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Deutschland. Ein Wintermärchen

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Deutschland. Ein Wintermärchen

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Der Titel täuscht: Deutschland. Ein Wintermärchen ist kein bisschen märchenhaft.


Literatur­klassiker

  • Satire
  • Vormärz

Worum es geht

Der Kampf um die Demokratie mit den Waffen des Literaten

Wintermärchen – wer denkt bei diesem Wort nicht an Landschaften, die aussehen, als wären sie mit Puderzucker bestreut, Spuren im glitzernden Schnee und eine Tasse heißen Tee am prasselnden Kaminfeuer? Heinrich Heines Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen hat mit solcher Romantik allerdings nichts zu tun. Das Land, das der Erzähler bereist, ist vielmehr während einer politischen Eiszeit in geistiger Unbeweglichkeit erstarrt, geprägt von Unfreiheit und Unterdrückung. Statt die Zukunft zu gestalten, wird die Vergangenheit verklärt. Mit diesem Zustand Deutschlands setzt sich der Erzähler in Beobachtungen, Assoziationen und Träumen auseinander. Der überzeugte, ja radikale Demokrat Heine, zu dessen Freundeskreis im Pariser Exil auch Karl Marx gehörte, übt beißende Kritik und entwirft die Utopie einer besseren Zukunft für kommende Generationen. Heines Werk ist stark zeitgebunden; wer die Satire verstehen will, muss zumindest eine ungefähre Vorstellung von den politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit haben, sonst bleiben viele Bilder und Anspielungen unverständlich. Aber im Unterschied zu anderen politischen Satiren hat Heines bissige Versdichtung auch überzeitliche literarische Qualität und bereitet darum bis heute großes Lesevergnügen.

Take-aways

  • Heines Deutschland. Ein Wintermärchen ist eine Satire in Versform und kritisiert die politische Erstarrung Deutschlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
  • Auf die Niederlage Napoleons folgte damals eine politische Restauration: Forderungen nach demokratischen Reformen wurden rigoros unterdrückt.
  • Heinrich Heine, ein radikaler Verfechter demokratischer Ideale, verarbeitete im Text Eindrücke einer Reise durch Deutschland, die er 1843 unternahm.
  • Der Erzähler reist aus dem Ausland nach Deutschland ein; das Ziel ist seine Heimatstadt Hamburg.
  • Bereits an der Grenze bekommt er die staatliche Kontrolle zu spüren: Zöllner durchsuchen sein Gepäck nach verbotenen Schriften.
  • In Köln erregt der geplante Weiterbau des Doms seinen Unwillen. Die Kirche trägt seiner Meinung nach eine erhebliche Mitschuld an der Unterdrückung des Volks.
  • In einer Traumszene lässt er einen Henker die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die im Dom aufbewahrt werden, mit dem Beil zerschlagen.
  • Später träumt er von einem Zusammentreffen mit Kaiser Barbarossa, der Deutschland befreien soll, aber dafür noch nicht bereit ist.
  • Der Erzähler kommt zum Schluss, dass das Volk nicht bis zur Rückkehr Barbarossas warten muss – es braucht keinen Kaiser, um sich zu befreien.
  • In Hamburg trifft er Hammonia, die Schutzgöttin der Stadt. Sie will ihm in einem alten Nachttopf die Zukunft Deutschlands zeigen.
  • Als er den Kopf in den Nachttopf steckt, wird er vom Gestank ohnmächtig – so schlecht ist es um die Zukunft Deutschlands bestellt.
  • Das Werk wurde nach seinem Erscheinen sofort verboten. Gegen den Exilanten Heine erging ein Haftbefehl, der bis zu seinem Tod galt.

