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Der Abenteuerliche Simplicissimus

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Der Abenteuerliche Simplicissimus

Artemis & Winkler,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Der bedeutendste deutsche Barockroman: Der einfältige Simplicissimus besteht vielfältige Abenteuer im Dreißigjährigen Krieg und unternimmt schließlich eine große Weltreise.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Barock

Worum es geht

Tolldreiste Abenteuer

Grimmelshausens Simplicissimus ist das wichtigste deutsche Prosawerk des Barock. Obwohl erst über 150 Jahre nach der Veröffentlichung (1668) ans Licht kam, dass das sechsbändige Werk auf den hessischen Erzähler zurückging, war der Ruhm des Romanhelden längst weit verbreitet. Im Stil der spanischen Schelmenromane verfasste Grimmelshausen mit großer Fabulierkunst einen derben und spaßigen Roman mit hintergründigem, satirischem Humor. Er schickt seinen dummdreisten Helden Simplicissimus (den "Einfältigsten der Einfältigen") auf eine Odyssee durch die vom Dreißigjährigen Krieg gebeutelten deutschen Lande - und weiter bis nach Ägypten, Moskau, Korea und Konstantinopel. "Überaus lustig und männiglich nutzlich", verspricht der Autor auf dem Deckblatt der Originalausgabe. Das Versprechen wird eingehalten: In volkstümlicher Sprache wird geschildert, wie Simplicissimus von einer unglaublichen Situation in die nächste schlittert. Trotz allen Humors zeichnet der Roman ein eindringliches Bild des Krieges, in dem schlimmste Gräueltaten an der Tagesordnung waren. Hier schwingt der Simplicissimus zwischen den Extremen der überschäumenden Lebenslust und der allgegenwärtigen Todesangst hin und her, die für die Literatur des Barock so typisch sind.

Take-aways

  • Der Abenteuerliche Simplicissimus ist der bedeutendste deutsche Roman des Barockzeitalters und auch heute noch lesenswert.
  • Das Buch wurde 1668 von Grimmelshausen unter falschem Namen veröffentlicht. Wegen des großen Erfolgs kamen bald zahlreiche Raubdrucke heraus.
  • Um das Original zu kennzeichnen, veröffentlichte Grimmelshausen nur ein Jahr später eine Neuauflage mit einem neuen Schlusskapitel (Continuatio).
  • Im Mittelpunkt steht der einfältige Simplicissimus, der eltern- und ahnungslos durch die vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten deutschen Lande zieht.
  • Ein Einsiedler erzieht Simplicissimus im Wald und macht aus ihm einen gebildeten, wenn auch in der Welt noch unerfahrenen "Christenmenschen".
  • Nach dem Tod des Einsiedlers wird Simplicissimus nach Jahren als Bediensteter zum Dragoner und kämpft auf mehreren Kriegsschauplätzen.
  • Er wird mehrmals gefangen genommen, kommt aber jedes Mal knapp mit dem Leben davon.
  • Er wird zwangsverheiratet, führt ein Räuberleben, erlebt amouröse Abenteuer im sittlich verwahrlosten Paris, rettet seinem Freund Herzbruder das Leben und entschließt sich nach ereignisreichen Reiseabenteuern, Einsiedler zu werden.
  • In der Continuatio (Fortsetzung) zieht es den Helden jedoch wieder in die Welt hinaus. Nach einem Schiffbruch fristet er schließlich sein Dasein auf einer einsamen Insel.
  • Der Roman zeigt eine gründlich gespaltene Welt: hier die religiöse Überzeugung von der Vergänglichkeit alles Irdischen, dort die farbig-drastische Schilderung desselben.
  • Der Roman steht in der Tradition der spanischen Picaro-Romane (Picaro = Schelm), die, anders als der höfische Ritterroman, in einem niedrigeren Milieu spielen.
  • Grimmelshausen traf den Geschmack der Zeit: Nach den sechs Originalbüchern des Simplicissimus veröffentlichte er vier weitere "simplicianische Schriften".

