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Der Geizige

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Der Geizige

Komödie in fünf Aufzügen

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Molières tiefsinnige Charakterkomödie – komisch und düster zugleich.


Literatur­klassiker

  • Komödie
  • Französische Klassik

Worum es geht

Geiz – ein bürgerliches Laster

In unserer konsumfreudigen Zeit ist Geiz wieder in Mode gekommen. Der Werbeslogan „Geiz ist geil“ wurde zum geflügelten Wort, und was lange Zeit als unziemlich galt, erscheint wieder salonfähig: Aus dem alten Laster ist eine Tugend geworden. Als Molière Ende des 17. Jahrhunderts im Frankreich Ludwigs XIV. seine Komödie Der Geizige schrieb, war das Rechnerische und Kleinkrämerische zumindest in den oberen Schichten noch verpönt. Das überwiegend höfische Publikum erfreute sich daran, dass das Stück bürgerliche Habgier verspottet und dass am Ende über alle pekuniären Erwägungen hinweg die Liebe den Sieg davonträgt. Doch bei aller Komik hat Molières Charakterstück auch etwas Bitteres, und dem Zuschauer bleibt das Lachen mitunter im Hals stecken. „Molière züchtigte die Menschen, indem er sie in ihrer Wahrheit zeichnete“, sagte Goethe, ein großer Bewunderer des Franzosen. Eine Wahrheit, die auch so manchem modernen Schnäppchenjäger zu denken geben könnte.

Take-aways

  • Die Komödie Der Geizige zählt zu den meistgespielten Stücken Molières.
  • Inhalt: Sowohl Élise als auch ihr Bruder Cléante möchten heiraten, doch dem steht der Geiz ihres Vaters Harpagon im Weg: Für den habgierigen Familientyrannen ist die Ehe ein Finanzgeschäft. Doch mit viel List gelingt es beiden Geschwistern, trotzdem ihre Liebesheiraten zu verwirklichen – sehr zum Ärger Harpagons, der als einsamer, verbitterter Außenseiter endet.
  • Der Geizige steht deutlich unter dem Einfluss der Commedia dell’Arte, der italienischen Stegreifkomödie.
  • Das Stück lebt von seinen burlesken Szenen und seinem Wortwitz.
  • Zugleich ist es eine tiefsinnige Charakterkomödie, in der sich alles um den schlechten Wesenszug der Hauptfigur dreht.
  • Bei aller Komik verleiht der krankhafte Geiz Harpagons dem Stück etwas Unheimliches und Düsteres.
  • Bei Harpagon sind die üblichen Bedeutungen von Geld und Liebe vertauscht: Geld ist für ihn etwas Erotisches, während er das Heiraten allein unter finanziellen Gesichtspunkten betrachtet.
  • Molière verspottete sehr zur Freude seines höfischen Publikums die bürgerliche Habgier.
  • Trotz seiner Kritik an der Geldheirat stellte er die soziale Ordnung unter Ludwig XIV. nicht infrage.
  • Zitat: „Kurzum, er liebt das Geld mehr als Ansehen, Ehre und sittliches Verhalten, und der Anblick eines Bittstellers verursacht ihm Krämpfe.“

Zusammenfassung

Der Familientyrann

Élise, die Tochter des Harpagon, ist hin- und hergerissen. Nachdem Valère sie vor dem Ertrinken gerettet hat, ist sie in Liebe zu ihm entbrannt, und nun schwebt sie im siebten Himmel. Doch schon bald melden sich erste Bedenken: Wird Valères Liebe – wie bei Männern so üblich – schon bald wieder erkalten, wenn er sie erst einmal erobert hat? Und was wird ihre Familie zu der heimlichen Verbindung sagen? Élises Zweifel hinsichtlich seiner Liebe kann Valère schnell zerstreuen. Ihre Furcht vor der Reaktion des tyrannischen Vaters indes teilt er. Um bei der Geliebten zu sein, hat er sein Elternhaus verlassen und sich unter falscher Identität in Harpagons Dienst geschlichen. Geschickt hat er sich beim alten Starrkopf eingeschmeichelt, indem er ihm immer nur nach dem Mund redete. Nun wartet er sehnlichst auf eine Nachricht seiner Eltern, von denen er sich Hilfe erhofft. Élise hat er gebeten, ihren Bruder Cléante ins Vertrauen ziehen.