Zusammenfassung

Ankunft in Deutschland

An einem grauen Novembertag kommt der Erzähler in Deutschland an. Bei der Rückkehr in die Heimat wird er wehmütig; immerhin hat er sie seit 13 Jahren nicht mehr gesehen. Aber schon die allererste Begegnung mit seinen Landsleuten hinterlässt einen schlechten Eindruck: Ein Mädchen singt ein religiöses Lied, das die Menschen in ihrem Elend auf eine bessere Zukunft im Himmel vertröstet. Dieser Aussicht kann der Erzähler wenig abgewinnen: Sein Ziel ist ein glückliches Leben in einer Welt, in der alle Menschen in Freiheit leben können und die Güter gerecht verteilt sind. Dafür möchte er kämpfen, und das Wiedersehen mit seiner Heimat gibt ihm Auftrieb.

„Im traurigen Monat November wars, / Die Tage wurden trüber, / Der Wind riss von den Bäumen das Laub, / Da reist ich nach Deutschland hinüber.“ (S. 13)

Als Nächstes wird am Zoll sein Gepäck nach Schmuggelware und verbotenen Schriften durchsucht. Der Erzähler weiß jedoch, dass die Zöllner nichts finden werden – die verbotenen Bücher stecken nicht im Koffer, sondern in seinem Kopf. Ein Mitreisender weist ihn darauf hin, dass sie sich jetzt innerhalb der Grenzen des Deutschen Zollvereins befänden. Dieser stelle die äußere Einheit Deutschlands her. Die innere dagegen garantiere die Zensur: Sie sorge für ein einheitliches Denken.

„Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunde, will ich euch dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten.“ (S. 14)

Die erste Station der Reise ist Aachen. Hier fallen dem Erzähler vor allem die vielen preußischen Soldaten auf, die noch genauso steif und überheblich sind wie früher. Ihre neue Uniform gefällt ihm, vor allem die Pickelhaube, wenngleich sie ihn an das Mittelalter erinnert und damit an die Zeit, als die Menschen noch auf Gedeih und Verderb zu ihrer Obrigkeit hielten und nicht an Revolution dachten. Der Erzähler fürchtet, dass so eine Pickelhaube bei einem Gewitter für ihren Träger gefährlich werden könnte, weil sie mit ihrer Spitze die Blitze anzieht. In Aachen sieht er an einem Postamt zum ersten Mal den preußischen Adler wieder. Dieses Symbol ist ihm so verhasst, dass er am liebsten ein Schützenfest veranstalten würde, um den Vogel herunterzuschießen.

Nächtliche Abenteuer in Köln

In Köln isst der Erzähler erst einmal zu Abend und geht dann ein wenig spazieren. In der Domstadt ist der Einfluss von Kirche und Klerus besonders groß. Er hat dazu geführt, dass Vernunft und Freiheit unterdrückt wurden. Ein Symbol für diese Unterdrückung ist der Kölner Dom, der – dank der Reformation – allerdings nicht fertiggestellt wurde. Die Bestrebungen, ihn jetzt noch zu vollenden, scheinen dem Erzähler unsinnig. Er glaubt nicht daran, dass das Vorhaben gelingen wird. Stattdessen, davon ist er überzeugt, werde man den Dom dereinst als Pferdestall verwenden. Wenn die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die darin aufbewahrt werden, dadurch ihre Bleibe verlören, so sei das nicht weiter schlimm: Man könne sie ja in die drei Käfige setzen, die den Turm der St.-Lamberti-Kirche in Münster zieren. Vermutlich haben diese Könige, wie alle anderen auch, sowieso nur ihr Volk betrogen und unterdrückt; es würde ihnen also ganz recht geschehen.

„Zu Aachen, im alten Dome, liegt / Carolus Magnus begraben. / (Man muß ihn nicht verwechseln mit Karl / Mayer, der lebt in Schwaben.)“ (S. 17)

Der Erzähler besucht den alten Vater Rhein, der sich sehr freut, ihn nach 13 Jahren wiederzusehen. Aber vor allem beklagt sich der Rhein, dass er von Franzosen und Deutschen vereinnahmt und in ihren jeweiligen Liedern besungen werde. Der Erzähler berichtet, dass auch in Frankreich die Freiheit nicht mehr so großgeschrieben werde wie früher.

