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Das Nibelungenlied

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Das Nibelungenlied

Fischer Tb,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Eine der ältesten überlieferten deutschsprachigen Dichtungen. Alle Elemente einer guten Geschichte sind schon vorhanden: ewige Liebe, unversöhnlicher Hass und grausames Blutvergießen.


Literatur­klassiker

  • Epos
  • Mittelalter

Worum es geht

Vom Untergang der Burgunden

Das Nibelungenlied ist das berühmte mittelhochdeutsche Heldenepos, das vor ca. 800 Jahren im südostdeutsch-oberösterreichischen Raum entstand. Es ist das poetische Extrakt aus mehreren Sagen, wovon die bekannteste der Nibelungenstoff ist. Im ersten Teil des Epos wird vom jungen Siegfried erzählt, der den Schatz der Nibelungen erkämpft und durch ein Bad im Drachenblut beinahe unverwundbar wird. Er wirbt um die schöne Königstochter Kriemhild und lebt lange Zeit bei ihren Brüdern, den Burgundenkönigen. Seine Ermordung durch deren Gefolgsmann Hagen zieht die furchtbare Rache Kriemhilds und damit den Untergang der Burgunden nach sich, der im zweiten Teil des Epos erzählt wird. Das Nibelungenlied wurde zu Hochzeiten der Vaterlandsverehrung als deutsches Nationalgedicht angesehen, das angebliche deutsche Tugenden wie Ehre, Verlässlichkeit und Treue reflektieren soll. Der Held Siegfried galt lange als Inbegriff des „Superdeutschen“. Eine solche Interpretation hat sich aber als viel zu einseitig erwiesen: Das Nibelungenlied bietet mehr als die Verherrlichung von Helden und Heldentaten. Es ist eine spannende Mischung aus Mythischem und Historischem, speist sich aus mehreren älteren Quellen und verschafft uns Heutigen einen Einblick in die Welt des Mittelalters.

Take-aways

  • Das Nibelungenlied ist ein Heldenepos von einem unbekannten Autor, geschrieben um 1200 in mittelhochdeutscher Sprache.
  • Inhalt: Der junge Siegfried hilft dem Burgundenkönig Gunther, die starke Isländerkönigin Brünhild zu besiegen, und heiratet dessen Schwester Kriemhild. Gunther ehelicht Brünhild. Nach Jahren kommt es zwischen den Königinnen zu einem Streit, der eine Katastrophe nach sich zieht: Ein Gefolgsmann Gunthers ermordet Siegfried und versenkt den Schatz der Nibelungen, auf dem Siegfrieds und Kriemhilds Macht beruht, im Rhein. Kriemhild rächt sich mithilfe des Hunnenkönigs Etzel.
  • Das Epos ist in metrischen, singbaren Reimpaaren verfasst, die auch als Nibelungenstrophen bekannt sind.
  • Der Inhalt ist teils mythisch, teils historisch belegt.
  • Das Epos ist das Produkt zahlreicher Einflüsse, eine Art Schmelztiegel verschiedenster Sagenstoffe und Lieder.
  • Daher enthält der Text viele Ungereimtheiten: Andeutungen werden nicht weitergeführt oder Charaktereigenschaften passen nicht ins Bild.
  • Es sind 34 Handschriften erhalten, datiert vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Einige von ihnen sind nur Fragmente.
  • Das Nibelungenlied wurde im Verlauf der Geschichte mit ideologischen Deutungsversuchen überfrachtet und als deutsches Nationalepos verklärt.
  • Richard Wagner hat dem Stoff mit seiner musikalischen Tetralogie Der Ring des Nibelungen ein unvergleichliches Denkmal gesetzt.
  • Zitat: „Als das heiße Blut aus den Wunden des Drachen rann und der tapfere, treffliche Recke sich darin badete, da fiel ihm ein ziemlich großes Lindenblatt zwischen die Schulterblätter, und an dieser Stelle kann man ihn verwunden.“

Zusammenfassung

Siegfried am Hof der Burgunden

Im Reich der Burgunden, in Worms am Rhein, herrschen die Brüder Gunther, Gernot und Giselher. Sie sind als tapfere und starke Könige bekannt, zu ihrem Gefolge zählen viele furchtlose Ritter, unter ihnen Hagen von Tronje. Die Schwester der Burgundenkönige, Kriemhild, ist als Sinnbild für vollkommene und reine Schönheit bekannt. Eines Nachts träumt sie, dass ein von ihr aufgezogener Falke von zwei Adlern zerfleischt wird – eine Vorausdeutung der späteren Ereignisse.