„In ihren Worten sind sich alle Männer gleich, ihre Taten aber zeigen, wie verschieden sie sind.“ (Élise zu Valère, S. 5)

Cléante indes hat kein offenes Ohr für die Klagen der Schwester. Er hat sich selbst leidenschaftlich verliebt: in Mariane, eine junge Frau aus bescheidenen Verhältnissen. Vernünftige Argumente, die gegen eine Verbindung sprechen, will er ebenso wenig gelten lassen wie das Vorrecht seines Vaters, eine Frau für ihn auszusuchen. Cléantes Entschluss steht fest: Er wird um Marianes Hand anhalten und seine mittellose Braut auch in finanzieller Hinsicht unterstützen. Doch der Vater, der seine Kinder nach dem Tod der Mutter in einfachsten Verhältnissen aufzog und ihnen keinerlei Freude, keinen eigenen Besitz und keine schöne Kleidung gönnt, steht ihm mit seinem Geiz im Weg. Falls Harpagon sich seinen Heiratsplänen widersetzen sollte, will Cléante mit seiner Angebeteten fortziehen und woanders sein Glück zu suchen.

Geld regiert die Welt

Gegenüber seinen Kindern bestreitet Harpagon, überhaupt Vermögen zu besitzen. Die Angst, sie könnten von den 10 000 Goldtalern erfahren, die er erst kürzlich heimlich im Garten vergraben hat, versetzt ihn in helle Aufregung: Man wird Forderungen an ihn stellen, irgendwelche extravaganten Wünsche anmelden, ihn womöglich sogar bestehlen! Und überhaupt: Woher hat der Sohn eigentlich die Mittel, sich so elegant zu kleiden? Als seine beiden Kinder auch noch damit beginnen, vom Heiraten zu sprechen, stellt der Vater sie vor vollendete Tatsachen: Cléante soll eine vermögende Witwe zur Frau nehmen und Élise einen gewissen Anselme ehelichen, der zwar schon recht betagt sei, aber immerhin einer alten Adelsfamilie angehöre. Er selbst, kündigt Harpagon an, werde dagegen ein Mädchen namens Mariane heiraten, deren Fleiß und Tugendhaftigkeit ihre Armut aufwögen.

„(...) ich erkenne, dass es, will man die Menschen für sich einnehmen, keinen besseren Weg gibt, als sich vor ihnen mit ihren Neigungen zu zeigen, ihre Grundsätze zu loben, ihre Fehler zu verherrlichen und allem, was sie tun, Beifall zu zollen.“ (Valère, S. 7)

Als Élise sich den Heiratsplänen des Vaters verweigert, wird Valère um seine Meinung gebeten. Dessen vorsichtiger Einwand, dass eine Ehe gut bedacht sein sollte und dass Gefühle doch auch eine Rolle spielen würden, fegt der Alte mit einem einzigen Argument beiseite: Herr Anselme verzichtet auf eine Mitgift. Das überzeugt offenbar auch Valère. Als die empörte Élise ihren heimlichen Geliebten leise bittet, sich eindeutiger gegen die geplante Zwangsehe auszusprechen, vertröstet er sie: Er würde alles verderben, wenn er sich den Überzeugungen ihres störrischen Vaters offen entgegenstellte. Wenn sie hingegen zum Schein auf seinen Wunsch eingingen, würden sie mehr erreichen.

