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Die Entdeckung der Neuen Welt

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Die Entdeckung der Neuen Welt

Kritische Untersuchung zur historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt und den Fortschritten der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Ein Universalgenie spürt den Anfängen der Globalisierung nach und rekapituliert die Entdeckung Amerikas.


Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Aufklärung

Worum es geht

Geografie trifft Philologie

Alexander von Humboldt verkörpert wie kaum ein anderer den wissenschaftlichen Geist des 19. Jahrhunderts, den Glauben an den Fortschritt und an die Erfüllung der Geschichte, das Beharren auf Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Ideen, Sprachen und Kulturen. Der Weltbürger und Diplomat gilt unter anderem als Begründer der Geografie. In Die Entdeckung der Neuen Welt zog er die Bilanz aus seiner 30-jährigen Beschäftigung mit den ersten Fahrten nach Amerika. In minutiösen philologischen und historisch-kritischen Untersuchungen beschäftigte er sich mit dem Zuwachs an Ideen, der mit der Erweiterung des Gesichtskreises einherging. Ihn faszinierte, wie geografische Entdeckungen die Einbildungskraft belebten. Mit stupender Belesenheit gab Humboldt den Anstoß zu einer neuen Entdeckung Amerikas – in Form von Texten. Auch wenn dies nicht sein Hauptwerk ist, illustriert es auf faszinierende Weise das Denken und die Methode des Universalgelehrten. Mit dieser wunderbaren bibliophilen Ausgabe ist es übrigens ein besonderer Genuss für jeden Bücherfreund, Humboldt auf seinen Reisen zu begleiten.

Take-aways

  • Die Entdeckung der Neuen Welt gilt als Krönung des „Opus americanum“ von Alexander von Humboldt.
  • Inhalt: Die großen geografischen Entdeckungen der Zeit um 1500 führten zu geistigen Umbrüchen. Kolumbus’ Absicht, auf dem Westweg nach Indien zu gelangen, wurde von den Ideen und Taten verschiedener früherer Denker und Forscher beeinflusst. Kolumbus war eine herausragende Persönlichkeit, die jedoch auch immer unter dem Einfluss der herrschenden Ideen ihres Zeitalters stand. Ihm gebührt mehr Anerkennung als Amerigo Vespucci, nach dem – durch eine Verkettung unglücklicher Umstände – Amerika benannt ist.
  • Das Werk ist das Resultat von drei Jahrzehnten Beschäftigung des Autors mit seinem Gegenstand.
  • Humboldt hatte in den Jahren 1799 bis 1804 Süd-, Mittel- und Nordamerika bereist.
  • Mit seinem Versuch, die Geschichte der Entdeckung Amerikas zu schreiben, kann er als Vordenker der Globalisierung gelten.
  • Das Werk ist vom Geist der Aufklärung und der emanzipatorischen Ideale der Französischen Revolution geprägt.
  • Humboldts Methode besteht in einem vergleichenden Studium der von Seefahrern und Entdeckern erstellten Aufzeichnungen und Karten.
  • Geografische Karten und historische Analysen bilden eine Einheit.
  • Die Entdeckung der Welt erschien zwischen 1834 und 1838 auf Französisch in Paris.
  • Zitat: „Die Details der Geschichte der Wissenschaften gewähren nur dann einen Nutzen, wenn man sie durch ein gemeinsames Band verknüpft.“

Zusammenfassung

Ziel der Untersuchung

Das Ziel des Werks ist es, die „individuelle Physiognomie“ des 15. und des 16. Jahrhunderts herauszuarbeiten, die durch äußerste geistige Lebendigkeit gekennzeichnet waren. Die Zeit um 1500 war eine „Zwischenzeit“, die sowohl zum Mittelalter als auch zur Neuzeit gehörte. Die Entdeckungen dieser Zeit – allen voran die Entdeckung der Neuen Welt – übertrafen quantitativ die der Neuzeit. Sie waren Triebfedern für die Verstandeskräfte und führten zu geistigen Umbrüchen.