„Im Land der Burgunden wuchs ein edles Mädchen heran, das war so schön, dass in keinem Land der Welt ein schöneres hätte sein können. Ihr Name war Kriemhild. Später wurde sie eine schöne Frau. Um ihretwillen mussten viele Helden ihr Leben verlieren.“ (Bd. 1, S. 7)

Siegfried von Xanten, ein Königssohn aus den Niederlanden, hört von der unvergleichlichen Schönheit Kriemhilds. Er verliebt sich in sie, ohne sie jemals gesehen zu haben, und macht sich in Begleitung seiner Ritter zur Brautwerbung auf an den Rhein. Kaum angekommen, droht Siegfried den Burgunden unverblümt, ihnen ihre Ländereien im Kampf abzunehmen. Solche Provokationen kann er sich erlauben, denn er hat übermenschliche Kräfte: Sein Sieg über Schilbung und Nibelung, die Könige der Nibelungen, brachte ihn in den Besitz des Nibelungenschatzes, des Schwerts Balmung und eines Tarnmantels. Zudem gilt er als unverwundbar, seit er im Blut eines Drachens gebadet hat. Die Burgunden, um Siegfrieds Unbesiegbarkeit wissend, gehen auf die Frechheiten des Jungen gar nicht erst ein und bieten ihm stattdessen ihre Gastfreundschaft an. Siegfried bleibt und freundet sich mit den Burgunden an.

Siegfried trifft Kriemhild und kämpft mit Brünhild

Als die Sachsen den Burgunden den Krieg erklären, kommt Siegfried seinen Gastgebern zu Hilfe. Es gelingt ihm, die Sachsenkönige als Geiseln zu nehmen und den Frieden zu erzwingen. Zum Dank für seine tatkräftige Unterstützung organisieren die Königsbrüder ein großes Fest, zu dem auch Kriemhild kommen soll. Als Siegfried sie erblickt, ist es ganz und gar um ihn geschehen. Auch Kriemhild findet großen Gefallen an dem Helden, denn er ist nicht nur tapfer, sondern auch sehr gut aussehend. Dennoch bleibt es beim höfischen und etikettengetreuen Umgang miteinander, woraufhin Siegfried enttäuscht abreisen will. In letzter Sekunde verhindern die Brüder seinen Aufbruch: Zu wertvoll ist er inzwischen für sie geworden.

„,Gnade uns Gott!‘, sagte Hagen. ‚Was hat der König nur für eine Liebste! Die sollte lieber in der Hölle die Braut des Satans sein.‘“ (über Brünhild, Bd. 1, S. 135)

Siegfried kommt seinem Ziel, Kriemhild zu heiraten, endlich näher, als Gunther sich in den Kopf setzt, die Isländerkönigin Brünhild zu ehelichen. Von Brünhild ist bekannt, dass sie nur denjenigen heiraten wird, dem sie im Kampf unterliegt. Da sie aber als unbesiegbar gilt, ist Gunther auf Siegfrieds Beistand angewiesen. Dieser stimmt unter der Bedingung zu, dass er Kriemhild zur Frau bekommt, wenn es ihm gelingt, Brünhild zu bezwingen. Mithilfe seines Freundes und dessen Tarnmantel kann Gunther Brünhild trickreich besiegen und sie als seine Braut ins Burgundenland führen.

