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Der goldne Topf

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Der goldne Topf

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Wenn die Suche nach dem Glück zur Überschreitung der Realität wird.


Literatur­klassiker

  • Kunstmärchen
  • Romantik

Worum es geht

Die Verzauberung der Welt

Der goldne Topf war E. T. A. Hoffmanns erster großer Publikumserfolg. Zugleich ist er ein Paradebeispiel für das literarische Projekt der deutschen Romantik. Der bekannte Romantiker Novalis beschrieb dieses Projekt als die Aufgabe, „dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein“ zu geben. Hoffmann wählte dafür die Form des Märchens. Sein poetisch veranlagter Protagonist, der Student Anselmus, gelangt unverhofft über die Grenzen des gesunden Menschenverstands hinaus in eine fantastische Zauberwelt, wo er nicht nur ekstatische Glückszustände erlebt, sondern auch albtraumhafte Erfahrungen im Kampf gegen dunkle Mächte und den Wahnsinn macht. Darin erweist sich Hoffmann als Vertreter der abgründigen „schwarzen Romantik“. Mit bildstarker Sprache, witzigem Stil und ausgeprägtem Sinn für Dynamik verwebt er geschickt Realität und Fiktion und weicht die Grenze zwischen beiden allmählich auf. Die verzauberte Welt wird dadurch zu mehr als nur einer fernen Utopie, nämlich zu einer realen Möglichkeit im Hier und Jetzt.

Take-aways

  • Der goldne Topf war E. T. A. Hoffmanns erster großer Erfolg als Schriftsteller.
  • Inhalt: Der Student Anselmus verliebt sich in die Schlange Serpentina, Tochter eines mächtigen Zauberers, und macht sich so dessen Antagonistin, eine böse Hexe, zur Feindin. Dadurch wird er in eine fantastische Welt und in den Kampf zwischen den beiden gezogen. Dank seiner Liebe zu Serpentina triumphiert er über die dunklen Mächte.
  • Der Text ist ein Paradebeispiel für die Literatur der deutschen Romantik.
  • Hoffmann verwebt in dem Kunstmärchen Wirklichkeit und Fantasie.
  • In vielen makabren Elementen zeigt sich Hoffmann als Vertreter der sogenannten schwarzen Romantik.
  • Das fantastische Werk entstand als Reaktion auf die allzu wirklichen Schrecken der Völkerschlacht bei Leipzig 1813.
  • Für die Gestaltung der fantastischen Gegenwelt ließ sich Hoffmann von antiken Mythen über Atlantis und das Goldene Zeitalter inspirieren.
  • Die Handlung spielt an tatsächlichen Orten in Dresden zur Zeit Hoffmanns. Dadurch macht Hoffmann die Welt des Fantastischen zum Greifen nah.
  • In der poetischen Lebenssicht des Anselmus steckt Kritik am Bildungsbürgertum.
  • Zitat: „(…) ich sehe und fühle (…), dass alle die fremden Gestalten aus einer fernen wundervollen Welt, die ich sonst nur in ganz besondern merkwürdigen Träumen schaute, jetzt in mein waches reges Leben geschritten sind und ihr Spiel mit mir treiben.“

Zusammenfassung

Ein Fluch

Der tollpatschige Student Anselmus rennt unter dem Schwarzen Tor in Dresden aus Versehen ein altes Äpfelweib um, wobei dessen Waren durch die Gegend fliegen. Obwohl er ihr gleich all sein Geld zur Entschädigung gibt, ist die Alte außer sich vor Zorn und verflucht ihn lauthals. Er versteht zwar ihre Anwürfe nicht vollständig, aber etwas in ihrer Stimme beunruhigt den zerknirschten Anselmus. Es ist Himmelfahrt und er ist in bester Feierlaune von zu Hause aufgebrochen, um sich im Linkischen Bad bei Bier und Musik zu vergnügen und sich womöglich dem schönen Geschlecht zu nähern. Doch nun hat er sowohl die Laune als auch das nötige Kleingeld zum Feiern verloren. Niedergeschlagen lässt er sich auf einem einsamen Fleck am Elbufer unter einem Holunderbaum nieder und grübelt: Wie soll das bloß etwas werden mit dem ersehnten Beruf als Geheimrat und mit den Frauen, wenn er doch seit jeher dermaßen ungeschickt und glücklos ist?

„Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor, und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes hässliches Weib feil bot (…)“ (S. 5)

Wie er so missmutig unter dem Holunder sitzt und Pfeife raucht, beginnt es im Baum zu rascheln und Anselmus hört ein zischelndes Flüstern sowie einen Wohlklang wie von Kristallglocken. Das Zischen steigert sich immer mehr, der Baum glüht farbenfroh und die ganze Umgebung scheint plötzlich belebt zu sein. Anselmus zweifelt an seinen Sinnen. Da erscheinen drei smaragdgrüne Schlangen im Gezweig. Eine davon lässt sich zu ihm herab und blickt ihn aus herrlichen blauen Augen an. Fasziniert von ihrer Schönheit fühlt Anselmus ein unbändiges Verlangen in sich aufsteigen. Doch die sonderbare Szene löst sich so plötzlich wieder auf, wie sie entstanden ist. Als Anselmus zu sich kommt, merkt er, dass er den Holunder umschlungen hält und die schönen Schlangen zurückruft. Passanten, die vom Fest heimkehren, bleiben bei seinem Anblick verwundert stehen.

Ein verlockendes Angebot

Beschämt macht sich Anselmus auf den Heimweg. Dabei trifft er den befreundeten Konrektor Paulmann samt dessen Töchtern sowie den Registrator Heerbrand. Sie laden ihn zu einer Gondelfahrt über die Elbe ein. Dankbar für die Ablenkung nimmt Anselmus ihr Angebot an. Während er nun die funkelnden Spiegelungen des Festtagsfeuerwerks auf dem Wasser beobachtet, tauchen erneut die drei grün schimmernden Schlänglein auf. Wieder spricht er mit ihnen, ist sogar drauf und dran, ihnen ins Wasser zu folgen – doch im letzten Augenblick hält ihn der Schiffer zurück. Seine Mitfahrer sind entsetzt, während Anselmus hin- und hergerissen ist zwischen der überwältigenden Vision und der entgeisterten Reaktion seiner Mitmenschen auf seinen vermeintlichen Wahn. Zum Glück beruhigt sich die Lage schnell wieder. Im Lauf des Abends bemüht sich Anselmus um Paulmanns Tochter Veronika, er ist dabei ungewohnt locker und selbstsicher. Am Ende des Abends empfiehlt ihm Heerbrand eine Stelle beim Archivar Lindhorst. Der sei zwar ein eigenbrötlerischer Gelehrter und betreibe im Geheimen chemische Experimente, suche aber immer Schreiber, die aus gewissen in seinem Besitz befindlichen Manuskripten kopieren sollen. Diese seien in verschiedenen fremden und gar völlig unbekannten Sprachen geschrieben. Lindhorst bezahle überdies sehr gut. Anselmus freut sich über das Angebot. Schon am nächsten Tag will er den Archivar aufsuchen und sich bewerben.

