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Der scharlachrote Buchstabe

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Der scharlachrote Buchstabe

dtv,

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Ein bewegendes Frauenschicksal im puritanischen Amerika des 17. Jahrhunderts: Esther Prynne ist gezeichnet mit dem Schandmal der Ehebrecherin – dem scharlachroten Buchstaben.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • American Renaissance

Worum es geht

Seelenstudie in Scharlachrot

Sie trägt das Zeichen der Schande, den scharlachroten Buchstaben A (für „adulteress“ = Ehebrecherin), wie eine Auszeichnung: Esther Prynne, eine der berühmtesten Ehebrecherinnen der Weltliteratur. Sie hat das Pech, dass ihre Affäre in einer der sittenstrengsten Gemeinschaften ans Licht kommt, die man sich nur vorstellen kann: in der puritanischen Gemeinde von Boston im Jahr 1640. Nathaniel Hawthorne erforscht in seinem Roman Der scharlachrote Buchstabe die Zeit seiner Ahnen, der Pilgerväter und ersten Siedler in Neuengland. Seine Heldin leidet unter der rigiden Unterdrückung, aber sie weicht ihr nicht aus. Sie weiß, dass sie gesündigt hat, verwandelt jedoch im Lauf der Geschichte ihre Buße in eine Auszeichnung. Ihr Liebhaber Pastor Dimmesdale geht einen langen Weg bis zu seinem persönlichen Golgatha. Schließlich bekennt er sich aber zu seiner Schuld und macht daraus ein öffentliches Ereignis. Hawthornes erster und erfolgreichster Roman ist mit symbolhafter Sprache fast überfrachtet. Das Thema Schuld und Sühne und die psychologische Tiefe machen den Roman zu einem Klassiker der amerikanischen Literatur.

Take-aways

  • Der scharlachrote Buchstabe gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Romanen der amerikanischen Literatur.
  • Nathaniel Hawthorne veröffentlichte das Buch 1850, siedelte die Handlung aber gut 200 Jahre früher an.
  • Es geht um das Thema Schuld und Sühne in einem erzkonservativen, religiösen Umfeld, nämlich in der puritanischen Gemeinde von Boston im Jahr 1640.
  • Die junge Esther Prynne hat Ehebruch begangen: Während ihr Mann verschollen ist, bringt sie ein Kind zur Welt. Die Identität des Vaters will sie nicht offenbaren.
  • Sie wird dazu verurteilt, ein scharlachrotes Abzeichen in Form des Buchstabens A (für „adulteress“ Ehebrecherin) als Zeichen ihrer Sünde zu tragen.
  • Esther zieht in ein alleinstehendes Haus, verdient mit Stickarbeiten ihren Lebensunterhalt und zieht ihr Töchterchen Perle auf.
  • Als ihr Mann Roger Chillingworth wieder auftaucht, verrät sie auch ihm den Namen von Perles Vater nicht.
  • Chillingworth, der keinem sagt, dass er Esthers verschollener Gatte ist, lässt sich beim Pastor Arthur Dimmesdale nieder.
  • Bald bemerkt Chillingworth, dass er in Dimmesdale, der große Seelenqualen leidet, den gesuchten Kindsvater vor sich hat.
  • Dimmesdale und Esther treffen sich im Wald und planen die gemeinsame Flucht.
  • Doch dann enthüllt Dimmesdale während einer öffentlichen Predigt seine Schuld vor den Augen des Volkes. Er bricht zusammen und stirbt in Esthers Armen.
  • Der Roman verkaufte sich – zum Erstaunen des Autors – ausgezeichnet und gehört heute zum Kanon der amerikanischen Literaturklassiker.

Zusammenfassung

Die vergessenen Aufzeichnungen

Salem im 19. Jahrhundert. Die Stadt befindet sich im ökonomischen Niedergang, nur selten legen noch Schiffe an. Der Erzähler arbeitet im Zollhaus in einem schmuddeligen Raum, an dessen Wänden bereits die Farbe abblättert. Eines Tages findet er alte Aufzeichnungen eines ehemaligen Zollaufsehers über Ereignisse aus dem 17. Jahrhundert. Als der Erzähler aufgrund politischer Entscheidungen seine Arbeit verliert, beginnt er aus den Fragmenten eine Geschichte zu rekonstruieren.