Eine nicht ganz so gelungene Hochzeitsnacht

In Worms kommt es dann zu einer Doppelhochzeit: Gunther ehelicht Brünhild, und er verheiratet seine Schwester Kriemhild wie versprochen mit Siegfried. Am Hochzeitsabend kommt es zu einem ersten Streit zwischen Gunther und seiner Frau. Brünhild, der erzählt wurde, Siegfried sei ein Gefolgsmann Gunthers, kann sich nicht damit abfinden, dass er am Tisch der Könige sitzt. Zudem stört es sie sehr, dass sich die liebliche Kriemhild mit diesem Untertan ihres Mannes abgeben muss. In der Hochzeitsnacht lässt sie Gunther ihren Unmut allzu deutlich spüren: Von seinen Zutraulichkeiten will sie nichts wissen, und als Gunther nicht davon ablässt, sie zu bedrängen, wird sie handgreiflich: Verschnürt wie ein Paket lässt die Isländerkönigin ihren Gemahl die ganze Nacht an der Wand baumeln und macht ihn erst im Morgengrauen wieder los.

„Sie band ihm Füße und Hände zusammen, trug ihn zu einem Nagel und hängte ihn an die Wand.“ (über Brünhild und Gunther, Bd. 1, S. 187)

Tief betrübt erzählt Gunther Siegfried am nächsten Tag von der misslungenen Hochzeitsnacht und der Brutalität seiner Gattin. Siegfried verspricht ihm, Brünhild gefügig zu machen, ohne selbst mit ihr zu schlafen. In der Nacht schleicht er sich mittels Tarnmantel in die Gemächer Brünhilds und kämpft mit ihr. Er bezwingt sie und überlässt sie Gunther, jedoch nicht ohne ihr zuvor einen Ring und einen Gürtel abgenommen zu haben. Mit ihrer Jungfräulichkeit verliert Brünhild auch ihre übernatürlichen Kräfte. Ring und Gürtel schenkt Siegfried seiner Frau, ohne zu ahnen, welch böse Folgen dieses Geschenk noch nach sich ziehen wird.

Der Streit der Königinnen

Siegfried kehrt mit Kriemhild in seine Heimat zurück, wo er freudig empfangen wird und von seinem Vater Land und Krone erbt. Er lebt glücklich mit seiner Gemahlin in den Niederlanden und erwirbt sich einen Ruf als gerechter und strenger Herrscher. Nach zehn Jahren schenkt ihm Kriemhild einen Sohn, den sie Gunther nennen. Siegfrieds Macht und Reichtum ist unermesslich: Nach wie vor ist er im Besitz des sagenhaften Nibelungenschatzes, und seine Kräfte sind immer noch unendlich groß.

„Da sagte Kriemhild, die Herrin: ‚Mein Mann hat einen solchen Rang, dass ich ihn nicht ohne Grund gepriesen habe. Sein Ansehen ist überall sehr groß. Nun glaub es doch, Brünhild: Siegfried ist Gunther vollkommen ebenbürtig!“ (Bd. 1, S. 243)

Währenddessen schaut Brünhild im Land der Burgunden missmutig auf die stolze und ansehnliche Lebensführung des niederländischen Königspaars. Sie ist immer noch der Überzeugung, Siegfried sei ein Vasall ihres Mannes und ihm untertan. Sie stört sich daran, dass der vermeintliche Lehnsmann seinem König nicht zu Diensten ist, und bedrängt Gunther, Siegfried und Kriemhild einzuladen. Die beiden nehmen die Einladung erfreut an und machen sich sofort mit ihrem Hofstaat ins Burgundenland auf. Ihr kleiner Sohn bleibt zu Hause – und wird seine Eltern nie wieder sehen. Auch seine Großzügigkeit bringt Siegfried Neider ein. Besonders Hagen von Tronje, der schon immer argwöhnisch war, mag ihm seinen Reichtum nicht gönnen und wünscht, dass der Schatz der Nibelungen bei den Burgunden sei.

„Als das heiße Blut aus den Wunden des Drachen rann und der tapfere, treffliche Recke sich darin badete, da fiel ihm ein ziemlich großes Lindenblatt zwischen die Schulterblätter, und an dieser Stelle kann man ihn verwunden.“ (Kriemhild zu Hagen, Bd. 1, S. 265)

