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Der stumme Frühling

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Der stumme Frühling

C. H. Beck,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Der Öko-Bestseller von der Mutter der Naturschutzbewegung.


Literatur­klassiker

  • Naturwissenschaften
  • Moderne

Worum es geht

Apocalypse Now

Als ginge es um Krieg oder militärische Gräueltaten, ist in diesem Buch viel die Rede von „Angriff“, „Sperrfeuer“, „Bekämpfung aus der Luft“, „Ausrottung“, „totalem chemischem Krieg“, „Vergiftung“, „Massensterben“. Angriffsziele sind „Schädlinge“, „Unkraut“ – und, was man damals noch nicht so klar gesehen hat, die Umwelt. Rachel Carsons Bestseller von 1962 wies zum ersten Mal in der Geschichte ein großes Publikum eindrucksvoll auf die Folgen chemischer Verseuchung für die Tier- und Pflanzenwelt hin. Das Buch war ein Weckruf und markiert den Anfang der Umweltbewegung. Während des Zweiten Weltkriegs und kurz davor hatte die chemische Industrie vor allem in Deutschland und den USA ganz neue Klassen toxischer Stoffe erfunden, die dann nach dem Krieg in unfassbar blauäugiger Weise zur Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt wurden. Carson demonstrierte mit Stummer Frühling die verheerenden Risiken und Nebenwirkungen und die wirtschaftlichen Interessenverflechtungen, gepaart mit sträflicher Gedankenlosigkeit und Inkompetenz der Behörden, und sprach bereits alle wichtigen Themen an, die in der Umweltdebatte bis heute eine Rolle spielen.

Take-aways

  • Der stumme Frühling gilt als eines der einflussreichsten Sachbücher des 20. Jahrhunderts.
  • Inhalt: Das massenhafte und oft unkontrollierte Ausbringen synthetisch hergestellter Pestizide wie DDT vernichtet nicht nur Schadinsekten und Unkraut, sondern schädigt die gesamte Flora und Fauna, Gewässer und Böden, sprich die gesamte Umwelt und nicht zuletzt auch den Menschen.
  • Der Titel des Buches bezieht sich auf das Verstummen der Vögel als Folge des Einsatzes von Chemikalien.
  • Der stumme Frühling machte erstmals einem breiten Publikum die katastrophalen ökologischen Folgen massiver Eingriffe in die Natur bewusst.
  • Carsons Buch gilt als Initialzündung für die Umweltbewegung.
  • Das sorgfältig recherchierte Werk überzeugte dank einer Fülle anschaulicher Fallbeispiele und allgemeinverständlicher Erklärungen.
  • Die Autorin und ihr Buch wurden von der chemischen Industrie massiv angegriffen und verunglimpft.
  • Der stumme Frühling stieß in den USA eine Debatte an, die 1972 zum Verbot von DDT führte.
  • Der Autorin, die 1964 starb, wurden postum höchste Ehrungen zuteil, unter anderem die Presidential Medal of Freedom.
  • Zitat: „Wie nur konnte ein intelligentes Wesen ein paar unerwünschte Arten von Geschöpfen mit einer Methode zu bekämpfen suchen, die auch die gesamte Umwelt vergiftete und selbst die eigenen Artgenossen mit Krankheit und Tod bedrohte?“

Zusammenfassung

Das Ungleichgewicht in der Natur

Über die bei Weitem längste Zeit, seit es Leben auf der Erde gibt, haben sich Lebewesen ihren Umweltbedingungen anpassen müssen. Der Mensch ist die erste Spezies, die fähig ist, die Natur im großen Maßstab zu verändern und die eigenen Lebensbedingungen gezielt zu beeinflussen. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts finden solche Eingriffe in riesigem, industriellem Maßstab statt – mit teilweise katastrophalen Folgen für die Natur. Eine der folgenreichsten Entwicklungen ist die Verschmutzung und Vergiftung der Umwelt, teils unabsichtlich, teils jedoch absichtlich, etwa durch das großflächige Versprühen von Insekten- und Unkrautvernichtungsmitteln in der Land- und Forstwirtschaft. Die oft unbedachte und übermäßige Anwendung dieser vermeintlichen Wundermittel zerstört das empfindliche Gleichgewicht der Natur. Denn nicht nur die Schädlingsorganismen werden getötet, sondern auch viele andere, oft nützliche oder ökologisch unersetzliche Lebewesen. Überdies verbleiben Rückstände der Gifte unabsehbar lange im Boden. Die Verantwortung für kommende Generationen gebietet uns, uns die Folgen unseres Handelns ungeschönt vor Augen zu führen und uns zu fragen, ob wir wirklich so weitermachen wollen.

