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Der Richter und sein Henker

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Der Richter und sein Henker

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfĂŒgbar

Was ist drin?

Wer ist der Mörder von Polizeileutnant Schmied? Kommissar BĂ€rlach kennt den TĂ€ter – will aber einen anderen fĂŒr das Verbrechen bĂŒĂŸen lassen ...


Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Ist Gerechtigkeit möglich?

Kann man das perfekte Verbrechen begehen, das nie entdeckt wird? Oder allgemeiner gefragt: Gibt es Gerechtigkeit in der Welt? Als junge MĂ€nner schließen der Polizist BĂ€rlach und ein Ganove ĂŒber diese Frage eine Wette ab, die ihr Leben bestimmen wird. BĂ€rlach verfolgt ĂŒber Jahre hinweg einen Gegner, der ihm immer wieder den Beweis liefert, dass selbst Kapitalverbrechen oft nicht geahndet werden können. Als beide alt sind und BĂ€rlach nicht mehr lange zu leben hat, möchte er die Wette noch gewinnen. Schließlich schafft er es, den Verbrecher hinrichten zu lassen – nur nicht mit legalen Mitteln. Friedrich DĂŒrrenmatts erfolgreiches Werk ist ein spannender Kriminalroman und befasst sich zugleich mit tief gehenden moralischen Fragen. Sein Kommissar BĂ€rlach kann auf legalem Weg keine Gerechtigkeit schaffen, also macht er andere Menschen zu Marionetten, die seinen Willen ausfĂŒhren. In diesem Roman gibt es kein Gut und Böse, keine klare Grenze zwischen Verbrechen und Strafe – und die Frage nach der Gerechtigkeit bleibt offen.

Take-aways

  • Der Richter und sein Henker war Friedrich DĂŒrrenmatts erster Kriminalroman und sein erster literarischer Erfolg.
  • Polizeileutnant Schmied wird ermordet aufgefunden. Der alte Kommissar BĂ€rlach soll den Fall aufklĂ€ren und wĂ€hlt zu seiner UnterstĂŒtzung den jungen Polizisten Tschanz.
  • Der Mordverdacht richtet sich bald gegen einen Herrn Gastmann. In dessen Haus finden geheime Treffen statt, an denen auch Schmied teilnahm.
  • Gastmanns Anwalt kann die Ermittlungen unterbinden. Tschanz verzweifelt darĂŒber, denn er möchte endlich einmal erfolgreich sein.
  • BĂ€rlach kennt Gastmann seit Langem: Vor Jahren haben sie einmal eine Wette darĂŒber abgeschlossen, ob es möglich sei, ein perfektes Verbrechen zu begehen.
  • Seitdem hat Gastmann viele Verbrechen begangen, die BĂ€rlach ihm nicht nachweisen konnte.
  • BĂ€rlach möchte die Wette noch gewinnen, hat aber nicht mehr viel Zeit, denn er ist alt und schwer krank.
  • Bei einem Treffen kĂŒndigt BĂ€rlach Gastmann an, dass er ihn stellvertretend fĂŒr alle seine Verbrechen fĂŒr diesen Mord bestrafen werde: Sein Henker werde ihn besuchen und töten.
  • Am selben Tag geht Tschanz zu Gastmann. Als er bedroht wird, erschießt er Gastmann.
  • BĂ€rlach ĂŒberfĂŒhrt Tschanz des Mordes an Schmied. Gleichzeitig wird klar, dass er Tschanz benutzt hat, um die Rache an Gastmann auszufĂŒhren.
  • Damit hat BĂ€rlach zwar ĂŒber Gastmann gesiegt, zugleich aber die Wette verloren: Denn dass er Gastmann absichtlich töten ließ, wird nie entdeckt.
  • Der Roman begrĂŒndete DĂŒrrenmatts Weltruhm und wurde mehrfach verfilmt.

Zusammenfassung

Ein Toter am Straßenrand

Der Dorfpolizist Alphons Clenin bemerkt eines Morgens auf der Landstraße zwischen den Dörfern Lamboing und Twann einen geparkten Wagen. Der Fahrer scheint zu schlafen. Aber als Clenin nĂ€her kommt, stellt er fest, dass der Mann tot ist – er wurde erschossen. Es handelt sich um Ulrich Schmied, einen Polizeileutnant aus Bern. Clenin ist ratlos, als Dorfpolizist ist er Morde nicht gewöhnt. Schließlich schiebt er den Toten auf den Beifahrersitz und fĂ€hrt mit ihm nach Biel. Die Ermittlungen ĂŒbernimmt der alte Kommissar BĂ€rlach, ein Vorgesetzter Schmieds.