Der Besuch der Niederländer wird von den Burgunden frenetisch gefeiert. Mit Ritterspielen und ausgelassenen Festmahlen ehren sie die Gäste. Eine kurze Zeit leben alle in harmonischem Einklang. Mit dem Frieden ist es jedoch vorbei, als die zwei Königinnen einen Streit darüber beginnen, wer nun von ihren Männern der ranghöhere, stärkere und mächtigere sei. Es entbrennt ein Kampf um Ansehen und Status. Keine Gemeinheit und Provokation lassen die beiden aus, bis Kriemhild, außer sich vor Zorn, Brünhild als „Kebse“ (Nebenweib) bezeichnet. Als Beweis dafür, dass ihr Mann Siegfried, und nicht Gunther, der Erste gewesen sei, der mit Brünhild geschlafen habe, zeigt sie dieser den Ring und den Gürtel. Gunther und Siegfried versuchen die Streitigkeiten zu beenden, ohne den Frauen die Wahrheit über jene Hochzeitsnacht zu erzählen. Der Waffenstillstand zwischen den Königinnen gelingt aber nur an der Oberfläche; Zorn und die schmerzende Erinnerung an die erlittene Ungerechtigkeit sind nicht verraucht.

Siegfrieds Tod

Hagen von Tronje bietet seiner Herrin Brünhild an, die Rache für die erlittene Schmach auszuüben. Er bespricht seine Pläne mit Gunther, der zuerst von der Ermordung Siegfrieds nichts wissen will, sich aber schließlich doch von Hagen zur Duldung der Tat überreden lässt. Unter dem Vorwand, ihren Gatten schützen zu wollen, bittet Hagen Kriemhild, die einzige verwundbare Stelle Siegfrieds auf dessen Kleidung zu kennzeichnen. Kriemhild geht nichts ahnend darauf ein und stickt ein kleines Kreuz genau dort auf Siegfrieds Jacke, wo die Stelle verborgen liegt, an die wegen eines Lindenblattes kein Drachenblut auf seinen Rücken gelangt ist.

„Da der Herr Siegfried an der Quelle trank, traf Hagen ihn durch das Zeichen hindurch mit dem Speer, dass sein Herzblut im hohen Bogen aus der Wunde an Hagens Wams spritzte.“ (Bd. 1, S. 289)

Siegfried reitet mit seinen falschen Freunden zur Jagd. Dabei erfüllt sich sein Schicksal: Hagen tötet ihn hinterrücks mit einem Speer. Doch Hagens Rachedurst ist damit noch nicht gestillt. Den toten Siegfried lässt er vor Kriemhilds Türe schaffen, wo sie den blutüberströmten Leichnam findet. Kriemhild, von Trauer überwältigt, ist sofort klar, dass Hagen der Mörder und Gunther ein Mitwisser der üblen Tat ist.

„Bis an ihr Lebensende klagte Kriemhild um ihren tapferen Gemahl, doch einige Zeit später nahm sie gewaltige Rache.“ (Bd. 1, S. 323)

Kriemhild schwört ihrem Bruder Gunther und seinem Gefolgsmann Hagen ewige Rache. Sie kehrt nicht in die Niederlande zurück, sondern bleibt auf Bitten ihrer Mutter und der anderen zwei Brüder in Burgund, wo sie lange Zeit um ihren geliebten Siegfried trauert. Nach einigen Jahren versöhnt sie sich mit Gunther und lässt sich von ihrer Familie dazu überreden, den Schatz der Nibelungen ins Burgundenland zu überführen. Ihren unwahrscheinlichen Reichtum verteilt sie großzügig unter den Burgunden, was Hagen gar nicht gefällt: Er befürchtet nicht ganz zu Unrecht, dass sich Kriemhild mit ihrem Geld die treuen Dienste diverser Ritter erkaufen möchte. Um ihrer Rache zuvorzukommen, entwendet er ihr den Schatz und versenkt ihn im Rhein.

Kriemhild und der Hunnenkönig

Auch nach 13 Jahren hat Kriemhild den Tod ihres geliebten Siegfried nicht überwinden können, Trauer und Hass sind inzwischen tief in ihr verankert. Da wird plötzlich erneut um sie geworben: Der Hunnenkönig Etzel schickt seinen Markgrafen Rüdiger ins Burgundenland, damit er für ihn um Kriemhilds Hand anhält. Hagen rät Gunther davon ab, diese Verbindung zustande kommen zu lassen, denn die Heirat mit einem solch mächtigen König würde Kriemhild in die Lage versetzen, ihre Rache nehmen zu können. Auch Kriemhild selbst ist anfangs nicht gerade erfreut über die erneute Werbung um ihre Person. Rüdiger teilt sie mit, dass sie immer noch ihrem Siegfried nachtrauert und nicht daran denkt, sich einem anderen Mann zuzuwenden. Doch Rüdiger gibt nicht auf und verspricht Kriemhild, ihr immer treu zur Seite zu stehen und jedes ihr angetane Unheil zu vergelten, wenn sie nur in das Hunnenland mitkäme. In der Hoffnung, den Mord an Siegfried doch noch rächen zu können, willigt sie schließlich in die Heirat ein.