„Ist denn die Liebe für Menschen seines Schlages geschaffen?“ (La Flèche über Harpagon, S. 25)

Cléante sieht sich in seiner Geldnot gezwungen, mithilfe seines Dieners La Flèche zu unwürdigen Konditionen einen Kredit aufzunehmen. Die Sache soll vollkommen anonym vonstattengehen – Schuldner und Kreditgeber erfahren nicht einmal den Namen des jeweils anderen. Die Überraschung ist groß, als dann doch herauskommt, dass Harpagon selbst sich ganz gegen die guten Sitten zu solch schändlichen Geldgeschäften hat hinreißen lassen. Er wollte heimlich zu Wucherzinsen Geld verleihen und so seinen Reichtum mehren. Geld ist in seinen Augen nun einmal mehr wert als Ansehen, Ehre und Sittlichkeit. Zugleich spart er im Alltag wie auch bei den Vorbereitungen für seine Hochzeitsfeier an allem: am Essen und am Wein, an Salz und Kerzen, an Holz und selbst am Futter für die Pferde.

Umgeben von Schmeichlern

Selbst aus der Verbindung mit Mariane möchte Harpagon noch finanzielle Vorteile ziehen. Auf ein gutes Honorar für ihre Dienstleistung hoffend, legt ihm die Heiratsvermittlerin Frosine geschickt dar, dass eine Ehe mit dem armen Mädchen durchaus einen finanziellen Vorteil habe: Mariane sei bescheiden und an einfache Kost gewöhnt. Zudem sei sie lieber mit alten Greisen als mit jungen Männern zusammen, beruhigt die kluge Kupplerin den betagten Bewerber. Konkurrenz durch Jüngere brauche er nicht zu fürchten, denn im Gegensatz zu den modischen jungen Gecken sei er eine Persönlichkeit, ein richtiger Mann. Wie alle anderen Untergebenen und Dienstboten schmeichelt Frosine Harpagon, zerreißt sich aber hinter seinem Rücken das Maul über den alten Geizhals. Nur der Koch und Kutscher Meister Jacques wagt es, Harpagon einmal die Wahrheit ins Gesicht zu sagen: Die Leute würden schon über ihn lachen, ihn verspotten und sich lustige Anekdoten über seinen Geiz erzählen. Das einzige, was Jacques für seine Ehrlichkeit bekommt, ist eine Tracht Prügel.

Geld oder Liebe?

Bei der ersten Begegnung mit ihrem künftigen Gatten ist Mariane entsetzt darüber, was für ein widerlicher Kerl Harpagon ist, doch Frosine versucht, ihn ihr schönzureden: Er sei alt und werde ohnehin bald sterben. Dann könne sie als reiche Witwe mit einem jungen Geliebten ein neues Leben beginnen. Doch diese Argumente prallen an Mariane ab. Der alte Mann widert sie an. Gerade als sie Harpagons zudringliche Sprüche nicht mehr ertragen kann, taucht sein Sohn auf, um der künftigen Stiefmutter vorgestellt zu werden. Mariane kann es kaum fassen: Es ist Cléante, jener junge Mann, den sie schon seit Längerem liebt und eigentlich heiraten wollte. Zum Entsetzen des Vaters benimmt sich Cléante zwar höflich, tut aber bestimmt seine Abneigung kund, Mariane als künftige Stiefmutter zu betrachten. Allerdings, so räumt er ein, habe er noch nie etwas Entzückenderes als dieses Mädchen gesehen. Dann nötigt er den Vater auch noch, seiner Auserwählten als Zeichen seiner Liebe einen kostbaren Ring zu schenken, und bringt den alten Geizkragen damit in eine äußerst peinliche Lage. Nach einigem Zögern nimmt Mariane das Geschenk an, will es aber später zurückgeben.

„Da kann man sehen, wozu die jungen Leute durch den verfluchten Geiz der Väter gebracht werden; und dann wundert man sich noch, dass die Söhne ihnen den Tod wünschen.“ (Cléante, S. 29)

Allein mit Élise und Cléante gesteht Mariane ihre Angst und Hilflosigkeit. Was soll sie tun? Nicht nur die gesellschaftlichen Konventionen und die moralischen Erwartungen an Frauen, sich unterzuordnen, zwingen sie in die Knie. Auch ihrer Mutter gegenüber, die sie in Liebe und Fürsorge aufzog, fühlt sich Mariane zur Hochzeit mit Harpagon verpflichtet. Doch die Geschwister erklären sich bereit, ihr beizustehen und die Mutter zu überzeugen. Bleibt nur noch Harpagon: Wenn er von der Liebe zwischen Mariane und Cléante erfährt, wird er vor Zorn toben. Wie lässt sich die Sache so einfädeln, dass er seine Heiratspläne aus freien Stücken aufgibt?