Liebe zu einer Schlange

Bestens gelaunt und voll Zuversicht sucht Anselmus die Adresse des Archivars auf, doch als er an dessen Haustür ankommt, verändert sich diese zu einer erschreckenden Halluzination: Das Äpfelweib erscheint im Türknauf, erneuert den Fluch, und eine riesige weiße, durchsichtige Schlange springt auf Anselmus los, umschlingt und würgt ihn, bis er ohnmächtig wird. Als er erwacht, ist er beim besorgten Paulmann. Sein Bericht des gerade Erlebten vermehrt die Sorgen seiner Freunde, er sei übergeschnappt. Sie beschließen, er habe dringend Ablenkung nötig. Am besten beim Kopieren der Manuskripte des Archivars Lindhorst, das höchste Konzentration und Disziplin erfordere. Da sich Anselmus jedoch nicht mehr in die Nähe von dessen Haus traut, wird ein gemeinsames Treffen mit dem Archivar im Kaffeehaus verabredet. Auch Heerbrand ist dabei. Zur Auflockerung des Gesprächs bitten sie Lindhorst um einen Schwank aus seinem langem Leben. Der erzählt von der dramatischen Liebe seiner Urahnin, einer Feuerlilie, zum Jüngling Phosphorus und behauptet, dass sein Bruder sich in einen Drachen verwandelt habe und nun einen „mystischen Karfunkel“ nahe Tunis bewache. Während alle in Gelächter ausbrechen, macht sich Anselmus seine Gedanken über den wunderlichen Lindhorst. Zum Abschied bekennt dieser, er würde sich sehr freuen, Anselmus anzustellen. Das motiviert den Studenten, einen neuen Anlauf zu wagen und seine Angst zu überwinden.

„Ja, renne – renne nur zu, Satanskind – ins Kristall bald dein Fall – ins Kristall!“ (Äpfelweib zu Anselmus, S. 5)

Doch es bleibt beim Vorhaben. Anselmus verfällt immer mehr in eine melancholische Trägheit. Ein unbekanntes, überwältigendes Verlangen ergreift Besitz von ihm. Gegen dieses neue Gefühl erscheinen ihm alle gewohnten Beschäftigungen sinnlos und leer. Anselmus zieht sich aus der Gesellschaft zurück, macht einsame Spaziergänge und grübelt. Auf einem der Spaziergänge kommt er wieder zu dem Holunderbaum und erneut überfällt ihn jene übernatürliche Vision von der goldgrünen Schlange mit den blauen Augen, begleitet von himmlischer Musik. Nachdem auch diese Episode wieder vergangen ist, wird Anselmus klar, was ihn so belastet: seine unstillbare Liebe zu der blauäugigen Schlange. Von da an geht er jeden Tag im Abendrot zum Holunder zurück und fleht die Geliebte an, sie solle sich zeigen – ohne Erfolg. An einem dieser Abende steht plötzlich der Archivar Lindhorst neben ihm. Verzweifelt erzählt ihm Anselmus seine Erlebnisse und zu seiner großen Verblüffung reagiert Lindhorst gar nicht überrascht oder befremdet. Die drei Schlangen seien seine drei Töchter, sagt er, und Anselmus habe sich offenbar in die Schönste, Serpentina, verliebt. Wenn er für ihn kopieren würde, könne der Student sie jeden Tag sehen.

Der goldene Topf

Schließlich sucht Anselmus den Archivar zu Hause auf. Der führt ihn durch einige herrliche Zimmer voll farbenfroher Blumen, sprechender Papageien und exotischer Pflanzen, die bis unter die Decke ranken. In der Mitte eines azurblauen Raumes sieht Anselmus einen funkelnden goldenen Topf, dessen intensives Schimmern eine geradezu hypnotische Wirkung auf ihn ausübt. Endlich erreichen sie die Bibliothek, wo er künftig arbeiten soll. Dort kopiert Anselmus ein erstes Probestück, beschwingt von den Düften des Zaubergartens und der fühlbaren Präsenz Serpentinas, die ihm zu helfen scheint. Lindhorst ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Es überzeugt ihn nicht nur von Anselmusʼ Fähigkeiten als Schreiber, sondern zeigt ihm auch, dass er von Serpentina geliebt wird. Er gibt ihm unter geheimnisvollen Andeutungen zu verstehen, dass der goldene Topf seine Mitgift sein werde, dass der Ehe mit Serpentina aber noch etliche Hindernisse und Prüfungen im Weg stünden.