„Clenin öffnete die WagentĂŒr und legte dem Fremden die Hand vĂ€terlich auf die Schultern. Er bemerkte jedoch im gleichen Augenblick, dass der Mann tot war.“ (S. 5)

Als Erstes verschafft sich BĂ€rlach Zutritt zu Schmieds Zimmer und nimmt vom Schreibtisch eine Mappe mit Unterlagen an sich. Seinen Chef, Dr. Lucius Lutz, bittet BĂ€rlach, ihm fĂŒr diesen Mordfall einen Kollegen an die Seite zu stellen, der einen Großteil der Ermittlungen ĂŒbernehmen soll: den jungen Polizisten Tschanz. Denn BĂ€rlach ist magenkrank und deshalb nicht mehr voll leistungsfĂ€hig. Er besichtigt den Tatort, wo er eine Revolverkugel findet. Im GesprĂ€ch mit Tschanz am nĂ€chsten Morgen erfĂ€hrt BĂ€rlach, dass der ermordete Schmied unter seinem Mantel einen Frack getragen hat. In Schmieds Kalender sind bestimmte Tage mit einem G gekennzeichnet, und immer an diesen Tagen ist Schmied abends im Frack weggefahren, allem Anschein nach in den kleinen Ort Lamboing. Aber wer soll in Lamboing regelmĂ€ĂŸig Abendgesellschaften geben, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß? Da auch fĂŒr diesen Tag in Schmieds Kalender ein G eingetragen ist, fahren BĂ€rlach und Tschanz am Abend nach Lamboing.

NĂ€chtliche Schießerei

Als ihnen auf dem Weg einige große, voll besetzte Autos begegnen, schließen sie sich diesen an und kommen zu einem abseits gelegenen Haus, in dem anscheinend GĂ€ste empfangen werden. Am Tor des Hauses hĂ€ngt ein Schild mit dem Buchstaben G. Tschanz hat bereits recherchiert: In diesem Haus wohnt ein Herr Gastmann. Hier muss auch Schmied verkehrt haben, denn sonst lebt in Lamboing niemand, dessen Name mit G beginnt.

„Ich habe eigentlich nur eine Idee, wer als Mörder in Betracht kommen könnte; aber der, den es angeht, muss die Beweise, dass er es gewesen ist, noch liefern.“ (BĂ€rlach, S. 22)

Nachdem alle GĂ€ste im Haus verschwunden sind, untersuchen Tschanz und BĂ€rlach das GrundstĂŒck. Plötzlich wird BĂ€rlach von einem riesigen Hund angegriffen. Er ist zu ĂŒberrascht, um sich zu wehren. Aber Tschanz erschießt den Hund. Daraufhin zeigen sich einige Leute an den Fenstern des Hauses. Mit Gastmann selbst können die beiden nicht sprechen. Stattdessen werden sie vor dem Haus von seinem Anwalt abgefangen, der zugleich Politiker ist: Nationalrat von Schwendi. Er verspricht jedoch, mit Gastmann zu sprechen und am nĂ€chsten Tag zur Polizei zu kommen.

„Er nicht Geld verdienen, er Geld haben. Er zahlen Steuern fĂŒr das ganze Dorf Lamboing. Das genĂŒgt fĂŒr uns, dass Gastmann ist der sympathischste Mensch im ganzen Kanton.“ (Polizist von Lamboing, S. 40)

Bei einem anschließenden GesprĂ€ch mit dem Polizisten von Lamboing erfĂ€hrt Tschanz, dass Gastmann sehr reich ist, obwohl er offensichtlich keinem Beruf nachgeht. Als er danach nochmals zu Gastmanns Haus zurĂŒckkehrt, ist der tote Hund bereits verschwunden.