„Die großen Entdeckungen auf der westlichen Halbkugel waren kein Werk des Zufalls.“ (S. 20)

Das vorliegende Werk ist das Resultat von 30 Jahren Arbeit und verarbeitet nicht nur eigene Reiseerfahrungen, sondern auch Erzählungen der Konquistadoren. Zugleich sollen die Gedanken- und Meinungsverbindungen herausgestellt werden, die die Ideen des 15. Jahrhunderts mit denen der Antike, denen von Denkern wie Aristoteles, Eratosthenes und Strabo, verknüpfen. Wie aus dem Studium der frühesten Geschichtsschreiber und einem Vergleich mit zeitgenössischen Schriften hervorgeht, wussten bereits die Gelehrten des 15. Jahrhunderts die Entdeckungen ihrer Zeit zu schätzen.

Tatsachen und Verklärung

Am 3. August 1492 stach Christoph Kolumbus in See und trat damit die erste von vier Expeditionen an, die zur Entdeckung der Neuen Welt führten. Kolumbus mystifizierte seine Beweggründe im hohen Alter und verklärte seine Reisen als Erfüllung des Evangeliums bzw. der Weissagungen der Propheten. Gleichzeitig blendete er die Bedeutung von Vernunft, Mathematik und Weltkarten aus. So etwa in seinem 1503 an das spanische Königspaar geschriebenen Brief (bekannt als Lettera rarissima) und in seiner Schrift Profecías aus dem Jahr 1504. Dieses Bild muss revidiert werden. Es gilt, die um 1490 herrschenden Ansichten mit Weltkarten und den Überlieferungen früherer Reisender in Verbindung zu setzen und jene Gedanken, die Kolumbus nach seiner Entdeckung hegte, von den Tatsachen und Betrachtungen zu trennen, die überhaupt erst zu der Entdeckungsreise führten.

„In jeder einzelnen Epoche des Völkerlebens erkennt man, daß alles, was mit den Fortschritten der Vernunft, mit der Vervollkommnung der Intelligenz im Zusammenhang steht, tiefe Wurzeln in den vorhergehenden Jahrhunderten hat (...)“ (S. 35)

In Kolumbus’ Schriften finden sich viele Stellen, die aus fremden Texten übernommen wurden. Wenn man die verschiedenen Geografen, von den Phöniziern über Marco Polo bis hin zu Kolumbus’ Zeitgenossen, geschichtlich einordnet, kann man den Zuwachs an Ideen ermessen, der die Erweiterung des physischen Gesichtskreises begleitet hat. Da Kolumbus die ersten Grundlagen einer physischen Geografie gelegt hat, muss untersucht werden, woher seine spätere mystische Theologie rührt, wann in seinem Leben er sich mit welchen Schriften beschäftigt hat und welche Quellen ihn zur Reise nach Indien – denn dies war ja sein Ziel – bewogen haben könnten.

Kolumbus’ Vorläufer

Bereits zu Aristoteles’ Zeiten finden sich die ersten Hypothesen von der Kugelgestalt der Erde. Sie entwickelten sich im Lauf der Zeit weiter und fanden Eingang in die Ansichten der großen Seefahrer, ebenso in die Methoden, durch die es zur richtigen Bestimmung der Lage von Indien und China kam. Dabei ragen einzelne Gelehrte des Mittelalters wie Roger Bacon heraus, die die Auffassung widerlegen, dass das Mittelalter eine Zeit der Finsternis gewesen sei.

