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Die Charaktere
Buch

Die Charaktere

Paris, 1688
Diese Ausgabe: Insel Verlag, 2007 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Aphorismen
  • Barock

Worum es geht

Ein Feuerwerk der Menschenkenntnis

Andere Zeiten, andere Sitten: La Bruyères Werk Die Charaktere gewährt dem Leser Einblicke in die höfische und bürgerliche Welt des 17. Jahrhunderts in Frankreich, also in die glanzvolle Epoche des Sonnenkönigs Ludwigs XIV., dessen Zeitgenosse La Bruyère war. Das Buch steht in der großen französischen Tradition aphoristischer Beschreibungen der „moeurs“, der Sitten. La Bruyère geht mit unvoreingenommenem und unbestechlichem Blick zu Werke. Er arbeitet den menschlichen Kern hinter all den Heucheleien und Übertreibungen des überfeinerten französischen Hofes heraus – und der scheint sich über die Jahrhunderte doch nicht allzu sehr verändert zu haben. In seiner Denkweise und in seinem literarischen Stil sowie mit all seinen psychologischen, soziologischen und anthropologischen Ansätzen war La Bruyère seiner Zeit weit voraus: ein Aufklärer, ja sogar ein sehr modern anmutender Autor.

Zusammenfassung

Über Kunst und Literatur

Die Schriftsteller der Antike haben das Wichtigste bereits vorgedacht und in unübertrefflicher Weise zum Ausdruck gebracht. Die neueren Autoren können sie nur nachahmen und ihren Stil der Zeit anpassen. Ein Schriftsteller muss sich vor allem darum bemühen, richtig zu denken, dann ergibt sich der natürliche, angemessene, gute Stil wie von selbst. Je größer der Schwulst und je pompöser die Verse, desto mittelmäßiger der Autor. Solche Dichter wollen nur Eindruck schinden und hoffen, sich mit ihren Werken eine Stelle am Hof oder eine Pfründe zu ergattern, um sich ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Nur mittelmäßige und dumme Leser ergötzen sich an einem überladenen Stil, der die eigentliche Aussage verdunkelt. In der Briefliteratur sind Frauen den männlichen Schriftstellern oftmals an Treffsicherheit des Ausdrucks überlegen. Für gelungene Dramen ist es unerlässlich, den Stoff kunstvoll zu verfremden und erhaben zu gestalten. Das Natürliche und Alltägliche auf der Bühne zu sehen, langweilt und wirkt lächerlich: etwa das Rülpsen eines Betrunkenen, der seinen Rausch ausschläft, oder die stundenlange Prozedur, wie ein Geck sich schminkt, parfümiert und...

Über den Autor

Jean de La Bruyère wird am 16. August 1645 in Paris geboren. Er stammt aus einer wohlhabenden bürgerlichen Familie. Nachdem er in Orléans Rechtswissenschaften studiert hat, erhält er die Zulassung, am höchsten Pariser Gericht zu plädieren, dem so genannten Parlement. Dank einer reichen Erbschaft kann er sich ein Amt in der Finanzverwaltung in der Normandie kaufen, dessen Erwerb sogar mit einem Adelsprädikat verbunden ist. Außer zur formellen Übernahme der Amtsgeschäfte ist er jedoch niemals dort; stattdessen lebt er weiterhin als Privatgelehrter in Paris. 1684 wird er vom Prinzen von Condé als Erzieher von dessen Enkel berufen. Der Prinz ist ein bedeutender Feldherr seiner Zeit und das Oberhaupt der bourbonischen Seitenlinie Condé, also ein Verwandter des Königshauses. Durch diese wertvolle Verbindung erhält Jean de La Bruyère direkten Zugang zu den Kreisen des Hochadels, kann diese Welt aus nächster Nähe beobachten und lernt alle bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit kennen. Auch nach der Verheiratung seines Schützlings im Jahr 1687 verbleibt La Bruyère als Sekretär und Gesellschafter in dessen Gefolge. Allerdings sind der Junge und sein hochadliger Vater nach dem Zeugnis des Herzogs von Saint-Simon aufgeblasene, rücksichtslose Proleten, die auch La Bruyère wie einen Domestiken schikanieren. 1688 veröffentlicht er sein Buch Die Charaktere, das sofort ein großer Erfolg wird und in mehreren Neuauflagen erscheint. 1693 wird La Bruyère mit Unterstützung des Königs in die Académie française gewählt – gegen den Willen der „Modernisten“, die dort zunehmend den Ton angeben. Drei Jahre später, am 10. Mai 1696, stirbt Jean de La Bruyère im Alter von 51 Jahren an einem Schlaganfall.


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