Zusammenfassung

Der Einfältige auf dem Lande

"Oh, edles Leben": So fasst der (noch) namenlose Simplicissimus seine Jugend zusammen. Die Kindheit des Knaben verläuft nämlich in einer solchen Unwissenheit und Naivität, dass er dieses Leben in der Rückschau nicht genug loben kann. Ohne zu wissen, wie sein Vater und seine Mutter heißen, nennt er sie einfach bei ihren im Spessart üblichen mundartlichen Namen "Knan" und "Meuder". Von der Welt draußen weiß der einfältige Tropf nichts. Aber auch vom Himmel, von Gott und vom Teufel erzählt ihm niemand etwas. Bei seiner Unwissenheit ist er aber kokett über alle Maßen und gibt damit an, dass sein Knan sich wohl ein Ziegelhaus, ja sogar einen Palast hätte leisten können, die ärmliche Bauernhütte aber vorziehe. Weil Simplicissimus vorzüglich auf der Sackpfeife spielen kann, schickt ihn sein Knan auf die Weide, um die Schafe zu hüten. Doch der Junge ist so dumm, dass er nicht einmal weiß, wie der Wolf aussieht. Als ein Reitertrupp naht, führt der Unglücksselige die Herren ins Dorf, wo sie gleich damit beginnen, zu plündern und die Leute zu quälen. Simplicissimus weiß nicht recht, was da geschieht, doch er hört auf eine Magd, die ihm zur Flucht rät.

Erziehung im Wald

Simplicissimus flüchtet durch den Wald, bis ihn ein alter Mann mit einem bleichen Gesicht und einem zauseligen Bart findet. Dieser alte Eremit, der schon lange im Wald fernab von jeder Zivilisation lebt, nimmt den Jungen freundlich bei sich auf. Als er feststellt, dass Simplicissimus derart dämlich ist, dass er alles missversteht, nicht weiß, wie er heißt, auch seine Eltern nicht kennt, beschließt der Alte, ihn zu unterrichten. Zwei Jahre verbringt "Simplicius", wie ihn der Einsiedler wegen seiner Einfalt nennt, bei dem weisen Mann und lernt Lesen und Schreiben. Der Eremit verwandelt ihn von einer "Bestia" in einen "Christenmenschen" und lehrt ihn die christlichen Lebensgrundsätze. Kurz vor seinem Tod gibt ihm sein Lehrmeister noch drei gute Ratschläge: Er soll nach Selbsterkenntnis streben, stets aufrecht und standhaft bleiben und sich vor schlechter Gesellschaft hüten.

Der Narr in Hanau

Simplicissimus findet einen Brief des Eremiten, der ihn zum Gang in die Welt auffordert. Daraufhin verlässt er das Lager und schlägt sich mehrere Nächte in der freien Natur durch, um schließlich zur Festung von Hanau (Hessen) zu kommen. Die Wachen nehmen ihn sofort in Gewahrsam: Zu seltsam sieht er aus mit seinen kraus abstehenden Haaren, einem Flickenkleid und einem Hemd, dessen Ärmel er als Socken benutzt. Die Wachen führen ihn vor den Gouverneur der Festung, der ihn argwöhnisch durchsuchen lässt. Erst als der Pfarrer hinzutritt, der Simplicissimus von früher kennt, lässt der Gouverneur von ihm ab und nimmt ihn sogar als seinen Diener auf. Simplicissimus, den alle für einen Narren und Einfaltspinsel halten, wundert sich über die vielen Sünden, die in der Stadt begangen werden. Er schimpft über das Laster und die Gottlosigkeit, wird aber nicht so recht für voll genommen, ja sogar zum Narren gekrönt und in ein Tierfell gekleidet.

Flucht und Bekanntschaft mit Herzbruder

Simplicissimus ist als "Narr im Kalbskleid" ein beliebter und gern gesehener Schalk. Jedoch nimmt sein angenehmes Leben eine böse Wende, als kriegerische Kroaten die Festung angreifen und ihn entführen. Auch bei ihnen führt er ein Leben als Narr, wird jedoch immer nur herumgestoßen, und das Essen schmeckt ihm auch nicht. Bei der erstbesten Gelegenheit stiehlt er sich davon und schließt sich den kaiserlichen Truppen in Magdeburg an. Er kommt ins Haus des Hofmeisters, der als Erster durchschaut, dass Simplicissimus gar nicht so dumm ist, wie er erscheint. Der Sohn des Hofmeisters, Ulrich Herzbruder, wird zu einem treuen Freund des Helden.