„(...) ich habe (....), da der Hauptzweck meiner Arbeit darin besteht, durch eine kritische Untersuchung der aus der Hand des Christoph Columbus selbst hervorgegangenen und uns erhaltenen Dokumente eine genauere Kenntnis des Gedankengangs zu erlangen, welcher zur Entdeckung von Amerika geführt hat, mich bemüht, mir eine vertraute Bekanntschaft mit denjenigen Büchern zu verschaffen, deren sich Columbus gemeinhin bediente (...)“ (S. 45)

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Erdkunde muss man sich bewusst sein, dass man es neben Fakten auch mit Mythen zu tun hat. Hilfreich ist es, die Verteilung der Kontinentalmassen bei Autoren wie Aristoteles, Strabo, Plutarch und Cicero zu untersuchen. Durch einen Vergleich von Kolumbus’ Seeroute mit den auf Karten vermerkten Routen anderer sowie durch die vergleichende Lektüre der Schriften von zeitgenössischen Seefahrern lässt sich eine Reihenfolge der Entdeckungen an der Ostküste des südlichen Amerika entwickeln.

Das Zeitalter der großen Entdeckungen

Der Gang der Entdeckungen und die Fortschritte des Meereshandels beruhen auf verschiedenen Ursachen. Ausgehend von einer vergleichenden Untersuchung alter Karten mit ihrer Verteilung von Kontinenten und Küstenstücken kann eruiert werden, welches Wissen und welche Seefahrtsversuche hier zugrunde lagen. Welche Ideenverbindungen, welche Kenntnisse positiver Tatsachen waren etwa der Grund, auf einer Karte eine Meerenge einzuzeichnen? Es gibt beispielsweise Belege dafür, dass Ferdinand Magellan von der Existenz einer Durchfahrt jenseits des Rio de la Plata überzeugt war, wohingegen die Karten jener Zeit eine solche Durchfahrt keineswegs angeben. Es ist auch aufschlussreich, die Beziehungen zwischen Magellan und früheren Kosmografen zu untersuchen.

„Die Details der Geschichte der Wissenschaften gewähren nur dann einen Nutzen, wenn man sie durch ein gemeinsames Band verknüpft.“ (S. 125)

In den Schriften älterer Gelehrter sind bereits viele Ideen zu finden, die dann im Lauf der Zeit ausgearbeitet wurden. Zwar bewahrt die Geschichte nur die Erfolge auf. Dennoch ist es interessant, aufzuspüren, durch welche Ideen die großen geografischen Entdeckungen vorbereitet wurden, wie sich geringfügige Ereignisse und Ideenverbindungen hochschaukeln konnten und wie ein einzelner Impuls eine immense Wirkung auf die Imagination des Menschen ausübte. Nationalhass und das boshafte Vergnügen an der Zerstörung von Mythen sind bei solchen Untersuchungen abzulehnen; vielmehr sollten diese ausschließlich auf Basis einer gesunden historischen Kritik durchgeführt werden.

Ursache und Wirkung

Die Entdeckung Amerikas am Ende des 15. Jahrhunderts war keine Bestimmung des Menschen, sondern das Resultat einer Verkettung vieler Ursachen und Wirkungen. Sie wurde, wie andere große Ereignisse, in früheren Jahrhunderten vorbereitet. Dennoch hat jedes Jahrhundert seinen ganz eigenen Charakter aufgrund der menschlichen Handlungen und einer „sittlichen Notwendigkeit“. Zwar ragen einzelne Persönlichkeiten heraus, sie handeln jedoch immer unter dem Einfluss der herrschenden Ideen eines Zeitalters. Die Geschichte wird somit nicht von Menschen gemacht, sondern von einem Geist der Zeit.

„Es gibt in den wandelbaren Geschicken der Zivilisation und des gesellschaftlichen Zustandes der Völker etwas Dauerndes und Beständiges, welches mit der Gestaltung der Ländermassen, ihrer größeren oder geringeren Absonderung, den Einflüssen des Klimas und den physischen Einwirkungen im Allgemeinen in engem Zusammenhang steht.“ (S. 138)

Glaubens- und Politikansichten, Handelsfortschritte, die Erfindung des Kompasses, neues Interesse an den Schriften des klassischen Altertums in der Renaissance und anderes bereiteten schon lange vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die neuen Ideen und einschneidenden Ereignisse vor. In früheren Jahrhunderten existierten vielfältige Vorstellungen von Festlandmassen und Weltmeeren, die die Überfahrtsorte, Seewege und Zwischenstationen der späteren Entdeckungsreisen erklären.

