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Bekenntnisse eines englischen Opiumessers

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Bekenntnisse eines englischen Opiumessers

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Shocking! Ein englischer Romantiker bekennt sich rückhaltlos zum Opiumkonsum.


Literatur­klassiker

  • Bildungsroman
  • Romantik

Worum es geht

Freuden und Leiden des Opiums

Unmittelbar nachdem er sich von einer gut 15 Jahre währenden Opiumsucht befreit hatte, schrieb Thomas De Quincey seine aufsehenerregenden Bekenntnisse eines englischen Opiumessers. Der Tonfall ist weder zerknirscht noch besserwisserisch, sondern – wenn es nicht gerade um die Beschreibung eines Rausches geht – nüchtern analysierend. Das Werk war De Quinceys Versuch, die Opiumsucht geistig zu bewältigen, modern gesprochen also eine Art psychoanalytische Selbsttherapie. De Quincey nahm Opium erstmals 1804 als Schmerzmittel ein und steigerte in den nächsten Jahren den Konsum, bis er sich 1820 in einem qualvollen Prozess davon befreite. In seinem Buch unterscheidet er selbst die Phase des kontrollierten Gebrauchs bis 1813 von derjenigen des anschließenden Missbrauchs. Das schockierende Thema und De Quinceys rückhaltlose Offenheit machten den Autor und seinen Erstling schlagartig bekannt. Die späteren Werke aus seiner Feder erlangten nicht mehr die gleiche Bedeutung für die Nachwelt wie die zum Klassiker avancierten Bekenntnisse.

Take-aways

  • Thomas De Quinceys Bekenntnisse eines englischen Opiumessers gilt als die erste literarische Darstellung selbst erlebter Rauschzustände.
  • Inhalt: Als Student nimmt De Quincey Opium als Schmerzmittel. Er entdeckt dessen bewusstseinserweiternde Wirkung und gerät nach Jahren des Konsums in eine ihn selbst erschreckende Abhängigkeit, die mit furchtbaren Albträumen einhergeht. Schließlich gelingt ihm der Entzug.
  • Unmittelbar nach dem Ende seiner Opiumzeit entstanden, hatte der Erfahrungsbericht für De Quincey eine selbsttherapeutische Funktion.
  • Das Buch machte den Autor umgehend bekannt.
  • De Quincey nimmt in den Schilderungen seiner Ängste und Träume auf literarische Weise Erkenntnisse der späteren Psychoanalyse vorweg.
  • Er gehörte zur ersten Generation der romantischen Schriftsteller Englands, die unter der Bezeichnung „Lake Poets“ bekannt wurden.
  • Trotz seiner Bekanntheit war das Leben von De Quinceys und seiner Familie von bitterer materieller Not gekennzeichnet.
  • Bedeutende Künstler wie Hector Berlioz und Charles Baudelaire wurden von den Bekenntnissen eines englischen Opiumessers inspiriert.
  • Das Buch ist eine eindringliche Warnung vor den Gefahren des Missbrauchs des seinerzeit sehr gebräuchlichen Schmerzmittels Opium.
  • Zitat: „Doch nahm ich es, und nach einer Stunde, oh, Himmel, welch ein Umschwung, wie erhob sich mein innerer Geist aus seinen untersten Schichten empor, welche Apokalypse der Welt in mir!“

Zusammenfassung

Jugend eines Opiumessers

De Quincey will sich zu seinem jahrelangen Opiumkonsum bekennen, zu einer Verirrung, die Teil seines „Philosophenlebens“ gewesen ist. Letztendlich ist es ihm gelungen, sich von der Sucht zu befreien. Als Abhängigem ist ihm bewusst geworden, wie erstaunlich groß die Zahl der Opiumkonsumenten ist.