„Überall floss Blut der Erschlagenen durch die Abflusslöcher und in die Rinnsteine. Das hatten die Helden vom Rhein mit ihrem großen Mut vollbracht.“ (Bd. 2, S. 255)

Viele Jahre lebt Kriemhild in Frieden mit dem heidnischen König Etzel zusammen. Sie sind als großzügige Regenten bekannt, ihren Reichtum teilen sie freigebig, auch ein Erbe wird geboren. Doch Kriemhild kann das Geschehene nicht vergessen. Obwohl es ihr an nichts mangelt, fühlt sie sich von Hagen und Gunther verraten und gibt ihnen die Schuld daran, dass sie einen heidnischen Mann geheiratet hat. Von Hass und Rachegedanken getrieben, will sie endlich Vergeltung für ihr Leid und heckt einen grausamen Plan aus. Sie bittet ihren Mann Etzel unter dem Vorwand, dass sie ihre Verwandten vermisse, die Burgunden zu sich einzuladen. Die Burgunden folgen der Einladung, entgegen Hagens Warnungen, der die bösen Absichten Kriemhilds ahnt. Doch Gunther und seine Brüder sind überzeugt davon, dass ihre Schwester ihnen längst vergeben hat. So brechen die Burgundenkönige in Begleitung von Hagen und ihrer Ritterschaft ins Land der Hunnen auf.

Ein unerfreuliches Wiedersehen

Hagens Ahnungen bestätigen sich, als er während der Reise auf einige Meerfrauen trifft, die ihm den bevorstehenden Tod der Burgunden prophezeien. Er weiß, dass er Gunther nicht mehr zur Rückkehr bewegen kann, und versucht sein Bestes, um die Burgunden vor Schaden zu bewahren. Der Trupp macht Halt bei Rüdiger, der die bösen Absichten seiner Königin Kriemhild nicht kennt und die Burgunden großzügig bewirtet. Dem jüngsten Bruder Giselher gibt er sogar seine Tochter Gotelind zur Frau. Die Rast bei Rüdiger verschafft den Burgunden eine kurze Verschnaufpause, bevor sie an den Hof Etzels und Kriemhilds kommen. Die Begrüßung durch Kriemhild verläuft besonders für Hagen sehr frostig: Sie fordert ihn sofort auf, ihr den Schatz der Nibelungen zurückzugeben, den er ihr einst entwendet hat. Für ihre Rache hat sie bereits klare Vorkehrungen getroffen: Die Knappen der Ritter werden separat untergebracht, und den Gästen ist es untersagt, zum Willkommensfest Waffen mitzubringen. Die Burgunden versuchen die Gehässigkeiten Kriemhilds so gut wie möglich zu ignorieren und vermeiden es, König Etzel in die Sache mit einzubeziehen.