Vielerlei Intrigen

Mithilfe der listigen Frosine, die sich von der aufrechten Zuneigung zwischen den jungen Leuten gerührt zeigt, hecken die Geschwister und Mariane einen Plan aus. Da Geld für Harpagon so wichtig ist, wird er eine reiche Heiratskandidatin der armen Mariane selbst dann vorziehen, wenn sie schon älter sein sollte. Eine Dame aus dem Adelsstand muss her, die vorgibt, sich in den alten Geizkragen zu verlieben – mit einem wohlklingenden Namen, Schlössern in der Bretagne und einem Vermögen von 100 000 Talern. Frosine fällt auch schon gleich eine ihrer Freundinnen ein, die diese Rolle ideal besetzen könnte.

„Kurzum, er liebt das Geld mehr als Ansehen, Ehre und sittliches Verhalten, und der Anblick eines Bittstellers verursacht ihm Krämpfe.“ (La Flèche über Harpagon, S. 33)

Harpagon, der kurzfristig zu dringenden geschäftlichen Angelegenheiten gerufen wurde, kehrt zurück und sieht gerade noch, wie Cléante Mariane die Hand küsst. Ihm kommt ein schlimmer Verdacht: Ist es möglich, dass sein Sohn tiefere Gefühle für die künftige Stiefmutter hegt, als er zugibt? Er stellt Cléante auf die Probe und fragt ihn, wie ihm Mariane gefalle. Als der Sohn sich – natürlich nur zum Schein – eher reserviert über die äußeren und inneren Werte der Braut seines Vaters zeigt, äußert Harpagon sein Bedauern. Da er selbst zu alt für das junge Mädchen sei, habe er gehofft, der Sohn könne an seiner Stelle eine Ehe mit ihr eingehen. Aber da dieser offenbar keinen Gefallen an ihr finde, sei der Plan hinfällig. Gegenseitige Zuneigung, so der Alte listig, sei nun einmal das Fundament für eine glückliche Ehe. Auf diese Weise unter Druck gesetzt, gesteht Cléante endlich seine Liebe zu Mariane und seine eigenen Heiratsabsichten. Nachdem der Vater ihm so das Geheimnis entlockt hat, gibt er seine List preis und bekräftigt: Er selbst werde Mariane heiraten, und der Sohn werde wie beschlossen die reiche Witwe ehelichen. Cléante verweigert dem Vater nun offen den Gehorsam und lässt sich auch von der angedrohten Tracht Prügel nicht beeindrucken: Mariane gehöre ihm, schließlich sei er zuerst da gewesen.

„Ihr seid jedermanns Gespött und Gelächter, und immer spricht man von Euch nur als von dem Geizhals, dem Halsabschneider, dem Halunken und Wucherer.“ (Meister Jacques zu Harpagon, S. 47)

Der hinzugetretene Meister Jacques, von seinem Herrn zum Richter in dieser Angelegenheit berufen, versucht zu vermitteln. Er unterhält sich nacheinander mit den Streitenden, geht dann von einem zum anderen und verfälscht jeweils die Aussagen – bis man sich schließlich einig glaubt. Jeder entschuldigt sich beim anderen für das unziemliche Verhalten. Doch kaum ist Meister Jacques gegangen, fliegt der ganze Schwindel auf. Vater und Sohn sind endgültig entzweit.