„Nicht um mir Genuss zu schaffen, sondern um Schmerzen schlimmster Art zu lindern, begann ich, Opium als Mittel der täglichen Diät zu nehmen.“ (S. 15)

Im Alter von sieben Jahren verliert De Quincey seinen Vater, der ihm ein bescheidenes Vermögen hinterlässt. Dieses reicht aus, um seinen Schulbesuch zu finanzieren. Er ist formell der Aufsicht von vier Vormunden unterstellt. Derjenige, mit dem er sich am besten versteht, lebt weit entfernt, zwei von ihnen kümmern sich so gut wie gar nicht um ihn. Sie überlassen die Entscheidungen dem vierten, der gegen Ende von De Quinceys Schulzeit nur noch wenig Verständnis für den Jugendlichen zeigt. Der Junge ist lerneifrig und sprachbegabt. Spätestens im Alter von 15 Jahren beherrscht er Latein und Griechisch so meisterhaft, dass er in diesen Sprachen dichten und rhetorisch brillieren kann. Das wird von wohlmeinenden Lehrern anerkannt, andere, die weniger souverän sind, neiden ihm seine Überlegenheit. Das Interesse an anspruchsvoller geistiger Beschäftigung, vor allem an Philosophie und Allgemeinbildung, bleibt De Quinceys Hauptinhalt im Leben. Er schlägt allerdings keine akademische Laufbahn ein, sondern bleibt Privatgelehrter. Einer Erwerbsbeschäftigung geht er nicht nach, auch nicht in Zeiten bitterster Not.

Flucht aus der Schule

Im Alter von 17 Jahren möchte De Quincey die Schule abbrechen und vorzeitig auf die Universität Oxford wechseln, doch sein Vormund verweigert ihm diesen Wunsch. De Quincey bewohnt ein eigenes Zimmer im Haus des Schulvorstehers. Mit etwas geliehenem Geld wagt er an einem Sommermorgen die Flucht – die aber beinahe scheitert: Ein Gepäckträger schleppt seinen Koffer die Treppe hinunter und gleitet dabei aus. Zum Glück weckt das Gepolter aber nicht den von Schlaflosigkeit geplagten Schulvorsteher, der an diesem Morgen offenbar eine Tiefschlafphase hat. Normalerweise erscheint er beim kleinsten Geräusch wie ein Wachhund an der Treppe.

Unterkunft bei der Mittelschicht und der Unterschicht

Eine erste Zuflucht findet De Quincey im Norden von Wales, bei einer Vermieterin, die eine Zeit lang Kindermädchen beim Bischof von Bangor gewesen ist. Selbst diese einfache Frau spiegelt die hochmütige Haltung der mittelständischen Bischofsfamilie wider, die nicht über die Souveränität adliger Familien verfügt, sondern ihren Status andauernd hervorkehrt, indem sie nach außen Distanz wahrt. Da „Seine Eminenz“ den Verdacht geäußert hat, es könnte sich bei De Quincey um ein zweifelhaftes Individuum handeln, wird das Mietverhältnis bald beendet. Die anschließenden, schnell wechselnden Aufenthalte in Wirtshäusern und Quartieren einfacher Leute zehrt De Quinceys Barmittel auf. Letzte Zuflucht ist eine Unterkunft bei sieben Brüdern und Schwestern in einer ärmlichen Bauernhütte, die sich als äußerst liebenswürdig erweisen. De Quincey hilft im Gegenzug den analphabetischen Schwestern, indem er etliche Liebesbriefe für sie schreibt. Als die frommen Eltern von einer Methodistenversammlung zurückkehren, wird De Quincey hinauskomplimentiert.

Überlebenskampf in London

De Quincey gelangt nach London. Seine Geldmittel sind aufgebraucht und so quälen ihn viele Wochen lang Hunger, Kälte und Schlaflosigkeit. Einige Zeit verbringt er als Obdachloser. Ein sehr bescheidenes, kostenloses Obdach gewährt ihm schließlich der obskure Rechtsanwalt Brunell, ein Winkeladvokat und Schuldeneintreiber, der ein großes, aber unmöbliertes, verwahrlostes und von Ratten bevölkertes Palais bewohnt. Er ist selbst nur selten anwesend und kümmert sich nicht besonders um De Quincey. Dieser lernt Ann, ein 16-jähriges Straßenmädchen, kennen und die beiden freunden sich an. Die Tage verbringt der junge Mann mehr oder weniger damit, auf den Straßen Londons herumzustreunen. Bei einem Spaziergang mit Ann bekommt De Quincey in der Nähe des Soho Square einen so dramatischen Schwindelanfall, dass er nur durch ein Glas Portwein – von Ann bezahlt – gerettet werden kann. Trotz seiner tiefen Sympathie für Ann verlieren sich die beiden nach einiger Zeit aus den Augen. Ann verloren zu haben, bedauert er zeit seines Lebens immer wieder zutiefst.