Der Jäger von Soest

Simplicissimus tritt den Dienst bei einem Dragoner in Soest (Westfalen) an und verdingt sich als Reiterjunge. Aufgrund seines jugendlichen Alters will sein Herr ihn nicht zum Soldatendienst zulassen. Doch nach dessen Tod wird Simplicissimus selbst zum Dragoner: Als tolldreister "Jäger von Soest" wird sein Name schnell bekannt und Simplicissimus zu einem reichen Mann. Als er erfährt, dass sich ein gewisser "Jäger von Werl" als seinesgleichen ausgibt, stellt er den Lump und blamiert ihn so, dass dieser kleinlaut das Feld verlässt.

Jupiters ehrgeizige Pläne

Eines Tages trifft Simplicissimus bei seiner Patrouille einen seltsamen, aber vornehm gekleideten Mann, der sich ihm gegenüber als "Gott Jupiter" ausgibt. Simplicissimus hält ihn für einen Phantasten, der offenbar zu viel gelesen und dabei ein wenig wahnsinnig geworden ist. Jupiter erzählt ihm davon, wie er einen ewigen Frieden heraufbeschwören will: Dazu will er einen "Teutschen Helden" erschaffen, der mit der Klinge seines Schwertes für Gerechtigkeit sorgt. Nachdem diese mythische Gestalt den Weltfrieden wiederhergestellt haben wird, wird sie die Religionsführer davon überzeugen, dass die Glaubensspalterei (Reformation vs. Katholizismus) Unsinn sei und nur eine umfassende Universalreligion den Frieden dauerhaft sichern könne.

Ein Duell mit Folgen

Auf einer Sauftour mit seinen Kameraden erregt Simplicissimus durch seine ungehobelte Art den Groll einer Gruppe von Reitern. Nachdem sie mehrere Beleidigungen ausgetauscht haben, wirft Simplicissimus dem Anführer der Reiter seinen Handschuh hin und fordert ihn zum Duell. Simplicissimus greift zu einem Trick: Er tut so, als habe seine Muskete eine Ladehemmung. Als sein Gegner dies bemerkt und sich bereits sicher fühlt, galoppiert er mit vorgehaltener Pistole auf Simplicissimus zu. Jetzt erst drückt dieser ab - und entscheidet den Zweikampf für sich. Von der stürmischen Begeisterung seiner Kumpane hat er jedoch nicht viel: Weil Duelle bei Todesstrafe verboten sind, wird Simplicissimus von 25 herbeieilenden Musketieren verhaftet und in Ketten gelegt. Als aber kurz darauf dank einer List des Simplicissimus eine Stadt des Feindes erobert werden kann, wird ihm zur Belohnung das Leben geschenkt.

Simplicissimus findet einen Schatz

Simplicissimus reitet zuweilen mit seinem prächtigen Pferd in der Stadt und den umgebenden Ländereien umher. Eines Tages findet er ein altes, verfallenes Gemäuer. Obwohl ihm nicht wohl bei der Sache ist, steigt er in die finstere Ruine ein. Angst packt ihn und er feuert seine Pistole ab. Daraufhin bricht eine Wand ein und Simplicissimus findet dort einen Schatz mit etlichen Goldmünzen, Salzfässern, kostbaren Bechern und Geschmeide. Aus seinem Glück wird jedoch schnell eine Qual: Er fürchtet die Missgunst seiner Kameraden. Sein treuer Freund Springinsfeld rät ihm sogar, den Schatz zu verschenken, um Mordanschlägen zu entgehen. Nach langem Hin und Her bringt Simplicissimus die Kostbarkeiten in die Stadt Köln, wo er alles bei einem vertrauenswürdigen Kaufmann in Verwahrung gibt. Auf dem Rückweg wird er jedoch von schwedischen Soldaten gefangen genommen. Diese versuchen ihn davon zu überzeugen, die Kriegspartei zu wechseln.