Die Politik mischt sich ein

Von Schwendi taucht am nĂ€chsten Tag wirklich bei der Polizei auf – allerdings nicht bei BĂ€rlach, sondern bei Lutz, dessen Chef. Von Schwendi und Lutz gehören der gleichen Partei an, und Lutz hat dem Nationalrat einiges zu verdanken. Von Schwendi schĂŒchtert Lutz mit seiner herablassenden Haltung ein und erzĂ€hlt ihm schließlich, was sich hinter Gastmanns Gesellschaften verbirgt: In diesem Haus finden geheime Treffen zwischen Schweizer Industriellen und Vertretern auslĂ€ndischer Staaten statt, die Wert auf Diskretion legen. Es werden auch immer einige KĂŒnstler eingeladen, um den tatsĂ€chlichen Zweck dieser Gesellschaften zu vertuschen. Polizeileutnant Schmied hat an diesen Treffen unter dem Namen Dr. Prantl teilgenommen, was den Verdacht nahelegt, dass er ein Spion war. Der Nationalrat weist Lutz an, Gastmann in Zukunft in Ruhe zu lassen, denn dieser habe nichts mit dem Mord zu tun. Denkbar wĂ€re eher ein politischer Hintergrund. Lutz ist von diesen EnthĂŒllungen so verblĂŒfft, dass er von Schwendis Forderungen nachkommt.

„Er ist unhöflich, dachte BĂ€rlach, er liebt die Polizisten nicht; Schriftsteller haben Polizisten nie geliebt. Der Alte beschloss, vorsichtig zu sein, auch Tschanz war von der ganzen Angelegenheit nicht angetan. Auf alle FĂ€lle sich nicht beobachten lassen, sonst kommen wir noch in ein Buch, dachten sie ungefĂ€hr beide.“ (S. 76)

Lutz und BĂ€rlach besuchen anschließend Schmieds Beerdigung. Es regnet in Strömen. Gerade als Lutz seine Grabrede beginnen will, kommen grölend zwei Betrunkene herangetorkelt, die einen Kranz tragen. Auf der Schleife steht der Name Dr. Prantl. Sie lassen den Kranz auf den Sarg fallen und verschwinden so plötzlich, wie sie gekommen sind. In diesem Moment wird der Regen so heftig, dass die TrauergĂ€ste flĂŒchten und die Feier abgebrochen werden muss.

Ein alter Bekannter

Als BĂ€rlach nach Hause kommt, sitzt jemand an seinem Schreibtisch – der Mann, der jetzt unter dem Namen Gastmann in Lamboing lebt. Es ist ein alter Bekannter BĂ€rlachs: Vor ĂŒber 40 Jahren haben sie sich in der TĂŒrkei kennen gelernt und in einer durchzechten Nacht eine Wette abgeschlossen. BĂ€rlach vertrat die Meinung, dass die meisten Verbrechen ans Tageslicht kĂ€men, weil die Menschen eben nicht vollkommen seien und weil der Zufall immer ein Wörtchen mitzureden habe. Gastmann wettete mit BĂ€rlach, man könne Verbrechen so geschickt begehen, dass sie nie entdeckt und deshalb auch nie gesĂŒhnt wĂŒrden. Schon am nĂ€chsten Tag lieferte er einen Beweis: Vor BĂ€rlachs Augen stieß er einen Kaufmann ins Wasser. BĂ€rlach versuchte damals, Gastmann als Mörder verurteilen zu lassen, aber vergeblich: Da der Kaufmann in finanziellen Schwierigkeiten steckte, wurde sein Tod vom Gericht als Selbstmord gewertet. In den folgenden Jahren verĂŒbte Gastmann immer wieder Verbrechen, die BĂ€rlach ihm nicht nachweisen konnte.

„Der Schriftsteller lachte. Er sei eben auch eine Art Polizist, sagte er, aber ohne Macht, ohne Staat, ohne Gesetz und ohne GefĂ€ngnis hinter sich. Es sei auch sein Beruf, den Menschen auf die Finger zu sehen.“ (S. 81)

Nun weist Gastmann BĂ€rlach darauf hin, dass dieser wegen seiner schweren Krankheit nicht mehr viel Zeit hat, die Wette noch zu gewinnen und seinen Kontrahenten zur Strecke zu bringen. Schließlich geht Gastmann. BĂ€rlach kann nicht verhindern, dass er die Mappe mitnimmt, die der Kommissar aus Schmieds Zimmer geholt hat. Er bricht unter Magenschmerzen zusammen.