„Die Klingelschnur senkte sich hinab und wurde zur weißen durchsichtigen Riesenschlange, die umwand und drückte ihn (…) zusammen, dass die mürben zermalmten Glieder knackend zerbröckelten und sein Blut aus den Adern spritzte (…)“ (über Anselmus, S. 21)

Nachdem Anselmus einige Tage zur vollsten Zufriedenheit des Archivars gearbeitet hat, wird er befördert. Er soll nun im azurblauen Zimmer besonders wertvolle Dokumente nachzeichnen, die unter keinen Umständen beschädigt werden dürfen. Konzentriert macht er sich an die Arbeit, da ertönt eine Kristallglocke und Serpentina setzt sich als atemberaubende Schönheit neben ihn, um ihm die Geschichte ihres Vaters zu erzählen. Der war einst ein Salamander in Atlantis. Im Garten des Geisterfürsten Phosphorus traf er einmal eine grüne Schlange, entbrannte in Liebe zu ihr und wollte sie heiraten. Doch Phosphorus riet ihm davon ab: Die Schlange werde sich in ein Luftwesen verwandeln und davonfliegen. Der Salamander ignorierte die Warnung. Als dann die Prophezeiung des Phosphorus tatsächlich eintrat, brannte er aus Verzweiflung über die verlorene Liebe den Garten des Geisterfürsten nieder. Zur Strafe verbannte ihn Phosphorus auf die Erde zu den Menschen. Dort bekam er drei Töchter mit jener grünen Schlange. Diese singen stets im Frühjahr in Holunderbüschen, wo sie darauf warten, von Jünglingen mit kindlich poetischem Gemüt gehört zu werden. Erst wenn alle drei auf diese Art Liebe finden, wird der Salamander erlöst werden. Serpentina erzählt Anselmus auch von der Feindin ihres Vaters, dem Äpfelweib, das den goldenen Topf stehlen will. Sie werde dafür alle möglichen Mittel der schwarzen Magie nutzen, doch wenn Anselmus in seiner Liebe zu ihr, Serpentina, standhaft bleibe, werde das Äpfelweib scheitern.

Veronika und das Äpfelweib

Veronika hört unterdessen, dass über die Fähigkeiten und über die berufliche Perspektive des Studenten Anselmus nur in den höchsten Tönen gesprochen wird; bis zum Hofrat könne er es bringen. Sie ist hin- und hergerissen: Einmal ist sie sich sicher, dass Anselmus sie liebt, und malt sich ein Leben als bewunderte Frau Hofrätin aus. Dann wiederum taucht eine kleine graue Kreatur, „wie ein Alräunchen“, in ihrem Zimmer auf und flüstert ihr mit neckischer Stimme Zweifel ein. In einem Gespräch mit Freundinnen hört Veronika von einer Wahrsagerin, die aus einem blank polierten Silberspiegel die Zukunft lese und deren Vorhersagen sehr zuverlässig seien. Sie sucht die Wahrsagerin in ihrem entlegenen Häuschen am Stadtrand auf – es ist das Äpfelweib. Dieses hat bereits auf Veronika gewartet und erzählt ihr vom bösen Lindhorst und dass der arme Anselmus in dessen Hände geraten sei. Sofern Veronika bereit sei, ihr zu helfen, werde sie Anselmus von seinem bösen Herrn befreien und ihn zum Hofrat und zu Veronikas Ehemann machen. In der Nacht der Tag- und Nachtgleiche wollen sie gemeinsam zu einem Kreuzweg auf dem Feld gehen, um dort die Herrschaft des Archivars über Anselmus zu lösen.