Suche nach Kredit

Von einem mitfühlenden Freund seiner Familie, dem er zufällig auf der Straße begegnet, erhält De Quincey ein wenig Geld. Außerdem will er bei jüdischen Geldverleihern sein künftiges Erbe mit einem Kredit belasten. An seine Vormunde wendet er sich nicht, weil er fürchtet, sie könnten ihn wieder zurück auf die Schule schicken. Da Referenzen bezüglich seiner Kreditwürdigkeit bzw. Bürgen von ihm verlangt werden, reist er zu einem adligen, vermögenden Freund nach Eton. Beim Aufbruch zu dieser Reise am Piccadilly Square sieht er Ann zum letzten Mal. Nach einer umständlichen Postkutschenfahrt erfährt er, dass sich der junge Lord inzwischen in Cambridge aufhält. Ein anderer junger Earl aus seinem Freundeskreis bewirtet ihn zwar gastfreundlich und großzügig, knüpft eine Bürgschaft aber an Bedingungen, die die Juden nicht annehmen wollen, und windet sich so heraus. Schließlich kommt es zu einer Versöhnung von De Quincey mit seinen Angehörigen und er kann zum Studium nach Oxford übersiedeln.

Die Freuden des Opiums

Von Oxford aus fährt De Quincey immer wieder nach London. Als er während eines dieser Aufenthalte von Zahnweh geplagt wird, taucht er seinen Kopf in kaltes Wasser und legt sich anschließend mit nassen Haaren schlafen. Am nächsten Morgen wacht er mit erheblichen Schmerzen am Kopf, speziell im Gesicht, auf, die drei Wochen lang anhalten. In einer Apotheke besorgt er sich auf Anraten eines Freundes Opium. Die Schmerzen verschwinden. Mehr noch: Das Mittel macht ihn unerwartet heiter und zufrieden. Diese Wirkung hält acht bis zehn Stunden lang an. Im Gegensatz zum Alkoholrausch, der einen kurzfristigen Kontrollverlust hervorruft, ist die Opiumwirkung anhaltend und gleichmäßig. Zudem beflügelt sie den Geist; das Opium hebt die Stimmung und steigert die Konzentrationsfähigkeit. De Quincey nimmt mehr davon. In der Oper tritt eine gefeierte Sängerin auf, deren Darbietung er durch das Opium verstärkt wahrnimmt. Auch das Treiben auf den dicht belebten Straßen Londons an Samstagabenden regt ihn an. Einen depressiven Effekt beim Nachlassen der Opiumwirkung kann er nicht feststellen, auch kein Verfallen in Apathie, wie sie von den Türken überliefert ist. Jahrelang beherrscht De Quincey die Opiumeinnahme vollkommen kontrolliert.

Leben auf dem Land

1812 ist De Quinceys Studienzeit in Oxford zu Ende. Er bezieht ein bescheidenes Landhäuschen 250 Meilen entfernt, das er nur mit einer Haushälterin bewohnt, und widmet sich weiterhin philosophischen Studien, vorwiegend der zeitgenössischen deutschen Metaphysiker Kant, Fichte und Schelling, deren Werke seine immer umfangreicher werdende Bibliothek ergänzen. Ab 1813 leidet De Quincey an Magenschmerzen. Von nun an nimmt er täglich Opium. Ob das Magenleiden mit der schwindelerregenden Entkräftung während der Londoner Hungerzeit zu tun hat, vermag er nicht zu sagen. Nach der Schmerzattacke gelingt es De Quincey, die Dosis deutlich zu reduzieren, doch es bleibt bei einer täglichen Einnahme. Es wird sein glücklichstes Jahr, frei von Schwermut und bei höchster Klarheit des Geistes, was seinen Kant-Studien zugutekommt.