Auf Freiersfüßen

Simplicissimus akzeptiert, sich sechs Monate bei ihnen aufzuhalten, solange er die Waffen nicht gegen seinen alten Herrn erheben muss. In dieser Zeit wandelt er auf Freiersfüßen und hat nach kürzester Zeit sechs Verehrerinnen. Eine seiner heißesten Liebschaften macht ihm jedoch das Leben schwer: Sie ziert sich, ihn vor der Heirat in ihre Kammer zu lassen. Doch mit der Ehe hat Simplicissimus nichts am Hut. Als sie ihn schließlich doch hereinlässt, erwischt ihr Vater das Paar. Sofort holt er den Pfarrer, um die beiden zwangsweise zu verheiraten. So wird Simplicissimus unversehens zum Ehemann. Seine Reise nach Köln, wo er seinen Schatz abholen will, ist vergebens: Der Kaufmann ist bankrott. Flugs begleitet Simplicissimus zwei junge Adlige nach Paris, wo er den Dienst bei Monsieur Canard antritt. Er erringt einigen Ruhm als Lautenist und Sänger "teutscher Lieder" und tritt sogar als Komödiant im Louvre auf. Schließlich erhält er die Einladung einer adligen Dame, die für ihren Sohn einen Lautenlehrer sucht. Doch im Schloss angekommen, wird Simplicissimus darüber aufgeklärt, dass die drei Damen des Schlosses den "Beau Alman", den schönen Deutschen, für Liebesdienste bestellt haben. Zunächst ist ihm dies zuwider, aber da sie alle nicht gerade hässlich sind, fügt sich Simplicissimus in sein Schicksal - und bleibt volle acht Tage und Nächte.

Räuberleben

Nach den amourösen Abenteuern macht sich Simplicissimus auf die Rückreise nach Deutschland. Er erkrankt an den Kindsblattern und hat - dank seiner narbigen Hässlichkeit - endlich einmal Ruhe vor Verehrerinnen. Weil ihm langsam das Geld ausgeht, versucht er sich als Quacksalber: Er färbt Brandwein mit Safran und verkauft diesen Trunk als Goldwasser gegen Fieber. Soldaten aus Phillipsburg nehmen Simplicissimus aber seinen ganzen neuen Reichtum ab und zwingen ihn noch dazu zum Soldatendienst. Sein alter Freund Herzbruder kann ihn befreien. Zwischenzeitlich trifft Simplicissimus Olivier wieder, einen alten Bekannten aus seiner Regimentszeit in Magdeburg, und beginnt mit ihm ein lasterhaftes Räuberleben, dem jedoch ein paar Musketiere ein Ende bereiten: Olivier wird erschossen und Simplicissimus gelingt mit dessen Beute die Flucht. Kurz darauf trifft er Herzbruder krank und ausgemergelt wieder. Simplicissimus mietet ein Zimmer in einer Gaststube und kuriert den Freund.

Das Rätsel seiner Herkunft wird gelüftet

Nach Herzbruders Genesung machen sie gemeinsam eine Wallfahrt nach Maria Einsiedeln in der Schweiz. Hier überkommt Simplicissimus, erschreckt durch die zutreffenden Aussagen eines Besessenen, die Reue über sein lasterhaftes Räuber- und Soldatenleben. Er bekehrt sich zur katholischen Kirche, beichtet seine Sünden und empfängt die Kommunion. Als sein getreuer Herzbruder verstirbt und er auch noch vom Tod seiner Frau erfährt, fühlt sich Simplicissimus mutterseelenallein. Ein Neuanfang mit einem Bauernmädchen verläuft ebenfalls unglücklich: Die Frau ist faul und säuft sich schließlich zu Tode. Doch endlich zeigt Fortuna sich gnädig: Simplicissimus begegnet seinem alten Knan wieder, der ihm etwas Ungeheuerliches erzählt: Er, Simplicissimus, ist gar kein Bauernlümmel, sondern von adliger Herkunft und heißt Melchior Sternfels von Fuchsheim. Und der Einsiedler, bei dem er nach dem Überfall seine Jugend verbracht hat, war sein wirklicher Vater.

