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Der Spion, der aus der Kälte kam

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Der Spion, der aus der Kälte kam

Ullstein,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Alles andere als James Bond: das Agentenleben, wie es wahrscheinlich wirklich ist.


Literatur­klassiker

  • Spionageroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Die Psychologie des Kalten Krieges

Wer an Geheimagenten denkt, hat sofort glamouröse Bilder aus den James-Bond-Filmen vor Augen: schöne Frauen, Cocktails, geheime Treffen auf den Bahamas. John le Carrés Thriller bietet ein ganz anderes Bild: Spione, die über die Jahre ausbrennen und an „Materialermüdung“ leiden. Le Carré will seinen Roman weder autobiografisch noch als auf Tatsachen beruhend verstanden wissen. Dennoch vermittelt er dem Leser den Eindruck, die wahre Grundstimmung an den geheimen Fronten des Kalten Krieges einzufangen. Der Protagonist Alec Leamas lässt sich als Überläufer gewinnen und wird Teil eines teuflischen Plans. Er muss sich immer die Frage stellen, ob Informationskrumen von der Gegenseite ausgelegt wurden, um von den eigentlichen Vorgängen abzulenken. Ständige Täuschung und Gegentäuschung führen so weit, dass die Agenten am Ende kaum noch wissen, für wen sie wirklich arbeiten. Leamas und seine Kollegen sind von einer Aura des Misstrauens umgeben, die sich im Privaten unweigerlich fortsetzt. Leamas’ Resignation, seine zunehmende Unfähigkeit, zwischen Rolle und Wirklichkeit zu unterscheiden, und seine Sehnsucht nach Normalität nehmen den Leser gefangen und machen den Spion, der aus der Kälte kam zu einem Roman, der das Agentengenre wie kein anderer geprägt hat.

Take-aways

  • Der Spion, der aus der Kälte kam zählt zu den bekanntesten Agententhrillern überhaupt und begründete John le Carrés Weltruhm.
  • Inhalt: Der britische Agent Alec Leamas bietet sich dem ostdeutschen Geheimdienst als Doppelagent an, um seinen Erzfeind Mundt, den Chef der ostdeutschen Aufklärung, zu Fall zu bringen. Er wird zur Marionette in einem teuflischen Versteckspiel, und als er seine Aufgabe erledigt hat, wird er schlicht ausgeschaltet.
  • Im Roman gibt es kein Schwarz und Weiß, kein Gut und Böse, sondern nur Grautöne und Zwischenstufen. Die Figuren bauen sich ihr eigenes moralisches System auf.
  • Der Roman spielt im Jahr 1962, wenige Monate nach dem Bau der Berliner Mauer, als sich Ost und West feindlicher gegenüberstanden denn je.
  • Die Hauptfigur Alec Leamas wurde oft als die realistische Gegenfigur zum glamourösen James Bond gesehen.
  • Der Roman ist Teil der George-Smiley-Reihe, wenngleich dieser im Spion, der aus der Kälte kam nur eine Nebenrolle spielt.
  • John le Carré hat selbst als Nachrichtenoffizier in der britischen Botschaft in Bonn gearbeitet.
  • Er wehrte sich vehement gegen die Annahme, sein Thriller sei eine Art Enthüllungsroman.
  • 1965 wurde das Buch mit Richard Burton in der Hauptrolle verfilmt.
  • Zitat: „Was glaubst du denn, was Spione sind – Priester, Heilige und Märtyrer? Nein, sie sind ein verkommener Haufen von eitlen Idioten und Verrätern: Schlappschwänze, Sadisten, Säufer – Leute, die Räuber und Gendarm spielen, um ihrem armseligen Dasein ein bisschen Glanz zu verleihen.“

Zusammenfassung

Alte und neue Missionen

Der britische Agent Alec Leamas wartet an einem Grenzposten an der Berliner Mauer auf seinen Informanten Karl Riemeck, der an diesem Tag aus dem Osten kommen soll. Dieser erreicht tatsächlich wenig später die Grenze. Kurz bevor er den Westsektor betritt, wird er jedoch von einem ostdeutschen Grenzbeamten erschossen. Leamas fliegt daraufhin zurück nach London – im sicheren Gefühl, versagt zu haben. Sein Gegenspieler Hans-Dieter Mundt hat nun alle britischen Agenten vor Ort ausgeschaltet. Leamas ist um die 50 und sicher, dass seine Karriere beendet ist und er nicht einmal Aussicht auf einen Schreibtischjob hat. Er trifft seinen Vorgesetzten Control in dessen Büro. Control eröffnet Leamas, dass er Mundt tot sehen will und Leamas bei diesem Plan eine zentrale Rolle spielen soll.