„Es ist schlimm, wenn ein Knabe seinen Lehrern an Kenntnissen oder an Geisteskraft weit überlegen ist und es weiß.“ (S. 17)

In dieser ländlichen Einsamkeit klopft eines Tages ein Malaie in orientalischer Tracht und mit Turban an die Tür. Das Dienstmädchen ist erschreckt und entsetzt. Der rätselhafte Orientale hat sich offenbar verirrt. Eine Verständigung ist aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse beider Seiten nicht möglich. Nach kurzem Aufenthalt zieht der Orientale, mit etwas Opium beschenkt, wieder von dannen, aber der Eindruck des Besuchs prägt sich De Quincey tief ein. Weitere drei Jahre lang genießt er ganz bewusst das Glück stiller Zurückgezogenheit und idyllischer Gelehrsamkeit, am liebsten an kühlen Herbst- und Wintertagen, nahe am wärmenden Feuer in seiner Bibliothek, mit reichlich Tee – und der Karaffe mit rubinrotem Laudanum (in Alkohol gelöstem Opium). In der Regel widmet er sich von abends um acht bis morgens um vier Uhr der Lektüre. Die Dosis des Opiums steigt in diesen Jahren wieder.

Leidensanfänge

Für die Zeit von 1817 an vermag De Quincey seine Erinnerungen nur noch bruchstückhaft wiederzugeben. An eine Verringerung der Opiumdosis ist wegen der damit verbundenen schmerzhaften Entzugserscheinungen zunächst nicht zu denken. Die erkenntnistheoretischen Studien hat De Quincey inzwischen aufgegeben. Wenn er Besuch bekommt, findet er gelegentlich Vergnügen am Vorlesen von Gedichten. Schon seit Längerem interessiert er sich für Nationalökonomie, die meisten Vertreter dieser Wissenschaft kanzelt er aber als völlig unbedeutend ab. 1819 erhält er jedoch von einem Freund ein Buch des Nationalökonomen Ricardo zugeschickt, das ihn sogleich begeistert und ihn aus seiner geistigen Lethargie wachrüttelt. Nach der Lektüre beschließt er, selbst ein Werk zu verfassen. Es soll den Titel Prolegomena aller künftigen Systeme der Nationalökonomie tragen. Doch dieses Vorhaben kommt bald zum Erliegen. De Quincey fühlt sich schläfrig, schwach, verwirrt. Hinzu kommen Albträume.

Erste Halluzinationen

Ab Mitte des Jahres 1817 wird De Quincey zunehmend von sehr realen Angstträumen gequält. Er kämpft mit willkürlich hervorgerufenen Halluzinationen, archaischen Träume und Ängsten vor schwindelerregenden Abgründen – und das Nacht für Nacht. Als besonders eindrucksvoll registriert er ein verändertes Raum- und Zeitgefühl: Der Raum scheint kolossal anzuschwellen, die Zeit dehnt sich ins schier Unendliche aus. De Quincey sieht vor seinem geistigen Auge Szenen aus seiner Kindheit oder längst vergessene Bilder aus späteren Jahren. Er erlebt den sekundenschnellen Ablauf eines ganzen Lebens und gelangt zu der Erkenntnis, dass es gar kein Vergessen gibt – was einer Höllenstrafe gleichkommt. Besonders intensive Leseeindrücke historischer Werke, etwa über die römische Geschichte oder den englischen Bürgerkrieg zwischen König und Parlament, werden in einer Art Traumtheater lebendig. Auch die düsteren Architekturfantasien des römischen Zeichners Piranesi, die De Quincey kennt, flackern auf. Sie wechseln sich ab mit spiegelnden Wasseroberflächen und menschlichen Antlitzen aller Art.

Traumbilder und Traumerzählungen

Im Frühjahr 1818 wird der Malaie, der vor Jahren unverhofft vor der Tür des Landhäuschens stand, zum Kristallisationspunkt weiterer Ängste. Seine Gestalt erscheint in Träumen über orientalische Kulturen und Religionen von Ägypten über Indien bis China. De Quincey wird in seinen Visionen einerseits vergöttlicht, andererseits gefoltert und geopfert. Zudem erscheinen ihm im Traum gefährliche Fantasievögel und Reptilien. Das Schlimmste ist die Vorstellung, jahrhundertelang unter Krokodilen leben zu müssen.