In die Erde hinein und um sie herum

Simplicissimus macht seinen Knan und seine Meuder zu den Verwaltern seines Hofes. Er selbst versucht das Geheimnis des Mummelsees zu ergründen, von dem sich die Bauern wundersame Geschichten erzählen. Tatsächlich gelingt es ihm, den See zu finden. Als er mit einem Boot aufs Wasser hinausfährt, tauchen plötzlich seltsame Wassermännlein auf, die Sylphen. Sie laden Simplicissimus ein, ihr unterirdisches Reich zu beschauen, und werfen ihm eine goldene Kugel zu, mit deren Hilfe er unter Wasser atmen kann. Nach diesem Abenteuer, bei dem er bis zum "centrum terrae", zum Erdmittelpunkt gelangt, kehrt Simplicissimus zu seinem Hof zurück, um gleich darauf wieder in die Welt hinauszuziehen: Ein Offizier überredet ihn zu einer Reise nach Moskau. Hier gerät er in Gefangenschaft und kann nach zahlreichen Umwegen über Korea, Japan, Macao und Konstantinopel zurück in die Heimat gelangen. Er zieht sich, enttäuscht von der Welt, in den Spessart zurück, um dort als Einsiedler zu leben, bis ...

Continuatio

... ihn unselige Träume wieder in die Welt hinaustreiben. Nach dem Westfälischen Friedensschluss phantasiert er über Luzifer und seinen grausigen Hofstaat, der höchst ungehalten über das Ende des Krieges ist. Simplicissimus sagt seinem Einsiedlerleben Ade und reist nach Ägypten. Er erleidet jedoch Schiffbruch, sodass er sich unversehens mit einem Zimmermann und einer abessinischen Köchin auf einer einsamen Insel wieder findet. Die drei richten es sich gemütlich ein, auch wenn die Köchin böses Blut zwischen den Männern sät. Nachdem sie sich als Teufelsspuk entpuppt und verschwindet und der Zimmermann sich mit zu viel Palmwein selbst ins Grab befördert, lebt Simplicissimus mehrere Jahre als frommer Einsiedler auf dem Eiland. Hiervon berichtet der holländische Kapitän Joan Cornelissen von Harlem, der den Helden bei einer Stippvisite auf der Insel als Letzter zu Gesicht bekommt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Simplicissimus besteht aus fünf Büchern plus die Continuatio als sechstes Buch. Das Werk ist den spanischen Picaro- oder Schelmenromanen nachempfunden, in denen ein einfältiger Tropf in die Welt hinausreist und sich dank seiner Listigkeit und einer guten Portion Glück durchschlägt. Jedes Kapitel wird durch einen Einleitungssatz eröffnet, der den nachfolgenden Inhalt kurz zusammenfasst, kommentiert oder den Leser direkt anspricht (wie etwa beim Schlusskapitel des fünften Buches, wo es heißt: "Ist das allerletzte, und zeiget an, warum und welchergestalt Simplicius die Welt wieder verlassen"). Grimmelshausen lässt Simplicissimus selbst zum Leser sprechen: Dieser Ich-Erzähler mit seiner volkstümlichen Ausdrucksweise steigert die Authentizität der teilweise phantastischen Erlebnisse. Grimmelshausens Sprachstil ist für heutige Schnell-Leser nicht immer leicht zu folgen: Die Sätze sind fast durchgängig hypotaktisch (Haupt- und Nebensätze verschachtelt) und gehen mancherorts über eine halbe Seite. Die Sprache wirkt umständlich, verworren, altertümlich, aber sie ist zugleich überaus farbig, zupackend, aus dem Leben gegriffen. Grimmelshausen hat wie Luther "dem Volk aufs Maul geschaut" und verwendet die Volkssprache mit großer Kunstfertigkeit.