„Er fühlte, wie ein unbekanntes Etwas in seinem Innersten sich regte und ihm jenen wonnevollen Schmerz verursachte, der eben die Sehnsucht ist, welche dem Menschen ein anderes höheres Sein verheißt.“ (über Anselmus, S. 29)

Veronika nimmt am Hexenritual teil: In einer stürmischen Gewitternacht bringt das Äpfelweib in einem Kessel einen Sud zum Brodeln. Veronika soll konzentriert in den Topf blicken und an Anselmus denken, bis sie ihn sieht. Als es so weit ist, füllt die Alte den stark reduzierten Inhalt des Kessels in ein Fläschchen ab. Da wird Veronika die Aufregung dieser grusligen Szene zu viel und sie fällt in Ohnmacht. Als sie in ihrem Bett wieder zu Bewusstsein gelangt, findet sie einen kleinen Spiegel um ihren Hals gehängt. Sie schaut hinein und erblickt auf wundersame Weise Anselmus, wie er gerade in seinem Kopierzimmer sitzt. Der Anblick ist so real, dass Veronika den Geliebten anspricht. Anselmus schaut auf und fragt, warum sie sich denn als Schlänglein gebärde. Da vergeht die Illusion wieder.

Fall ins Kristall

Unterdessen bemerkt Anselmus, dass ihn in letzter Zeit der Gedanke an Veronika umtreibt, obwohl er inzwischen fast ausschließlich in der fantastischen Welt des Archivars lebt. Eines Tages trifft er den Konrektor Paulmann. Der lädt ihn zu sich nach Hause ein, wo die aufgeputzte Veronika bereits wartet. Die beiden jungen Leute verstehen sich gut, und als sie zufällig gleichzeitig in das Silberspiegelchen blicken, erkennt Anselmus, dass die grüne Schlange offenbar die ganze Zeit niemand anderes war als Veronika, ja dass seine ganzen Erlebnisse beim Archivar reine Einbildungen seiner überspannten Seele gewesen sein müssen. Er gesteht Veronika seine Liebe und verspricht ihr die Heirat – sobald er Hofrat sei. Tags darauf erscheint ihm der Zaubergarten Lindhorsts ganz banal: lauter Allerweltskräuter, noch dazu schlecht gepflegt. Auch das blaue Zimmer hat alle Magie verloren. Dafür erscheint ihm das Manuskript, das er kopieren soll, völlig unlesbar. Als er mit der scheinbar unmöglichen Arbeit beginnen will, fällt er in seine alte Tollpatschigkeit zurück und kleckst etwas Tinte auf das Original. Da stürzen sich Feuer speiende Drachen mit lautem Gebrüll auf ihn und der Salamander selbst entsteigt wutentbrannt den Rauchschwaden. Anselmus wird bewusstlos und wacht in eine Kristallflasche eingesperrt auf.

Die Entscheidung

Die Luft in der Flasche wird immer weniger, im Todeskampf ruft Anselmus nach Serpentina und plötzlich wird ihm wieder leichter und er kann wieder atmen. Gerade als er sein frevelhaftes Abrücken von Serpentina bereut, erscheint das Äpfelweib. Sie bietet ihm die Rettung aus dem Kristallgefängnis an, wenn er Veronika heirate. Doch der Geläuterte bleibt jetzt standhaft. Darauf macht sich das Äpfelweib daran, den goldenen Topf zu stehlen. Lindhorst jedoch stellt sie und es kommt zum wilden Kampf zwischen den beiden Elementargeistern. Am Ende siegt Lindhorst und verbrennt seine Gegnerin zu einer Runkelrübe. Er sieht nun auch, dass Anselmus unter dem bösen Zauber des Apfelweibs stand, und befreit ihn. Serpentina schließt ihren Anselmus in die Arme und fortan leben beide im paradiesischen Atlantis – eins mit der Natur und in ungebrochener Glückseligkeit. Auch Veronika findet ihr Glück. Denn Heerbrand erhält den Posten des Hofrats, gesteht Veronika seine Liebe und hält um ihre Hand an. Die völlig Überraschte willigt ein, beichtet ihrem Vater und Heerbrand aber auch, dass sie die magische Hilfe des Äpfelweibs gesucht hat, um Anselmus für sich zu gewinnen. Reumütig entsagt sie den dunklen Mächten und wünscht Anselmus nur das Beste an der Seite von Serpentina. Durch die Ehe mit Heerbrand wird ihr schließlich das luxuriöse Leben einer Hofrätin zuteil, das sie sich erträumt hat.