„Natürlich war ich mit der Kunst und den Mysterien des Opiumessens nicht vertraut (...). Doch nahm ich es, und nach einer Stunde, oh, Himmel, welch ein Umschwung, wie erhob sich mein innerer Geist aus seinen untersten Schichten empor, welche Apokalypse der Welt in mir!“ (S. 73)

Eine lange Traumsequenz verbindet den Tod eines Kindes mit einer Beerdigung an einem Ostersonntagmorgen, eingebettet in eine weite Landschaft. Dahinter sieht De Quincey eine kuppelgekrönte Stadt, die Jerusalem sein könnte. Und dort wiederum erscheint ihm Ann, die er 17 Jahre zuvor aus den Augen verloren hat.

„Der Wein raubt dem Menschen die Macht über sich selbst, das Opium stärkt sie in hohem Maß.“ (S. 76)

Ein Traum aus dem Jahr 1820 hat eine apokalyptische Schlacht zum Inhalt. Gewaltige Heere sind zum Klang von Fanfaren und hymnenartiger Musik aufmarschiert, De Quincey befindet sich mitten in dem Getümmel, das immer chaotischer wird. Es kommt ihm vor, als hinge die Entscheidung allein von ihm ab, aber er ist wie gelähmt. Er wünscht sich nur noch, nicht mehr schlafen zu müssen.

„Die Zeit zwischen den letzten Oktoberwochen und dem Weihnachtsabend ist daher die Blütezeit des Glücks, und in meiner Vorstellung tritt sie ins Zimmer mit dem Teebrett in der Hand.“ (S. 110)

Angesichts all dieser Qualen erkennt er, dass er nur die Wahl hat, zu sterben oder auf das Opium zu verzichten. Zunächst reduziert er die tägliche Menge, wobei er Todesqualen durchleidet. Schließlich kommt ihm der Entzug aber wie eine Wiederauferstehung vor, und er gibt das Rauschmittel ganz auf.

Zum Text

Aufbau und Stil

Wie bei einem autobiografischen Text nicht anders zu erwarten, sind die Bekenntnisse in der Ich-Form geschrieben. Das Buch setzt sich aus mehreren klar voneinander abgegrenzten Teilen zusammen: Die „Vorbekenntnisse“ enthalten den Werdegang De Quinceys bis zu seinem ersten Opiumkonsum. Sie machen annähernd die Hälfte des Buches aus. In „Die Freuden des Opiums“ schildert der Erzähler die ersten – positiv bewerteten – Erfahrungen mit dem Heilmittel und grenzt sie vom Alkoholrausch ab. Darauf folgt ein kurzer Abschnitt mit dem Titel „Einführung in die Leiden des Opiums“, worin De Quincey eine Phase von Vereinsamung, zeitweiser gesundheitlicher Beeinträchtigung und Melancholie beschreibt. In „Die Leiden des Opiums“ sind Albträume, Qualen und Angstzustände der Gegenstand. Nur in diesem letzten Teil findet De Quincey zu einer gesteigerten, intensiveren Tonlage, ansonsten bedient er sich einer schnörkellosen, nüchternen Sprache – eine Besonderheit im Umfeld der romantischen Literatur jener Zeit, die meist bewusst den poetisch-überhöhten Ausdruck suchte. So verarbeitete etwa William Wordsworth seine Lebensgeschichte in hochliterarischer Weise (The Prelude). Im Übrigen enthält De Quinceys Text viele Zitate und Anspielungen auf englische und antike Autoren sowie auf einige seinerzeit bekannte Schriftsteller oder Persönlichkeiten.