Leamas steigt ab

Leamas wird in die Bankabteilung versetzt. In der Folge verwahrlost er zusehends. Er zeigt sich in seiner neuer Stelle so unhöflich und verbittert, dass ihn niemand vermisst, als er gefeuert wird. Er trinkt immer mehr und hält sich mit Hilfsjobs über Wasser, die er jeweils schnell wieder aufgibt. Schließlich tritt er eine Stelle in der Bayswater Bibliothek für Parapsychologische Forschung an, wo er mit der sympathischen Liz Gold zusammenarbeitet. Sie scheint an Leamas Gefallen zu finden. Aus den beiden wird ein Paar – obwohl Liz von Anfang an ahnt, dass er sie eines Tages alleinlassen wird. Sie ist Kommunistin, was Leamas eher amüsiert als stört. Als sie ihm ihre Liebe gesteht, erwidert er nichts. Eines Abends verabschiedet er sich von ihr und bitte sie, nie wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen. Am nächsten Tag will er im Lebensmittelladen um die Ecke anschreiben lassen, doch der Inhaber weigert sich. Daraufhin streckt Leamas ihn mit zwei gezielten Schlägen nieder. Leamas wird festgenommen und zu einer Haftstrafe verurteilt.

Kontaktaufnahme nach der Haft

Leamas wird nach drei Monaten Gefängnis wieder entlassen. In der Stadt wird er von einem Mann angesprochen, der behauptet, sein Name sei Bill Ashe und er kenne Leamas aus Berlin. Leamas glaubt ihm kein Wort, lässt Ashe jedoch seine Rolle weiterspielen. Sie verabreden sich für den nächsten Tag. Um etwaige Verfolger abzuschütteln, sucht Leamas das Haus seines ehemaligen Kollegen George Smiley auf. An dessen Stelle erwartet ihn dort Control mit dem Hinweis, Smiley sei aus dem Plan ausgestiegen. Control entschuldigt sich für die bisherigen Unannehmlichkeiten, die für das Gelingen des Plans nötig gewesen seien. Er weiß über Liz Bescheid – Leamas bittet Control inständig, sie in Ruhe zu lassen.

„Die Spionage kennt nur ein moralisches Gesetz – sie rechtfertigt sich durch ihre Ergebnisse.“ (S. 23)

Am nächsten Tag trifft Leamas Ashe wieder. Dieser erzählt von einem lukrativen Jobangebot und stellt Leamas seinem angeblichen Chef Sam Kiever vor. In einem Nachtklub unterbreitet Kiever Leamas ein Angebot: Für die Beantwortung einiger Fragen wolle sein Auftraggeber zunächst 15 000 Pfund zahlen, für Antworten im Lauf des kommenden Jahres weitere 5000 Pfund. Um den Auftraggeber zu treffen, solle es schon am nächsten Tag nach Holland gehen.

Der geplante Geheimnisverrat

Am nächsten Morgen fliegt Leamas mit Kiever nach Den Haag, wo sie auf einen Mann namens Peters treffen. Leamas will nur einmalig für eine Befragung zur Verfügung stehen. Er berichtet bereitwillig über seine Laufbahn, spricht von seinem Militärdienst und davon, wie er im Krieg zuerst für den Secret Service tätig war, wie er nach Kriegsende in der Firma seines Vaters und später in einem Reisebüro gearbeitet hat, um dann zum Geheimdienst zurückzukehren. 1951 wurde er stellvertretender Gebietsleiter in Berlin, wo er in mühevoller Kleinarbeit ein Netz von Agenten aufbaute. Sein größter Erfolg war es, Karl Riemeck, Mitarbeiter des Parteisekretariats und drittwichtigster Mann im Innenministerium, für seine Sache zu gewinnen. Von ihm erhielt er wertvolle Dokumente. Peters äußert während des Gesprächs immer wieder den Verdacht, Riemeck hätte nicht ohne Hilfe von höherer Stelle so umfassende Informationen liefern können.

