kolonialherrschaft in Indien dauerte von 1858 bis 1947.
  • Mit dem Thema des sexuellen Übergriffs eines Inders auf eine Engländerin rührte der Roman an die Urängste der britischen Minderheit in Indien.
  • Forster kannte die Problematik aus eigener Anschauung: 1921 hatte er sich als Privatsekretär des Maharadschas von Dewas verdingt.
  • Mit Anfang 30 war er schon ein gefeierter Schriftsteller. Auf der Suche nach Indien war sein letzter Roman. Er veröffentlichte ihn mit 45 Jahren.
  • Das Buch wurde 1984 mit Alec Guinness verfilmt.
  • Aus Furcht vor seiner dominanten Mutter bekannte sich Forster erst nach deren Tod öffentlich zu seiner Homosexualität.
  • Zitat: „Indien eine Nation – was für ein Wunschbild! Keinen höheren Ehrgeiz zu haben als den, noch zu so später Weltstunde in die Gilde der grauen Schwestermächte, im 19. Jahrhundert begründet, aufgenommen zu werden!“

Zusammenfassung

Begegnung in der Moschee

Tschandrapur, Indien: Der junge muslimische Arzt Dr. Aziz sitzt mit Freunden auf der Veranda. Man raucht Wasserpfeife und diskutiert die Frage, ob eine Freundschaft zwischen Briten und Indern möglich ist. Da erhält Aziz von einem Diener die Nachricht, dass Major Callendar, der Oberarzt des örtlichen Krankenhauses und Aziz’ Vorgesetzter, nach ihm verlange. Aziz macht sich auf den Weg, wird jedoch durch eine Reifenpanne aufgehalten. Als er endlich ankommt, ist Callendar nicht mehr da. Das interpretiert Aziz als fehlenden Respekt. Auf dem Rückweg kommt er an einer Moschee vorbei. Hier hofft er, sich etwas ausruhen zu können. Im Dämmerlicht des alten, vertrauten Gemäuers erspäht er eine ältere Frau, offensichtlich eine Britin. Aziz fürchtet zunächst eine Entweihung der heiligen Stätte und weist die Frau zurecht. Seine Sorge erweist sich jedoch als unbegründet: Mrs. Moore, so heißt die Dame, hat vorschriftsgemäß die Schuhe ausgezogen. Aziz bereut sein Aufbrausen und versucht, die Engländerin zu versöhnen. Die beiden sind einander sofort sympathisch. Aziz erfährt, dass Mrs. Moore eben erst in Indien angekommen ist. Sie besucht ihren Sohn Ronny Heaslop, den Friedensrichter von Tschandrapur. Aus der Heimat hat sie die junge Adela Quested mitgebracht. Sie und Ronny kennen sich bereits und erwägen eine Verlobung.

Die Party

Mrs. Moore und Adela brennen vor Neugier auf die exotische Kultur. Ihnen zuliebe organisiert der Chef der britischen Stadtverwaltung, Mr. Turton, eine Party, zu der er sowohl Einheimische als auch Engländer einlädt. Doch die Stimmung bei der Veranstaltung ist verkrampft. Inder und Briten wollen sich partout nicht mischen. Lediglich die beiden neu angekommenen Damen bemühen sich um den Kontakt zur anderen Seite. Ihre Freundlichkeit trägt ihnen bei den Indern Sympathien ein, denn diese sind es gewohnt, von den Briten im besten Fall mit Herablassung, meist jedoch verächtlich und demütigend behandelt zu werden. Im Gespräch mit dem freigeistigen Schulmeister Fielding machen Adela und Mrs. Moore ihrer Empörung über die Arroganz ihrer Landsleute Luft. Fielding, erfreut über solch menschenfreundliche Gesinnung, verabredet sich kurzerhand mit ihnen zum Tee. Als die Rede auf Aziz kommt, schlägt er vor, den jungen Arzt ebenfalls einzuladen.