Ein Kind des Krieges

Der Zweite Weltkrieg markiert einen Wendepunkt in der landwirtschaftlichen Schädlingsbekämpfung. Vorher hatte man natürliche Elemente und Minerale wie Arsen, Blei, Kupfer, Zink oder aus Tabak gewonnenes Nikotinsulfat eingesetzt, also in der Natur vorkommende Stoffe. Vom Menschen synthetisch hergestellte, naturfremde chemische Substanzen gibt es hingegen erst seit wenigen Jahrzehnten. Während des Zweiten Weltkriegs etwa wurden chemische Kampfstoffe von ganz neuen Zweigen der chemischen Industrie entwickelt. Ihre Wirksamkeit erprobte man zunächst an Insekten. Diese synthetischen Insektizide konnten zwei großen Gruppen zugeordnet werden:

  • Chlorierte Kohlenwasserstoffe: Ein einfacher Kohlenwasserstoff ist etwa das natürlich vorkommende Methan, auch Sumpfgas genannt. Ersetzt man im Methanmolekül ein Wasserstoffatom durch ein Chloratom, entsteht Methylchlorid, ersetzt man es durch drei Chloratome entsteht Chloroform. Manche chlorierten Kohlenwasserstoffe sind wesentlich komplizierter aufgebaut, aber dennoch einfach zu manipulieren. Der bekannteste Vertreter dieser Klasse ist das Dichlordiphenyltrichlorethan oder DDT. Es wurde schon 1874 synthetisiert, seine insektizide Wirkung wurde aber erst 1939 entdeckt. Der Schweizer Paul Müller wurde für diese Entdeckung 1948 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Dann wurden rasch weitere ähnliche Stoffe entwickelt, etwa Dieldrin, Chlordan, Aldrin oder Endrin.
  • Organische Phosphate: In diese Kategorie fallen die Ester der Phosphorsäure, von denen schon länger bekannt war, dass sie Insekten töten. Ende der 30er-Jahre entdeckte ein deutscher Chemiker, dass sie im Krieg in Form von Nervenkampfstoffen auch als Waffe eingesetzt werden können – was ihre rasante industrielle Weiterentwicklung förderte. Diese hochwirksamen Gifte kamen nach dem Krieg ebenfalls als Insektizide zum Einsatz.

Das Problem der Anreicherung

Bald wurden besonders die chlorierten Kohlenwasserstoffe und allen voran das DDT zum Problem. Mit DDT in Pulverform lassen sich zwar sehr effektiv Läuse bekämpfen, und die Anwendung des Giftes hat zunächst keine nachteiligen Folgen für den Menschen. Aber DDT verschwindet nicht, sondern es reichert sich in der Nahrungskette an, schließlich auch im menschlichen Körper und hier vor allem im Fettgewebe. Dazu zählen Nieren, Nebennieren, Schilddrüse und Teile des Verdauungstrakts. Deswegen ist es irrführend, wenn auf Verpackungen solcher Mittel angegeben wird, ihre Anwendung sei unschädlich für den Menschen. Das gilt vielleicht für einen einmaligen Kontakt mit der Substanz und sofern dabei ein bestimmter Grenzwert nicht überschritten wird – nicht aber bei wiederholtem Kontakt. Gerade die chlorierten Kohlenwasserstoffe verschwinden nie. Wenn sie sich im Körper anreichern, können sie auch karzinogen und mutagen sein, also Krebs hervorrufen und das Erbgut verändern.