Weitere Untersuchungen

Lutz, der Proteste fĂŒrchtet, traut sich erst am Nachmittag, BĂ€rlach zu informieren, dass Gastmann nicht weiter behelligt werden soll. Seine BegrĂŒndung: Da der tote Schmied jetzt unter Spionageverdacht stehe, mĂŒsse man erst die Nachforschungen des Bundeshauses abwarten. Außerdem versucht er BĂ€rlach davon zu ĂŒberzeugen, dass Gastmann nicht der Mörder sein könne. BĂ€rlach nimmt, anders als erwartet, die Anweisungen seines Chefs gelassen auf und bittet ihn fĂŒr die folgende Woche um Urlaub.

„Es ist mir nicht gelungen, dich der Verbrechen zu ĂŒberfĂŒhren, die du begangen hast, nun werde ich dich eben dessen ĂŒberfĂŒhren, das du nicht begangen hast.“ (BĂ€rlach zu Gastmann, S. 100)

Anschließend verhören BĂ€rlach und Tschanz einen Schriftsteller, der gleichfalls bei Gastmann verkehrt. Dieser traut Gastmann zwar jedes Verbrechen zu, glaubt aber trotzdem nicht, dass er Schmied ermordet hat. Außerdem war der Schriftsteller zum Zeitpunkt der Tat mit Gastmann zusammen, sodass allenfalls einer von Gastmanns Dienern als TĂ€ter infrage kĂ€me.

„Ich habe dich gerichtet, Gastmann, ich habe dich zum Tode verurteilt. Du wirst den heutigen Tag nicht mehr ĂŒberleben. Der Henker, den ich ausersehen habe, wird heute zu dir kommen. Er wird dich töten, denn es muss nun eben einmal in Gottes Namen getan werden.“ (BĂ€rlach zu Gastmann, S. 100)

Tschanz verliert nun die Geduld: Er möchte Gastmann verhören, da er ihn offenbar trotz der Aussage des Schriftstellers fĂŒr den Mörder hĂ€lt. Die von Lutz angeordnete RĂŒcksichtnahme versetzt ihn in Wut. Das hat auch persönliche GrĂŒnde: Nie war er so erfolgreich wie sein gebildeter und begabter Kollege Schmied, und jetzt, wo er endlich auch eine Chance bekommen hat, sein Können zu beweisen, möchte er den Mörder auf jeden Fall dingfest machen. Verzweifelt fleht er BĂ€rlach an, Lutz umzustimmen. Aber BĂ€rlach bleibt gelassen und macht Tschanz klar, dass er sich nur selbst helfen kann und niemand sonst etwas fĂŒr ihn tun wird.

„Da begriff Tschanz, dass er in eine heimtĂŒckische Falle geraten war, deren TĂŒre nun hinter ihm ins Schloss schnappte. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. Das Entsetzen umklammerte ihn mit immer stĂ€rkeren Armen. Die Erkenntnis seiner Lage kam zu spĂ€t, es gab keine Rettung mehr.“ (S. 112)

Bei einem anschließenden Besuch bei seinem Arzt und Freund Dr. Samuel Hungertobel erfĂ€hrt BĂ€rlach, dass er spĂ€testens in drei Tagen operiert werden muss, denn einen weiteren Anfall wĂŒrde er nicht ĂŒberleben. Also bleiben ihm nur noch zwei Tage, um den Fall aufzuklĂ€ren.

Der Überfall

In der folgenden Nacht wird BĂ€rlach von einem GerĂ€usch geweckt und stellt fest, dass jemand im Haus ist. Er greift zu seiner Waffe. Der Eindringling löst einen Kurzschluss aus, sodass das Licht nicht mehr funktioniert, und bewaffnet sich mit einem gefĂ€hrlichen Messer, das auf BĂ€rlachs Schreibtisch liegt. BĂ€rlach, hilflos in der Dunkelheit, kann weder erkennen, wer der Mann ist, noch sich gegen die Bedrohung wehren. In der Not schießt er mehrmals durch das Fenster, um die Nachbarn auf sich aufmerksam zu machen. Der Eindringling wirft das Messer nach BĂ€rlach, verfehlt ihn jedoch. Dann flĂŒchtet er. Eine halbe Stunde spĂ€ter informiert BĂ€rlach Tschanz ĂŒber den Zwischenfall. Der Kollege kommt vorbei und besichtigt den Tatort. Nachdem Tschanz BĂ€rlach wieder verlassen hat, kehrt er noch einmal um, aber jetzt ist die HaustĂŒr, entgegen BĂ€rlachs sonstiger Gewohnheit, verschlossen.