Zum Tee bei Mr. Fielding

Fielding und Aziz, die sich bisher nur vom Hörensagen kannten, stehen gleich auf vertrautem Fuß. Auch mit Adela und Mrs. Moore versteht sich der junge Arzt blendend. Von so viel Aufmerksamkeit berauscht, brilliert Aziz mit geistreicher Konversation und lässt sich schließlich dazu hinreißen, die Damen zu sich nach Hause einzuladen. Eigentlich hat er die Einladung nur aus Höflichkeit ausgesprochen, doch zu seiner Überraschung nehmen die beiden seine Einladung tatsächlich an. Aziz ist bestürzt, weiß er doch, dass seine ärmliche Hütte in keiner Weise den Ansprüchen so vornehmer Engländerinnen genügt. Noch mehr in die Zwickmühle gerät er, als sich ein weiterer Gast einstellt: Professor Godbole, ein alter Brahmane, der ihm, so meint Aziz, mit seiner charmanten, stets leicht ironischen Art die Show stehlen könnte. Um ihn zu übertreffen, schlägt Aziz nun vor, statt seines unwürdigen Heims solle man doch lieber die nahe gelegen Grotten von Marabar besuchen; er selbst wolle den Ausflug organisieren. Da platzt Ronny herein, der seine Mutter und Adela zum Polo abholen will. Ganz Kolonialbeamter ignoriert er die beiden Inder, was Aziz außerordentlich erregt. Die Stimmung droht zu kippen. Nur mit Mühe findet man zu einem höflichen Umgangston zurück, bevor sich Ronny mit den Damen verabschiedet.

Verlobung mit Hindernissen

Im Auto geraten Adela und Mrs. Moore mit Ronny wegen seines Auftritts aneinander. Sie werfen ihm Snobismus, er ihnen Naivität vor. Schließlich eröffnet Adela ihrem alten Freund, dass aus der Verlobung nichts wird. Ronny ist getroffen, lässt es sich aber nicht anmerken. Tapfer macht er weiter Konversation. Doch Rettung naht, und zwar in Gestalt des Nawab Bahadur, eines wohlhabenden einheimischen Würdenträgers. Als Zeichen der Ehrerbietung offeriert er ihnen eine Spritztour mit seinem neuen Auto. Sie nehmen an. Im Dunkeln, auf dem Rücksitz des fremden Gefährts, kommen Ronny und Adela einander wieder näher, ihre Hände berühren sich wie zufällig, bleiben liegen ... Plötzlich kracht es: Ein Tier, vermutlich eine Hyäne, ist auf die Straße gerannt, der Fahrer hat das Auto vor Schreck gegen einen Baum gesetzt. Niemand ist verletzt, der Wagen allerdings ist hin. Zum Glück kommt die Engländerin Miss Derek des Weges und nimmt sie in ihrem Auto mit. Doch so froh Ronny und Adela darüber sind, so wenig schätzen sie die leichtfertige, zynische Art der jungen Dame. Und siehe da, die gemeinsame Abneigung wirkt Wunder: Kaum sind sie zurück in Tschandrapur, hat sich der Wind komplett gedreht: Nun soll doch geheiratet werden.

Zu den Grotten von Marabar

Mit Adelas Wunsch, Land und Leute kennen zu lernen, ist es plötzlich nicht mehr allzu weit her. Auch Aziz wäre lieber von der Gastgeberpflicht entbunden, doch die Verabredung für die Expedition zu den Marabar-Grotten steht nun einmal, und er glaubt, es seiner Ehre schuldig zu sein, dass die Sache ein Erfolg wird. Nur zu gut kennt er die typisch indische Tendenz zum Chaos. Seine Befürchtungen erhalten gleich Nahrung: Zwar finden sich die Damen zur festgesetzten Stunde am Bahnhof ein, Fielding und Professor Godbole jedoch verspäten sich und müssen schließlich zurückbleiben. Aziz ist außer sich; nur mit Mühe kann Mrs. Moore ihn beruhigen. Nach kurzer Fahrt erreicht der Zug die Hügel von Marabar. Aziz ist nun wieder ganz in seinem Element und plaudert munter drauflos. Einen Tross von Dienern und neugierigen Dorfbewohnern im Schlepptau, gelangen sie endlich zur ersten Grotte. Als sie hineingehen, drängen die Leute hinterher. Mrs. Moore erleidet einen Anfall von Platzangst; die Enge, der Gestank und vor allem das irritierende Echo in der Grotte berauben sie beinahe ihrer Sinne. Der Ausflug ist ihr verleidet, sie weigert sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen.