Der Schauprozess

Ort der Handlung ist die englische Kolonie Boston, Mitte des 17. Jahrhunderts, Heimat einer strengen puritanischen Gesellschaft. Esther Prynne verlässt an einem strahlenden Tag das Gefängnis, in ihrem Arm die drei Monate alte Tochter Perle. Das Kind wurde während der Haftzeit geboren. An ihrem Gewand trägt Esther einen scharlachroten Buchstaben, ein A (für „adulteress“), das sie als Ehebrecherin kennzeichnet. Den Buchstaben muss sie als Stigma ihrer Schande öffentlich tragen. Denn Esther hat ein Kind bekommen, obwohl ihr Ehemann, ein älterer englischer Gentleman, der sie in die Neue Welt vorausgeschickt hat, verschollen ist. Die leidenschaftliche Esther hat den alten Gelehrten nie geliebt und wurde auf der Suche nach wahrer Liebe zur Ehebrecherin. Den scharlachroten Buchstaben hat sie selbst gestickt, prachtvoll verziert und aufgenäht. Stolz und erhobenen Hauptes steigt sie die Schandbühne hinauf, wo sie drei Stunden stehen muss, um den Spott der Gemeinde zu ertragen. Auf einer Tribüne über ihrem Kopf sitzen Gouverneur Bellingham sowie der älteste Geistliche mit Namen John Wilson und der junge Pastor Arthur Dimmesdale. Letzterer soll das Wort an Esther richten. Er fordert sie auf, den Namen des Mannes zu nennen, mit dem sie Ehebruch begangen hat. Doch Esther weigert sich. Nachdem sie eine lange Predigt von Mr. Wilson über sich hat ergehen lassen, wird Esther zurück ins Gefängnis geführt. Ihr Töchterchen hat die ganze Zeit geweint.

Das Gelübde

Esther ist einem Nervenzusammenbruch nahe. Nachdem sie ihr Töchterchen gestillt hat, bekommt Perle schlimme Magenkoliken. Schließlich holt der Gefängniswärter einen Heilkünstler – es ist ausgerechnet der verschollene Ehemann Esthers, der sich als Roger Chillingworth vorstellt. Dieser mischt einen Beruhigungstrank für das Kind. Esther fürchtet, er wolle das Kind töten, doch der Trank bringt sofortige Linderung. Auch für die Mutter braut der Heilkundige ein Getränk. Wieder glaubt Esther, er wünsche nun ihren Tod. Sie hat ihn selbst viele Male herbeigesehnt, doch jetzt, da das Kind geboren ist, will sie nicht mehr sterben. Ihr Gatte aber beruhigt sie. Er grollt ihr keineswegs, wohl aber dem unbekannten Kindsvater. Als er Esther nach dessen Namen fragt, weigert sie sich jedoch, ihn zu nennen. Daraufhin erwidert ihr Gatte grimmig, er wolle den Mann suchen und werde ihn auch ohne ihre Hilfe finden: Seine Schuld werde ihn verraten. Chillingworth bittet seine Frau, sie solle weder seine wahre Identität noch seine Verbindung mit ihr preisgeben. Esther verspricht es. Kurz darauf wird sie aus dem Gefängnis entlassen. Sie könnte überall hingehen, bleibt jedoch in Boston, am äußersten Rand der Siedlung, in einem kleinen, heruntergekommenen Haus am Meer. Gesellschaftlich geächtet und verspottet, hält sie sich und ihr Kind mit Näharbeiten über Wasser. Obwohl ihre Handarbeiten für festliche Kleidung sehr gefragt sind, wird sie von der Gemeinde immer noch wie eine Aussätzige behandelt.

