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Worum es geht
Am Anfang war das Wort – und nun ist es am Ende
Ein frühes Dichtergenie schwört dem Schreiben ab, weil ihm die Worte plötzlich suspekt geworden sind. Die Situation, die der 28-jährige Hugo von Hofmannsthal in seinem fiktiven Brief eines englischen Lords an den Philosophen und Naturwissenschaftler Francis Bacon geschaffen hat, verweist auf seine eigene Lage und weicht doch deutlich von ihr ab: Auch Hofmannsthal galt als Wunderkind, auch er ist ein Aristokrat, auch er durchläuft eine sprachskeptische Phase. Und doch ist seine eigene Dichterexistenz nicht infrage gestellt, geht kein zweijähriges literarisches Schweigen dem Text voraus. Hofmannsthal spielt an Lord Chandos radikal durch, was ihm selbst Unbehagen bereitet. Die auf das Jahr 1603 datierte historisch-fiktive Maskerade von 1902 befindet sich zwischen den Zeiten und Gattungen, sie ist ein sprachkritischer, poetologischer Essay in Briefform, ein künstlerisches Manifest, eine zentrale Schrift nicht nur in Hofmannsthals Werk, berühmt geworden als Schlüsseltext der Moderne. Hofmannsthal macht die Sprachkrise durch brillant gesetzte Worte höchst anschaulich; man begreift das Leid des Lords ebenso wie die plötzlichen Offenbarungen, die ihm zuteilwerden und die eine neue Dichtkunst aufscheinen lassen.
Zusammenfassung
Über den Autor
Hugo von Hofmannsthal wird am 1. Februar 1874 als einziges Kind einer Wiener Bankiersfamilie geboren. Der hochbegabte Gymnasiast veröffentlicht mit 16 Jahren seine ersten Gedichte, die wegen seines Alters unter dem Pseudonym Loris erscheinen. Er lernt die großen Namen des literarischen Wien kennen und macht sich in diesen Kreisen als Wunderkind einen Namen. Auf Druck seines Vaters studiert er zunächst Jura, unterbricht sein Studium aber nach zwei Jahren, um freiwillig seinen einjährigen Militärdienst zu leisten. Nach seiner Rückkehr an die Universität wechselt er zum Romanistikstudium, das er 1898 mit einer Dissertation abschließt. Sein Zweifel am Ausdrucksvermögen der Sprache stürzt den Dichter in eine tiefe innere Krise. Die Freundschaft zu dem damals berühmten Lyriker Stefan George zerbricht an unterschiedlichen Auffassungen über den Sinn und Zweck der Kunst, vielleicht auch an Avancen, die George Hofmannsthal macht. Nach zahlreichen Reisen entscheidet er sich gegen die bürgerliche Laufbahn als Professor der Philologie und beschließt, freier Schriftsteller zu werden. 1901 heiratet er die Bankierstochter Gertrud Schlesinger und zieht sich in ein Barockschlösschen in Rodaun bei Wien zurück. In den folgenden fünf Jahren werden seine drei Kinder geboren. Inspiriert von den Freundschaften mit dem Komponisten Richard Strauss und dem Regisseur Max Reinhardt wendet sich Hofmannsthal verstärkt der Oper und dem Theater zu. Er schreibt unter anderem die Libretti für die Strauss-Opern Elektra (1908) und Der Rosenkavalier (1911) und beteiligt sich ab 1917 an der Gründung der Salzburger Festspiele. Während des Ersten Weltkriegs arbeitet er für das Kriegsfürsorgeamt, verfasst patriotische Propaganda und reist als Kulturbotschafter der Donaumonarchie ins Ausland. Die Niederlage Österreich-Ungarns ist für den konservativen Monarchisten ein schwerer Schlag. Er schreibt weitere Dramen, darunter sein Spätwerk Der Turm (1928). Am 13. Juli 1929 nimmt sich sein Sohn Franz das Leben. Zwei Tage später stirbt Hugo von Hofmannsthal 55-jährig auf dem Weg zu dessen Beerdigung an einem Schlaganfall.
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