„Leamas verlotterte. Der Verlotterungsprozess gilt gemeinhin als langwierig, doch bei Leamas war das anders. Vor den Augen der übrigen Mitarbeiter verwandelte er sich von einem in Ehren ausgemusterten Kollegen in ein verbittertes, versoffenes Wrack – alles binnen weniger Monate.“ (S. 35)

Leamas berichtet dann von seiner Zeit nach der Rückkehr nach London. Er erzählt, wie er in die Bankabteilung versetzt und schließlich gefeuert wurde. Wegen kluger Regelungen habe er in der Bankabteilung kaum etwas Brisantes erfahren. Ein Fall habe jedoch seine Neugier geweckt. Er sollte im Auftrag von Control unter dem Projektnamen „Rolling Stone“ im Abstand einiger Monate hohe Geldsummen bei Banken in Oslo und Helsinki einzahlen. Peters wird hellhörig. Leamas versichert Peters jedoch, dass es sich allen Indizien zum Trotz bei dem Empfänger nicht um einen Deutschen handeln könne; aus seiner Zeit in Berlin kenne er alle Agenten. Insgeheim hofft Leamas jedoch, dass Peters von einem deutschen Empfänger ausgeht. Am nächsten Tag erfährt Leamas von Peters, dass er in England zur Fahndung wegen Geheimnisverrats ausgeschrieben ist – das ist nicht Teil der Abmachung mit Control. Angst keimt in ihm auf. Peters kündigt an, dass sie zusammen nach Ostdeutschland fahren werden.

„Sechs Tage lang kam sie täglich. Er blieb immer wortkarg, und einmal, als sie ihn fragte, ob er sie liebte, sagte er, er glaube nicht an Märchen.“ (über Liz und Leamas, S. 56)

Derweil macht sich Liz Sorgen um Leamas. Sie kann ihn nicht vergessen. Eines Tages tauchen zwei Männer, George Smiley und ein Kollege, bei ihr auf und befragen sie nach ihrer Beziehung zu Leamas. Liz erklärt ihnen, dass sie ihn liebt und auf ihn wartet und dass er sich von ihr verabschiedet hat, weil er etwas zu erledigen hatte. Sie erwähnt, dass Leamas zwar von ihrer politischen Gesinnung wusste, aber dass ihre Beziehung niemandem bekannt sei – selbst in der Partei nicht.

Der Plan geht auf

Leamas ruft sich Controls Anweisung ins Gedächtnis, die Gegenseite für jede Information arbeiten zu lassen. In Ostdeutschland bringt man ihn zu einem abgelegenen Haus, wo er von Fiedler, Mundts rechter Hand, erwartet wird. Genau so sollte es nach Controls Plänen laufen. Fiedler hat als Jude allen Grund, den Antisemiten Mundt zu hassen und sich an dessen Sturz zu beteiligen. Die Munition dafür soll Leamas ihm liefern. Am nächsten Tag beginnt Fiedler, Leamas zu befragen. Er ist nur an einem Thema interessiert: an „Rolling Stone“, der Operation, bei der Geld in Oslo und Helsinki eingezahlt wurde. Fiedler will wissen, wer Zugang zu der Akte hatte und wie sie weitergegeben wurde. Leamas bestätigt, mit dem Fall seien hauptsächlich für Ostdeutschland zuständige Personen beschäftigt gewesen. Er beharrt weiterhin darauf, dass es sich bei dem Empfänger des Geldes nicht um einen Deutschen handeln könne.