Missverständnisse über Missverständnisse

Harpagon ist außer sich und zutiefst erschüttert: Die Geldkassette, die er in seinem Garten vergraben hatte, ist gestohlen worden. Man hat ihm das Einzige genommen, für das es sich seiner Meinung nach zu leben lohnt: sein Geld. Jeder im Haus könnte der Dieb sein: die Dienstboten, die Kinder, ja sogar er selbst. Verzweifelt ruft der Bestohlene nach der Polizei, nach Justiz, Folter und dem Henker. Und eins steht fest: Sollte er sein Geld nicht zurückerhalten, so will er sich erhängen.

„Hier handelt es sich nicht um Dinge, in denen die Kinder verpflichtet wären, hinter den Vätern zurückzustehen; die Liebe kennt keinen Unterschied der Person.“ (Cléante zu Harpagon, S. 64 f.)

Der von der Polizei ins Verhör genommene Meister Jacques nutzt die Gelegenheit, um sich an Valère zu rächen. Seit dieser als Verwalter in Harpagons Dienst getreten ist, fühlt sich der alte Kutscher zurückgesetzt und übergangen. Trotz widersprüchlicher Aussagen stoßen Meister Jacques’ Anschuldigungen bei Harpagon auf offene Ohren. Als man Valère mit unbestimmten Vorwürfen konfrontiert, gibt er sein Fehlverhalten ohne Umstände zu. Allerdings glaubt Valère, man beschuldige ihn, sich bei Harpagon eingeschmeichelt und sich in sein Haus eingeschlichen zu haben, um die Tochter für sich zu gewinnen. Er habe keineswegs aus Geldgier, sondern aus purer Liebe gehandelt, gesteht er seinem erzürnten Herrn. Als er erklärt, die Tochter wolle ihn heiraten, ist das Missverständnis komplett: Nun wird Valère nicht mehr nur des Diebstahls, sondern außerdem der Verführung bezichtigt.

Die Liebe siegt

Unter dem Druck der Anklage sieht Valère sich gezwungen, endlich seine wahre Identität preiszugeben: Er erzählt, dass er von einer illustren Adelsfamilie aus Neapel abstammt. Bei einem Schiffbruch kamen seine Angehörigen ums Leben. Er überlebte als Einziger. Ein spanischer Kapitän nahm sich seiner an und zog ihn wie einen eigenen Sohn auf. Erst vor Kurzem erfuhr er, dass sein Vater doch nicht gestorben ist, und machte sich auf die Suche nach ihm. Dabei lernte er die schöne Élise kennen, rettete ihr das Leben und verliebte sich in sie.

„Ach! mein armes Geld, mein armes Geld, mein teurer Freund!“ (Harpagon, S. 70)

Nun wird Mariane hellhörig: Sie begreift, dass Valère ihr Bruder ist, denn bei ebenjenem Schiffbruch wurde auch sie, gemeinsam mit der Mutter, gerettet – allerdings von Seeräubern, die sie zehn Jahre lang als Sklaven hielten, bis sie mit Glück die Freiheit wiedererlangten. Sie gingen zurück nach Italien und versuchten vergeblich, etwas über den Vater herauszufinden. Wegen Erbschaftsstreitigkeiten mit ihren Verwandten zogen sie nach Frankreich und führten dort ein Leben in Armut. Die Verblüffung ist groß, als der ebenfalls eingetroffene Herr Anselme die Wahrheit ans Licht bringt: Er ist der Vater von Mariane und Valère. Harpagon indes zeigt sich ungerührt von der spektakulären Familienzusammenführung – er will sein Geld zurück.

„Ich werde die Justiz herbeiholen und meinen gesamten Haushalt hochnotpeinlich befragen lassen. Dienerinnen, Diener, Sohn, Tochter und mich selbst auch.“ (Harpagon, S. 70 f.)