Der Vorfall

Also lassen Aziz und Adela Mrs. Moore zurück und setzen die Tour mit einem einheimischen Führer fort. Während sie zu den Haupthöhlen hinaufsteigen, fragt Adela Aziz nach seinem Familienleben. Der gibt bereitwillig Auskunft. Doch dann glaubt er seinen Ohren nicht zu trauen: Ob er mehrere Frauen habe oder bloß eine, fragt Adela. Aziz, als moderner Moslem, ist vollkommen entgeistert. Er verschwindet in einer der Grotten am Wegrand, um sich zu sammeln. Adela folgt ihm, hat jedoch kurz nicht aufgepasst und nimmt den falschen Eingang. Als Aziz wieder ins Freie tritt, ist sie verschwunden. Aufgeregt sucht er die Umgebung ab, doch es gibt so viele Grotten, dass Aziz bald die Übersicht verliert. Plötzlich erspäht er durch eine Lücke im Fels ein Auto, das sich aus der Richtung Tschandrapurs nähert, und einen Moment glaubt er, aus dem Augenwinkel Adela gesehen zu haben, wie sie den Abhang hinunter zum Auto eilt. Etwas beruhigt macht er sich an den Abstieg. Dabei findet er Adelas Fernglas und hebt es auf.

„Mit Ausnahme der – ohnehin vierzig Kilometer abgelegenen – Marabar-Grotten hat die Stadt Tschandrapur dem Besucher nichts Ungewöhnliches zu bieten.“ (S. 9)

Unten angekommen trifft er auf Fielding. Miss Derek hat ihn und Godbole mit dem Auto hergefahren. Aziz ist außer sich vor Freude. Da kommt der Chauffeur von Miss Derek gelaufen und meldet, diese sei eben mit der anderen jungen Lady in Richtung Tschandrapur abgefahren. Die Nachricht stiftet Verwirrung. Doch Aziz berichtet, wie er und Adela sich auf dem Berg in bestem Einvernehmen getrennt hätten. Ohne böse Absicht verdrängt er den wahren Hergang der Ereignisse und verstrickt sich in ein Gespinst aus Lügen. In Tschandrapur angekommen, gibt es eine Überraschung: Aziz wird noch am Bahnhof verhaftet. Wie sich herausstellt, glaubt Adela, in einer der Grotten von Aziz sexuell belästigt worden zu sein. Polizeidirektor McBryde setzt Fielding wenig später die Lage auseinander: Aziz soll sich im Dunkel der Grotte an Adela herangemacht haben; die habe sich mit dem Feldstecher gewehrt, der später, entsprechend beschädigt, in Aziz’ Tasche gefunden wurde. Die Nachricht von der Untat verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die britische Gemeinde ist empört.

Frontenbildung

Allein Fielding glaubt nicht an Aziz’ Schuld, womit er sich die Verachtung seiner Landsleute einhandelt. Für die geht es ums Prinzip. All ihr Hass, ihre Ängste und Vorurteile sind mit dem vermeintlichen Übergriff bestätigt worden. Die Stimmung im Klub ist nahezu hysterisch. Major Callendar ergeht sich in wüsten Anschuldigungen: Aziz habe die Missetat von langer Hand geplant. Dann schießt sich der Oberarzt auf Fielding ein, der sich zunächst nicht provozieren lässt. Die Situation eskaliert jedoch, als Ronny Heaslop hereinkommt. Alle erheben sich ehrerbietig, nur Fielding bleibt trotzig sitzen. Das wird ihm übel angekreidet. Turton stellt ihn zur Rede, worauf Fielding erklärt, er halte Aziz für unschuldig. Da fährt Turton aus der Haut und fordert wütend eine Entschuldigung. Doch der Lehrer stellt sich mit deutlichen Worten gegen seine Landsleute. Es kommt zum Tumult. Fielding muss das Feld räumen.