„‚Das ist Ihr letzter Auftrag‘, sagte er. ‚Danach können Sie aus der Kälte hereinkommen.‘“ (über Control, S. 71)

Fiedler und Leamas unternehmen ausgedehnte Spaziergänge in den Wäldern. Fiedler stellt ununterbrochen Fragen, zum Beispiel nach der Ideologie der Engländer im Allgemeinen und der Geheimdienste im Besonderen. Dann kommt er wieder auf „Rolling Stone“ zurück. Leamas soll einen Brief an die Banken schreiben und um Kontoauszüge bitten. Leamas bleibt Tag und Nacht in seiner Rolle und erlaubt sich nur selten, über seine Mission nachzudenken. Immer wieder ist er erstaunt, wie reibungslos Controls Plan funktioniert.

„‚Hören Sie‘, sagte Leamas abrupt, ‚ab jetzt können wir auf das Gesäusel verzichten, in Ordnung? Wir wissen beide, worum es geht, wir sind beide Profis. Sie haben einen Überläufer angeworben – viel Glück. Aber tun Sie verdammt noch mal nicht so, als ob Sie in mich verliebt wären.‘“ (Leamas zu Peters, S. 92)

Leamas schreibt die Briefe an die Banken und berichtet Fiedler, was er über Mundts Zeit in England weiß: Mundt hatte mehrere Briten auf dem Gewissen und wurde vom Secret Service gesucht. Leamas erklärt jedoch, dass es für ihn so aussah, als wollte der Secret Service Mundt gar nicht fassen. Fiedler gesteht ihm am Tag darauf, er sei schon lange nicht mehr damit einverstanden, dass Mundt Informanten kaltblütig töten lasse. Er habe den Eindruck, Mundt fürchte, was sie erzählen könnten. Leamas reagiert entsetzt und entrüstet auf Fiedlers Verdacht, Mundt könnte ein britischer Agent sein. Wenn dem so wäre, stellt er klar, hätte er nun wirklich davon wissen müssen. Fiedler hat nun jedoch ein weiteres Indiz. Die dänische Bank hat geantwortet: Von dem Konto wurde in genau dem Zeitraum Geld abgehoben, in dem Mundt sich in Dänemark aufgehalten hat.

Mundts Gegenangriff

Liz erhält einen Brief von der Parteizentrale: Sie wird eingeladen, auf Parteikosten für drei Wochen in die DDR zu fahren, um den Austausch zwischen den Genossen zu fördern. Sie ist misstrauisch und fragt sich, wie man wohl auf sie gekommen ist. Einige Zeit zuvor hat sie einen Mann namens Ashe kennengelernt, der gute Kontakte in die DDR unterhält. Vielleicht, denkt sie, hat Ashe sie ja empfohlen. Sie schiebt ihre Zweifel beiseite und sagt zu.

„Das gehört schließlich zu unserer Arbeit, dass man nur Ausschnitte kennt, nie das Ganze. Das wissen Sie so gut wie ich. Wer neugierig ist, der hat verschissen.“ (Leamas zu Peters, S. 116)

Als Fiedler und Leamas von einem ihrer Ausflüge zurückkehren, werden sie von drei Männern erwartet und festgenommen; Leamas wird bewusstlos geschlagen. Als er wieder aufwacht, wird er von Mundt verhört, der ihm auch mitteilt, dass Fiedler wegen Verschwörung verhaftet wurde. Leamas fällt abermals in Ohnmacht. Das nächste Mal, als er aufwacht, liegt er in einem Krankenhausbett. Fiedler ist bei ihm und berichtet, was seit ihrer Festnahme geschehen ist. Fiedler hatte zuvor beantragt, dass Mundt als Volksfeind verhaftet wird. Mundt hatte davon erfahren und mit der Festnahme der beiden reagiert. Doch während Leamas und Fiedler von ihm verhört wurden, wurden Fiedlers Beweise gegen seinen Vorgesetzten, die er über Jahre gesammelt hatte, von der Parteiführung geprüft. Nun soll Mundt vor einem Tribunal für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden.