„Kann irgendjemand wirklich glauben, es wäre möglich, die Oberfläche der Erde einem solchen Sperrfeuer von Giften auszusetzen, ohne sie für alles Leben unbrauchbar zu machen?“ (S. 20)

Eine kontrollierte und beschränkte Anwendung von Mitteln wie DDT war in der Praxis der amerikanischen Landwirtschaft nie gewährleistet. Schon allein wegen des Vorherrschens großflächiger Monokulturen: Werden diese von einem Schädling befallen, droht der komplette Ernteverlust. Also bringen die Farmer oder lokale Behörden auf Teufel komm raus Insektizide zum Einsatz – und scheren sich dabei nicht um die weiteren Konsequenzen. Sehr viel beigetragen zum bedenkenlosen Einsatz dieser Insektizide hat auch die massenhafte Verfügbarkeit von Flugzeugen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. So kam es zu dem großflächigen Versprühen aus der Luft, teilweise auch über Gebieten, die gar nicht von Schädlingen befallen waren, ja sogar über Wohngebieten oder über Wasserflächen. Und natürlich gelangten die Gifte auch ins Grundwasser. Hinzu kommt die Gefahr von Verwehungen. Gerade wenn DDT versprüht wird – sei es mit dem Handsprüher oder vom Flugzeug aus –, ist das Mittel in Öl aufgelöst, was die Giftigkeit entschieden erhöht und den Anreicherungseffekt verstärkt.

„Wie nur konnte ein intelligentes Wesen ein paar unerwünschte Arten von Geschöpfen mit einer Methode zu bekämpfen suchen, die auch die gesamte Umwelt vergiftete und selbst die eigenen Artgenossen mit Krankheit und Tod bedrohte?“ (S. 21)

DDT und verwandte Stoffe werden aber vom Menschen nicht nur durch Schlucken oder über die Haut aufgenommen, sondern auch über die Nahrungskette: Weil Tiere DDT durch Futter aufnehmen und schon in ihrem Fettgewebe anreichern, ernähren wir uns von verseuchten Eiern, verseuchtem Fleisch und verseuchter Milch. Das Ausbringen von Pestiziden wie Heptachlor und Dieldrin über Weideflächen ist zwar inzwischen verboten, kommt aber immer wieder vor. Die zuständigen Behörden machen jedoch keine Anstalten, Maßnahmen dagegen zu ergreifen.

Auswirkungen auf die Umwelt

Bei der Anwendung von Insektiziden geht es nicht immer nur um den Schutz von Pflanzen und die Rettung von Ernten. Manchmal möchte man auch in einem Gebiet Stechmücken eindämmen oder ausrotten, die Krankheiten auf Mensch und Tier übertragen können, oder einfach lästige Schnaken beseitigen. Bei solcher flächendeckenden Anwendung wird jedoch nicht bedacht, dass im Zuge der Mückenbekämpfung auch nützliche Insekten getötet werden, zum Beispiel Bienen; dass außerdem die natürlichen Fressfeinde der Schädlinge umkommen – und dass schließlich die Nahrungsgrundlage vieler insektenfressender Wirbeltiere zerstört wird.

„(…) der erfinderische Geist, mit dem der Chemiker neue Insektizide ersinnt, hat längst die biologischen Kenntnisse überflügelt, und man weiß oft nicht, in welcher Weise diese Gifte den lebenden Organismus angreifen.“ (S. 37)

Viele Fische ernähren sich von Insektenlarven wie denen der Kriebelmücke. Wenn diese Insekten fehlen, gehen natürlich auch die Fische zugrunde und infolgedessen auch Vögel, die von den kleinen Fischen leben. Selbst wenn die mit DDT belasteten Organismen überleben, sind die Wirkungen fatal, weil DDT und verwandte Substanzen auf diese Weise die Nahrungskette hinaufwandern.

„Eines der wichtigsten Dinge, das man bei Insektiziden bedenken muss, ist ihre lange Haltbarkeit – nicht in Monaten, sondern in Jahren gemessen.“ (S. 68)

Großflächiges Versprühen von Insektengiften verseucht darüber hinaus nicht nur die Gewässer, sondern auch das Erdreich, dessen ökologisches Gleichgewicht höchst empfindlich ist. Hier leben Bakterien, Pilze, Insekten, Regenwürmer und andere Organismen in fein abgestimmter gegenseitiger Abhängigkeit. Außerdem nehmen viele Feldfrüchte die Gifte auf und speichern sie in erheblicher, gesundheitsgefährdender Konzentration. Teilweise sind die Pestizide nicht einmal mehr in Boden oder Wasser nachzuweisen, da sie vollständig von den darin beheimateten Lebewesen aufgenommen worden sind.