Die Hinrichtung

Am nĂ€chsten Morgen möchte BĂ€rlach nach Grindelwald fahren. Er ruft ein Taxi, das ihn zum Bahnhof bringen soll. Doch auf dem RĂŒcksitz des Wagens, in den BĂ€rlach einsteigt, sitzt Gastmann, und der Fahrer ist einer seiner Diener. In rasendem Tempo fahren sie durch die Stadt. Gastmann droht BĂ€rlach mit dem Tod. Doch dieser bleibt gelassen und gibt offen zu, dass er Gastmann nicht fĂŒr Schmieds Mörder hĂ€lt. BĂ€rlach will ihn aber trotzdem fĂŒr diese Tat bestrafen – anstelle der vielen ungesĂŒhnten Verbrechen. Gastmann, verblĂŒfft ĂŒber diese Logik, lĂ€sst BĂ€rlach unbehelligt am Bahnhof aussteigen, droht aber nochmals, ihn umzubringen. BĂ€rlach dreht den Spieß um: Er selbst werde Gastmann einen Henker schicken, der ihn töten werde – und zwar noch heute.

„‚Ich habe mit dir gespielt‘, antwortete BĂ€rlach mit furchtbarem Ernst. ‚Ich konnte nicht anders. Du hast mir Schmied getötet, und nun musste ich dich nehmen.‘“ (S. 114)

Am gleichen Tag macht sich Tschanz auf den Weg zu Gastmann und trifft ihn mit seinen beiden Dienern im Haus an. Nun wird Gastmann klar, was BĂ€rlachs Prophezeiung zu bedeuten hatte. Einer der Diener schießt auf Tschanz, dieser wird aber nur verwundet und tötet mit seiner Waffe die Diener und Gastmann. Die folgende Untersuchung ergibt, dass Schmied mit dem Revolver erschossen wurde, den einer der toten Diener noch in der Hand hĂ€lt. Damit ist der Mordfall Schmied offensichtlich gelöst.

GestÀndnisse

FĂŒr den nĂ€chsten Abend lĂ€dt BĂ€rlach Tschanz zu sich ein. Als dieser ankommt, lĂ€sst BĂ€rlach von DienstmĂ€dchen Unmengen von Essen auftragen, das er in sich hineinstopft. Tschanz fĂŒhlt sich immer unbehaglicher – er ahnt, dass der Kommissar ihm eine Falle gestellt hat. Denn wer so hemmungslos isst, kann gar nicht magenkrank sein: Er hat Tschanz nur deshalb zu seinem Assistenten ernannt, weil er bereits wusste, dass dieser Schmied getötet hat. Er wartete nur darauf, dass Tschanz sich bei den Ermittlungen verraten wĂŒrde. Solchermaßen in die Enge getrieben, gesteht Tschanz den Mord an Schmied.

„‚Dann waren Sie der Richter, und ich der Henker‘, keuchte der andere. ‚Es ist so‘, antwortete der Alte.“ (S. 117)

BĂ€rlach nimmt diese Eröffnung gelassen auf; er hatte Tschanz von Anfang an im Verdacht. BĂ€rlach selbst hatte Schmied mit den Ermittlungen gegen Gastmann beauftragt, um ihm nach all den Jahren endlich etwas nachweisen zu können. Tschanz, neidisch auf Schmieds Karriere, hatte von diesen Ermittlungen erfahren und tötete Schmied, um den Fall ĂŒbernehmen zu können. Er wollte auch einmal Erfolg haben, denn Gastmann wĂ€re leicht zu ĂŒberfĂŒhren gewesen. Zugleich aber hatte nun BĂ€rlach ein Problem: Er wollte Gastmann endlich bestrafen und die alte Wette gewinnen, aber jetzt zerschlug der Mord an Schmied seine ursprĂŒnglichen PlĂ€ne. Also entschloss er sich, Tschanz als Henker das Urteil ĂŒber Gastmann ausfĂŒhren zu lassen. Die Anweisung seines Vorgesetzten, Gastmann zu schonen, kam ihm dabei zugute, denn Tschanz wollte Gastmann natĂŒrlich auch deshalb unbedingt ĂŒberfĂŒhren, um von sich selbst als TĂ€ter abzulenken. Als dies auf legalem Weg nicht mehr möglich war, erschoss er Gastmann. Seine Waffe drĂŒckte er anschließend einem der toten Diener in die Hand. Aus dieser Waffe stammte aber auch die Kugel, die Schmied tötete – und die, mit der Tschanz Gastmanns Hund erschoss. Tschanz sitzt in der Falle.