Das Tribunal

Die Verhandlung gegen Mundt beginnt. Fiedler resümiert Mundts Laufbahn und stellt den Inhalt seiner Akte vor. Mundt sei während seines Aufenthalts in England gefasst und zum Überlaufen bewegt worden. Danach hätte er zunächst selbst, dann über den Mittelsmann Riemeck brisante Informationen an die Briten verkauft. Er befragt Leamas, der weiter behauptet, nichts gewusst zu haben, aber die Überweisungen bestätigt. Fiedler erklärt, daran, dass selbst der Leiter des Berliner Büros des Secret Service nichts gewusst habe, werde die geniale Skrupellosigkeit von Mundts Verrat deutlich.

„‚Es müssen ihre eigenen Schlüsse sein, nicht die unsrigen‘, hatte Control gesagt. ‚Wir müssen ihnen das Material liefern, aber bei ihren Schlussfolgerungen skeptisch bleiben. Uns auf ihre Intelligenz und ihre Eitelkeit verlassen, auf ihr Misstrauen gegeneinander – das ist der Weg.‘“ (S. 118)

Mundts Verteidiger Karden übernimmt das Wort. Er erklärt, hinter allem stecke ein Komplott des britischen Secret Service. Fiedler sei auf einen genialen Plan und auf Leamas’ Schauspielkünste hereingefallen. Mundt habe das kommen sehen und Vorkehrungen getroffen. Dann wird Liz hereingeführt. Karden befragt sie zu ihrer Beziehung zu Leamas, ohne ihr zu sagen, worum es in der Verhandlung geht. Sie ist sicher, dass sie Leamas mit ihrer Aussage schaden kann, weiß aber nicht, mit welchen Informationen genau: Also sagt sie einfach die Wahrheit. Sie bestätigt, dass sie von Smiley besucht wurde. Zudem erwähnt sie, Freunde von Leamas hätten seine Schulden für Strom und Miete bezahlt und ihr 1000 Pfund überwiesen. Karden sieht darin einen eindeutigen Beweis, dass Leamas geschickt wurde, um Fiedler zu täuschen und Mundt zu verleumden.

Verloren

Leamas gibt sich geschlagen, er will nur noch versuchen, Liz und Fiedler zu retten. Darum gesteht er alles: wie er zusammen mit Control und Smiley den Plan entwickelt hat und alles so aussehen ließ, als sei er ein Überläufer. Er betont, Fiedler habe nichts davon gewusst und immer linientreu gehandelt. Fiedler stellt die Frage, wie Mundt von Liz’ neuem Vermögen wissen konnte, doch das interessiert die Richter nicht mehr. Leamas und Fiedler sollen in Haft bleiben, bis der Staatsanwalt ihre Strafen festsetzt. Als Leamas sieht, wie Mundt Fiedler mit der Miene eines Henkers mustert, hat er eine Erleuchtung – auf einmal wird ihm klar, was gerade geschehen ist.

„Leamas wusste nur zu gut, welch einsame Sache es ist, eine vorgetäuschte Rolle durchhalten zu müssen, darum schlug er den Kurs ein, bei dem er sich am besten gewappnet fühlte; selbst wenn er allein war, behielt er die Maske auf.“ (S. 163)

Liz wird in eine Zelle gesperrt. Später wird sie abgeholt – von Mundt: Er bringt sie nach draußen, wo Leamas in einem Wagen wartet. Sie fahren Richtung Berlin. Auf ihre Frage, warum Mundt Leamas laufen lässt, erklärt er ihr, dass sie beide Figuren in einem Komplott enormen Ausmaßes gewesen sind: Mundt ist tatsächlich ein britischer Agent. Alles Vorangegangene sollte nur dazu dienen, Fiedler, der gegen Mundt ermittelte, aufzuhalten. Leamas ist wütend. Dennoch nimmt er das Erlebte hin. Es dient einem höheren Ziel: dem Schutz eines hochrangigen Informanten. Liz will diese Erklärung nicht gelten lassen. Sie meint, der Zweck könne nicht immer die Mittel heiligen, Fiedler sei ein guter Mann, den man nicht einfach opfern sollte. Leamas kontert, genau das sei doch die oberste Regel der Partei, der sie angehöre.