Gifte in Haushalt und Garten

Nicht nur über die Nahrungskette kommen Menschen in Kontakt mit DDT oder Chlordan. Auch in Mitteln zur Bekämpfung von Wanzen, Motten, Spinnen oder Küchenschaben finden sich die Gifte. Hinzu kommen die zahlreichen Anwendungsformen des Gifts als Unkraut- oder Schädlingsbekämpfungsmittel für Hobbygärtner. Ihre Anwendung kann unmittelbar zu körperlichen Folgen wie Übelkeit oder der Schädigung des Nervensystems führen, langfristig zu einer weiteren Anreicherung des Gifts im Körper. Entsprechende Krankheiten brechen manchmal erst viele Jahre später aus, sodass der Zusammenhang nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Eine weitere Folge vor allem von DDT kann eine gefährliche Störung des Stoffwechsels im menschlichen Körper sein, wenn das Gift auf zellulärer Ebene die Energiegewinnung unterbricht. Auch können viele Gifte Krebs auslösen, die Bildung von Keimzellen beeinträchtigen oder das Erbgut verändern.

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Eine der wesentlichen Folgen des Gebrauchs von Insektiziden ist die zunehmende Resistenz der Schädlinge gegen die Gifte. Diese vermehren sich dann massenhaft, selbst wenn sie mit schärfsten Giften besprüht werden. Der Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass die resistenten Arten durch das Gift von ihren nichtresistenten Fressfeinden befreit werden. So führte in Wäldern im Westen der USA, wo man den schädlichen Fichtentriebwickler loswerden wollte, ein massives Besprühen mit DDT dazu, dass dort zwar nicht die unempfindlichen schädlichen Spinnmilben, wohl aber deren empfindliche Feinde ausgerottet wurden, weswegen sich die Milben explosionsartig verbreiteten und riesige Schäden an den Wäldern anrichteten. Der spätere Schaden durch die Milben war weit höher, als der, den die Wickler je hätten anrichten können. Besonders einseitig und folgenreich waren auch Pestizideinsätze bei der Bekämpfung des Ulmensterbens, gegen Feuerameisen im Süden der Vereinigten Staaten oder gegen den Japanischen Käfer in Illinois. Nachdem Letzterer beseitigt war, hatte der Maiszünsler, dessen natürlicher Feind der Japanische Käfer ist, freie Bahn.

Alternativen

Die Resistenz der Schädlinge ist ein noch viel größeres Problem, wenn es um Insekten geht, die Überträger gefährlicher Krankheiten sind, wie etwa Malariamücken oder Pestflöhe. Auch Flecktyphus und Gelbfieber werden durch Insekten übertragen, ebenso zahlreiche Viehkrankheiten. Die viel zu unspezifisch verwendeten Gifte wirken bei ihnen oft nicht mehr. Eine Lösung des Problems besteht darin, natürliche Fressfeinde der Schädlinge in das betroffene Gebiet einzubringen. Das wurde beispielswiese in den USA 1889 in stark von Schildläusen befallenen Zitronenplantagen mit Marienkäfern aus Australien erfolgreich praktiziert. Später setzten die Bauern jedoch auf eigene Faust Gift gegen andere Schadinsekten ein – und rotteten damit den Nützling gleich wieder aus. Die Folge: Wenig später war die Schildlaus wieder da.

„Auf lange Sicht ist es vielleicht schlimmer, Obdach und Nahrung für die Tiere der Wildnis zu vernichten, als sie unmittelbar zu töten.“ (S. 83)

Biologische Bekämpfungsmethoden zeigen viel weniger Nebenwirkungen, sie sind ungefährlicher und nachhaltiger. Ihnen muss daher künftig mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt lag es nicht im Interesse der chemischen Industrie, solche Forschungen zu unterstützen; sie wollte einfach ihre Produkte verkaufen. Stadtväter Tausender amerikanischer Gemeinden ließen sich beispielsweise einreden, es sei billiger, Straßenränder mit chemischen Mitteln von Gestrüpp zu befreien als durch Mähen. Die Industrie gab Forschungsgelder zum allergrößten Teil an solche Universitäten und Einrichtungen, die neue chemische Mittel und Anwendungen ersannen. Selbst Institute, an denen renommierte Wissenschaftler forschten, gerieten in solche Abhängigkeiten.