Nach BĂ€rlachs EnthĂŒllungen wird Tschanz klar, dass der Kommissar ihn nur als Werkzeug fĂŒr seine eigenen PlĂ€ne benutzt hat. BĂ€rlach schickt Tschanz fort. Dieser gerĂ€t noch in derselben Nacht mit dem Auto unter einen Zug. Ob er sich das Leben genommen hat oder Opfer eines Unfalls wurde, bleibt ungeklĂ€rt.

BĂ€rlach aber geht es nicht gut – er ist nĂ€mlich wirklich magenkrank, und seine Fressorgie war nur inszeniert, um Tschanz zu verunsichern und zu einem GestĂ€ndnis zu bringen. Am nĂ€chsten Morgen ist BĂ€rlach fĂŒr die Operation bereit, die dem Todkranken ermöglichen soll, noch ein Jahr zu leben.

Zum Text

Aufbau und Stil

DĂŒrrenmatts Kriminalroman Der Richter und sein Henker erzĂ€hlt das Geschehen von sechs aufeinanderfolgenden Tagen. Die Handlung beginnt am Donnerstag, dem 3. November 1948, mit der Entdeckung von Schmieds Leiche und endet am Dienstagmorgen der folgenden Woche. Innerhalb dieses Rahmens lassen sich die einzelnen Teile der Handlung zeitlich sehr genau einordnen. Der Text ist in 21 Kapitel von recht unterschiedlicher LĂ€nge gegliedert. Zwei große HandlungsstrĂ€nge laufen in diesem Roman zusammen: zum einen die AufklĂ€rung des Mordes an Polizeileutnant Schmied, die sich in der Gegenwart abspielt, und zum anderen die Geschehnisse um die 40 Jahre zurĂŒckliegende Wette zwischen BĂ€rlach und Gastmann, die in einer langen RĂŒckblende erzĂ€hlt werden.

Die Sprache des Romans ist, seiner gesellschaftskritischen Grundhaltung entsprechend, oft ĂŒberspitzt und ironisch. AuffĂ€llig ist auch, dass im Text manches nur angedeutet, aber nicht beim Namen genannt wird, so z. B. BĂ€rlachs lebensgefĂ€hrliche Magenkrankheit. Dass es sich bei den auslĂ€ndischen Politikern, die sich bei Gastmann mit Schweizer Industriellen treffen, um Vertreter kommunistischer Staaten handeln muss, ist offensichtlich, wird aber ebenfalls nicht ausdrĂŒcklich erwĂ€hnt.

InterpretationsansÀtze

  • Charakteristisch fĂŒr den Roman ist die Tendenz zu Satire und Parodie. Mit Figuren wie Nationalrat von Schwendi oder Dr. Lucius Lutz ĂŒbt der Autor beißende Gesellschaftskritik. Einige Szenen kann man nur als grotesk bezeichnen, so die Fahrt des Dorfpolizisten Clenin mit der nickenden Leiche als Beifahrer oder die Beerdigung Schmieds, bei der alle BemĂŒhungen um Feierlichkeit klĂ€glich scheitern.
  • Der Text enthĂ€lt viele Vorausdeutungen, die erst zum Schluss aufgelöst werden. BĂ€rlach weiß von Anfang an, wer der Mörder ist, aber als Leser kann man nur spekulieren, wieso die geheimnisvolle Mappe so wichtig ist oder wer den Kommissar in der Nacht ĂŒberfallen hat.
  • Im Zentrum stehen nicht der Mord und dessen AufklĂ€rung, sondern die Wette zwischen BĂ€rlach und Gastmann und damit die moralische Frage nach der Gerechtigkeit. Die Suche nach der Antwort verfolgt beide bis an ihr Lebensende: Gastmann wird erschossen, BĂ€rlach hat höchstens noch ein Jahr zu leben.
  • Gut und Böse sind nicht klar geschieden: Kommissar BĂ€rlach spielt zwar die Rolle des Guten, ist aber dem Bösen Gastmann nicht unĂ€hnlich. Sein Kampf um Gerechtigkeit kostet am Ende fĂŒnf Menschen das Leben.
  • OberflĂ€chlich gesehen scheint BĂ€rlach die Wette gewonnen zu haben – bei genauerer Betrachtung hat er jedoch verloren: Er benutzt Menschen als Schachfiguren und nimmt auch deren Tod in Kauf; damit bestĂ€tigt er gegen seinen Willen Gastmanns These.
  • Hier zeigt sich DĂŒrrenmatts negative Weltsicht: Gerechtigkeit gibt es nicht, der Mensch ist ein Opfer von ZufĂ€llen und muss sich notwendigerweise in Schuld verstricken.