„Aber Mundts Blick ruhte auf Fiedler: der sachliche Blick des Henkers, der für den Strick Maß nimmt. Und schlagartig, mit der furchtbaren Klarsicht eines Mannes, der sich zu lange hat täuschen lassen, durchschaute Leamas den ganzen grausigen Bluff.“ (S. 251)

Nach einer Weile treffen sie einen Mann, der ihnen den Weg zur Berliner Mauer zeigt und ihnen Instruktionen für die Flucht gibt. Kaum sind sie an der Mauer angelangt, werden Liz und Leamas von einem Suchscheinwerfer erfasst. Sirenen ertönen, dann folgen Schüsse. Liz wird getroffen und Leamas, der schon halb über die Mauer war, klettert wieder herunter. Kurz darauf wird auch er erschossen.

Zum Text

Aufbau und Stil

In 26 Kapiteln erzählt John le Carré die letzte Mission des britischen Agenten Alec Leamas. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, die Handlung erstreckt sich über etwa ein Jahr. Dass hinter Leamas’ Vereinsamung, seiner Haftstrafe und seiner Anwerbung durch die Ostdeutschen ein ausgeklügelter Plan steht, ahnt der Leser zunächst nur – aufgrund geschickter Auslassungen. Eine Bestätigung erhält er erst, als ein weiteres Treffen von Leamas’ mit seinem Vorgesetzten Control beschrieben wird. Der Plan in seiner ganzen Tragweite bleibt aber sowohl dem Leser als auch Leamas weiterhin verborgen und wird erst ganz am Ende enthüllt. Mit Ausnahme einiger Abschnitte aus Liz’ Sicht liegt dem Leser nur Leamas’ Perspektive auf die Geschehnisse vor. Da dieser jedoch immer stärker unter Druck gerät, sind seine Einschätzungen zuweilen unzuverlässig. Genau wie Leamas bei den Befragungen gibt auch der Erzähler immer nur Informationsbrocken preis, die sich zum Teil widersprechen. So hält er dauerhaft Spannung und Zweifel am Erzählten aufrecht. Dabei bedient er sich einer mitunter geradezu poetischen Sprache, die der Trostlosigkeit von Leamas’ Aufgabe eine morbide Ästhetik verleiht.

Interpretationsansätze

  • Der Spion, der aus der Kälte kam spielt in Berlin im Jahr 1962, nur wenige Monate nach dem Mauerbau. Die Geheimdienste beider Seiten führten von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt einen erbitterten Krieg – mit immer brutaleren Methoden. Auch wenn es sich nicht um einen Enthüllungsroman handelt, wird hier die düstere und von Unsicherheit geprägte Grundstimmung der Zeit gespiegelt.
  • Der Autor selbst formuliert eine der Grundfragen des Romans in einem Vorwort so: „Wie weit können wir in der berechtigten Verteidigung westlicher Werte gehen, ohne dabei diese Werte preiszugeben?“ Immer wieder sehen sich die Figuren mit der Frage konfrontiert, wie sie ihr Handeln rechtfertigen können und ob der Zweck die Mittel heiligt. So kommen auch bisher klare Rollenverständnisse ins Wanken. Zum Beispiel decken die Briten mit ihrem Informanten Mundt einen Antisemiten.
  • Im Roman gibt es kein Schwarz und Weiß, kein Gut und Böse, sondern nur Zwischenstufen und Grautöne. Die Figuren bauen sich ihr eigenes moralisches System auf. Orientierungshilfen wie das Christentum oder philosophische Leitbilder fehlen.
  • Der Titel des Romans entspricht einer Aussage von Control: Dieser macht Leamas Hoffnungen, nach der letzten Mission könne er „aus der Kälte hereinkommen“. Die Kälte steht dabei für das einsame Dasein als Agent.
  • Die Darstellung der psychologischen Konsequenzen der Geheimdiensttätigkeit ist für den Thriller zentral: Leamas verlässt seine Rolle kaum, damit er sie möglichst gut ausfüllen kann. Dennoch nagen der zunehmende Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Tuns, die ständige Gefahr, die Heimlichtuerei und die Einsamkeit seit Jahren an ihm.
  • Der Spion, der aus der Kälte kam erschien im gleichen Jahr wie der James-Bond-Film Liebesgrüße aus Moskau, in dem ein vollkommen anderes Bild des britischen Geheimdienstes gezeichnet wird. Leamas ist eine Art Anti-Bond: Der Unterschied zwischen dem schillernden Womanizer Bond und dem desillusionierten Mittfünfziger Leamas könnte kaum größer sein – Letzterer wirkt deshalb umso realistischer.