„Wenn ich es höre, das dumme Lied, / Dann möcht ich mir zerraufen / Den weißen Bart, ich möchte fürwahr / Mich in mir selbst ersaufen!“ (der Rhein, S. 25)

Beim Gang durch das nächtliche Köln wird der Erzähler von einer unheimlichen Gestalt verfolgt, die unter ihrem Mantel ein Richtbeil trägt wie ein Henker. Sie ist ihm wohlbekannt: Früher, wenn er noch spät nachts am Schreibtisch saß und dichtete, stand die Gestalt oft plötzlich hinter ihm. Nun spricht er die unheimliche Erscheinung an und fragt sie, was sie wolle. Der Begleiter versichert ihm, dass er kein Gespenst sei, sondern nur die personifizierten Gedanken des Erzählers. Mit seinem Richtbeil setze er das in die Tat um, was sich der Revolutionär an seinem Schreibtisch ersinne. Im Traum geht der Erzähler später nochmals mit der Gestalt durch die Stadt. Sein Herz blutet, und manchmal streicht er etwas von diesem Blut an den Türpfosten eines Hauses. Es ist ein Hinweis für seinen Begleiter: In diesem Haus soll er jemanden mit seinem Beil töten. Auf ihrem Weg kommen sie schließlich auch in den Dom. Dort sitzen die Gerippe der Heiligen Drei Könige auf ihren Särgen; eines von ihnen fordert vom Erzähler Verehrung und Respekt ein. Aber dieser bleibt unbeeindruckt – auf alte Knochen will er keine Rücksicht nehmen, denn der Dom soll den Lebenden gehören. So ruft er seinen Begleiter herbei, der die Skelette unbarmherzig mit seinem Beil zerschlägt. Dabei fängt das Herz des Erzählers noch stärker zu bluten an, und er wacht auf.

Durch Westfalen

Bei der Fahrt durch Mühlheim erinnert sich der Erzähler an seinen letzten dortigen Aufenthalt, der nun schon etliche Jahre zurückliegt. Damals hofften die Menschen, dass die preußischen Soldaten bald verschwinden und an ihrer Stelle die Franzosen und mit ihnen Freiheit und Freude Einzug halten würden. Diese Hoffnungen wurden aber enttäuscht, die Ideale der Französischen Revolution haben ihren Einfluss verloren, und die Stadt gehört noch immer zu Preußen.

„Franzosen und Russen gehört das Land, / Das Meer gehört den Briten, / Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten.“ (S. 31)

In Hagen isst der Erzähler zu Mittag und freut sich darüber, dass ihm wieder vertraute deutsche Kost vorgesetzt wird. Die abendliche Einkehr in einem Gasthaus in Unna weckt Erinnerungen an westfälische Freunde, die er während des Studiums kennen gelernt hat. Während der Fahrt durch den Teutoburger Wald sinniert er, was wohl geschehen wäre, wenn nicht die Germanen, sondern die Römer einst die Hermannsschlacht gewonnen hätten: In München würden nun die Priesterinnen durch die Stadt ziehen, und ein Philosoph wie Schelling müsste wohl sterben wie einst Seneca.

„Das ist ja meine Heimatluft! / Die glühende Wange empfand es! / Und dieser Landstraßenkot, er ist / Der Dreck meines Vaterlandes!“ (S. 35)

Nachts im Teutoburger Wald löst sich plötzlich ein Rad von der Kutsche. Der Kutscher holt Hilfe, während der Erzähler allein zurückbleibt. In der Umgebung ist das Geheul von Wölfen zu hören, und für sie hält er eine kleine Ansprache. Er versichert ihnen, einer der ihren zu sein: Er müsse zwar manchmal im Schafspelz auftreten, aber in seinem Herzen bleibe er ein rebellischer Wolf. Auf der Weiterfahrt erblickt er am frühen Morgen ein Kruzifix am Wegrand und kommt ins Nachdenken: Mit dem gekreuzigten Jesus fühlt er sich verbunden, weil auch dieser den Mächtigen unliebsam war und dafür büßen musste. Hätte es zu der damaligen Zeit schon den Buchdruck gegeben, dann hätte Jesus nicht predigen müssen, sondern seine Gedanken schriftlich niederlegen können. Ein Zensor hätte dann, wie auch heute üblich, alle unliebsamen Stellen vorab beseitigt, und die Kreuzigung hätte nie stattgefunden. So aber ist das Kruzifix eine Mahnung an alle Menschen, dass man sich vor revolutionären Ideen hüten sollte.