Historischer Hintergrund

Pessimismus im 20. Jahrhundert

Die erste HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts war in Europa eine Zeit tief greifender gesellschaftlicher UmbrĂŒche. Schon der Erste Weltkrieg hatte politische Systeme ins Wanken gebracht und althergebrachte Werte infrage gestellt, noch mehr aber war dies nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall. Die Erfahrung des Nationalsozialismus, des Holocaust und des Weltkriegs, der gleichfalls Millionen von Menschen den Tod brachte, ist in der Geschichte ohne Beispiel.

Nicht nur in Deutschland selbst, sondern in ganz Europa wurde nach dem Krieg der Versuch unternommen, das unfassbare Geschehene zu verarbeiten und zu bewerten. Die Schweiz war zwar wÀhrend des Zweiten Weltkriegs neutral geblieben und hatte vielen Juden und politisch Verfolgten aus Deutschland ein Exil geboten, doch waren auch dort die moralischen Fragen, die diese Erfahrung aufwarf, drÀngend.

Die Folge war, vor allem bei vielen Intellektuellen und KĂŒnstlern, ein negatives Bild des Menschen, der Gesellschaft und der Welt. Die Vorstellung, dass es in der Welt eine Macht gebe, die letztendlich fĂŒr Gerechtigkeit sorgt, schien nun endgĂŒltig widerlegt. Moralische Instanzen wie die Kirche wurden infrage gestellt, denn auch sie hatten das Böse nicht verhindern können. Traditionelle Normen und Werte wurden kritisch hinterfragt. Alle idealistischen Bildungsideale schienen gescheitert: Man hatte ja gesehen, wozu der Mensch fĂ€hig war, und das trotz aller Bildung und Kultur. Dieses Weltbild, das Althergebrachtes kritisch betrachtete und grundsĂ€tzlich pessimistisch geprĂ€gt war, bestimmte die Gesellschaft und die Kunst in den Jahrzehnten nach dem Krieg.

Entstehung

Ende der 40er Jahre, als seine Familie grĂ¶ĂŸer wurde, befand sich Friedrich DĂŒrrenmatt in finanziellen Schwierigkeiten. Er wollte als freier Schriftsteller leben, hatte aber ernsthafte Probleme, auf diese Weise eine Familie zu ernĂ€hren. 1950 erhielt er von der Wochenzeitschrift Der Schweizerische Beobachter das Angebot, einen Fortsetzungsroman zu verfassen. DĂŒrrenmatt schrieb daraufhin den Kriminalroman Der Richter und sein Henker, der zwischen dem 15. Dezember 1950 und dem 31. MĂ€rz 1951 in acht Folgen veröffentlicht wurde. 1952 folgte die Buchausgabe.

Der Richter und sein Henker steht in der Tradition der Kriminalromane mit moralischer Grundaussage. Zu DĂŒrrenmatts Vorbildern gehören die Werke von G. K. Chesterton, Dorothy Sayers, Georges Simenon und Graham Greene ebenso wie Fjodor M. Dostojewskis Roman Schuld und SĂŒhne. Zugleich aber hebt sich DĂŒrrenmatt von seinen Vorbildern ab und verstĂ¶ĂŸt bewusst gegen die Regeln des Genres: Sein Kommissar BĂ€rlach ist kein scharfsinniger, moralisch integrer Held, sondern ein todkranker alter Mann, der einen Schwerverbrecher nur jenseits der LegalitĂ€t zur Strecke bringen kann.