Das Koboldmädchen

Esthers Tochter – sie trägt den Namen Perle, weil Esther einen „teuren Preis“ für sie bezahlt hat – wächst in den nächsten drei Jahren zu einem hübschen, aufgeweckten Kind heran. Gleichzeitig ist sie jedoch launenhaft und akzeptiert keine Regeln. Dieses Verhalten erinnert Esther an ihre eigene Stimmung während des Ehebruchs. Perle wächst ohne Spielgefährten auf, beschimpft andere Kinder auf Spaziergängen und erfindet in ihren Spielen nur Feinde, niemals Freunde. Ihrer Mutter gegenüber gebärdet sie sich wild und koboldhaft, sodass Esther fürchtet, sie sei von einem Dämon besessen.

Beim Gouverneur

Eines Tages erfährt Esther, dass ihr einige einflussreiche Bürger Perle entreißen und sie in ein Heim geben wollen. Sie geht zu Gouverneur Bellingham. Für den Besuch hat sie Perle in ein scharlachrotes Kleidchen mit Goldstickerei gesteckt. Als sie mit ihrer Tochter in der Halle des Gouverneurs wartet, spiegelt sich Perle in einer blitzenden Rüstung. Esther tritt hinzu und bemerkt mit Schrecken, dass ihr eigenes Bild durch den konvexen Spiegel so verzerrt ist, dass sie hinter dem riesenhaften, scharlachroten Buchstaben verschwindet. Perle hingegen sieht aus wie ein Kobold. Schnell flieht Esther mit ihrer Tochter in den Garten. Dort treffen sie auf den Gouverneur, Pastor John Wilson, Pastor Arthur Dimmesdale und Roger Chillingworth, der mittlerweile Dimmesdales Arzt und Vertrauter geworden ist. Der Gouverneur ist von Perles auffälligem, scharlachrotem Kleid schockiert: Eine Mutter, die ein solches Kleid nähe, könne kein Kind erziehen. Eine Befragung soll zeigen, ob Perle im christlichen Glauben erzogen wurde. Doch das Mädchen ist widerspenstig. Als Pastor Wilson sie fragt, wer sie geschaffen habe, gibt sie zur Antwort, sie sei nicht geschaffen, sondern von dem Rosenbusch neben dem Gefängnis gepflückt worden. Entsetzt wollen Wilson und der Gouverneur Esther ihre Tochter wegnehmen, aber Pastor Dimmesdale bittet die beiden, der Mutter das Kind zu lassen: Perle sei ihre einzige Freude und Zeichen ihrer Sünde zugleich. Sie willigen ein; Esther und Perle verlassen erleichtert das Haus. Draußen vor der Tür lädt Frau Hibbins, die Schwester des Gouverneurs, Esther zu einer nächtlichen Hexenmesse ein. Esther lehnt ab, gibt aber zu, dass sie gekommen wäre, wenn man ihr das Kind genommen hätte.

Der Arzt und sein Patient

Chillingworth wird dank seiner Heilkunde von den Einwohnern Bostons als von Gott geschickter Segen empfunden. Er teilt mit Pastor Dimmesdale, der trotz seiner jungen Jahre zusehends verfällt, bald auch die Wohnung. Die Freunde führen lange Gespräche, doch Dimmesdale, dessen Krankheit psychische Ursachen hat, verschweigt dem Arzt seine Gewissensqualen. Eines Tages gehen Esther und Perle am Fenster der Herren vorbei. Perle behängt den scharlachroten Buchstaben auf dem Kleid ihrer Mutter mit Kletten. Als sie Chillingworth erblickt, bewirft sie ihn mit den Pflanzen. Sie sagt, der schwarze Mann – gemeint ist Chillingworth – habe bereits den Prediger gefangen, sie selbst werde er aber nicht bekommen.

„Mitten auf dem Brustteile ihres Gewandes zeigte sich, von feinem roten Tuch geschnitten und mit prächtig gestickten fantastischen Schnörkeln von Goldfäden umgeben, der Buchstabe A, der Anfangsbuchstabe von Adulteress = Ehebrecherin.“ (S. 63)

Chillingworth fährt fort, seinen Patienten zu beobachten. Dimmesdale leidet entsetzliche seelische Qualen, predigt aber dennoch so charismatisch, dass er weit über die Gemeinde hinaus von sich reden macht. Als Dimmesdale eines Tages über seinen Büchern einschläft, tritt Chillingworth hinzu und schiebt dessen Hemd beiseite. Was er auf der bloßen Brust des Pastors erblickt, löst in ihm unbändige Gefühle aus: Entzücken und Entsetzen zugleich ...