Interpretationsansätze

  • De Quinceys Werk ist ein Selbsterfahrungsbericht; man könnte es auch eine Art Selbsttherapie nennen. Es ist die ebenso sensible wie aufrichtige und nirgendwo beschönigende Darstellung der eigenen Person, die die Bekenntnisse auszeichnet.
  • Im weiteren Sinn lässt sich das Buch auch als Bildungsroman sehen: De Quincey schildert, wie er wurde, was er ist. Dies gilt nicht nur für die Opiumerfahrung. Auch die ausführliche Behandlung seines Schul- und Ausbildungsweges ist ihm offensichtlich wichtig.
  • Die Erfahrung des Unbewussten, vor allem die Schilderungen gegen Ende des Buches, sind so etwas wie ein Vorgriff auf Erkenntnisse der Psychoanalyse, wie sie um 1890 von Sigmund Freud entwickelt wurde. De Quincey ist sich bewusst, dass sich ihm diese Traumwelt ohne die Drogenerfahrung nicht erschlossen hätte – und diese wiederum nicht ohne die Elendszeit in London.
  • De Quincey kommt zu interessanten psychologischen Erkenntnissen, etwa wenn er das Gedächtnis als Palimpsest betrachtet, also als mehrfach beschriebenes Schriftstück, dessen untere Schichten nicht verloren sind, sondern im Opiumrausch wieder zum Vorschein kommen.
  • Die Traumpassagen zeigen Parallelen zur modernen Stream-of-Consciousness-Technik und haben Autoren der Moderne beeinflusst.
  • Die Bekenntnisse sind als Warnung vor dem Opiumkonsum gedacht. Der Buchaufbau macht deutlich, dass das Entsetzen der späteren Leiden die anfänglichen Freuden bei Weitem überwiegt.

Historischer Hintergrund

Die Lake Poets und das Opium

Thomas De Quincey zählt mit William Wordsworth, Samuel Taylor Coleridge und Robert Southey zur ersten Generation der englischen romantischen Dichter. Wordsworth war die zentrale Figur der Gruppe und ihr einziger Vertreter, der nie mit materiellen, gesundheitlichen und familiären Problem zu kämpfen hatte. 1795 schloss er enge Freundschaft mit Coleridge. Gemeinsam veröffentlichten sie eine Sammlung von Gedichten (Lyrical Ballads) und bereisten Deutschland. Danach zog Wordsworth in die Ortschaft Grasmere im heimatlichen Lake District im Nordwesten Englands.

Coleridge und Southey zogen ebenfalls in die Nähe, schließlich auch der eher einzelgängerische De Quincey. Dieser romantische Dichterkreis wird daher „Lake District Poets“ oder einfach „Lake Poets“ genannt. Southey und Coleridge verband der jugendliche Plan, in die USA auszuwandern und in Pennsylvania eine Dichterkommune zu gründen. Daraus wurde jedoch nichts. Stattdessen heirateten die beiden ein Schwesternpaar und wurden damit verschwägert. Southey war ein zu seiner Zeit viel gelesener Autor und Journalist, der auch zum „Poet laureate“, zum offiziellen Hofdichter des Königs ernannt wurde.

Coleridge war wie De Quincey opiumabhängig. Die Sucht führte dazu, dass sich die Familien Wordsworth und Coleridge wieder entfremdeten. Coleridge ging nach London. De Quincey blieb und zog sogar in das Haus von Wordsworths Familie, das idyllische Dove Cottage, nachdem es den Wordsworths zu klein geworden war.

Entstehung

Im Alter von 19 Jahren, auf einem seiner Ausflüge von seinem Studienort Oxford nach London, nahm De Quincey erstmals Opium ein. Als er die Bekenntnisse schrieb, war er 35 Jahre alt. Es war sein erstes literarisches Werk überhaupt und der Beginn einer überaus reichen schriftstellerischen Produktion, mit der er gegen Ende seines Lebens eine 14-bändige Werkausgabe füllte. Bekannt ist er aber vor allem für seinen Erstling. Die Bekenntnisse wurden erstmals im London Magazine veröffentlicht, einer anspruchsvollen literarischen Zeitschrift, die bereits eine 50-jährige Tradition aufwies und nach einer Unterbrechung 1820 neu ins Leben gerufen worden war. Auch Wordsworth und andere Romantiker zählten zu ihren Autoren. 1822 folgte eine Buchausgabe der Bekenntnisse.

Für die Herausgabe seiner gesammelten Werke überarbeitete De Quincey den Text und erweiterte vor allem die Erzählung seiner Jugend und seines Bildungsweges um literarische und philosophische Themen, teilweise in ausführlichen Fußnoten.

Wirkungsgeschichte

Die Bekenntnisse eines englischen Opiumessers erregten bei ihrem Erscheinen enormes Aufsehen und machten De Quincey als Autor schlagartig bekannt. Noch nie war über Drogensucht so offen geschrieben worden. Opiumkonsum war in jener Zeit allerdings weit verbreitet. Vor allem als Laudanum, einer Mischung aus Opium, Alkohol und Wasser, befand sich das Mittel – wie heute Aspirin – in jeder Hausapotheke.