Außerdem spiegelt sich in diesem Roman, wie auch in seinen BĂŒhnenwerken, das pessimistische, fast nihilistische Weltbild DĂŒrrenmatts, das dem Leser kein sicheres moralisches Fundament mehr bieten kann und will. DĂŒrrenmatt verarbeitet in diesem frĂŒhen Roman bereits Themen, die auch in spĂ€teren Werken eine wichtige Rolle spielen: Das Motiv der spĂ€ten, tödlichen Rache wird er im Drama Der Besuch der alten Dame wieder aufgreifen; ein Kommissar, der sein Leben opfert, um einen einzigen Verbrecher zu stellen, ist auch die Hauptfigur in DĂŒrrenmatts letztem Kriminalroman Das Versprechen.

Wirkungsgeschichte

Der Richter und sein Henker war das erste Werk, mit dem der junge Schriftsteller Friedrich DĂŒrrenmatt Erfolg hatte. So viel Erfolg, dass ihn Der Schweizerische Beobachter bald darauf bat, noch einen zweiten Kriminalroman mit Kommissar BĂ€rlach als Hauptfigur zu schreiben. So entstand 1951 Der Verdacht, dessen Handlung zeitlich an die von Der Richter und sein Henker anschließt.

Auch international wurde der junge Schriftsteller mit Der Richter und sein Henker bekannt. Das Werk begrĂŒndete den Weltruhm DĂŒrrenmatts, an den er spĂ€ter u. a. mit den Dramen Der Besuch der alten Dame und Die Physiker anknĂŒpfen konnte.

Bereits 1957 wurde der Roman erstmals fĂŒr das Fernsehen verfilmt. 1976 entstand unter der Regie von Maximilian Schell eine zweite Filmfassung, in der DĂŒrrenmatt ĂŒbrigens selbst die Rolle des namenlosen Schriftstellers spielte.

Über den Autor

Friedrich DĂŒrrenmatt wird am 5. Januar 1921 in Konolfingen im Schweizer Kanton Bern geboren. Sein Vater ist protestantischer Pfarrer. In Bern besucht DĂŒrrenmatt das Freie Gymnasium und das Humboldtianum, 1941 legt er die Matura ab. Er ist bestenfalls ein mittelmĂ€ĂŸiger SchĂŒler und bezeichnet die Schulzeit spĂ€ter als die ĂŒbelste Phase seines Lebens. In Bern und ZĂŒrich studiert er Philosophie, Literatur- und Naturwissenschaften. Seinen eigenen biografischen Schriften zufolge fĂŒhrt er das Leben eines verkrachten Studenten. 1946 zieht er nach Basel, ein Jahr spĂ€ter heiratet er die Schauspielerin Lotti Geissler, mit der er insgesamt drei Kinder hat. 1947 wird sein erstes TheaterstĂŒck Es steht geschrieben uraufgefĂŒhrt. Aus Geldnot verfasst DĂŒrrenmatt Anfang der 50er Jahre seinen wohl bis heute bekanntesten Kriminalroman Der Richter und sein Henker (1950/51), es folgen Der Verdacht (1951/52) und Das Versprechen (1958). Die TheaterstĂŒcke Die Ehe des Herrn Mississippi (1952) und Ein Engel kommt nach Babylon (1953) machen ihn einem breiten Publikum bekannt, die Dramen Der Besuch der alten Dame (1956) und Die Physiker (1962) vermehren seinen Ruhm. Ab 1952 lebt der Schriftsteller in einem eigenen Haus bei NeuchĂątel. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet DĂŒrrenmatt 1984 die Schauspielerin und Filmemacherin Charlotte Kerr. Wechselvoll ist sein VerhĂ€ltnis zur zweiten großen Figur der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts, Max Frisch. Die anfĂ€ngliche Freundschaft schlĂ€gt in gegenseitiges Ressentiment um, das auf persönlicher Antipathie und literarischen Differenzen beruht. DĂŒrrenmatt erhĂ€lt im Lauf seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Georg-BĂŒchner-Preis. Sein literarisches Werk ist Ă€ußerst vielfĂ€ltig: Neben TheaterstĂŒcken und Romanen umfasst es Hörspiele, Essays, ErzĂ€hlungen, VortrĂ€ge sowie autobiografische, literatur- und theatertheoretische Schriften. Daneben arbeitet DĂŒrrenmatt zeitweise als Regisseur und stĂ€ndig als Maler und Zeichner. Er stirbt am 14. Dezember 1990 in NeuchĂątel an einem Herzinfarkt.

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