Interpretationsansätze

  • Der Name des Helden ist Programm: Simplicissimus bedeutet "überaus einfach/einfältig" - und genauso handelt der Protagonist. Er lässt sich alle möglichen Abenteuer verwickeln, ohne viel darüber nachzudenken, was er gerade tut. Erst in der Rückschau bewertet er sein Handeln aus einer christlichen Perspektive.
  • Auffällig ist der Widerspruch zwischen der angeblichen Einfalt des Ich-Erzählers und dem enzyklopädischen Aspekt des Werkes, in dem sich von der antiken bis zur zeitgenössischen Literatur eine fast unbegrenzte Anzahl von Anspielungen und Zitaten findet, welche von umfassender Belesenheit des Autors zeugen.
  • Der Roman hat eine Zirkelstruktur: Am Anfang lebt Simplicissimus bei einem Eremiten, und am Ende wird er selbst ein Einsiedler, der der Welt entsagt - getreu dem typischen Barockmotiv der "vanitas mundi", der Vergänglichkeit alles Irdischen. Zugleich wird aber dieses irdische Leben im Roman sehr breit und drastisch geschildert.
  • Simplicissimus lernt die Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges bei vielen Gelegenheiten kennen. Dass es sich hierbei um einen Glaubenskrieg handelt und dass es ausländischen Mächten um die Vorherrschaft in Deutschland geht, spart Grimmelshausen weitgehend aus. Ihm geht es darum zu zeigen, wie der Krieg das Leben der einfachen Menschen beeinträchtigt.
  • Ob der Simplicissimus ein Entwicklungsroman ist, darüber streiten sich die Gelehrten: Die einen sehen eine Entwicklung der Hauptfigur vom Einfaltspinsel über den Abenteurer zum frommen Einsiedler. Andererseits: Simplicius' Charakter verändert sich nicht wirklich, sondern zeigt durchgehend eine Mischung aus Naivität, Schlauheit, Abenteuerlust und Frömmigkeit.
  • Die Jupiter-Episode ist sehr aufschlussreich: Die Fabuliererei des Phantasten erscheint wie die Vision einer besseren Welt - mit einer geeinten Religion - in den Wirren des Glaubenskrieges. Grimmelshausen lässt diese Vision von einem Verrückten aussprechen, um jeder Strafe seiner in Glaubensdingen uneinigen Zeitgenossen zu entgehen.

Historischer Hintergrund

Der Dreißigjährige Krieg

Fast der gesamte Simplicissimus spielt vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), in den die meisten Staaten Westeuropas verwickelt waren, der jedoch hauptsächlich auf deutschem Boden ausgetragen wurde. Ursache für die Auseinandersetzungen waren Meinungsverschiedenheiten der unterschiedlichen Konfessionen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Gut zehn Jahre schwelte der Konflikt, bis schließlich 1618 mit dem "Prager Fenstersturz" das Fass zum Überlaufen gebracht wurde: Protestanten warfen am 23. Mai 1618 zwei königliche Beamte aus dem Fenster des Hradschin (Prager Burg). Der Krieg zwischen den protestantischen Ständen in Böhmen und dem katholischen Hause Habsburg war eröffnet. Nach und nach breitete sich die Auseinandersetzung auf andere europäische Staaten aus: Dänemark und Schweden kamen zwar den Protestanten zu Hilfe, verfolgten aber auch eigene Ziele im Ostseeraum bzw. in Norddeutschland.

Leidtragender des Krieges war vor allem das Volk: Die zersplitterten Heeresgruppen, die durch die Lande zogen, ließen sich von den Bauern ernähren, schreckten aber auch vor Plünderungen, Vergewaltigungen und anderen Verbrechen nicht zurück. Mit größter Rücksichtslosigkeit wurden ganze Dörfer und Felder, die dem Feind nützen könnten, verbrannt. Seuchen und Hungersnöte breiteten sich aus: Die Pest raffte mancherorts über zwei Drittel der Bevölkerung dahin. Erst der Westfälische Friede vom 24. Oktober 1648 setzte den Gräueltaten ein Ende. Fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung wurde durch den Krieg ausgelöscht.

Vor diesem Hintergrund entstand die Literatur des Barockzeitalters, dessen wichtigster Roman in Deutschland Grimmelshausens Simplicissimus ist: Das Auf und Ab von Lebenslust ("carpe diem" = Nutze den Tag) und Todesangst ("memento mori" = Gedenke des Todes) führte zum zentralen Motiv der Barockdichter: der Vergänglichkeit der Welt ("vanitas mundi").

Entstehung

Über die Entstehung des Simplicissimus ist herzlich wenig bekannt - wohl aber über die Traditionen, auf die sich Grimmelshausen bezieht. Hier ist zum einen der französische roman comique (komischer Roman) zu nennen. Zum anderen steht das Werk in der Tradition des spanischen Picaro-Romans, der sich im 16. Jahrhundert als Gegenmodell zum Ritterroman herausgebildet hatte. Die wichtigsten spanischen Picaro-Romane lagen im frühen 17. Jahrhundert in deutscher Übersetzung vor und waren entsprechend bekannt.