Zum Text

Aufbau und Stil

Hoffmann hat seinen Text in zwölf kurze, als „Vigilien“ (lateinisch für „Nachtwachen“) betitelte Kapitel unterteilt. Mit dieser Bezeichnung spielt er einerseits auf seine tatsächliche Schreibsituation an, denn neben seinem Hauptberuf konnte er nur sonntagabends an literarischen Texten arbeiten. Er beschwört damit aber auch die leicht entrückte Stimmung der Abendstunden, in der es dem Leser besonders leichtfällt, sich in die fantastischen Abenteuer des Studenten Anselmus zu versenken. Mit dem Untertitel „Märchen aus neuer Zeit“ zeigt sich der Text als der Gattung des Kunstmärchens zugehörig. Anders als im Volksmärchen ist im Kunstmärchen sowohl eine psychologische Durchleuchtung der Charaktere als auch eine mehrdimensionale Erzählform möglich. So führt Hoffmann etwa Märchen im Märchen ein oder spricht selbst direkt den Leser an. Dadurch schafft er einen Bezug zur Gegenwart, der im klassischen Volksmärchen nicht möglich ist. Hoffmann verlässt wiederholt seine distanzierte Warte, um die Chronologie der Geschichte zu unterbrechen und sich als Autor an den Leser zu wenden. Im Abschlusskapitel wird er sogar selbst Teil des Geschehens, indem er den Archivar Lindhorst besucht. Durch diesen stilistischen Trick vereint Hoffmann Leser, Autor und Geschichte in der gemeinsamen Gegenwart des Textes.

Interpretationsansätze

  • Es gibt im Text einen fließenden Übergang zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Die Verbindung der beeindruckend bildstark beschriebenen Traumsequenzen des Anselmus mit realen Daten und Orten in Dresden zielt auf diese Wirkung ab. In der vierten Vigilie behauptet Hoffmann zudem die historische Wirklichkeit der Figuren Paulmann und Heerbrand. Dass er das Wunderbare nicht, wie viele andere Romantiker, in fernen Ländern oder Zeiten ansiedelt, sondern im gegenwärtigen Dresden, verstärkt den fantastischen Charakter des Textes.
  • Die Erzählung spiegelt die antiklassische Ästhetik der deutschen Romantik wider. Individuelle Weltsicht und subjektive Empfindungen stehen eindeutig über objektiven Tatsachenbeschreibungen oder einer universalen Wahrheit.
  • Die Hinwendung zum Fantastischen ist auch eine Abkehr von der Wirklichkeit und ihrer überwältigenden Brutalität. Zur Entstehungszeit des Textes im Herbst 1813 fand in Hoffmanns unmittelbarer Nähe die Völkerschlacht bei Leipzig statt, in der fast 100 000 Soldaten getötet oder verwundet wurden.
  • Die Fantastik stellt aber auch eine starke Kritik am Bürgertum dar. Die poetische und waghalsige Schwärmerei des Studenten Anselmus erscheint den auf materielle Sicherheit und Repräsentanz bedachten „Philistern“ Paulmann und Heerbrand als Naivität oder gar Wahnsinn. Dafür bleibt ihnen wiederum die Glückseligkeit verwehrt, die Anselmus durch seinen Glauben an Höheres entdeckt.
  • Zentral ist das uralte, mystische Motiv der Einheit des Seins, das bis auf die griechischen Vorsokratiker zurückgeht. Demnach ist wahres Glück nur durch die Erkenntnis universeller Einheit zu erlangen.
  • Hoffmann übernimmt die griechischen Mythen von Atlantis bzw. des Goldenen Zeitalters. Beide beschreiben, analog zur biblischen Tradition, einen ursprünglichen paradiesischen Zustand, den der Mensch jedoch verloren hat und nun wiederfinden muss.