Mrs. Moores Verbitterung

Aziz hat einflussreiche Freunde: seinen Onkel Hamidullah, den Strafverteidiger Mahmoud Ali und den Nawab Bahadur; mit ihnen erörtert Fielding die Verteidigungsstrategie. Die Inder haben bereits die Hilfe des berühmten Amritrao angefordert, eines notorisch antibritischen Anwalts aus Kalkutta. Die alte Mrs. Moore ist seit dem unseligen Ereignis nicht mehr wiederzuerkennen; der Ohnmachtsanfall in der Grotte hat ihren Seelenfrieden zerrüttet. Sie scheint lebensmüde und verbittert. Auch sie glaubt nicht an Aziz’ Schuld. Daher ist Ronny froh, als er für sie einen Platz auf dem nächsten Dampfschiff ergattern kann. Auch Adela ist mit den Nerven am Ende. Plötzlich kommen ihr Zweifel, was den Tathergang betrifft. Als sie mit Ronny darüber sprechen will, reagiert der unwirsch. Für ihn, wie für alle Briten in Tschandrapur, ist der Fall längst entschieden. Adela ist zu schwach, um auf ihrem Zweifel zu bestehen.

Der Prozess

Die Stimmung in Tschandrapur ist aufgeladen. Es kommt zu Demonstrationen vor dem Gerichtsgebäude, die Briten bereiten sich auf Angriffe der Einheimischen vor. Endlich ist der Morgen der Verhandlung gekommen. An Ronny Heaslops Stelle, der wegen Befangenheit nicht für den Vorsitz infrage kommt, leitet der Inder Das den Prozess; doch er gilt als treuer Vasall der Kolonialherren, niemand zweifelt daran, dass Aziz verurteilt wird. Die Briten, allen voran der fanatische Callendar, versuchen gleich, das Kommando zu übernehmen. Doch Das weist sie überraschend in die Schranken. Nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt haben, kann es endlich losgehen. Adela wird in den Zeugenstand gebeten. Vor ihrem inneren Auge steigen nun die lange verdrängten Bilder jenes verhängnisvollen Ausflugs empor, und statt ihre bisherige Version des Geschehens ein weiteres Mal abzuspulen, berichtet sie, dass sie alleine in der Grotte gewesen ist. Zur Bestürzung der Briten entlastet sie damit Aziz. Tumult bricht aus. Aziz wird freigesprochen.

Konsequenzen

Nichts ist mehr, wie es war. Die Freundschaft zwischen Aziz und Fielding hat einen Knacks bekommen. Aziz zeigt sich gegenüber Adela unversöhnlich und will sie zur Rechenschaft ziehen. Der Schulmeister verübelt ihm das. Er hat die etwas eigensinnige, aber ehrliche Adela nach dem Prozess schätzen gelernt. Nur mit Mühe gelingt es ihm, Aziz von seiner Entschädigungsforderung abzubringen. Mrs. Moore ist auf See gestorben. Ihre schwache Konstitution war der Hitze nicht gewachsen. Als „Esmiss Esmoor“ wird sie unter den Indern zur Legende, ihr Tod wird als Strafe der Götter gedeutet – für das Leid, das von ihrem Sohn ausging. Ronny verdrängt seine Gewissensbisse, für ihn hat die Aufrechterhaltung der Ordnung in Tschandrapur Vorrang vor persönlichen Angelegenheiten. An eine Hochzeit mit Adela ist nicht mehr zu denken. Diese kehrt nach England zurück und auch Fielding begibt sich für ein paar Monate auf Heimaturlaub. In seiner Abwesenheit steigert sich Aziz in die Vorstellung hinein, sein Freund habe mit Adela gemeinsame Sache gemacht, wolle sie heiraten und habe deshalb von ihm verlangt, auf eine Entschädigung zu verzichten.

Zwei Jahre später

Aziz ist Leibarzt des Radschas von Mau. Professor Godbole, inzwischen Bildungsminister von Mau, hat ihm den Job besorgt. Mit den Briten im Allgemeinen und Fielding im Besonderen ist er ein für alle Mal durch. Als eines Tages Fielding, der die Stelle in Tschandrapur aufgegeben hat, in Mau auftaucht, gibt sich Aziz distanziert. Auch die Entdeckung, dass Fielding gar nicht Adela, sondern Mrs. Moores Tochter Stella geheiratet hat, vermag Aziz nicht sofort zu besänftigen. Noch immer verübelt er Fielding dessen Nähe zu Adela. Doch allzu lange vermag Aziz seine feindselige Haltung nicht aufrechtzuerhalten, und so kehren die beiden bald zum vertrauten Umgangston von früher zurück. Indes, die Ereignisse haben Aziz verändert: Er träumt von der Unabhängigkeit Indiens. Erst dann, meint Aziz, könnten er und Fielding wirklich befreundet sein.

