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Der Mensch erscheint im Holozän
Buch

Der Mensch erscheint im Holozän

Frankfurt am Main, 1979
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2001 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Erzählung
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Alles geht den Bach runter

Der Mensch erscheint im Holozän beginnt denkbar unspektakulär: ein einsamer Witwer in seinem Tessiner Berghaus, und draußen will es nicht aufhören zu regnen. Dann wird der 74-jährige Herr Geiser durch einen Erdrutsch von der Umwelt abgeschnitten, die Naturgewalt konfrontiert ihn mit seiner eigenen Bedeutungslosigkeit. Auf sich gestellt, versucht er seinem Dasein einen Sinn zu geben, indem er unzählige Notizen und Lexikonausschnitte sammelt und damit die Wände tapeziert. Doch der schleichenden Erosion – nicht nur in der Natur, sondern auch in seinem Kopf – hat er nichts entgegenzusetzen. Draußen stürzen die Mauern ein, drinnen erleidet Herr Geiser einen Schlaganfall: Augenlid und Mundwinkel sind fortan gelähmt, er verliert immer mehr den Verstand und brät seine Katze im Kamin. Und während das versehrte Bergdorf schließlich wieder aufgebaut wird, ist sein persönlicher Verfall unumkehrbar. Mit Herrn Geiser hat Max Frisch die deutschsprachige Literatur um einen Sonderling bereichert. Seine Erzählung hat der Autor rückblickend als sein „vollkommenstes“ Werk bezeichnet.

Zusammenfassung

Eine Pagode und ein Bergrutsch

Herr Geiser, ein alter, einsamer Witwer, versucht vergeblich, Knäckebrot zu einer Pagode aufzutürmen, während es draußen unaufhörlich regnet. Ein Bergrutsch hat das kleine Tessiner Dorf im engen Tal von der Umwelt abgeschnitten. Oder war es vielleicht gar kein Bergrutsch, ist nur die Stützmauer eingefallen? Jedenfalls verkehrt der Bus nicht mehr, und der Strom fällt auch aus. Der Frau auf der Post ist das egal, missmutig wie immer geht sie ihrer Arbeit nach. Dass irgendwann der ganze Berg ins Rutschen geraten und das Dorf verschütten könnte, daran will hier niemand glauben. Herr Geiser kann nichts tun als lesen. Was ihm besonders wissenswert erscheint – von der Beschreibung verschiedener Donnertypen über Bibelzitate bis hin zu Vorratslisten und Auszügen aus Wanderführern, in denen Geologie und Geschichte des Tessins erörtert werden – notiert er sich, oder er schneidet die entsprechenden Passagen aus. Die Zettel heftet er mit Reißnägeln an die Wände, was seiner verstorbenen Frau Elsbeth sicher nicht gefallen hätte.

Eine ganz gewöhnliche Katastrophe

Auch in Herrn Geisers Garten ist die Erde etwas ins Rutschen...

Über den Autor

Max Frisch wird am 15. Mai 1911 als Sohn eines Architekten in Zürich geboren. Nach dem Gymnasium beginnt er ein Germanistikstudium, bricht es 1934 ab, arbeitet als freier Journalist, u. a. als Sportreporter in Prag, und verfasst Reiseberichte. Er ist vier Jahre mit einer jüdischen Kommilitonin liiert, die er heiraten will, um sie vor Verfolgung zu schützen, sie lehnt jedoch ab. Ab 1936 studiert er in Zürich Architektur, 1940 macht er sein Diplom. Ein Jahr später gründet er ein Architekturbüro und arbeitet gleichzeitig als Schriftsteller. Er heiratet 1942 seine ehemalige Studienkollegin Gertrud (Trudy) Constance von Meyenburg, mit der er drei Kinder hat. 1951 hält sich Frisch für ein Jahr in den USA und in Mexiko auf. 1954 erscheint sein erster Roman: Stiller. Das Buch ist so erfolgreich, dass Frisch sich nun ganz der Schriftstellerei widmen kann. 1955 löst er sein Architekturbüro auf und bereist die USA, Mexiko, Kuba und Arabien. 1958 erhält er den Georg-Büchner-Preis und den Literaturpreis der Stadt Zürich, ein Jahr später wird seine erste Ehe geschieden. 1960 zieht Frisch nach Rom, wo er fünf Jahre lang mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zusammenlebt – und die 23-jährige Studentin Marianne Oellers kennen lernt. 1961 wird das Theaterstück Andorra uraufgeführt, ein Gleichnis über die fatale Wirkung von Vorurteilen. 1964 erscheint der Roman Mein Name sei Gantenbein. Im Folgejahr übersiedelt Frisch zurück ins Tessin in die Schweiz. 1966 und 1968 unternimmt er größere Reisen in die UdSSR, 1970 folgt wieder ein längerer USA-Aufenthalt. Inzwischen hat er Marianne Oellers, mit der er jahrelang zusammengelebt hat, geheiratet. 1975 veröffentlicht Frisch die autobiografisch gefärbte Erzählung Montauk. Schweizkritische Schriften wie Wilhelm Tell für die Schule (1971) führen in seiner Heimat zu Widerspruch, in Deutschland findet er mehr Anerkennung. 1976 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Max Frisch stirbt am 4. April 1991 in Zürich an Krebs.


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