Einen überraschend direkten Einfluss hatten die Bekenntnisse eines englischen Opiumessers auf ein musikalisches Werk: Hector Berlioz gab an, dass seine berühmte Symphonie Fantastique (1830) von dem Buch und den darin geschilderten inneren Kämpfen inspiriert sei, und beschrieb deren Inhalt ausdrücklich als „Geschichte eines Künstlers mit lebhafter Vorstellungskraft“, der unter dem Einfluss von Opium seiner inneren Verzweiflung Ausdruck verliehen habe. Berlioz’ eigene Verzweiflung, die wohl auch in das Werk eingeflossen ist, bezog sich allerdings auf seine unerwiderte Liebe zu einer irischen Schauspielerin.

Unmittelbaren literarischen Einfluss hatten die Bekenntnisse auf Charles Baudelaire, der sie ins Französische übersetzte und der selbst über und unter Rauschgiftfeinfluss schrieb (Die künstlichen Paradiese), sowie auf den Amerikaner Fitz Hugh Ludlow (Der Haschischesser). De Quincey steht am Anfang einer Reihe von Autoren, die über ihren persönlichen Drogenkonsum und dessen Auswirkungen schrieben und nicht selten zu einer gewissen Fantastik neigten, von Edgar Allan Poe über Aldous Huxley und Gottfried Benn bis hin zu den Vertretern der so genannten Beatgeneration – Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William Burroughs – und den Popliteraten der 1990er Jahre, unter ihnen der Schweizer Christian Kracht.

Über den Autor

Thomas De Quincey wird am 15. August 1785 in Manchester geboren. Sein Vater stirbt 1793. Die Mutter zieht wenig später mit dem Jungen nach Bath. Zu der Zeit fügt sie dem Nachnamen das adlig klingende „De“ hinzu. In der Schule fällt De Quincey durch herausragende Leistungen in alten Sprachen auf. Einer seiner Lehrer sagt einmal zu einem Fremden: „Dieser Knabe könnte eine bessere Ansprache an eine athenische Volksmenge halten als Sie oder ich an eine englische.“ 1802 verlässt De Quincey die Schule heimlich und lebt monatelang mittellos in Wales und London. Eine Zeit lang ist er dem Verhungern nahe. Bekannte bringen den Ausreißer zurück zu seiner Familie, und nach der Aussöhnung kann er in Oxford studieren. Von dort aus fährt er des Öfteren nach London, wo er 1804 eine Neuralgie erleidet, die ihn zum Opiumkonsum führt. An dem mündlichen Examen zum Abschluss seines Studiums nimmt De Quincey nicht teil. Er zieht in den Lake District, in die Nähe des von ihm verehrten romantischen Dichters William Wordsworth, und lebt später sogar in dessen Dove Cottage, einem idyllischen Landhaus, das der Familie Wordsworth zu klein geworden ist. Dort scheint der schmächtige De Quincey, wie ein Besucher notiert, „in einem Ozean deutschsprachiger Literatur zu ertrinken“. De Quincey gibt sehr viel Geld für Bücherkäufe aus. 1817 heiratet er die Bauerntochter Margaret Simpson. Die Ehe ist glücklich, aber weil sie als nicht standesgemäß angesehen wird, entfremdet er sich von Wordsworth und dessen Familie. Seit dem Beginn seiner Ehe ist De Quinceys Erbe aufgebraucht. Er arbeitet als Journalist, Übersetzer und Autor. 1821 erscheinen die Confessions of an English Opium-Eater (Bekenntnisse eines englischen Opiumessers), durch die er bekannt wird. Dennoch lebt die bis auf zehn Köpfe anwachsende Familie in permanenter Armut. 1826 zieht der Autor mit seiner Familie der besseren Arbeitsmöglichkeiten wegen nach Edinburgh, 1833 muss er den Bankrott erklären. Nach dem Tod seiner Frau 1837 verstärkt sich De Quinceys Opiumsucht erneut. Er stirbt am 8. Dezember 1859.

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