Der Untergang der Burgunden

Doch schließlich eskaliert die Situation und die Burgunden werden auf Geheiß von Königin Kriemhild attackiert. Die ersten Angriffe der Hunnen werden abgewehrt, die tapferen Burgunden stellen sich mutig ihren Gegnern. Kriemhild sieht ihren Plan der Vernichtung in Gefahr und versucht unablässig, mit Versprechungen und Belohnungen Verbündete gegen die Burgunden zu gewinnen. Nach einigen Tagen geraten die Kämpfe ganz außer Kontrolle: Hagen schlägt dem kleinen Sohn Kriemhilds und Etzels den Kopf ab, worauf wildes Kampfgetümmel losbricht. Hunnen und Burgunden schlachten sich gnadenlos gegenseitig ab. Die Gäste werden auf Befehl Kriemhilds in einen Saal gedrängt, der angezündet wird. Nach langen und äußerst grausamen Gefechten sind fast alle Helden tot, bis auf Hagen und Gunther. Doch auch sie, vom Kämpfen erschöpft, werden vom heldenhaften Dietrich von Bern überwältigt und in den Kerker geworfen. Da endlich kann Kriemhild die lang ersehnte Rache vollenden: Sie lässt ihren Bruder Gunther köpfen und tötet mit eigener Hand Hagen, der ihr bis zuletzt nicht verrät, wo er den Nibelungenschatz versteckt hat. Kurz darauf tötet Dietrichs Waffenmeister Hildebrand Kriemhild.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Nibelungenlied besteht aus 39 Aventiuren (Kapiteln; der Begriff stammt aus dem Altfranzösischen und heißt in etwa Ereignis) und gliedert sich in zwei ungefähr gleich große Teile. Der erste Teil umfasst die Geschichte um Siegfried und Kriemhild, der zweite erzählt den Untergang der Burgunden. Das Nibelungenlied ist in mittelhochdeutscher Sprache nach einem metrischen Schema verfasst. So lautet der berühmte Anfang:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ír nu wunder hœren sagen.

Wie das Beispiel zeigt, besteht eine Strophe aus vier paarweise gereimten Langzeilen, die in je zwei Halbzeilen getrennt sind. Die erste Halbzeile wird als Anvers, die zweite als Abvers bezeichnet. An- und Abvers sind dreihebig (d. h., sie haben drei betonte Silben), nur der letzte Abvers einer Strophe ist vierhebig. Untypisch ist an diesem berühmten Anfang, dass sich auch die ersten Halbzeilen reimen, was üblicherweise nicht der Fall ist. Das gesamte Nibelungenlied umfasst in der behandelten Ausgabe 2379 Strophen, die Strophenzahl variiert aber in den erhaltenen Handschriften. Die epische Sprache, wie sie auch im Nibelungenlied verwendet wird, zeichnet sich durch Formelhaftigkeit aus: Das zeigt sich besonders an immer wiederkehrenden Redewendungen („daz was in leit“) oder der häufigen Einleitung „dô sprach“. Heinrich Heine sagte über das Epos: „Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. Hie und da, aus den Spalten, quellen rote Blumen hervor wie Blutstropfen oder zieht sich der lange Efeu herunter wie grüne Tränen.“

Interpretationsansätze

  • Lange Zeit wurde Das Nibelungenlied als eine Art deutsches Nationalepos verstanden. Besonders die Nationalsozialisten missbrauchten das Werk als Identifikationsmuster für ihren Helden- und Kriegskult. Heute versucht man, das Lied in seinen historischen mittelalterlichen Kontext zu stellen.
  • Die Figuren sind nicht als Individuen zu verstehen, die als autonome Personen handeln. Sie können darum auch nicht allein psychologisch interpretiert werden. Sie sind zu einem guten Teil Personifizierungen von Werten und Rollen, die im Mittelalter vorherrschten.
  • Der höfische Umgang, wie er im Nibelungenlied peinlich genau praktiziert wird, ist vergleichbar mit einem Knigge im heutigen Sinn. Er ist eine Darstellung des gesamten Wertesystems der mittelalterlichen Gesellschaft, allen voran des ritterlichen Kodex.
  • Das Racheprinzip erfährt im Nibelungenlied keine Wertung und wird nicht hinterfragt – es ist kein durch und durch christlicher Text mit moralischer Aussage.
  • Der unbekannte Verfasser schildert die ritterliche Gesellschaft plastisch: Der Hof der Burgunden ist kein Ort der paradiesischen Eintracht, es gibt Neid, Zwist und Streitereien. Da nützt es auch nichts, dass die handelnden Personen fast alle schön, mutig, tapfer und wohlerzogen sind.
  • Der Text enthält viele Ungereimtheiten: Andeutungen, die nicht weitergeführt werden, plötzlich auftauchende Charaktereigenschaften, die nicht ins Bild passen, und stereotype Bezeichnungen, die für alle Figuren gleichermaßen gelten.