Dimmesdales Qualen

Von Seelenpein getrieben verlässt Dimmesdale in einer dunklen Mainacht das Haus und stellt sich selbst an den Pranger. Er stößt einen Schrei aus, so als wolle er damit die ganze Stadt herbeirufen, um ihn zu richten. Doch alles bleibt still. Pater Wilson, der soeben bei einem Verstorbenen Totenwache gehalten hat, geht vollkommen achtlos unter dem Schandbalkon vorbei. Plötzlich erscheint Esther, die ebenfalls bei dem Verstorbenen war, um Maß für ein Totenhemd zu nehmen. Dimmesdale bittet sie, auf den Pranger zu kommen, und hält fast besinnungslos ihre beiden Hände fest. Perle, die ihre Mutter begleitet, will, dass er am nächsten Mittag so mit ihrer Mutter dort steht. Erschrocken weist er die Forderung von sich, verspricht aber, dies am Tag des Jüngsten Gerichts zu tun. Plötzlich wird der Pranger in helles Licht getaucht und Dimmesdale erblickt ein großes, rot leuchtendes A am Himmel. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um einen vorbeistürzenden Kometen. Von Ferne sieht man Chillingworth, auch er kommt vom Haus des Verstorbenen. Dimmesdale gesteht Esther seinen Hass gegen diesen Mann, der ihn „zum Erbeben“ bringe, und fragt sie, wer er sei. Esther aber schweigt.

Zwischen zwei Männern

Esther hat durch ihre gütige und hilfsbereite Art einiges Ansehen in der Stadt zurückgewonnen. Still und geduldig erträgt sie die Ausgrenzung, spendet sogar den Armen Nahrung und von ihr gefertigte, prachtvolle Gewänder. Sie selbst trägt strenge, unauffällige Kleidung und eine Haube, die ihr Haar züchtig verbirgt. Sie ist dem Leben gegenüber völlig gleichgültig. Für sie gibt es keine Freunde, keine Leidenschaft und keine Liebe. Nach dem nächtlichen Zusammentreffen mit Dimmesdale ist sie entsetzt über dessen Gemütszustand und beschließt, mit ihrem Ehemann zu sprechen. Auf einem Spaziergang redet sie mit ihm. Sie ist schockiert darüber, wie sich Chillingworth gewandelt hat: Statt ruhig und gelassen wie früher, ist er nun zornig und rachsüchtig. Esther hasst ihn plötzlich abgrundtief. Chillingworth entbindet sie schließlich von dem Versprechen, seine Identität nicht zu verraten.

Die Aussprache im Wald

In der Hoffnung, Dimmesdale zu treffen, durchquert Esther mit Perle den Wald. Perle fragt ihre Mutter nach dem „schwarzen Mann“ und Esther gibt zu, ihn schon einmal getroffen zu haben. Er sei es gewesen, der ihr den Buchstaben aufgedrückt habe. Dimmesdale kommt schleppenden Schrittes durch den Wald, und Perle fragt ihre Mutter, weshalb der Pastor immer die Hand auf sein Herz lege. Er scheint dem Tod nahe. Als er Esther erblickt, weiß er zunächst nicht, ob sie Mensch oder Geist ist. Er vertraut ihr seine Seelenqual an, und sie verrät ihm die wahre Identität Chillingworths. Dimmesdale hält diesen für einen größeren Sünder, als sie beide zusammen es sind. Die zwei fühlen sich im Wald, abseits der strengen puritanischen Gesellschaft, sehr wohl. Schließlich schlägt Esther Dimmesdale vor, er könne doch in die Wildnis gehen oder nach Europa zurückkehren. Dimmesdale jedoch zögert und sagt, allein könne er es nicht schaffen. Daraufhin bietet Esther ihm ihre Begleitung an. Sie reißt sich den scharlachroten Buchstaben vom Kleid und löst ihr üppiges schwarzes Haar. Der Sonnenschein bricht in einer Flut von Licht durch die Bäume. Dann ruft Esther Perle herbei, damit Dimmesdale sie besser kennen lernt. Als das Kind seine Mutter so verändert sieht, das Haar offen und der Buchstabe verschwunden, wird es zornig. Esther steckt den Buchstaben wieder an, doch, wie sie sagt, nur für wenige Tage. Der Pastor küsst Perle auf die Stirn, aber das Mädchen wäscht den Kuss sofort wieder im Wasser des Bachs ab.