Cléante, der mithilfe seines treuen Dieners La Flèche die Geldkassette aus dem Versteck im Garten entwendet hat, stellt seinen Vater vor die Wahl: Entweder er erlaube dem Sohn, Mariane zu heiraten, oder er werde sein Geld nie wiedersehen. Harpagon gibt schließlich nach: Soll doch Cléante seine Mariane heiraten und Élise ihren Valère! Er will ihren Wünschen nicht mehr im Weg stehen – solange er nicht für die Hochzeitskosten aufkommen muss.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Geizige ist eine Komödie in fünf Akten. Molière verfasste das Stück in Prosa, was für seine Zeit eher ungewöhnlich war. Auffallend ist die raffinierte Komposition des Dramas, in dem alle Personen auf die Hauptfigur Harpagon ausgerichtet sind. Der Text verzichtet weitgehend auf Regieanweisungen, da die Schauspieler zu Molières Zeit vielfach den Konventionen des Komödienspiels folgten. Wie in der italienischen Commedia dell’Arte spielen auch hier Gestik, Mimik und Pantomime eine bedeutende Rolle. In Der Geizige wechseln sich ernstere Auftritte mit eher burlesken Prügel-, Verkleidungs- und Verwechslungsszenen ab, die von ihrem Wortwitz leben. Die Komik beruht oftmals auf Verwechslungen und Doppeldeutigkeiten, die in der Sprache angelegt sind. Wenn etwa Harpagon von seinem „Schatz“ spricht, der ihm geraubt wurde, meint er die Geldkassette. Valère hingegen denkt dabei an Mariane, was zu komischen Missverständnissen führt. Ebenso deutet manches in den bewusst doppeldeutigen Dialogen zwischen Élise und Valère darauf hin, dass sie die Ehe nicht nur sich gegenseitig versprochen, sondern auch schon vollzogen haben.

Interpretationsansätze

  • Die üblichen Bedeutungen von Geld und Liebe sind bei Harpagon vertauscht: Geld besitzt für ihn, der seine Geldkassette küsst und sie als seinen Schatz bezeichnet, eine emotionale, geradezu erotische Qualität. Zugleich betrachtet er die Beziehung zu seiner zukünftigen Braut allein unter dem finanziellen Aspekt.
  • So scharf Molières Kritik an materialistischen Werten und an der Geldheirat ausfällt, war er in gesellschaftspolitischen Fragen doch ein Konservativer und zweifelte die soziale Hierarchie nicht an. Damit Élise und Cléante ihre Wunschpartner heiraten können, müssen diese sich zuerst als standesgemäße Partie entpuppen.
  • Wie viele andere Stücke Molières steht auch Der Geizige unter dem Einfluss der Commedia dell’Arte, des italienischen Stegreiftheaters. Deutlich erkennbar ist das etwa an den Dienerfiguren, die – wie ihre italienischen Vorbilder Pulcinella oder Arlecchino – einen bestimmten Typ repräsentieren und mit ihren Intrigen die unerfahrenen jugendlichen Liebenden zusammenbringen.
  • Zugleich sind Molières Figuren komplexer und haben mehr psychologische Tiefe als die Typen des italienischen Stegreiftheaters. Im Vordergrund der Charakterkomödie Der Geizige steht Harpagons charakterliche Schwäche, eben sein Geiz.
  • Harpagon, der Geizige, ist eigentlich eine durch und durch hassens- und verachtenswerte Gestalt. Damit er dennoch als Hauptfigur einer Komödie taugt, verlieh ihm Molière auch eine Reihe komischer Aspekte, etwa seine ständige Angst, bestohlen zu werden, oder seine grotesken Sparmaßnahmen. Am Ende wird Harpagon von seiner Habgier nicht geheilt, sondern sozusagen nur unschädlich gemacht. Er bleibt ein sozialer Außenseiter. Das verleiht dem Stück bei aller Komik auch eine düstere Note.
  • Wie Michel de Montaigne, dessen Essais in Molières Bibliothek standen, vertrat dieser eine Philosophie des gesunden Menschenverstands. Danach gilt es, alles Extreme – etwa extremen Neid oder Geiz – zu meiden, sich dem Gang der Natur anzuvertrauen und in allen Dingen des Lebens ein vernünftiges Mittelmaß walten zu lassen.

Historischer Hintergrund

Geld und Herkunft unter Ludwig XIV.