Begegnung mit Barbarossa

Der Erzähler erinnert sich an die Märchen, die ihm einst erzählt wurden. Dazu gehört auch die Sage vom alten Kaiser Barbarossa, der mit seinen Soldaten und Pferden im Kyffhäuser-Berg sitzt und schläft, bis seine Zeit gekommen ist. Dann wird er aufstehen und die Unterdrücker Deutschlands vertreiben.

„Jedwedem fühlenden Herzen bleibt / Das Vaterland ewig teuer – / Ich liebe auch recht braun geschmort / Die Bücklinge und Eier.“ (S. 37)

Der Erzähler schläft ein, und im Traum sieht er sich mit Barbarossa durch die Hallen im Berg gehen. Der Kaiser zeigt ihm seine Waffen und seine Soldaten. Dann zählt er die Pferde und stellt fest, dass er noch nicht genug besitzt, um aufzubrechen und Deutschland zu befreien. Der Erzähler ist ungeduldig und bittet den Kaiser, nicht mehr länger zu warten und anstelle der fehlenden Pferde lieber Esel zu nehmen. Doch Barbarossa hat keine Eile. Statt zur Tat zu schreiten, möchte er wissen, wie es denn inzwischen auf der Erde aussieht. Sein Gast berichtet von der Französischen Revolution, und Barbarossa lässt sich erklären, was eine Guillotine ist. Er ärgert sich sehr darüber, dass man den französischen König so respektlos behandelt und mit einem solchen Mordinstrument getötet hat. Auch den Erzähler bezeichnet er jetzt als Revolutionär und weist ihn zurück. Da verliert dieser jeglichen Respekt vor dem Kaiser und wehrt sich gegen die Kritik: Barbarossa solle weiterschlafen – Deutschland brauche ihn nicht, um sich zu befreien.

„Der Schafspelz, den ich umgehängt / Zuweilen, um mich zu wärmen, / Glaubt mirs, er brachte mich nie dahin, / Für das Glück der Schafe zu schwärmen.“ (S. 44)

So frech zur Obrigkeit darf der Erzähler aber nur im Traum sein. Als er wach wird und über sein Verhalten nachdenkt, bittet er den Kaiser um Entschuldigung. Wenn es sein müsse, dürfe dieser sogar sein mittelalterliches Reich wieder aufrichten – Hauptsache, er verjage die verhassten Preußen.

Zu Hause in Hamburg

Am Abend kommt der Erzähler in der Festungsstadt Minden an und übernachtet dort. Er fühlt sich eingeengt und bedroht – so sehr, dass er die ganze Nacht von Albträumen geplagt wird: Er sieht sich von Polizisten abgeführt und, wie Prometheus, an einen Felsen gekettet. Und genau wie bei der Sagengestalt frisst ein Adler an seiner Leber – der preußische Adler. Er ist froh, als er am nächsten Morgen wieder abreisen kann. Über Bückeburg und Hannover, wo er den Palast des Königs besichtigt, erreicht er das Ziel seiner Reise: Hamburg.

„Herr Rotbart – rief ich laut – du bist / Ein altes Fabelwesen, / Geh, leg dich schlafen, wir werden uns / Auch ohne dich erlösen.“ (über Barbarossa, S. 56)

Dort besucht er als Erstes seine Mutter, die er ebenfalls seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie bewirtet ihn und erkundigt sich nach vielem, auch nach seiner politischen Überzeugung. Der Erzähler antwortet ihr ausweichend oder gar nicht.