„Wir haben gesehen, daß in den geographischen Überlieferungen und den Erzählungen der Reisenden das Andenken an wirkliche Entdeckungen und eine Reihe traumhafter Gebilde wunderbar miteinander gemischt sind und daß das Reich der Dichtung, auf Meinungen und Ansichten aus dem Altertum gegründet, im Mittelalter besonders gegen Abend hin eine weitere Ausbreitung erlangte.“ (S. 178)

Um die Gesamtheit der Ereignisse zu entflechten, ist es wichtig, auch Volksüberlieferungen ernst zu nehmen und die Wanderungen geografischer Mythen (zum Beispiel über die Inseln St. Brendan oder Antillia) zu untersuchen, denn diese haben die Stoßrichtung der Schifffahrtskunde und des Handels beeinflusst. Ebenso kann man eine Liste der Seefahrer erstellen, die vermutlich bereits vor Christoph Kolumbus einen Teil von Amerika entdeckt haben – zu nennen ist etwa der Isländer Leif Eriksson, der um das Jahr 1000 herum ein Land namens „Vinland“ entdeckte, was Kolumbus aber höchstwahrscheinlich nicht bekannt war. Auch kann untersucht werden, welche Länder- und Städtenamen wann und von wem zum ersten Mal verwendet wurden und wie sich Pflanzensorten geografisch verlagerten.

Christoph Kolumbus

Den Werdegang der Entdecker und Erfinder zu verfolgen, ist höchst lehrreich. Dies gilt insbesondere für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, die eine der denkwürdigsten Epochen im Leben der Völker des Westens ist. Alle Bestrebungen waren hier miteinander verknüpft und auf ein und dasselbe Endziel gerichtet. Als Geschichtsforscher kann man im Nachhinein die Richtung der Ereignisse ausmachen, denn Ideen entwickeln sich wie Keime, sobald sie durch das Auftreten außerordentlicher Verhältnisse begünstigt werden.

„In der philosophischen Geschichte der Entdeckungen, in der Auseinandersetzung der subtilen Beziehungen, die den gewöhnlichen Verstandeskräften entschlüpfen, ist nichts anziehender und zugleich lehrreicher, als den Gang, den die Entdecker und Erfinder eingeschlagen haben, zu verfolgen.“ (S. 189)

Christoph Kolumbus besaß drei lobenswerte Eigenschaften: Kühnheit, Kenntnisreichtum und Ausdauer. Er war kein Abenteurer, sondern verfolgte nur fest entschlossen einen Plan. Seine geografischen Annahmen waren nicht immer korrekt, und so lag sein Erfolg vor allem in seinem Scharfsinn und seiner Charakterstärke begründet. Kolumbus las von Kirchenvätern bis zu alten Geografen alles, was ihm in die Hände kam. Er bewahrte sich eine tiefe dichterische Empfindung für die Majestät der Natur und zeichnete Naturporträts mit einer Mischung aus Stolz und Demut.

„Der Charakter der großen Männer besteht aus einer Zusammensetzung der mächtigen Individualität, mit der sie sich über Ihre Zeitgenossen erheben, und des allgemeinen Geistes ihres Jahrhunderts, der in ihnen gleichsam verkörpert ist und auf den sie zurückwirken.“ (S. 191)

Kolumbus war Anhänger einer falschen Hypothese, die von der Unregelmäßigkeit der Gestalt der Erdkugel ausging. Dies muss mit einem Mangel an mathematischen Vorkenntnissen und einer Verwirrung der Einbildungskraft entschuldigt werden. Sein großes Verdienst ist es, der Ideenarmut und Konzeptionslosigkeit des Mittelalters ein Ende gesetzt zu haben. Er hat zahllose neue Begriffe in Umlauf gebracht und damit den folgenden Jahrhunderten Schwung verliehen.