Ab dem 16. Jahrhundert verbreitete sich in Frankreich zunehmend die Praxis des Ämterhandels. Reiche Bürger kauften sich Ämter, vor allem in der Finanz- und Justizverwaltung, ihre Familie stieg dadurch nach drei Generationen Amtsbesitz in den Adelsstand auf. Unter Ludwig XIV. wurde bei vielen Ämtern sogar unmittelbar erblicher Adel gewährt. Für den König bildete diese neue Schicht der „noblesse de robe“, des Amtsadels, eine willkommene Stärkung gegen die Ansprüche der „noblesse d’épée“, des Schwertadels, der traditionell in Konkurrenz zur Krone stand. Mithilfe des Ämterhandels wurden Kriege finanziert; wurde das Budget knapp, schuf man kurzerhand neue Ämter. Das führte nicht zuletzt zu einer Aufwertung des materiellen Besitzes gegenüber Herkunft und Tradition. Mit Geld schien man alles erreichen zu können: Ämter, Ansehen, sogar erblichen Adel.

Nicht nur alte Adelsfamilien, auch Angehörige des Bürgertums kritisierten dieses System des Ämterhandels, das den Beamtenapparat künstlich aufblähte und die Korruption blühen ließ. Die Reduktion auf das Gelddenken widersprach dem Persönlichkeitsideal und Leitbild der höfisch-aristokratischen Gesellschaft. Als „honnête homme“ galt der gebildete, weltgewandte Mann, der sich geistreich unterhalten konnte, sich sicher in der Gesellschaft bewegte und insbesondere bei Hof die Formen der Galanterie beherrschte. Dagegen standen das hemmungslose Streben nach materiellem Besitz, Gelderwerb als reiner Selbstzweck und nüchterne Kosten-Nutzen-Kalkulation für bürgerliches Denken. Die Unterordnung aller menschlichen Beziehungen unter das ökonomische Denken drohte in den Augen der Aristokratie die alte Werteordnung abzulösen. Trotz ihrer Abneigung gegen alles Kleinkrämerische begann jedoch auch die Aristokratie gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Tendenzen des Bürgertums zu übernehmen. So wie bei Hof der schlichte Klassizismus – ursprünglich eine Geschmacksrichtung des reichen Bürgertums – den prunkvollen Barock verdrängte, so gewannen bürgerliche Tugenden wie Zurückhaltung, Sparsamkeit und Einfachheit zunehmend an Ansehen.

Entstehung

Wie die meisten bedeutenden Schriftsteller des späten 17. Jahrhunderts in Frankreich, etwa Jean Racine und Jean de La Fontaine, entstammte Molière dem Bürgertum. Seine Zuschauer setzten sich aus den führenden Schichten der Nation, dem Hofadel und dem gebildeten Großbürgertum zusammen. Die soziale Wirklichkeit wie auch das Konkurrenzverhältnis zwischen Adel und aufsteigendem Bürgertum sparte Molière in seinen Stücken weitgehend aus, stattdessen gab er in Der Geizige einen raffgierigen Bürger der Lächerlichkeit preis – zur Freude des höfischen Publikums. Molière war eben kein Gesellschaftskritiker, sondern ein Theatermensch, ein Schauspieler, Regisseur und Schauspielautor, der vor allem eines beabsichtigte: sein Publikum zum Lachen zu bringen. Zu diesem Zweck produzierte er ein Stück nach dem anderen – im Schnitt zwei pro Jahr. Zu seinen fruchtbarsten Perioden zählte das Jahr 1668, in dem neben Der Geizige auch die Komödien Amphitryon und George Dandin entstanden.

Für ein Fest, das 1668 anlässlich des Friedens von Aachen in Versailles gefeiert werden sollte, hatte Molière die Komödie George Dandin verfasst. Durch die Vorbereitung der Festlichkeiten zog sich die Arbeit am gleichzeitig entstehenden Werk Der Geizige länger hin als erwartet. Im September war es dann endlich so weit, und das Stück wurde uraufgeführt. Wie bei vielen seiner Dramen spielte Molière die Hauptfigur selbst. Die Begeisterung des Publikums hielt sich allerdings in Grenzen, vielleicht weil es eine in Prosa verfasste fünfaktige Komödie nicht gewohnt war. Vielleicht lag es aber auch an dem bitteren Unterton und der Unmenschlichkeit der Hauptfigur, dass den Zuschauern bisweilen das Lachen im Hals stecken blieb.