Historischer Hintergrund

Das Hochmittelalter

Als Mittelalter wird grob gesprochen die Epoche zwischen Antike und Neuzeit bezeichnet. Sie wird in das Frühmittelalter (Mitte sechstes bis Anfang elftes Jahrhundert), das Hochmittelalter (bis ca. 1250) und das Spätmittelalter (bis ca. 1500) eingeteilt. Die Entstehung des Nibelungenliedes fällt in die Zeit des Hochmittelalters, es gilt als erster Höhepunkt der deutschen Literatur. Prägend für diesen Zeitraum waren das blühende Rittertum, die Kreuzzüge und der Investiturstreit, also der Streit zwischen päpstlicher und weltlicher Macht um die Ernennung von Bischöfen. Durch das starke Bevölkerungswachstum veränderte sich die Gesellschaft. Die strenge soziale Ordnung unter monarchischer Herrschaft begann langsam aufzuweichen und wurde durchlässiger. Der Mittelpunkt des sozialen Lebens bewegte sich von den Burgen und Höfen weg und konzentrierte sich auf die Städte, in denen sich gegen Ende des Hochmittelalters ein Bürgertum zu entwickeln begann. Durch diese Verlagerung von den Höfen in die Städte wurde auch die Literatur immer bürgerlicher und entfernte sich mehr und mehr von einem rein geistigen und philosophischen Schrifttum. Neben dem Klerus konnten zunehmend auch Menschen aus Adel oder Bürgertum lesen und schreiben. Lateinisch wurde als bisher einzige Schriftsprache vom Mittelhochdeutsch abgelöst.

Entstehung

Das Nibelungenlied entstand zur Blütezeit der mittelhochdeutschen Literatur um 1200 im österreichischen Donauraum. Ein Original im Sinn eines einheitlichen und vollständigen Urtextes existiert nicht. Es sind 34 Handschriften erhalten, datiert vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, von denen einige komplett, andere nur fragmentarisch sind. Die wichtigsten sind die Hohenems-Münchener Handschrift A, die St. Gallener Handschrift B und die Donaueschinger Handschrift C. An Das Nibelungenlied schließt sich in den wichtigsten Handschriften die ebenfalls in Reimpaaren abgefasste Klage an, die an die letzten Worte des Liedes („daz ist der Nibelunge nôt“) anknüpft und den Untergang der Burgunden zum Thema hat. In die Klage wurde nicht nur christliches Gedankengut eingefügt, welches im Lied fehlt, es wird auch auf einen möglichen Auftraggeber des Werks hingewiesen, nämlich auf einen gewissen Bischof Pilgrim. Mit diesem könnte der als Mäzen bekannte Bischof Wolfger von Passau gemeint sein.

Das Nibelungenlied ist nicht als Geschichte zu verstehen, die von einem einzelnen Verfasser von Anfang bis Ende ausgedacht und niedergeschrieben wurde. Es ist vielmehr das Produkt zahlreicher Einflüsse, also eine Art Schmelztiegel verschiedenster Sagenstoffe und Lieder, deren Entstehung oft bis in die Zeit der Völkerwanderung im fünften und sechsten Jahrhundert zurückreicht. Am wichtigsten war sicherlich der Nibelungenstoff, der auch nordische Sagen wie die Volsunga Saga oder die Edda geprägt hat. Neben mythischen und märchenartigen Einflüssen sind auch historisch belegte Begebenheiten im Nibelungenlied zu finden: So sind etwa die Könige Gunther und Giselher keine Fantasiegestalten. Sie waren im fünften Jahrhundert Herrscher des Burgundenreichs, das zuerst von den Römern bekämpft und danach von den Hunnen besiegt wurde.