Zum Text

Aufbau und Stil

Auf der Suche nach Indien ist in drei Teile gegliedert, deren Überschriften jeweils den zentralen Schauplatz benennen: In „Moschee“ werden die Figuren und ihr Umfeld, die Stadt Tschandrapur mit ihrer in Einheimische und Briten geteilten Bevölkerung, eingeführt; „Grotten“ schildert den vergeblichen Versuch einer kleinen Gruppe von Angehörigen beider Lager, die Spaltung zu überwinden, und dessen katastrophale Folgen; in „Tempel“ wird die Handlung in einen unabhängigen Fürstenstaat verlegt. Der Roman ist aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers geschrieben, der dem Leser Einblick in das Innenleben der Hauptfiguren gewährt. Deren Motive werden mit großem analytischem Geschick aus ihrer jeweiligen Persönlichkeit entwickelt und plausibel gemacht. Aus Briefen Forsters wissen wir, welche Anstrengung er darauf verwendet hat, allen Charakteren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und weder in eine Verteufelung der britischen noch in eine Idealisierung der indischen Partei zu verfallen. Der Stil ist schmucklos und leicht; in bewundernswerter Weise erschafft Forster lebensechte, fühlbare Stimmungen, ohne allzu sehr auf langatmige Landschaftsmalerei oder metaphysische Gedankengänge zurückzugreifen. Die direkte Rede nimmt viel Raum ein. Forster erweist sich als Meister des Dialogs; mit sicherem Gespür für Typisches gibt er jeder seiner Figuren eine eigene, charakteristische Sprache.

Interpretationsansätze

  • Im Roman wird dem Verhältnis zwischen Briten und Indern eine düstere Prognose gestellt. Die Handlung strotzt vor Missverständnissen, Irrtümern und Unklarheiten. Der Konflikt zwischen der indischen und der europäischen Mentalität, die eine eher emotional, die andere überwiegend rational geprägt, scheint unlösbar.
  • Zentral ist das Motiv des Goodwills. Der Pessimist Forster tat das christliche Gebot der Nächstenliebe als unrealistisch und irreführend ab. Er hielt es für wichtiger, dass die Menschen in ihren Beziehungen zueinander Respekt und Anstand, sprich Goodwill, walten lassen. Insofern ist Auf der Suche nach Indien tragisch: Letztlich führt Aziz’ Wohlwollen, sich britischen Standards anzupassen, im Zusammenspiel mit dem Goodwill von Adela, die so gerne das „wirkliche Indien“ kennen lernen möchte, zur Katastrophe.
  • Die Gestalt der Mrs. Moore trägt Züge einer Gottheit. Tatsächlich wird sie nach ihrem Tod von den Einwohnern Tschandrapurs als solche verehrt. Ihr unheimliches Erlebnis in einer der Marabar-Grotten, als ihr aus dem ewig gleichen, sinnleeren Echo „o-u-bo-um“ die völlige Gleichgültigkeit des Schöpfers gegenüber seiner Schöpfung entgegentönt, ist das metaphysische Zentrum des Romans.
  • Die Beziehung zwischen Fielding und Aziz kann als unterschwellig homoerotisch gedeutet werden. Vorbild für die Figur des Aziz scheint Syed Ross Masood gewesen zu sein, in den Forster unglücklich verliebt war. „Aziz“ ist das Urdu-Wort für „Geliebter“. Auch bildet die sehr lebendig gezeichnete Freundschaft der beiden einen starken Kontrast zu den eher freudlosen und von gesellschaftlichen Zwängen geprägten Mann-Frau-Beziehungen im Roman.