„Wer die Lösung aller Probleme im Sprühen zu finden meint, übersieht eine weitere Tatsache von großer wissenschaftlicher Bedeutung: die Notwendigkeit, einige natürliche Pflanzengemeinschaften zu erhalten.“ (S. 89)

Eine weitere vielversprechende Möglichkeit zur gezielten Schädlingsbekämpfung ist das Bestrahlen männlicher Exemplare der betreffenden Art mit Röntgenstrahlen, um sie unfruchtbar zu machen. Ferner könnten Schädlinge mit Duftstoffen in Köder und Fallen gelockt werden, selbst das direkte Töten mit Ultraschall ist denkbar – dies trifft aber auch andere Insekten. Außerdem kann man Fressfeinde gezielt fördern oder Schädlinge gezielt mit Insektenkrankheiten infizieren – etwa mit Bakterien, die so spezifisch ausgewählt werden, dass sie keine Gefahr für andere Lebewesen darstellen. Auch gibt es chemische Mittel, die entweder den Zellstoffwechsel des Insekts zerstören oder dessen Erbgut schädigen, sodass es sich nicht vermehren kann.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der stumme Frühling ist in 17 Kapitel aufgeteilt. Das erste, ganz kurze Kapitel erzählt von einer fiktiven Kleinstadt irgendwo in Amerika, wo durch menschengemachtes Gift Vögel, Kleinvieh, Bienen und Fische zugrunde gehen und wo schließlich die gesamte Natur verstummt – darauf bezieht sich der Titel des Buches. Es folgen thematische Schwerpunkte etwa zur Entstehungsgeschichte der chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel, zu deren unmittelbaren Auswirkungen, zu den vielfältigen Folgen für Umwelt und Mensch und schließlich zu alternativen Lösungen für das Schädlingsproblem. Das Buch ist faktengesättigt. Carson erklärt ausführlich, kompetent und verständlich. Sie zeigt anhand einer Fülle von Beispielen die Auswirkungen der Gifte auf Menschen, Tiere, Pflanzen und Umwelt, dramatisiert dabei aber nicht. Auch widersteht sie der Versuchung, die Verursacher des Massensterbens zu dämonisieren. Stattdessen trägt sie ihr Anliegen durchweg sachlich vor, ihr Ton wird nie polemisch oder moralisierend. Carson steht damit in der Tradition großer englischer Sachbuchautoren, die es verstehen, ihr Anliegen interessant, anschaulich und verständlich zu machen, indem sie sich konkreter Beispiele und sparsam eingesetzter erzählerischer Mittel bedienen, ohne in allgemeines, theoretisierendes Geschwafel zu verfallen.

Interpretationsansätze

  • Der stumme Frühling ist ein Weckruf angesichts der Missstände im Umgang mit Pestiziden. Das Buch macht ökologische Zusammenhänge deutlich. Dass jeder große Eingriff in die Natur unabsehbare Folgen haben könnte und Risiken und Nebenwirkungen birgt, gehörte damals nicht zum Allgemeinwissen.
  • Als Biologin in einer Behörde kannte Rachel Carson die Lage und die Denkweise der Beteiligten aus eigener Erfahrung; sie verfügte also nicht nur über Faktenkenntnis, sondern auch über umfassende Sachkenntnis von innen heraus.
  • Dank Carsons umfangreicher Faktensammlung erhielt das Buch den Charakter einer Bestandsaufnahme. Die Autorin wollte durch Tatsachen und sachliche Erklärungen überzeugen, nicht durch Polemik.
  • Carson bediente sich des gesunden Menschenverstands. Man braucht keine teuren wissenschaftlichen Untersuchungen, um Aussagen über Dinge zu machen, die jeder sehen und die man mit etwas Lebenserfahrung sicher bewerten kann.
  • Der stumme Frühling zeugt von Anteilnahme gegenüber den Betroffenen und fordert ein moralisches und auch staatsbürgerliches Engagement, der von kommerziellen Interessen getriebenen Natur- und Umweltzerstörung nicht weiter tatenlos zuzusehen.
  • Kritiker fragten, wie die Nahrungsmittelversorgung und die Volksgesundheit ohne Schädlingsbekämpfung sichergestellt werden sollten. Carson hat sich nie grundsätzlich dagegen ausgesprochen, sondern plädierte für eine sinnvolle, begrenzte Verwendung der Chemikalien. Der schwerwiegendste Vorwurf lautet nach wie vor, das spätere DDT-Verbot habe die wirksame Bekämpfung von Malaria verhindert.