„Man sagt wohl, daß Männer höheren Geistes ihr Jahrhundert beherrschen. Aber so groß auch der Einfluß sein mag (...): Stets werden auch sie unter dem Einfluss der Bedingungen stehen, welche die Zeit, in der sie leben, auferlegt.“ (S. 250)

Kolumbus hatte aber auch eine dunkle Seite: Indem er Indianer ihren Familien entriss, Menschen von ihrem angestammten Boden fortzog und Sklavenhandel befürwortete, machte er sich die Meinungen und Vorurteile des königlichen Hofes in Spanien zu eigen. Ein unglückliches Zusammentreffen von Ereignissen führte den Seefahrer auf die Bahn der Ungerechtigkeit. Die auf Gewaltherrschaft beruhenden königlichen Beschlüsse provozierten bei Menschen wie Kolumbus Gewalt. Die Leibeigenschaft und Entrechtung der Eingeborenen sowie der Handel mit Sklaven, der allein selbstsüchtigen, materiellen Interessen diente, sind jedoch grundsätzlich zu verurteilen. Kolumbus wollte seiner Familie zwar Ruhm und Ehre verschaffen, der gegen ihn erhobene Vorwurf der Habgier ist allerdings haltlos. Am Ende seines Lebens litt Kolumbus zunehmend unter gesundheitlichen Problemen und offenbarte in privaten Briefen die feinsinnige, liebevolle Seite eines Familienvaters.

Amerigo Vespucci

Christoph Kolumbus erkannte zwar nach und nach den geografischen Zusammenhang der verschiedenen Inseln und der Festlandteile, die er entdeckt hatte, doch bis an sein Lebensende war er der Meinung, einen Westweg nach Asien gefunden zu haben. Den von ihm entdeckten Teil Kubas hielt er bis zu seinem Tod für einen Teil Chinas.

Hat Amerigo Vespucci, nach dem Amerika benannt wurde, das Festland von Amerika vor Kolumbus entdeckt oder ist dies nur eine Erdichtung, um Kolumbus’ Ruhm zu schmälern? Keinesfalls darf man sich bei der Beantwortung dieser Frage von Patriotismus leiten lassen. Es geht nicht um subjektive Ansichten, sondern um die Aufklärung von Tatsachen.

Bei der genauen Sichtung der Quellen zeigt sich, dass Vespucci seine Berühmtheit aufgrund falscher Daten und Anachronismen in überlieferten historischen Dokumenten erlangt hat. Seine erhaltenen Schriften sind zudem oft übertrieben dramatisch, da sie zur Unterhaltung vornehmer Personen abgefasst wurden; dies trug zu größerer Bekanntheit bei. Erhellende Aufschlüsse ergeben ein Vergleich zwischen Vespuccis erster Reise und der Fahrt des Alonso de Hojeda sowie eine Gegenüberstellung der zweiten Reise Vespuccis mit der Reise des Vicente Yáñez Pinzón. Aus diesem Vergleich geht hervor, dass das Festland von Amerika zuerst von Johann und Sebastian Cabot am 24. Juni 1497 entdeckt wurde. Kolumbus war jedoch derjenige, der das Festland von Südamerika entdeckte.

Durch eine vergleichende Lektüre fallen Stellen in Amerigo Vespuccis Briefen auf, die das Beobachtungstalent, aber auch die Leichtgläubigkeit ihres Verfassers erkennen lassen. Insgesamt kann Vespucci nicht als Entdecker von Amerika gelten. Da die Reisebeschreibung von Gonzalo Coelho auffällig mit Vespuccis Beschreibung seiner vierten Reise übereinstimmt, ist davon auszugehen, dass Coelho Befehlshaber von Vespuccis Flotte war. Vespucci selbst war bei keiner seiner Reisen in einer mächtigen Position, sondern gehorchte immer dem Befehl eines anderen.