„Ich werde diesen Mann suchen, wie ich in den Büchern die Wahrheit, wie ich in der Alchemie das Gold gesucht habe. Es gibt eine Sympathie, die mich ihn ahnen lassen wird. Ich werde ihn zittern sehen, ich werde plötzlich und unerwartet einen Schauder fühlen. Früher oder später muss er mein werden.“ (Chillingworth, S. 87)

Esther und Dimmesdale verabreden, in vier Tagen ein Schiff nach Bristol zu nehmen. In der Zwischenzeit will Dimmesdale die Gelegenheit nutzen, noch eine Predigt für die Wahl des neuen Gouverneurs – quasi als Abschluss seiner Karriere – zu halten. Wie berauscht schreitet er durch die Stadt. Alles scheint ihm verändert. Er geht aufgeregt nach Hause, wo er den Beruhigungstrank Chillingworths dankend ablehnt und seine Predigt vorbereitet.

Die Predigt

Am nächsten Tag gehen Esther und Perle zum Marktplatz, um den Feierlichkeiten anlässlich der Ernennung des neuen Gouverneurs beizuwohnen. Perle fragt die Mutter, wann Dimmesdale sich zu ihnen gesellen werde. Esther bringt sie erschrocken zum Schweigen, schließlich soll niemand davon erfahren. Vom Kapitän des Schiffes nach Bristol erfährt sie, dass außer ihr, Perle und Dimmesdale noch ein weiterer Passagier an Bord sein wird: Roger Chillingworth.

„Nachdem das Kind seinen Finger in den Mund gesteckt und sich mehrfach heftig geweigert hatte, die Frage des guten Pfarrers Wilson zu beantworten, erwiderte es endlich, dass es gar nicht geschaffen worden sei, sondern dass seine Mutter es von dem wilden Rosenbusche gepflückt habe, welcher neben der Gefängnistür stand.“ (S. 127)

Die Prozession zieht auf den Marktplatz. Pastor Dimmesdale erscheint ungewohnt agil und kräftig. Esther fühlt eine große Entfremdung zwischen sich und ihm, auch Perle erkennt ihn nicht wieder. Seine Predigt empfindet Esther als traurig, ohne dass sie die Worte verstehen kann. Dimmesdale erhält großen Beifall, doch hat er plötzlich alle Kraft verloren. Zur Verwunderung aller steigt er auf die Schandbühne und hilft Esther und Perle herauf. Chillingworth will ihn davon abhalten, aber Dimmesdale ist fest entschlossen. Er offenbart dem entsetzten Volk das Brandmal auf seiner Brust. Dieses sei stärker als Esthers Buchstabe, aber bei Weitem nicht so stark wie das Brandmal auf seiner Seele. Nach diesen Worten bricht er sterbend zusammen. Manche meinen, sie hätten auf Dimmesdales Brust ein A gesehen, so wie Esther eines trägt. Chillingworth, um seine Rache gebracht und damit seines Lebenszwecks beraubt, stirbt ein Jahr später. Er hinterlässt Perle eine ansehnliche Summe. Esther und ihre Tochter werden viele Jahre nicht gesehen – bis eines Tages eine grau gekleidete Frau mit dem scharlachroten Buchstaben auf der Brust wieder in das kleine Haus einzieht: Es ist Esther. Man mutmaßt, dass Perle in England geheiratet hat und ihre Mutter von dort aus versorgt. Esther selbst tut Buße, indem sie sich um Rat suchende Frauen kümmert. Nach ihrem Tod wird sie neben Arthur Dimmesdale beigesetzt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Abgesehen vom einleitenden Kapitel „Das Zollhaus“, das wegen der ironischen Beschreibung der Zollbeamten einen regelrechten Skandal auslöste, entspinnt sich die Handlung des Romans in den engen Kreisen der puritanischen Gemeinde Bostons. Mit dem Einleitungskapitel, in dem der Erzähler nicht nur alte Dokumente findet, die Aufschluss über Esther Prynnes Leben geben, sondern auch einen scharlachroten Stoffbuchstaben, gibt Hawthorne der Geschichte einen Rahmen und einen Anstrich von Authentizität. Zentraler Ort der Handlung ist der Richtplatz. Dreimal landet Esther hier und jedes Mal schlägt der Handlungsverlauf anschließend eine neue Richtung ein: Zuerst wird sie verurteilt, dann offenbart sich Dimmesdale ihr, und schließlich kommt hier die ganze Wahrheit ans Licht. Hawthornes Roman strotzt geradezu vor Symbolen und Allegorien. Hierzu gehören der Buchstabe A, der Wald, der Meteor und einzelne Charaktere. Selbst das Mädchen Perle ist ein einziges wandelndes Symbol: Sie ist die fleischgewordene Sünde und gleichzeitig ein Segen für ihre Mutter. Hawthorne sah sein Werk weniger als Roman denn als Romanze, eine amerikanische Version des Abenteuer- und Liebesromans.