Historischer Hintergrund

Karriere eines „Wundermittels“

Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) wurde 1874 erstmals von dem österreichischen Chemiker Othmar Zeidler hergestellt. Die insektentötende Wirkung des Stoffes wurde jedoch erst 1939 von dem Schweizer Chemiker Paul H. Müller entdeckt, der hierfür einen Nobelpreis erhielt. Müllers Arbeitgeber J. R. Geigy war ab 1942 der erste DDT-Hersteller. Ab 1943 produzierte auch das deutsche Unternehmen Schering DDT in Lizenz. Der Anwendungsbereich: Bekämpfung des Kartoffelkäfers und Entlausung von Soldaten bei der Wehrmacht. Ab 1944 wurde DDT in den USA für militärische Zwecke hergestellt. Die Bekämpfung von krankheitsübertragenden Läusen bei einer Fleckfieberepidemie 1944 in Neapel war so erfolgreich, dass DDT fortan als Wundermittel galt. Inzwischen setzte das US-Militär DDT auch schon großflächig als Mücken- und Malariabekämpfungsmittel im Südpazifik ein. 1945 wurde es für die zivile Nutzung freigegeben.

Der Preis für DDT sank sehr schnell. Entsprechend wurde es massenhaft verwendet: 1963 kamen in den USA 14 500 Tonnen zum Einsatz, der Großteil davon im Baumwollanbau, aber auch in Europa wurde DDT eingesetzt, mit Spritzgeräten und von Flugzeugen aus. Außerdem wurde DDT in tropischen Ländern verwendet, vor allem im Kampf gegen Malariamücken. Nachdem Rachel Carson mit ihrem Buch auf den massiven DDT-Missbrauch in den USA aufmerksam gemacht hatte, bildete sich dort eine breite Bewegung gegen das Mittel. Behördenvertretern wurde hinsichtlich der Freigabe Fahrlässigkeit nachgewiesen. Seit 1970 ist DDT in Schweden verboten, in der Schweiz ist der Einsatz seit 1971 nur noch eingeschränkt erlaubt. 1972 wurde in den USA der Gebrauch in der Landwirtschaft untersagt, 1977 auch in der Bundesrepublik. Nach einem 2001 in Stockholm geschlossenen internationalen Übereinkommen ist die Verwendung nun weltweit beschränkt.

Entstehung

Dank des großen Erfolgs ihres zweiten Buches Geheimnisse des Meeres im Jahr 1950 war Rachel Carson finanziell unabhängig geworden. Sie veröffentlichte noch ein weiteres Buch über das Leben im Meer (Am Saum der Gezeiten, 1955) und suchte nun nach neuen Themen. Bereits während ihrer Tätigkeit bei der Fischereibehörde war sie auf DDT und seine schädlichen Auswirkungen aufmerksam geworden. Carson begann, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen. 1958 schrieb ihr die Journalistin Olga Huckins einen Brief, in dem sie berichtete, dass über ihrem privaten Vogelreservat DDT zur Mückenbekämpfung versprüht worden war und dass in der Folge zahlreiche Vögel grausam verendet waren. Der Brief gab Carson den entscheidenden Anstoß für Der stumme Frühling. Im Mai 1958 kam ein Buchvertrag zustande; auch das Magazin The New Yorker wurde in die Vorbereitung der Publikation einbezogen.