Er war aber kein Betrüger: Der Name Amerika wurde nicht, wie verschiedentlich behauptet, von ihm selbst geprägt, sondern von einem Buchdrucker aus Lothringen namens Martin Waldseemüller. Vespucci wurde durch eine Verkettung von Umständen berühmt, die aber einer sachlichen Grundlage entbehren. Kolumbus hingegen ist aufgrund seiner Auffassungsgabe, seines Kenntnisreichtums und seines Muts die größte Anerkennung zu zollen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das umfangreiche Werk ist in fünf Bände unterteilt. Es endet relativ abrupt und erweckt den Eindruck, unvollendet zu sein. In seiner Vorrede legt Humboldt den Umfang der Untersuchung sowie Ansatz und Methode dar. Nach seiner Amerika-Expedition in den Jahren 1799 bis 1804, die ihn nach Süd-, Mittel- und Nordamerika führte, sichtete und analysierte er zahllose Briefe, Chroniken, Übersetzungen, Manuskripte, Urkunden und Karten. Sie bilden das Fundament seiner philologischen Analyse, in der es darum geht, Tatsachen zu klären, Widersprüche aufzudecken, Daten zu korrigieren und die Dinge aus der Rückschau in neuem Licht zu zeigen. An subjektiven Meinungen oder dem damaligen Ruf Einzelner hat Humboldt kein Interesse. Ihm geht es um exakte Messungen und wissenschaftlich nachweisbaren Fakten. Jede Begebenheit gilt dabei als Teil eines Ganzen und wird in einen Gesamtzusammenhang eingewoben.

Interpretationsansätze

  • Humboldt interessieren die Verknüpfungen zwischen Botanik, Klima, Tierwelt, Kultur und Ökonomie sowie die Verflechtungen von Ideen und Menschen, von Denkern und Entdeckern. Er kann damit als Vordenker der Globalisierung gelten. Aus der Perspektive eines neuen Zeitalters der Globalisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts schreibend, erkundet Humboldt eine frühere Phase der Globalisierung, um auch seine eigene Epoche besser zu verstehen.
  • Wissensdurstig, kirchenkritisch und mit philologischer Detailversessenheit setzt sich Humboldt mit den Schriften von Denkern und Entdeckern auseinander und treibt den Darstellungen anderer Reisender ihren religiösen, mystifizierenden Geist aus. Humboldt glaubt an die Einheit des Menschengeschlechts, das lediglich durch Nahrung, Temperatur und Sitten unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat; er ist überzeugt von der Verwandtschaft der Sprachen und will überall Ordnung, Entwicklung und Verwandtschaftsbeziehungen aufdecken. Nicht zuletzt ist er überzeugt von einem Fortschritt der Geistesbildung.
  • In der Entdeckung der Neuen Welt weht bereits der hegelsche Geschichtsgeist: Alexander von Humboldt ist überzeugt, dass jede Epoche zur Erfüllung ihrer Bestimmung gelangen soll. Er glaubt an Wurzeln, Fortschritt und die organische Entwicklung von Ideen. Das 15. und das 16. Jahrhundert sind für ihn wesentlich, weil sich in ihnen die Ideen multipliziert und die Grundlage für die Moderne gebildet haben. Allerdings braucht der Historiker Distanz und kommt erst im Nachhinein – aus kritischer Reflexion heraus – zu seinen Schlussfolgerungen.
  • Humboldt ist vom Geist der Aufklärung und den emanzipatorischen Idealen der Französischen Revolution beseelt: Er verurteilt die Sklaverei, kritisiert die despotische Gewalt der entstehenden Kolonialindustrie und lobt die bürgerliche Ordnung, die Freiheit qua Gesetz garantiere. Auch rühmt er die edlen und mutigen Bestrebungen derer, die „die natürlichen Rechte der Menschheit“ verteidigt haben.
  • Einerseits verfolgt Humboldt empirische Methoden, indem er genauestens die Position von Schiffen oder den Einfluss von Winden analysiert. Andererseits lässt er den Geist der Romantik erkennen, wenn er von der Einheit des Wissens und der Welt ausgeht und der Untersuchung von Mythen die gleiche Wichtigkeit beimisst wie nachweisbaren Fakten.