Interpretationsansätze

  • Die Romanfiguren haben sprechende Namen, die ihren Charakter offenbaren: Dimmesdale (engl. „dim“ = trüb) ist eine erbärmliche, trübsinnige Figur. Chillingworth („chilling“ = frostig) ist zunächst ein eiskalt kalkulierender, rachsüchtiger Mann; später allerdings wird er ein wertvoller Mensch („worth“ = Wert), als er Esthers Tochter ein großzügiges Erbe vermacht. Esther (im engl. Original „Hester“) borgt ihren Vornamen von einer mutigen Frau im Alten Testament.
  • Esthers Sünde ist eine Parallele zum Sündenfall der biblischen Eva. In dieser Sichtweise weitet sich der Kontext vom lokal begrenzten zum universalen: Die Neue Welt kann als Garten Eden, Esthers Verfemung als Vertreibung aus dem Paradies gesehen werden.
  • Esther spielt die Rolle einer Heldin, geradezu einer Märtyrerin, die das Schicksal der Ausgestoßenen annimmt, das Zeichen ihrer Ausgrenzung mit Stolz trägt und sich durch ihre Lebensweise den Respekt der Gesellschaft zurückerobert. Allerhand gesellschaftliche Strömungen, von der Romantik bis zum Feminismus, zählten Esther Prynne zu den stärksten Frauengestalten der Literaturgeschichte.
  • Der Roman kreist um das Thema Schuld und Sühne. Jeder der drei zentralen Charaktere lädt Schuld auf sich und büßt auf eigene Weise dafür: Esther bereut ihren Fehltritt und lebt in der Verbannung. Dimmesdales Schuld ist größer als Esthers: Sein Gewissen richtet ihn schließlich mit dem Tod (oder der Erlösung), als er seine Sünden bekennt. Chillingworth wird von seinem Hass und seinem Rachedurst innerlich aufgefressen: Als ihm der Triumph versagt wird, scheint er ausgebrannt.
  • Hawthorne verwendet mehrere Symbole in seinem Roman, allen voran natürlich der scharlachrote Buchstabe selbst. Er ist eigentlich ein Symbol der gesellschaftlichen Ächtung, doch Esther deutet dieses um zu einer Auszeichnung.
  • Orte und Tageszeiten unterstreichen den Konflikt zwischen Gesellschaft und Individuum, zwischen den Regeln der puritanischen Gemeinschaft und der Regellosigkeit des menschlichen Herzens: Die Gemeinde, der Marktplatz, das Gefängnis und der Richtplatz stellen die unbarmherzigen Regeln der Gesellschaft dar. Im dunklen Wald jedoch, im noch unerforschten Amerika, brechen die Ketten der Gesellschaft.