Historischer Hintergrund

Zuckerbrot und Peitsche

Die britische Kolonialherrschaft in Indien dauerte von 1858 bis 1947. Zuvor hatte die britische Ostindien-Kompanie, ausgestattet mit Handelsmonopol und Militärgewalt, über mehr als ein Jahrhundert die Geschicke des Mogulreichs bestimmt. Als sich E. M. Forster 1912 nach Indien begab, ging die britische Herrschaft über den Subkontinent bereits ins 55. Jahr.

Doch am Horizont der Weltgeschichte zeichnete sich ein Wetterwechsel ab. Immer weniger Inder mochten sich mit der Fremdherrschaft abfinden. Der hinduistisch dominierte Indische Nationalkongress und die Moslemliga, deren gemeinsames Ziel die politische Unabhängigkeit Indiens war, erstarkten zusehends. In Großbritannien sah man dies mit Schrecken, zog das Empire doch einen großen Teil seiner wirtschaftlichen Kraft aus dem Indienhandel. Dazu kam die militärische Abhängigkeit: Es drohten bewaffnete Konflikte mit den aufstrebenden Mächten Deutschland und Japan. Als es 1914 schließlich zum Krieg kam, kämpften rund 1,3 Millionen indische Soldaten aufseiten der Alliierten. Als Gegenleistung erhofften sich die Inder, wenn nicht vollständige Unabhängigkeit, so doch weitgehende Zugeständnisse. Diese blieben jedoch aus. Zwar versprach ihnen der „Government of India Act“ von 1919 eine gewisse Regierungsbeteiligung, doch einen kompletten Verlust der Kolonie konnte sich England, durch den Krieg geschwächt, nicht erlauben. Es folgte eine Politik, die sich des alten Prinzips von Zuckerbrot und Peitsche bediente; der „Rowlatt Act“, eine faktische Fortschreibung des Kriegsrechts, erlaubte es der Regierung, mit größtmöglicher Härte gegen Unruhestifter vorzugehen. Doch die moralische Autorität der Briten litt beträchtlich unter dieser Doppelmoral. Davon profitierte Mahatma Gandhi, der sich kraft seiner persönlichen, spirituellen und politischen Integrität an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung setzte und zum zivilen Ungehorsam aufrief.

Entstehung

Auf der Suche nach Indien ist dem indischen Edelmann Syed Ross Masood gewidmet, dem der junge Forster Lateinunterricht erteilte. Masood war jedoch nicht nur Forsters Schüler, sondern auch dessen große, unerfüllte Liebe. Seinetwegen unternahm der inzwischen berühmte Schriftsteller 1912 seine erste Indienreise. Überwältigt von der geheimnisvollen Atmosphäre des Subkontinents begann er seinen Indienroman. Zu dessen Schauplatz, der fiktiven Stadt Tschandrapur, ließ sich Forster durch einen Besuch im bengalischen Bankipur inspirieren. Auf seiner Reise besuchte er die berühmten Barabar-Grotten, die zum Vorbild für die Marabar-Grotten wurden. Wenig später brach der Erste Weltkrieg aus und Forster musste die Arbeit an seinem Roman fast ein ganzes Jahrzehnt lang ruhen lassen. Durch eine zweite Indienreise im Jahr 1921 angeregt, nahm er den Faden wieder auf. Doch sein Ton war düsterer geworden, der Optimismus des ersten Entwurfs war dahin. Verschiedene Ereignisse im von Unruhen geschüttelten Indien beeinflussten den Roman sehr direkt; so der Angriff eines einheimischen Mobs auf eine britische Missionarin. Im darauffolgenden Massaker von Amritsar, als ein britischer General eine friedliche Protestkundgebung zusammenschießen ließ, sahen viele Engländer die gerechte Vergeltung. Forsters Verbitterung in dieser Situation war so groß, dass er sich lange außerstande sah, den distanzierten Standpunkt des Schriftstellers einzunehmen. Erst nach seiner Rückkehr in die Heimat gelang es ihm, seine inneren Hemmnisse zu überwinden und den Roman fertigzustellen.