Als Nächstes sieht er sich die Stadt an. Er erkennt sie fast nicht wieder: Nach dem großen Brand im Jahr zuvor sind viele Gebäude und ganze Straßenzüge verschwunden, an denen viele seiner Erinnerungen hingen. Den jammernden Bürgern gibt er einen Rat: Sie sollen die Stadt wieder aufbauen und nicht über den Verlust klagen. Denn noch gefährlicher als ein Brand sei die Bedrohung durch einen Vogel – den preußischen Adler. Viele seiner Bekannten sind in den 13 Jahren seiner Abwesenheit gestorben. Ein guter alter Freund jedoch ist noch da und freut sich sehr über seine Rückkehr: der Zensor.

Die Zukunft Deutschlands

Mit seinem Verleger Campe geht der Erzähler zu Abend essen und trifft auch hier auf alte Bekannte. Nachdem er einiges getrunken hat, verlässt er das Lokal und macht sich auf die Suche nach einer Prostituierten. In einem einschlägigen Viertel trifft er eine schöne Frau. Sie teilt ihm mit, dass von den Prostituierten, die er von früher her kennt, keine mehr hier ist. Inzwischen seien sie alle alt geworden und verblüht.

„Ich habe mich mit dem Kaiser gezankt / Im Traum, im Traum versteht sich, – / Im wachenden Zustand sprechen wir nicht / Mit Fürsten so widersetzig.“ (S. 57)

Die Frau gibt sich als Hammonia zu erkennen, die Schutzgöttin Hamburgs. Sie nimmt ihn mit in ihre Wohnung und gesteht ihm dort, dass sie ihn von allen Dichtern am meisten schätzt. Außerdem möchte sie wissen, was ihn zurück nach Deutschland getrieben hat. Er erzählt ihr, dass er von Heimweh geplagt war. Hammonia bittet ihn, nun in Deutschland zu bleiben. Die Menschen seien auch hier frei – immerhin hätten sie das Recht, sich jederzeit das Leben zu nehmen. Solange man seine Gedanken nicht aufschreibe, herrsche Gedankenfreiheit; und hungern müsse man auch nicht, zumindest nicht in den Gefängnissen. Hammonia möchte ihn in Hamburg halten, weil sie ihn liebt. In Gedanken sieht sie schon ihre Hochzeitsfeier vor sich – dabei aber mischt sich der Zensor unter die Gratulanten und schneidet dem Bräutigam mit einer großen Schere sein bestes Stück ab.

„Die Population des Hamburger Staats / Besteht, seit Menschengedenken, / Aus Juden und Christen; es pflegen auch / die Letztren nicht viel zu verschenken.“ (S. 70)

Hammonia will dem Erzähler zeigen, wie die Zukunft Deutschlands aussieht. Sie fürchtet jedoch, er könnte dieses Geheimnis weitererzählen. Nachdem er ihr geschworen hat zu schweigen, weiht sie ihn ein. Als Schutzgöttin Hamburgs ist sie so alt wie die Stadt selbst. Sie ist eine Tochter des Stadtgründers, Kaiser Karls des Großen. Von ihm hat sie einen alten Nachtstuhl geerbt. Nun bittet sie den Erzähler, seinen Kopf in den Nachttopf zu stecken, denn darin könne er Deutschlands Zukunft sehen. Neugierig tut er, was sie ihm sagt – und wird ohnmächtig, denn der Topf stinkt entsetzlich. Er ahnt, dass es um die Zukunft Deutschlands nicht gut bestellt sein kann.

„Ja, dass es uns früher so schrecklich ging, / In Deutschland, ist Übertreibung; / Man konnte entrinnen der Knechtschaft, wie einst / In Rom, durch Selbstentleibung.“ (Hammonia, S. 80)