Wirkungsgeschichte

Trotz der Zurückhaltung des Premierenpublikums stieg Der Geizige in Frankreich rasch zu einem der beliebtesten Stücke Molières auf, und die Figur des Harpagon wurde zum Sinnbild des Geizigen. In Deutschland zählt das Stück neben Tartuffe und Der eingebildete Kranke zu den meistgespielten Komödien Molières. Johann Wolfgang von Goethe, der den Geizigen auch übersetzte, nannte das Stück „besonders groß und in hohem Sinne tragisch“, weil darin das Laster alle Pietät zwischen Vater und Sohn aufhebe. Dagegen äußerte Jean-Jacques Rousseau sein Missfallen über die Komödie, die seiner Ansicht nach durch die Identifikationsfigur des rebellischen Sohnes unsittliches Betragen lehre. Dem Philosophen Henri Bergson diente Der Geizige als ein Beispiel für seine Theorie des Lachens. Danach ist ein Charakter komisch, der in „Versteifung gegen das soziale Leben“ erstarrt. Die Komödie wurde 1980 unter dem Titel Louis, der Geizkragen mit Louis de Funès in der Hauptrolle verfilmt.

Über den Autor

Molière wird um den 15. Januar 1622 in Paris als Jean-Baptiste Poquelin geboren. Er ist der erste Sohn des königlichen Tapissiers und Dekorateurs Jean Poquelin. Seine Mutter verliert er mit zehn Jahren. Als er mit 20 den Handwerksbetrieb des Vaters übernehmen soll, lehnt er ab, lässt sich das mütterliche Erbe ausbezahlen und gründet 1642 mit der Schauspielerin Madeleine Béjart das Illustre Théâtre in Paris. Nach drei Jahren macht das Theater Bankrott, und Molière – wie er sich mittlerweile nennt – muss für ein paar Tage ins Gefängnis. Wieder auf freiem Fuß, schließt er sich mit Madeleine einer Wandertruppe von Schauspielern an. Mit ihr touren sie von 1645 bis 1658 quer durch Frankreich. Dank guter Kontakte zum jüngeren Bruder von König Ludwig XIV. darf Molière in Paris seine ersten Komödien spielen: Le Médecin amoureux (Der verliebte Arzt, 1658) und Les Précieuses ridicules (Die lächerlichen Preziösen, 1659). Beide werden große Erfolge, ebenso das Stück L’École des femmes (Die Schule der Frauen), das 1662 folgt. Im selben Jahr heiratet Molière Armande Béjart – Madeleines Schwester oder Tochter, das ist unbekannt –, mit der er etwa sieben Jahre zusammenbleibt. Was Molière schreibt, gefällt dem König so sehr, dass er den Dichter mit einer Pension von 1000 Livres jährlich belohnt, Taufpate von dessen erstem Kind wird und Molières Truppe am Hof und im Palais Royal spielen lässt. Im Mai 1664 darf Molière im Schlossgarten von Versailles ein mehrtägiges Fest organisieren, an dem er u. a. eigene Komödien wie Le Mariage forcé (Die erzwungene Heirat) präsentiert. In diesem Rahmen wird auch der Tartuffe uraufgeführt – eine offene Attacke gegen die Frömmlerei –, der für einen Skandal sorgt und mit einem fünfjährigen Aufführungsverbot belegt wird. Ab 1668 folgen Komödien im Jahresrhythmus, so 1668 L’Avare (Der Geizige), 1670 Le Bourgeois gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) oder 1672 Les Femmes savantes (Die gelehrten Frauen). In Le Malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) spielt Molière seine letzte Rolle: Am 17. Februar 1673 bricht er während der vierten Aufführung zusammen und stirbt wenig später.

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