Wirkungsgeschichte

Der Stoff der Nibelungensage war im Mittelalter sehr beliebt, verschiedentlich wurden Figuren daraus in Liedern und Dichtungen erwähnt. So dürfte sich auch Das Nibelungenlied großer Bekanntheit erfreut haben. Ab dem 16. Jahrhundert geriet das Epos vorübergehend in Vergessenheit. Es wurde erst 1755 wiederentdeckt und publiziert. Bereits damals überfrachtete und verklärte man Das Nibelungenlied mit ideologischen Deutungsversuchen. Es wurde zu dem deutschen Heldenepos schlechthin hochstilisiert und zur Nationalliteratur erklärt. Siegfried galt als Inbegriff von heldenhaftem Deutschtum, ungeachtet dessen, dass auch er seine dunklen Seiten hat. Während des Nationalsozialismus wurde die Bedingungslosigkeit, mit der Hagen und die ganze Truppe der Burgunden ihren Königen in den sicheren Tod folgen, zur Volkstugend erklärt, die grenzenlose „Nibelungentreue“ zum Führer als vorbildlich dargestellt: Hermann Göring bemühte gar den direkten Vergleich der deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad mit den Burgunden in Etzels Burg. In der zeitgenössischen Forschung wird versucht, Das Nibelungenlied wieder in seinen historischen Kontext zu stellen und es von verklärenden und entfremdenden Interpretationen zu befreien. Der in der Sprache des zwölften Jahrhunderts verfasste Text wurde häufig in die Gegenwartssprache übertragen, meist in Versform, aber auch, wie in der hier behandelten Ausgabe, in Prosa. Für Letzteres spricht, dass die mittelalterlichen Verse ins heutige Deutsch nicht ohne Weiteres zu überführen sind.

Auch in moderneren Werken wurde Das Nibelungenlied mehrfach verarbeitet; berühmte Versionen sind u. a. Der Held des Nordens (1810) von Friedrich de la Motte Fouqué oder Friedrich Hebbels Die Nibelungen (1862). Richard Wagner hat dem Stoff mit seiner musikalischen Tetralogie Der Ring des Nibelungen ein unvergleichliches Denkmal gesetzt. Selbst noch in J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe lassen sich Anklänge an Das Nibelungenlied vernehmen. Das Werk wurde auch mehrfach verfilmt, u. a. 1924 von Fritz Lang. In der Nibelungenstadt Worms finden seit 2002 Festspiele rund um das Epos statt; so inszenierte etwa Dieter Wedel eine zeitgemäße Neubearbeitung des Stoffes von Moritz Rinke.

Über den Autor

Über den (oder die) Verfasser des Nibelungenliedes ist so gut wie nichts bekannt. Lange Zeit wurde von der Forschung ebenso verzweifelt wie erfolglos nach dem Autor des Werks gesucht. Immer wieder wurden neue Namen vermeintlicher Autoren ins Spiel gebracht. Unter anderem schrieb man einer Nonne die Autorschaft zu, aber auch berühmte Namen wie Wolfram von Eschenbach, Konrad von Würzburg oder gar Walther von der Vogelweide wurden vor allem in der frühen Forschung als Autoren in Betracht gezogen. Stichhaltige Beweise für diese Thesen blieben aus. Ebenso rätselhaft wie die Identität des Verfassers ist sein Stand geblieben: Mal dachte man, es könnte ein Spielmann (eine Art professioneller Dichter) gewesen sein, es könnte sich aber auch um einen Ritter oder einen Angehörigen des Klerus gehandelt haben. Die Idee vom Spielmann, der von Hof zu Hof reist und den Adel unterhält, ist mittlerweile als romantisches Hirngespinst verworfen worden. Schon glaubwürdiger scheint die These, dass der Verfasser des Nibelungenliedes Angehöriger des Adelsstands gewesen sein könnte, da er doch über sehr detaillierte Kenntnisse der höfischen Bräuche und der üblichen Kleidung verfügte. Als Verfasser kommt auch ein Kleriker infrage. Allerdings ist diese Bezeichnung im weitesten Sinn zu verstehen, da eine christliche Überzeugung im Epos nur oberflächlich vertreten wird, womit ein Priester als Verfasser ausscheidet. Welchem Stand nun der Autor auch immer angehört hat, als relativ gewiss gilt inzwischen, dass derjenige, der Das Nibelungenlied in seine schriftliche Fassung gebracht hat, ein äußerst gebildeter und belesener Mann gewesen ist. Die Anonymität eines Autors – auch wenn er der Urheber eines Epos wie des Nibelungenliedes ist – ist für das Mittelalter nicht ungewöhnlich. Auch bei anderen Werken wie beispielsweise dem Kudrunlied, das übrigens als christliche Antwort auf Das Nibelungenlied gilt, ist ganz gattungstypisch kein Autor bekannt.

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