Es hat sehr viel detektivischen Spürsinn verlangt, Grimmelshausen überhaupt als Autor des Simplicissimus zu enttarnen. Viele Barockdichter machten sich nämlich einen Spaß daraus, ihren wahren Namen zu verschleiern. Die Dichter von damals empfanden ihr Werk nicht als die Arbeit eines Genies, sondern eher als diejenige eines Handwerkers. Grimmelshausen muss es ebenso gesehen haben: Er war von Beruf ein Verwalter und Wirt, der nebenbei auch Bücher schrieb und dem nicht viel daran gelegen war, seinen echten Namen mitzuteilen. Dem Schriftsteller und Literaturhistoriker Hermann Kurz ist die Enttarnung des Autors zu verdanken: 1835 erkannte Kurz, dass sich Grimmelshausen mittels Anagrammen (Buchstabenvertauschungen) seines eigenen Namens mehrere Pseudonyme zugelegt hatte: Eines davon war der angebliche Autor des Simplicissimus.

Wirkungsgeschichte

Der Simplicissimus erschien 1668 in Nürnberg und wurde sofort zu einem regelrechten Bestseller. Schnell verbreiteten sich Raubdrucke der vergriffenen ersten Ausgabe. Bereits 1669 brachte Grimmelshausen eine neue Auflage heraus, die er mit einem zusätzlichen, sechsten Buch versah: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi oder der Schluß desselben. Grimmelshausen begründete ein eigenes Genre, indem er weitere, so genannte "simplicianische Schriften" veröffentlichte, deren Helden zumeist Nebenfiguren des Original-Simplicissimus waren. Plagiatoren und Nachahmer versuchten sich an Simpliciaden, was über den großen Erfolg der Bücher Auskunft gibt.

Auch in den folgenden Jahrhunderten fand der Simplicissimus eine begierige Aufnahme. Besonders die Romantiker erwärmten sich für die Abenteuer des einfältigen Draufgängers. Joseph Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts (1826) und Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder (1941) können als legitime Erben der simplicianischen Abenteuer betrachtet werden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die bekannte Satirezeitschrift Simplicissimus nach Grimmelshausens Roman benannt. Thomas Mann bezeichnete das Buch als "Erzählwerk von unwillkürlicher Großartigkeit, bunt, wild, roh, amüsant, verliebt und verlumpt, kochend vor Leben, mit Tod und Teufel auf Du und Du, zerknirscht am Ende und gründlich müde einer Blut, Raub, Wollust sich vergeudenden Welt, aber unsterblich in der elenden Pracht seiner Sünden."

Über den Autor

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen wird etwa um 1622 im hessischen Gelnhausen geboren. Seine protestantischen Eltern sterben sehr früh, sodass er bei seinem Großvater aufwächst. Vermutlich besucht Grimmelshausen einige Jahre die Gelnhausener Lateinschule, bevor die Stadt 1634 - mitten im Dreißigjährigen Krieg - von kaiserlichen Truppen geplündert und zerstört wird. Grimmelshausen wird von hessischen Soldaten aufgegriffen und zwangsrekrutiert: Mit erst 13 Jahren findet er sich in der kaiserlichen Armee (bei den Dragonern) wieder und wird zwischen 1636 und 1638 als Mitglied der schwedischen Armee in Westfalen stationiert. Danach arbeitet er zehn Jahre als Regimentsschreiber des Freiherrn von Schauenburg in Offenburg und anschließend als Regimentssekretär. Noch vor Kriegsende wechselt Grimmelshausen seine Konfession und wird katholisch. Am 30. August 1649 heiratet er die katholische Catherina Henninger. Bei seinem ehemaligen Kommandanten in Gaisbach im Renchtal wird Grimmelshausen zum Schaffner ernannt: In dieser Position verwaltet er die Schauenburger Güter, wird Wirtschafts- und Rechnungsführer. Von 1662 bis 1665 nimmt er eine ähnliche Position beim Straßburger Arzt Dr. Küffer auf Schloss Ullenburg bei Gaisbach an. Die beiden folgenden Jahre verdingt er sich als Gastwirt im "Silbernen Stern". Ab 1667 - inzwischen hat er zehn Kinder - bekleidet er die Stelle des Schultheißen im badischen Renchen. Hier arbeitet er am überwiegenden Teil seiner Veröffentlichungen. Am 17. August 1676 stirbt Grimmelshausen.

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    V. Y. vor 6 Jahren
    Wirklich toll! Danke~
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    A. vor 6 Jahren
    T.H. war hier
    • Avatar
      vor 6 Jahren
      T.H.

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