Historischer Hintergrund

Europa im Kalten Krieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollten die Siegermächte USA, Sowjetunion und Großbritannien ein Wiedererstarken des Nationalsozialismus in Deutschland unbedingt verhindern. Dazu teilten sie das Territorium 1945 in zunächst drei und später – unter Berücksichtigung Frankreichs – in vier Besatzungszonen ein. In den folgenden Jahren kam es mehr und mehr zu Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion. Letzterer unterstellten die Westmächte, dass sie in deren Gebiete expandieren wolle. Der Begriff des Kalten Krieges fand nach einer gleichnamigen Publikation des amerikanische Journalisten Walter Lippmann im Jahr 1947 schnell Verbreitung. US-Präsident Harry Truman setzte einerseits auf die Politik des Containments, wollte also die kommunistisch regierten Gebiete so gut es ging eindämmen. Andererseits handelte er nach der Truman-Doktrin, die allen Staaten Beistand zusicherte, die sich vom Kommunismus bedroht sahen. Vor diesem Hintergrund sollte der sogenannte Marshallplan als wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm dafür sorgen, dass sich die gesamteuropäische Wirtschaft nach dem Krieg schnell erholte. Stalin verbot den Ländern Osteuropas, daran teilzunehmen, worauf diese vom Westen wirtschaftlich abgehängt wurden. Auf die Einführung der D-Mark in den westlichen Besatzungszonen reagierte die Sowjetunion mit einer vollständigen Blockade Westberlins, die die Westmächte ein Jahr lang über eine Luftbrücke umgingen.

Die Blockade wurde 1949 aufgehoben, doch die Fronten waren verhärtet: Die westlichen Staaten schlossen sich zur Nato zusammen und mit der Gründung des Warschauer Pakts 1955 wurde die Teilung der Welt in Ost und West rechtskräftig. Berlin blieb weiter umkämpft. Da man über die Sektorengrenze mitten in der Stadt fast ungehindert von Ost nach West übersiedeln konnte, verlor die neu gegründete DDR schnell Einwohner. Der Bau der Mauer 1961 sollte dem entgegenwirken. Der Fokus der Auseinandersetzungen verlagerte sich daraufhin nach Kuba, wo die Stationierung russischer Raketen 1962 beinahe einen Dritten Weltkrieg auslöste. Ende der 1960er-Jahre begannen Abrüstungsverhandlungen zwischen den Blöcken und es kam zu einer Reihe von Abkommen zur Rüstungskontrolle. Ab Mitte der 1970er-Jahre flammte der Konflikt noch einmal auf; zentral waren hier die Bestrebungen, in Europa Mittelstreckenraketen zu stationieren. Im Lauf der Zeit kristallisierte sich immer stärker heraus, dass die Sowjetunion auf Dauer wirtschaftlich nicht lebensfähig war. Mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 endete der Kalte Krieg. Im Jahr darauf zerfiel die Sowjetunion.

Entstehung

John le Carré verfasste den Spion, der aus der Kälte kam im Alter von 30 Jahren. Im Vorwort der Ausgabe zum 50. Jubiläum des Titels schreibt er selbst, dies sei für ihn eine Phase „heftiger privater Krisen“ gewesen. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt seit rund vier Jahren für den britischen Geheimdienst und war Sekretär der britischen Botschaft in Bonn. Es war bereits le Carrés dritter Roman, seit er 1961 mit dem Schreiben begonnen hatte. Alle drei Werke mussten vor der Publikation von seinen Vorgesetzten freigegeben werden. Sie handeln von Spionage und sind Teil einer insgesamt achtteiligen Reihe um den Protagonisten George Smiley, der im Spion, der aus der Kälte kam allerdings nur eine Nebenrolle spielt.

