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Der Aufstand der Massen
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Der Aufstand der Massen

Madrid, 1929
Diese Ausgabe: DVA, 2012 Mehr

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Literatur­klassiker

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  • Moderne

Worum es geht

Unbehagen am Massenmenschen

José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen ruft bis heute unterschiedliche Reaktionen hervor. Den einen gilt der Spanier als feinsinniger Philosoph, der in seiner 1929 erschienenen Schrift das Aufkommen totalitärer Regimes prophezeite. Die anderen ordnen ihn der rechten Kulturkritik in die Tradition Oswald Spenglers zu. Ein Antidemokrat aber war Ortega nicht, eher ein enttäuschter Idealist. Verbittert registrierte er den Niedergang der liberalen Demokratie in seiner Zeit: Das im 19. Jahrhundert verkündete Ideal von Freiheit und Gleichheit sei im 20. Jahrhundert zu einer reinen Selbstverständlichkeit geworden. Ob Wahlrecht oder Autos, ob technischer oder medizinischer Fortschritt: Alle Errungenschaften der Zivilisation nehme der moderne Mensch wie ein verwöhntes Kind hin, ohne sich für ihre Grundlagen oder Fortentwicklung zu interessieren – eine Kritik, die bis heute aktuell geblieben ist. In immer neuen Bildern und teilweise drastischen Formulierungen prangert Ortega Oberflächlichkeit, Konformismus und die Missachtung Andersdenkender an. Mitunter allerdings rückt seine scharfsinnige Zeitdiagnose in die Nähe von Stammtischparolen: Masse – das sind eben immer bloß die anderen.

Zusammenfassung

Masse ist nicht gleich Menge

Unsere Städte und Züge, Hotels und Gaststätten, Theater und Kinos sind mit Menschen überfüllt. Dabei hat es seit Jahren keinen Bevölkerungszuwachs gegeben. Die vielen Individuen existierten auch schon vorher, aber sie lebten unbemerkt als Einzelne oder in kleinen Gruppen. Dass sie als Masse auftreten und die besten Plätze der Gesellschaft einnehmen, ist neu. Masse ist also nicht unbedingt ein zahlenmäßiges Phänomen: Selbst ein Einzelner kann Masse sein, wenn er sich mit Durchschnitt und Mittelmaß identifiziert und keinen Drang verspürt, etwas Besonderes zu leisten.

Während die Masse sich früher im Hintergrund hielt und die Vorherrschaft derjenigen anerkannte, die aufgrund ihrer Fähigkeiten zur Regierung und Wahrnehmung öffentlicher Funktionen bestimmt waren, drängt sie nun in den Vordergrund der Gesellschaft. Sie besetzt Orte, benutzt Gegenstände und genießt Vergnügungen, die einst der Elite vorbehalten waren. Sie verweigert der Elite ihre Gefolgschaft und ihren Respekt. Sie drängt der Gesellschaft ihren Geschmack und ihre Wünsche auf und will ihre Stammtischweisheiten zum Gesetz machen. Dabei ist sie sich durchaus ihrer Gewöhnlichkeit ...

Über den Autor

José Ortega y Gasset wird am 9. Mai 1883 in Madrid als Sohn eines Journalisten und als Enkel eines Zeitungsverlegers geboren. Er besucht ein Jesuitengymnasium in Málaga und studiert anschließend Philosophie in Bilbao und Madrid. Nach seiner Promotion 1905 zieht er nach Deutschland, wo er in Berlin, Leipzig und Marburg studiert und mit dem Neukantianismus in Berührung kommt. Zurück in Spanien heiratet er 1910 Rosa Spottorno, mit der er drei Kinder haben wird. Im selben Jahr erhält er einen Lehrstuhl für Metaphysik an der Universität Madrid, der schon bald zu einem intellektuellen Zentrum des Landes avanciert. Durch sein Buch Meditaciones del Quijote (1914) wird Ortega auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zugleich engagiert er sich politisch und ist journalistisch tätig. Er schreibt für die Zeitung El Sol und gründet zwei Zeitschriften, España und Revista de Occidente. Letztere verbreitet Übersetzungen der Werke von Gegenwartsphilosophen. Aufgrund politischer Differenzen mit General Miguel Primo de Rivera, der 1923 eine Militärdiktatur in Spanien errichtet, gibt Ortega seine Lehrtätigkeit an der Universität auf, führt seine Vorlesungen aber in Theatern der Stadt weiter. 1929 schreibt er sein bekanntestes Werk, La rebelión de las masas (Der Aufstand der Massen). 1931 wird er in die verfassunggebende Versammlung der neu gegründeten Zweiten Spanischen Republik gewählt, doch schon zwei Jahre darauf zieht er sich resigniert aus der Politik zurück. Mit Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 verlässt er freiwillig das Land und verbringt die nächsten Jahre in Holland, Frankreich und Argentinien. Erst 1943 kehrt er aus dem Exil zunächst nach Portugal, 1945 dann in seine spanische Heimat zurück. Das repressive Klima unter dem Franco-Regime, das ihm nur erlaubt, sich mit „kulturellen“ Dingen zu beschäftigen, bereitet ihm Schwierigkeiten und er bringt nur noch wenig zu Papier. José Ortega y Gasset stirbt am 18. Oktober 1955 in Madrid.


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