Trotzdem glaubt der Erzähler, dass bereits eine neue Generation heranwächst, die freiheitlich geprägt ist und seine Schriften zu schätzen weiß. Der preußische König dagegen verehrt die Werke von Dichtern aus der Antike; zeitgenössische Autoren werden unterdrückt und verfolgt. Dabei sollte der König diese lieber schonen, denn von einem Dichter verspottet zu werden, ist die schlimmste Strafe – noch schlimmer als das Jüngste Gericht: Anders als dort findet er vor den Augen der Dichter kein Erbarmen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Deutschland. Ein Wintermärchen ist komplett in Versen verfasst. Das Werk besteht aus insgesamt 27 unterschiedlich langen Abschnitten, die mit der lateinischen Bezeichnung „Caput“ (Kopf, Kapitelanfang) und einer durchlaufenden Nummerierung überschrieben sind. Der Text ist komplett in vierzeiligen Strophen verfasst, bei denen sich jeweils die zweite und die vierte Zeile reimen. Heine wählt oft ganz bewusst so genannte Halbreime: Auf „Schauspielhäuser“ folgt „Kaiser“ oder auf „Ehre“ „Chöre“. Ein Ich-Erzähler berichtet von seiner Reise von der deutschen Grenze bei Aachen bis nach Hamburg. In Caput I legt er außerdem seine politischen Ansichten dar, ein Thema, das er ganz zum Schluss, in Caput XXVII, nochmals aufgreift. Heines Sprache ist sehr vielseitig und reicht vom Pathos der politischen Ideologie bis zu bissiger Kritik, die sich auch vulgärer Sprache bedient. Überhaupt ist die satirische Schrift von einem ironischen Unterton gekennzeichnet. Mal äußert Heine seine Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen ganz offen, mal in Metaphern und Doppeldeutigkeiten versteckt. Leicht verständlich ist das Werk für heutige Leser nicht: Zu den zahlreichen, heute oft ungebräuchlichen Fremdwörtern und den Verweisen auf Gestalten aus der antiken Sagenwelt kommen unzählige Anspielungen auf Zeitgenossen Heines und auf die damaligen politischen Umstände, die heute nur mit zusätzlichen Erläuterungen verständlich sind.

Interpretationsansätze

  • Deutschland. Ein Wintermärchen ist eine Satire auf die politische Restauration und Unfreiheit in Deutschland nach dem Wiener Kongress von 1814/15. Das Land ist wie im Frost erstarrt: Die Menschen werden unterdrückt, die Politik ist autoritär und rückwärtsgewandt.
  • Heine übt Kritik nicht nur an der Regierung, sondern auch an der Kirche, die nach seiner Ansicht ebenfalls für die Unfreiheit der Menschen verantwortlich ist. Auch die zu seiner Zeit weit verbreiteten nationalistischen Bestrebungen revolutionärer Kreise lehnt Heine ab.
  • Heines Zukunftsutopie, in der sich Anklänge an den frühen Marxismus finden, stellt Freiheit und Wohlstand in den Mittelpunkt: Alle Güter sollen gerecht verteilt werden; statt auf das Jenseits vertröstet zu werden, sollen die Menschen schon in der Gegenwart glücklich leben dürfen.
  • Die Perspektive des Reisenden, der nach langer Abwesenheit in die Heimat zurückkehrt, gibt Heine die Möglichkeit, die Zustände von außen zu beurteilen.
  • Dabei bilden die einzelnen Reisestationen nur das äußere Gerüst der Handlung; sie lösen im Erzähler Gedanken oder Träume aus, in denen er die Situation reflektiert und seine politischen Standpunkte darlegt.
  • Heine lässt personifizierte nationale Symbole wie Barbarossa oder den Rhein auftreten; er entmythologisiert sie und kritisiert so den Nationalismus deutscher Prägung, der anders als der französische die Ideen von Freiheit und Gleichheit missachtete.
  • Charakteristisch für das Werk ist die provokante Kombination wichtiger politischer Themen wie Freiheit oder nationale Einheit mit Profanem wie Essen oder Prostitution.
  • Heines politische Satire ist inhaltlich stark zeitgebunden; das liegt in der Natur der Gattung. Sein Witz und sein virtuoser Umgang mit der Sprache macht das Werk trotzdem auch heute noch zu einem Lesevergnügen.