Wirkungsgeschichte

Auf der Suche nach Indien erschien 1924 und wurde ein unmittelbarer Erfolg. Die Presse feierte Forsters Roman als Meisterwerk. Sein Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft des britischen Kolonialreichs entsprach zumindest in der Heimat dem Zeitgeist. Weniger enthusiastisch zeigten sich die Landsleute im fernen Indien. Auch sie spürten das Ende der kolonialen Herrlichkeit nahen, und je prekärer ihre Lage wurde, desto verzweifelter klammerten sie sich an die Vorstellung ihrer kulturellen und rassischen Überlegenheit. Entsprechend feindselig wurde Forsters Darstellung der kolonialen Arroganz aufgenommen, wohingegen sie bei den Indern einhellige Begeisterung auslöste: Dass ein britischer Autor sich derart öffentlichkeitswirksam auf ihre Seite schlug, verlieh ihnen ein neues Selbstbewusstsein. Forster selbst wollte jedoch von Parteinahme nichts wissen. Sein Ausspruch „Ich halte die meisten Inder, wie auch die meisten Briten, für Dreck“ verdeutlicht seine Desillusionierung in Bezug auf den Konflikt zwischen Herrschern und Beherrschten. Forsters ohnehin spärliche Menschenfreundlichkeit hatte im Laufe der Jahre gelitten. Er hatte für seine Romanfiguren so wenig Empathie übrig, dass er die Schriftstellerei vollständig aufgab und sich fortan fast ausschließlich der Literaturkritik widmete. 1946 wurde Forster die „Honorary Fellowship“ seiner Universität, des King’s College in Cambridge, verliehen, was ihm ermöglichte, von jedweder Lehrverpflichtung freigestellt die letzten 24 Jahre seines Lebens dort zu residieren. Den Ritterschlag durch die Queen indes lehnte er als überzeugter Demokrat dankend ab. Ebenso unwillig zeigte er sich gegenüber allen Anfragen aus Hollywood. Erst 1984, 14 Jahre nach seinem Tod, wurde Auf der Suche nach Indien (u. a. mit Alec Guinness) verfilmt.

Über den Autor

Edward Morgan Forster wird am 1. Januar 1879 in London geboren. Da sein Vater früh stirbt, wächst er bei der Mutter auf, die ihn maßlos verhätschelt. Als Muttersöhnchen verspottet, hat der sensible Junge einen schweren Stand bei seinen Mitschülern und flüchtet sich in die Welt der Literatur. Erst als junger Mann und Student der Altphilologie am King’s College in Cambridge schließt Forster erste Freundschaften, die jedoch aufgrund seiner homosexuellen Neigung oft von Missverständnissen getrübt sind. Nach dem Studium bereist er mit der Mutter Italien; die Eindrücke inspirieren ihn zu seinem ersten Roman Engel und Narren (Where Angels Fear to Tread), der 1905 erscheint; weitere Romane folgen und sichern Forster früh literarischen Ruhm und ein leidliches Auskommen. Gemeinsam mit Künstlern und Intellektuellen wie Virginia Woolf oder John Maynard Keynes gehört er dem Gründungszirkel der legendären Bloomsbury Group an. 1907 lernt er den Inder Syed Ross Masood kennen und verliebt sich. Seine Gefühle bleiben unerwidert, dennoch gibt er die Hoffnung nicht auf. 1913 besucht er Masood in Indien. Begeistert von Land und Leuten beginnt er hier seinen Roman Auf der Suche nach Indien (A Passage to India), den er jedoch erst nach einem zweiten Aufenthalt rund zehn Jahre später als Privatsekretär des Maharadscha von Dewas fertigstellt. Es ist Forsters letzter Roman, seine Kreativität scheint versiegt. Fortan betätigt er sich hauptsächlich als Literaturkritiker. Nach wie vor leidet sein Liebesleben unter den Heimlichkeiten, zu denen ihn die Rücksicht auf seine dominante Mutter zwingt. Erst nach ihrem Tod macht er dem Versteckspiel ein Ende und wird schließlich gar zum öffentlichen Fürsprecher der rechtlichen Anerkennung homosexueller Beziehungen. Postum erscheint der homoerotische Roman Maurice (1971), den der ängstliche Forster über ein halbes Jahrhundert lang unter Verschluss gehalten hat. Der Autor stirbt am 7. Juni 1970 in Coventry.

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