Historischer Hintergrund

Europa und seine Wissenschaften im Umbruch

Das 15. und das 16. Jahrhundert können als die erste Phase der Globalisierung gelten, da hier die europäische Expansion über die ganze Welt einsetzte und Regionen, Kulturen und Zivilisationen sich auf neue Weise gegenseitig beeinflussten. Diese Beschleunigung der Kontakte und der Verflechtung des Wissens wiederholte sich mit der industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als industrielle Güter erstmals auf mechanischer und nicht mehr auf handwerklicher Basis in Massen gefertigt und international vertrieben wurden.

Etwa zur gleichen Zeit stießen die Errungenschaften der Französischen Revolution auch bei den Intellektuellen in Deutschland – damals ein Flickenteppich verschiedener Fürstentümer – auf großen Anklang. Napoleon Bonaparte gliederte 1801 alle linksrheinischen deutschen Gebiete Frankreich an und bestimmte durch seine Eroberungen zunehmend die europäische Politik. Damit war das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation besiegelt. In der Schlacht bei Jena und Auerstedt erlitt die preußische Armee 1806 eine schwere Niederlage; Preußen verlor rund die Hälfte seines Territoriums. Reformen waren nun unumgänglich und wurden ab 1807 von den Behörden im Geist der idealistischen Philosophie eingeleitet.

Im Bildungswesen wurden die Reformen ab 1808 von Wilhelm von Humboldt umgesetzt. Sie zielten auf eine allgemeine Menschenbildung, die die geistige, moralische, intellektuelle und ästhetische Entfaltung des Menschen fördern sollte. An den Universitäten kristallisierten sich neue Disziplinen heraus. Als Meisterdisziplin des 19. Jahrhunderts kann dabei die Geschichte gelten, die sich als systematische Wissenschaft mit allgemein anerkannter Methodik herausbildete. Die Metropole der Weltwissenschaft blieb vorerst Paris, vor allem die Naturwissenschaften erlebten dort eine Blüte. Wissenschaftssprache war das Französische.

Die Industrialisierung revolutionierte nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft. Landflucht und Verstädterung waren die Folgen. Als Reaktion auf die ausschließlich auf Rationalismus gerichteten Ideale der Aufklärung entstand die Bewegung der Romantik, die die Intuition, die Welt der Gefühle und des Wunderbaren betonte. Sie wollte der Aufsplitterung der modernen Gesellschaft entgegenwirken. Gegen das Spezialistentum setzte sie ein organisches Modell der Ganzheit.

Entstehung

Alexander von Humboldt brach 1799 erstmals zu Reisen in die Neue Welt auf und bereiste dabei die Gebiete des heutigen Kubas, Kolumbiens, Ecuadors, Perus, Mexikos und der USA. Er traf mit Forschern vor Ort zusammen und war in den USA Gast von Präsident Thomas Jefferson. Zurück in Europa, begann er 1807 die Arbeit an seinen Reisebeschreibungen und seinem Kartenwerk. Von 1814 bis 1838 erschien in mehreren Teilen und in mehreren Pariser Verlagen der Atlas géographique et physique des régions équinoxales du Nouveau Continent.

Zu diesem Atlas wollte Humboldt einen begleitenden Erklärungstext verfassen, doch dazu kam es nie. Stattdessen verfasste er schließlich eine kritische Einleitung zum Kartenwerk in Form seines Examen critique de l’histoire de la géographie du Nouveau Continent, auf Deutsch: Kritische Untersuchung zur historischen Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt. Das Werk fasste historische Analysen zusammen, die Humboldt im Lauf von 30 Jahren geschrieben hatte. Es erschien von 1834 bis 1838 in mehreren Lieferungen, im großen Folioformat, gemeinsam mit dem Atlas géographique. Von 1836 bis 1839 kam eine Ausgabe in kleinerem Format ohne Atlas heraus. Textteil und Kartenwerk blieben für die nächsten rund 170 Jahre getrennt.