Historischer Hintergrund

Die Zeit des Vormärz in Deutschland

Nach der Niederlage Napoleons im Jahr 1812 wurde 1814/15 auf dem Wiener Kongress die politische Ordnung Europas neu festgelegt. Diese Neuordnung war jedoch eine Restauration, eine Rückkehr zum Absolutismus; die freiheitlichen Ideale der Französischen Revolution galten als gescheitert. Deutschland blieb weiterhin in einzelne Staaten zersplittert, die Forderungen liberaler Kreise nach nationaler Einheit und einer Demokratisierung des Landes wurden nicht berücksichtigt. In der Politik setzte sich eine streng konservative Linie durch, die demokratische Reformen mit allen Mitteln zu unterdrücken versuchte. Träger revolutionären Gedankenguts waren in dieser Zeit vor allem Studentenverbindungen, die Burschenschaften, die sich für die Einheit des Landes und für demokratische Grundrechte einsetzten. Die Regierung unterband derlei Bestrebungen mit drastischen Maßnahmen: Mit den Karlsbader Beschlüssen 1819 wurden die Burschenschaften verboten, die Zeitungen kontrolliert und es wurde eine rigorose Zensur eingeführt. Das Hambacher Fest im Mai 1832, dessen Teilnehmer erneut Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit forderten, führte zu einer weiteren Verschärfung der Zensur. Die Unterdrückung vonseiten des Staates und das Gefühl der Machtlosigkeit bewog viele Anhänger der Demokratie zu einem Rückzug ins Privatleben und einer Hinwendung zur Vergangenheit. Auch war das Streben nach nationaler Einheit oft mit einer Verklärung früherer Zeiten verbunden. Die politische Unterdrückung führte 1848 schließlich doch noch zur Revolution; aber auch diese wurde niedergeschlagen und blieb zunächst folgenlos.

Entstehung

Nach über zwölf Jahren Aufenthalt in Paris unternahm Heinrich Heine im Oktober 1843 zum ersten Mal wieder eine Reise nach Deutschland. Grund für die Fahrt war sein Wunsch, seine Mutter wiederzusehen. Nach dem großen Brand von Hamburg im Mai 1842 sorgte er sich um seine Familie, die von dem Unglück mit betroffen war. Außerdem wollte sich Heine zu geschäftlichen Gesprächen mit seinem Verleger Julius Campe treffen und sich selbst ein Bild von den Zuständen in Deutschland machen, die er seit Jahren nur noch vom Hörensagen kannte. Nach Paris zurückgekehrt begann er, seine Eindrücke dichterisch zu verarbeiten. Deutschland. Ein Wintermärchen entstand im Wesentlichen von Dezember 1843 bis März 1844. Da das Werk in Deutschland erscheinen sollte, unterlag es der Zensur, die noch einige Änderungen forderte, ehe es Ende September 1844 zusammen mit den Neuen Gedichten publiziert wurde. Anfang Oktober folgte bereits eine Einzelausgabe. Die Form der satirischen Reisebeschreibung – damals noch in Prosa – hatte Heine bereits in den Reisebildern gewählt, die von 1826 bis 1831 in vier Bänden erschienen waren. Eine Satire in Gedichtform hatte Heine ebenfalls schon veröffentlicht: Atta Troll. Ein Sommernachtstraum (1843). In Deutschland. Ein Wintermärchen verknüpfte er diese beiden Formen und wählte als Untertitel, wie bereits bei Atta Troll, wiederum den Titel eines Dramas von William Shakespeare.