Wegen Carsons schwieriger familiärer Situation mit ihrer kranken Mutter, die 1958 starb, und ihrer eigenen Krebserkrankung, nahmen die Recherchen und Vorbereitungen vier Jahre in Anspruch. Carson konnte dabei auf ein umfangreiches Netzwerk von Kontakten aus ihrer Zeit bei der Fischereibehörde zurückgreifen und erhielt auch sonst von vielen Seiten Unterstützung. Während der Recherchen kam es 1959 zu offiziellen Anhörungen wegen Rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Moosbeeren. Diese Anhörungen fanden kurzzeitig ein gewaltiges Medienecho, da Moosbeeren (englisch: Cranberries) Bestandteil des traditionellen amerikanischen Thanksgiving-Essens waren. Carson hatte die Anhörung mitverfolgt. Die Vertreter der Gifthersteller traten sehr aggressiv auf. Damit wurde ihr klar, was sie beim Erscheinen ihres Buches zu erwarten hatte.

Wirkungsgeschichte

Die chemische Industrie inszenierte eine regelrechte Kampagne, um Der stumme Frühling unglaubwürdig zu machen. Das reichte von Prozessdrohungen über den Versuch, der Autorin, die „nur“ Meeresbiologin sei, die Kompetenz abzusprechen, bis zur Behauptung, es handle sich bei Der stumme Frühling um ein kommunistisches Komplott gegen die amerikanische Lebensmittelindustrie. Die Kampagne entpuppte sich jedoch als kontraproduktiv, da sie das Interesse des Publikums erst recht anstachelte. Carsons Buch verkaufte sich blendend. Das Medienecho war überwiegend positiv. In einem einstündigen Fernsehgespräch konnte die bereits schwer kranke Carson die Öffentlichkeit vollends von ihrer Seriosität überzeugen. Auch die Politik griff daraufhin das Thema auf und bestätigte Carsons Warnungen. Selbst Präsident John F. Kennedy las Der stumme Frühling. Carsons Enthüllungen gaben bereits bestehenden Naturschutzorganisationen den Impuls, sich noch stärker für Umweltthemen zu engagieren und sich politisch einzumischen. Außerdem verankerte das Buch auch bei der breiten Bevölkerung ein Grundwissen über ökologische Zusammenhänge und ein entsprechend sensibilisiertes Bewusstsein, das heute fast selbstverständlich ist. Der stumme Frühling gilt heute als eines der einflussreichsten Sachbücher des 20. Jahrhunderts.

Über die Autorin

Rachel Carson wird am 27. Mai 1907 in Springdale, Pennsylvania geboren. Ihr Vater verliert viel Geld mit Grundstückspekulationen; die finanzielle Lage der Familie bleibt während Carsons Jugend angespannt. Mithilfe eines Stipendiums kann Carson dennoch aufs College gehen. Sie neigt zunächst zur Literatur, wechselt dann aber zur Biologie und beendet ihr Studium 1929 mit Auszeichnung. Carson spezialisiert sich auf Zoologie und Meeresbiologie und beginnt ein Graduiertenstudium an der renommierten Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Dieses Studium schließt sie 1932 ab. Ihre Promotion kann Carson aber nicht zu Ende führen, da sie – nach dem Tod des Vaters 1935 – ihre Familie finanziell unterstützen muss. 1936 tritt Carson eine Vollzeitstelle bei der US-Fischereibehörde an. Hier ist sie vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit befasst. Gleichzeitig beginnt sie, eigene Texte zu schreiben, die unter anderem in der Zeitung The Baltimore Sun erscheinen. Durch ihren Essay Undersea, ein populärwissenschaftliches Porträt über das Leben der Meere, wird der Verlag Simon & Schuster auf sie aufmerksam. 1937 erhält sie einen Buchvertrag für eine erweiterte Version des Essays. Diese erscheint 1941 unter dem Titel Under the Seawind, ist jedoch nur mäßig erfolgreich. Ihr zweites Buchprojekt, Geheimnisse des Meeres (The Sea Around Us, 1951), ist hingegen ein großer kommerzieller Erfolg und wird mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Carson ist nun finanziell unabhängig und kann sich in Ruhe neuen Projekten widmen. 1962 erscheint ihr berühmtestes Werk Der stumme Frühling (Silent Spring). Carson ist zu diesem Zeitpunkt bereits an Krebs erkrankt. Immerhin erlebt sie noch den großen Erfolg ihres Buches. Sie stirbt am 14. April 1964 an einem Herzinfarkt. Nach ihrem Tod werden ihr zahlreiche Ehrungen zuteil. Unter anderem wird ihr 1980 mit der Presidential Medal of Freedom die höchste zivile Auszeichnung der USA verliehen.

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