Historischer Hintergrund

Napoleon und der Aufstieg des Bürgertums

Der Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa war durch Auflösung und Unruhe gekennzeichnet. Frankreich war nach der Revolution und unter der Herrschaft Napoleons stark nationalistisch ausgerichtet und strebte nach territorialer Ausdehnung. Ab 1792 führte es Expansionskriege mit den Großmächten Europas. Diese vereinten sich zwar in wechselnden Bündnissen gegen Napoleon – man spricht daher auch von den Koalitionskriegen –, vermochten ihn jedoch nicht zurückzudrängen. Ganz im Gegenteil: Unter den französischen Angriffen zerbrach die 900 Jahre alte Institution des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation: 1804 sprach Napoleon Bayern, Württemberg und Baden staatliche Souveränität zu. Als sich 1806 weitere deutsche Fürstentümer anschlossen und als Rheinbund gemeinsam aus dem Heiligen Römischen Reich austraten, hörte dieses de facto auf zu existieren. Das dadurch entstehende Machtvakuum inmitten Europas hielt sich bis zum Wiener Kongress 1814/15: Erst als Napoleon 1814 besiegt war, konnte – ein Jahr später – mit der Gründung des Deutschen Bundes sowie der Heiligen Allianz, dem Bündnis von Österreich, Preußen und Russland und später weiteren Ländern, das politische Gleichgewicht wiederhergestellt werden.

Die nur relativ kurze französische Fremdherrschaft hinterließ dennoch in großen Teilen Europas langfristige Nachwirkungen, hatte sie doch mit Napoleons Code Civil auch die Werte der Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – über den Kontinent verbreitet. Hierauf gründete sich der europaweite Aufstieg des Bürgertums zur gesellschaftspolitischen Macht und der Siegeszug von Nationalismus, Liberalismus und Säkularismus als treibende soziale Kräfte des 19. Jahrhunderts.

Entstehungsgeschichte

Die europaweiten politischen Wirren schlugen sich direkt in E. T. A. Hoffmanns Leben nieder. Als die Franzosen 1806 in Warschau einmarschierten und dort die preußische Verwaltung auflösten, verlor er nicht nur seinen Beruf als Regierungsrat; da er Napoleon den Huldigungseid verweigerte, musste er im Jahr darauf sogar die Stadt verlassen. Mit seiner Rückkehr nach Berlin startete Hoffmann den Versuch, ausschließlich von seiner Kunst zu leben. Doch das funktionierte mehr schlecht als recht. Zunächst arbeitete er als Rezensent in Berlin, dann am Theater in Bamberg. 1813 ging er schließlich als Musikdirektor einer Theatertruppe nach Dresden und Leipzig. Im Sommer dieses Jahres begann er die Arbeit am Goldnen Topf. Doch erneut holte ihn Napoleon ein: Der Herbst 1813 wurde überschattet von einer der größten Schlachten nicht nur der Befreiungskriege gegen Napoleon, sondern der Weltgeschichte überhaupt: Die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813, in der 600 000 Soldaten kämpften, wurde zwar zum entscheidenden Schlag gegen Napoleon, für die Bewohner der Gegend und auch für Hoffmann bedeutete sie aber vor allem eine existenzielle Bedrohung.

Der schreibende Rückzug ins Reich der Fantasie wurde in dieser bedrückenden Lage zum Ventil, das dem Dichter zumindest vorübergehend Erleichterung verschaffte. Die Arbeit an seinem Kunstmärchen Der goldne Topf dauerte bis zum Frühjahr 1814. Der Text erschien schließlich als Teil der Fantasiestücke in Callot’s Manier, einer vierbändigen Textsammlung Hoffmanns, die 1814/15 veröffentlicht wurde.