Historischer Hintergrund

Die Puritaner in Neuengland

Als Hawthornes Roman 1850 erschien, waren die Vereinigten Staaten schon kräftig dabei, sich zum „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu entwickeln: Nicht nur im Unabhängigkeitskrieg von 1775–1783, auch in einem weiteren Krieg hatten sich die Amerikaner 1812–1814 gegen ihre einstigen Kolonialherren behauptet. In unzähligen Trecks bewegten sich die Siedler nach Westen. Die Eisenbahn dampfte mit der berauschenden Geschwindigkeit von 20 km/h durchs Land. Nathaniel Hawthorne jedoch richtete seinen Blick zurück: Wie war es, als die ersten Siedler sich an der Ostküste niederließen? Wie erging es den Nachfahren der Pilgerväter, jener Gruppe von Puritanern, die 1620 mit der berühmten Mayflower in Massachusetts gelandet waren?

Die Puritaner hatten versucht, die anglikanische Kirche in England zu verändern. „Pure“, also rein, sollte der Gottesdienst sein: Der Mensch sollte direkt mit Gott kommunizieren. Die Bibel galt als einzige Autorität. Heiligenbilder, prunkvolle Gewänder, Symbole und alles, was vom Kern des Christentums ablenkte, wurde von den Puritanern abgelehnt. Im Zentrum des Glaubens stand die Bekehrung, die bewusste Hinwendung zu Gott. Das Aufbegehren der Gemeinschaft führte u. a. zum Englischen Bürgerkrieg (1642–1649). Der Puritaner Oliver Cromwell besiegte König Karl I., ließ ihn hinrichten und machte England zur Republik. Nach der Rückkehr Karls II. und der damit einhergehenden Restauration der anglikanischen Kirche wurden die Puritaner von allen höheren Ämtern ausgeschlossen. Viele flohen in die Neue Welt. In Neuengland wurde der Puritanismus zur bestimmenden Religion. Strenge moralische Werte, ein positives Arbeitsethos, Ehrgeiz, Askese und der Glaube daran, „god’s own people“, ein auserwähltes Volk zu sein, trieben die Puritaner an. All dies spielte auch eine gewichtige Rolle für das nationale Selbstverständnis der Amerikaner – und tut es bis heute. Die Puritaner waren aber keineswegs eine geschlossene Gemeinschaft. Viele verschiedene Splittergruppen grenzten sich voneinander ab. Aus den Puritanern gingen u.a. die Quäker und die Baptisten hervor.

Entstehung

Der scharlachrote Buchstabe mag manchem Leser wie eine lange Kurzgeschichte erscheinen: Sieht man von der Rahmenhandlung ab, ist das Geschehen auf nur einen Ort konzentriert und besitzt keine Nebenhandlungen. Tatsächlich ist der Roman aus einer Kurzgeschichte hervorgegangen. Im Jahr 1849 verlor Hawthorne seinen Posten im Zollhaus von Salem. Danach widmete er sich fast ausschließlich der Schriftstellerei. Sein Interesse galt den ersten Siedlern, den Puritanern, ihren strengen Regeln und den Themen Sünde und Schuld. Nicht einmal ein halbes Jahr brauchte Hawthorne für die Geschichte um Esther Prynne: Er arbeitete von September 1849 bis Februar 1850 daran. Ursprünglich sollte die Story als eine unter vielen Kurzgeschichten in dem Sammelband Old-Time Legends erscheinen, aber der Verleger überredete Hawthorne im Winter 1849 dazu, nur diese eine Geschichte zu veröffentlichen – dafür aber in Romanlänge. Zuerst hielt der Autor nur wenig davon: „Wer würde schon etwas von mir verlegen, dem unpopulärsten Schriftsteller von Amerika?“, hatte er das Ansinnen des Verlegers kommentiert. Der aber versprach ihm, er wolle jedes Werk Hawthornes in einer 2000er-Auflage herausbringen. Als Hawthorne das Manuskript fertig hatte, las er es seiner Frau vor: „Die Geschichte brach ihr das Herz und sie musste mit furchtbaren Kopfschmerzen ins Bett gebracht werden. Ich betrachtete es als triumphalen Erfolg.“