Wirkungsgeschichte

Obwohl man das Werk einer Zensur unterzog, wurde Deutschland. Ein Wintermärchen sofort nach seinem Erscheinen in Preußen verboten, verbunden mit der Aufforderung an andere deutsche Länder, sich dem Verbot anzuschließen. Ab Mitte Dezember 1844 bestand ein Grenzhaftbefehl gegen den Autor des missliebigen Werks. Damit drohte Heine bereits bei der Einreise nach Deutschland die Verhaftung. Dieser Haftbefehl blieb bis zum Tod des Autors bestehen. Selbst als der schwer kranke Heine im Jahr 1846 um die Möglichkeit bat, nach Deutschland einreisen zu dürfen, um sich in Berlin von einem Spezialisten untersuchen zu lassen, wurde sein Ersuchen nicht genehmigt. Die rigorose Unterdrückung vonseiten des Staates konnte den Erfolg des Werks jedoch nicht aufhalten: Schon im November 1844 erschien die zweite Auflage. Revolutionäre Kreise lobten den Text, von konservativen wurde er ebenso vehement abgelehnt. Diese polarisierende Wirkung Heines blieb über Jahrzehnte bestehen. Noch im Jahr 1910 veröffentlichte Karl Kraus eine kritische Schrift mit dem Titel Heine und die Folgen. Der Journalismuskritiker Kraus warf Heine, den er als Erfinder des Feuilletons bezeichnete, vor, er habe der deutschen Sprache „so sehr das Mieder gelockert, (...) dass heute alle (...) an ihren Brüsten fingern können“. Im Nationalsozialismus waren Heines Werke verboten. Sein populäres Gedicht Loreley, das mit der Melodie von Friedrich Silcher längst zum Volkslied geworden war („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“), wurde damals nur noch mit dem Vermerk „Verfasser unbekannt“ gedruckt. Deutschland. Ein Wintermärchen regte immer wieder zu Nachahmungen an. So veröffentlichte z. B. Wolf Biermann im Jahr 1972 Eindrücke einer Reise aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls unter dem Titel Deutschland. Ein Wintermärchen. Mit seiner Verbindung von politischer Aussage und literarischer Qualität wurde Heine nicht zuletzt zum Vorbild für andere politisch engagierte Schriftsteller wie Bertolt Brecht.

Über den Autor

Heinrich Heine wird am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Harry Heine geboren. Seine Eltern sind Juden. Die politischen Wirren dieser Zeit prägen seine Kindheit: Mal steht Düsseldorf unter französischer Verwaltung, mal gehört die Stadt zu Bayern, dann wird sie von russischen Truppen besetzt und kommt 1815 zu Preußen. Unter französischer Herrschaft sind die Juden gleichberechtigt; danach hat Harry unter wachsender Diskriminierung zu leiden. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich bald für die Ideale der Französischen Revolution begeistert. Sein Versuch, in einem bürgerlichen Beruf Fuß zu fassen, gestaltet sich schwierig: Mehrmals beginnt er eine kaufmännische Ausbildung, schließt sie jedoch nicht ab. Er nimmt ein Jurastudium auf, doch auch das macht ihm Mühe. Bereits ab 1817 veröffentlicht er aber Gedichte und arbeitet ab 1822 als Journalist. Wegen seiner politischen Einstellung gerät er jedoch bald in Konflikt mit der Zensur. Um seine Berufschancen zu verbessern, lässt er sich kurz vor der Promotion taufen und erhält die Vornamen Christian Johann Heinrich. Vergebens bleibt sein Versuch, sich als Rechtsanwalt in Hamburg niederzulassen, aber dort lernt er immerhin den Verleger Campe kennen, der den jungen Schriftsteller fördert. Obwohl getauft, bleibt Heine wegen seiner jüdischen Herkunft in seinen beruflichen Möglichkeiten begrenzt. Nachdem auch eine Bewerbung um eine Professur scheitert, siedelt er 1831 nach Paris über, wo nach der Julirevolution von 1830 das politische Klima deutlich liberaler ist als in Preußen. Hier arbeitet er als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlicht weiterhin auch in Deutschland und hat durch seine kritischen Texte Ärger mit der Zensur. Als 1844 ein Grenzhaftbefehl gegen ihn ausgesprochen wird, wird Frankreich für ihn endgültig zum Exil. In seinen letzten Lebensjahren leidet Heine zunehmend unter Lähmungserscheinungen; ab 1848 ist er bettlägerig, am 17. Februar 1856 stirbt er schließlich. Er wird auf dem Friedhof von Montmartre beerdigt. Zu seinen wichtigsten Werken gehören die Liebesgedichte Buch der Lieder (1827) und die satirischen Reisebilder (1826–1831).

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