Wirkungsgeschichte

Die Publikation der Fantasiestücke machte Hoffmann zum bekannten und erfolgreichen Autor. Die Fantasiestücke waren auch das einzige seiner Werke, das noch zu Hoffmanns Lebzeiten neu aufgelegt wurde. Die Reaktionen auf das Märchen waren zunächst durchaus gemischt. Während der Redakteur des Fränkischen Merkurs, F. G. Wetzel, den Goldnen Topf als Geniestreich lobte, reagierten führende deutsche Literaten – mit Ausnahme von Heinrich Heine ablehnend. Johann Wolfgang von Goethe, Joseph Eichendorff oder Jean Paul – dem die Fantasiestücke übrigens gewidmet waren – wurden durch den ungezügelten Ausbruch der Fantasie eher verschreckt. Sie bemängelten das Fehlen einer regelnden Vernunft angesichts eines bedrohlichen Wahnsinns. Dass diese Größen der deutschen Literatur auch in der Folge Hoffmann ablehnend gegenüberstanden, mag einer der Gründe dafür sein, dass er in Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nur sehr verhalten rezipiert wurde. Besser erging es Hoffmann im Ausland, wo er im gesamten 19. Jahrhundert immer wieder als Inspiration herangezogen wurde – besonders in Frankreich, etwa durch Victor Hugo, Charles Baudelaire, Guy de Maupassant oder Théophile Gautier, der seine fantastischen Erzählungen direkt an Hoffmanns Fantasiestücke anlehnte; oder auch in Russland, etwa durch Fjodor Dostojewski oder Alexander Puschkin. Zweimal wurde Der goldne Topf als Oper vertont: 1941 von Wilhelm Petersen und 1989 von Eckehard Mayer.

Über den Autor

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wird am 24. Januar 1776 in Königsberg geboren. Die Eltern trennen sich bereits zwei Jahre später; der Junge lebt mit seiner Mutter fortan im Haus der Großmutter. Sein Onkel und Vormund sieht für den künstlerisch begabten Jungen eine Laufbahn als Rechtsanwalt vor. Hoffmann studiert also Jura, wagt nebenbei aber erste literarische Versuche, zeichnet und komponiert. 1798 verlobt er sich mit seiner Cousine, aber offensichtlich ohne große Zuneigung: Nachdem er zwei Jahre später eine Anstellung am Gericht in Posen erhalten hat, das damals wie der gesamte westliche Teil Polens zu Preußen gehört, lebt er bald mit einer Polin zusammen. 1802 heiratet er seine Lebensgefährtin. Kurz darauf wird ihm sein Zeichentalent zum Verhängnis: Er fertigt Karikaturen örtlicher Würdenträger an und fällt dadurch in Ungnade. Hoffmann, der kurz vor seiner Ernennung zum Regierungsrat steht, wird strafversetzt. Als Komponist und Zeichner relativ erfolglos, verfällt er mehr und mehr dem Alkohol. 1804 wird er als Regierungsrat nach Warschau geschickt; zwei Jahre später ziehen Napoleons Truppen in die Stadt ein und schaffen den preußischen Beamtenapparat ab. Hoffmann ist stellungslos und hält sich mit Mühe als Künstler über Wasser. Schließlich erhält er 1808 eine Anstellung am Theater in Bamberg. Endlich hat er auch als Komponist, Musikkritiker und Schriftsteller Erfolg. Zu seinen wichtigsten Werken gehören die Romane Die Elixiere des Teufels (1815/16) und Lebens-Ansichten des Katers Murr (1819 bis 1821) sowie die Erzählsammlungen Nachtstücke (1816/17) und Die Serapions-Brüder (1819 bis 1821). 1816 tritt er wieder in den Staatsdienst ein, 1819 wird er Mitglied einer Kommission, die staatsfeindliche Umtriebe untersucht. Da Hoffmann die staatliche Unterdrückung liberaler Strömungen als ungerecht empfindet, gibt er das Amt bald auf, kann es aber nicht lassen, seine Erfahrungen aus dieser Zeit in der Erzählung Meister Floh satirisch zu verarbeiten. Prompt wird ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Aber noch vor dessen Abschluss stirbt der von Alkohol und Krankheit gezeichnete Hoffmann am 25. Juni 1822 in Berlin.

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