Obwohl le Carré zur Entstehungszeit für den Geheimdienst gearbeitet hatte, bestritt er stets, aktiver Agent oder gar auf gefährlicher Mission gewesen zu sein. Sofort nach Erscheinen des Buches wies er darauf hin, der Inhalt sei vollständig erfunden. Laut le Carré inspirierte ihn eine flüchtige Begegnung mit einem wortkargen Iren am Londoner Flughafen zu der Figur des Alec Leamas.

Wirkungsgeschichte

Der Spion, der aus der Kälte kam entwickelte sich schon kurz nach Erscheinen im Jahr 1963 zum internationalen Bestseller und erhielt bald den Status der Mutter des realistischen Spionageromans. Der Erfolg bedeutete für John le Carré den Durchbruch als Schriftsteller. Presse und Kritik nahmen seinen Thriller mit Begeisterung auf, überzeugt, dass es sich um eine Art Tatsachenbericht handelte. Le Carré dementierte das heftig. Da er jedoch zur Verschwiegenheit in Bezug auf seine Arbeit beim Nachrichtendienst verpflichtet war, konnte er dies nicht untermauern. Ein Chef des britischen Secret Service selbst soll eines Tages Informationen hierzu ausgeplaudert haben. Als Pressevertreter le Carré anschließend damit konfrontierten, blieb ihm dennoch nichts als es abzustreiten. Sein Hauptargument war jedoch stets, dass man den Roman nie freigegeben hätte, wenn Details darin der Wahrheit entsprächen.

Der Roman wurde 1965 mit Richard Burton in der Rolle des Leamas verfilmt. Der Film, der sich eng an der literarischen Vorlage orientiert, wurde mehrfach ausgezeichnet und war für zwei Oscars nominiert.

Über die Autoren

John le Carré wird am 19. Oktober 1931 in der südenglischen Stadt Poole geboren. Sein richtiger Name ist David John Moore Cornwell. Als er fünf Jahre alt ist, verlässt seine Mutter die Familie. Der Vater ist ein Hochstapler und Betrüger: Die komplizierte Beziehung zu ihm arbeitet John le Carré später in dem Roman A Perfect Spy (Ein blendender Spion, 1986) auf. Le Carré besucht für zwei Semester die Universität Bern, wo er deutsche Literatur studiert. 1950 tritt er in die Spionageabwehr der britischen Armee in Österreich ein und arbeitet mit Flüchtlingen aus dem Ostblock. Wieder in England, studiert er in Oxford und betreibt für den Inlandsgeheimdienst MI5 verdeckte Ermittlungen in der linken Szene, bis er 1956 seinen Abschluss in modernen Sprachen macht. 1954 heiratet er Alison Veronica Sharp, das Paar bekommt drei Söhne. Le Carré unterrichtet zwischen 1956 und 1958 in Eton Sprachen. Zwischen 1958 und 1964 arbeitet er erst für den Inlands-, dann für den Auslandsgeheimdienst MI6. Er ist zunächst in der britischen Botschaft in Bonn tätig und wird dann nach Hamburg versetzt. 1961 beginnt er mit dem Schreiben; sein erster Roman Call for the Dead (Schatten von gestern) erscheint noch im gleichen Jahr. Nach dem Erfolg des dritten Romans The Spy Who Came in from the Cold (Der Spion, der aus der Kälte kam, 1963) gibt le Carré 1964 seine Stelle beim Secret Service auf und konzentriert sich ausschließlich auf seine Romane. Einen Schwerpunkt legt er dabei auf den Kalten Krieg und die Differenzen zwischen Ost und West, wie etwa im Weltbestseller The Russia House (Das Russlandhaus, 1989). 1971 trennt er sich von seiner ersten Frau und heiratet 1972 die Lektorin Valérie Jane Eustace, mit der er einen weiteren Sohn hat. Ab den 1980er-Jahren stellt le Carré vermehrt auch andere Themen in den Mittelpunkt seiner Werke, zum Beispiel die Kritik an internationalen Pharmakonzernen in The Constant Gardener (Der ewige Gärtner, 2001). Bisher sind 21 Romane von ihm erschienen – viele wurden äußerst erfolgreich verfilmt.

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