Wirkungsgeschichte

Als Die Entdeckung der Neuen Welt in den 1830er-Jahren auf Französisch erschien, war Alexander von Humboldt bereits ein weit gereister, prominenter, international vernetzter Wissenschaftler und ein Vertrauter des preußischen Königs. Trotz seines fortgeschrittenen Alters stand er auf der Höhe seines Denkens und Wissens und galt als einer der berühmtesten Männer Europas. Die Veröffentlichung von Die Entdeckung der Neuen Welt gilt als krönender Abschluss seines „Opus americanum“.

Das Werk wurde 1835 ins Deutsche und 1892 ins Spanische übersetzt. Die Entdeckung der Neuen Welt gilt bis heute als Beleg für die stupende Belesenheit und Gelehrtheit des Autors, wenngleich ihre Wirkung immer von Humboldts Hauptwerk Kosmos überschattet wurde. Neuere Analysen richten ihren Blick vor allem auf Humboldts planetarischen Ansatz sowie seinen Eurozentrismus.

Über den Autor

Alexander von Humboldt, geboren am 14. September 1769 auf Schloss Tegel in Berlin, gehört zur preußischen Oberschicht. Der Vater stirbt, als Alexander neun ist und sein (später ebenfalls berühmter) Bruder Wilhelm elf. Die Jungen bekommen einen aufgeklärten Erzieher, der sie mit allen modernen Ideen versorgt, sodass besonders Alexander zum überzeugten Liberalen wird. Nach kurzen Studienzeiten in Frankfurt an der Oder und Göttingen, während derer er von Anatomie über Physik und Chemie bis zur Kameralistik (Verwaltungswissenschaft) in so ziemlich alle Fächer hineinschnuppert, entscheidet Humboldt sich für ein Geologiestudium in Freiberg. Er macht den Abschluss in Rekordzeit und bekommt durch Beziehungen eine Stelle als Bergassessor, die er mit Bravour ausfüllt – um dann jedoch schlagartig den Staatsdienst zu quittieren, als er 26-jährig durch den Tod der Mutter zum Millionär wird. Beharrlich verfolgt er sein Ziel, Naturforscher zu werden und eine große Expedition durchzuführen, was ihm mit seiner berühmten Amerikareise von 1799 bis 1804 auch gelingt. Nach seiner Rückkehr wird er stürmisch gefeiert. Fortan nutzt er den Ruhm, um seine Erkenntnisse auszuwerten und zu publizieren. Er diskutiert mit Koryphäen beinahe sämtlicher Fachgebiete in aller Welt, schreibt rund 35 000 Briefe und erhält etwa dreimal so viele. Humboldt nutzt seinen Einfluss für verschiedenste Projekte, organisiert die ersten wissenschaftlichen Kongresse in Deutschland, unterstützt Nachwuchsforscher, diskutiert mit US-Präsident Roosevelt die Chancen eines Panamakanals und regt ein weltweites Netz geophysikalischer Messstationen an. Als er Mitte der 20er-Jahre so gut wie pleite ist, gibt er schließlich dem Drängen des preußischen Königs nach, der ihm eine Art Kammerherr-Position anbietet, und übersiedelt 1827 nach Berlin. So verbringt er den größten Teil seines Lebens in feindlichem Umfeld: erst als Preuße in Paris, dann – als bekennender Demokrat und Sympathisant der Märzrevolution von 1848 – am preußischen Hof, wo ihn beinahe alle hassen außer dem König; trotzdem steht er stets zu seinen Überzeugungen. Am 6. Mai 1859 stirbt Humboldt, der bis zuletzt an seinem Hauptwerk Kosmos arbeitet, in seiner Wohnung in Berlin, ohne Angehörige zu hinterlassen. Er erhält ein prächtiges Staatsbegräbnis, das er durch seine Kontakte zum Hof rechtzeitig selbst eingefädelt hat.

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