Wirkungsgeschichte

Das Buch wurde am 16. März 1850 veröffentlicht und war ein phänomenaler Erfolg, auch beim Massenpublikum. Die erste Auflage von 4000 Exemplaren war binnen zehn Tagen ausverkauft. Eine zweite und dritte Auflage erschienen in schneller Folge und das Buch wurde zum beliebten Lesestoff in den USA. Der dadurch ausgelöste Geldsegen ermöglichte es Hawthorne, sich weiter intensiv mit der Schriftstellerei zu beschäftigen. Die erste deutsche Übertragung erschien bereits 1851 unter dem Titel Der Scharlachbuchstabe. Die ersten Rezensenten fanden das Buch „düster“ und „seltsam“, hoben aber hervor, dass es einen ganz eigenen, originell amerikanischen Stil besitze. Nathaniel Hawthorne gilt heute als eine zentrale Figur bei der Ausformung des modernen psychologischen Romans. Etwa zeitgleich wie Hawthorne widmete sich der russische Schriftsteller Fjodor M. Dostojewski dem Thema Schuld und Sühne in seinem gleichnamigen Roman.

Schon 1876 wurde Hawthornes Werk erstmals von E. W. Peck in ein Drama umgearbeitet. 1899 kam eine weitere Bühnenfassung unter dem Titel The Scarlet Stigma von J. E. Smith heraus. Am 10. Februar 1896 feierte die Opernfassung von Walter Johannes Damrosch in Boston Premiere. Auch als Film wusste der Stoff zu begeistern. Unter den zahlreichen Verfilmungen ragen die Stummfilmfassung von Victor Sjöström (1926) sowie die deutsche Adaption von Wim Wenders (1973) mit Senta Berger in der Hauptrolle heraus. Die jüngste Hollywood-Verfilmung von 1995 mit Demi Moore und Gary Oldman hat mit der Vorlage allerdings nicht besonders viel gemein. Heute gehört der Roman zum Kanon der amerikanischen Literaturgeschichte. Die Sekundärliteratur ist ebenso unüberschaubar wie die Fülle an Deutungen, die der Roman erfahren hat.

Über den Autor

Nathaniel Hawthorne wird am 4. Juli 1804 in Salem, Massachusetts geboren. Seine Abstammung lässt sich bis zu seinem Urgroßvater John Hathorne (das „w“ hat erst Nathaniel dem Familiennamen hinzugefügt) zurückverfolgen, einem der Richter aus den berühmten Hexenprozessen in Salem von 1692. Nathaniel wird sich bei seiner schriftstellerischen Arbeit immer wieder auf seine puritanischen Wurzeln besinnen. Er besucht das Bowdoin College in Maine und arbeitet ab 1825 als Journalist und als freier Schriftsteller. Später wird er Zollinspektor und muss, wie der Erzähler in der Einleitung zu Der scharlachrote Buchstabe, bei einem politischen Wechsel seinen Hut nehmen. 1842 heiratet er die Malerin Sophia Peabody. Er lernt die Dichter Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau kennen, mit deren „amerikanischem Transzendentalismus“ kann er jedoch wenig anfangen. Stattdessen reflektiert er kritisch über die Geschichte seines eigenen Urgroßvaters, der Gründerväter und der ganzen jungen Nation. Mit Herman Melville schließt er 1850 eine Freundschaft, die insbesondere für Melville eine große Inspiration ist: Dessen Roman Moby Dick widmet er dem Freund. Hawthornes Hauptthemen Schuld und Vergebung sowie religiöser Fatalismus finden außer in Der scharlachrote Buchstabe auch in seine weiteren Werke Eingang, darunter: Das Haus mit den sieben Giebeln (The House of the Seven Gables, 1851), Der Marmorfaun (The Marble Fawn, 1860) und zahlreiche Kurzgeschichten. Trotz seiner Bekanntheit leidet Hawthorne Zeit seines Lebens an Geldknappheit. 1852 geht er nach Europa und wird Konsul von Liverpool. Nach mehreren Reisen kehrt er 1859 nach Amerika zurück und stirbt am 19. Mai 1864 in Plymouth, New Hampshire.

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