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Die gelehrten Frauen

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Die gelehrten Frauen

Komödie in fünf Akten

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Großer Ärger um drei Emanzen, einen Mitgiftjäger und ein braves Liebespaar: Molières Komödie Die gelehrten Frauen.


Literatur­klassiker

  • Komödie
  • Klassizismus

Worum es geht

Lächerliche Emanzen

Nicht allein die Liebe zählt, wenn Mann und Frau sich binden wollen: Es wimmelt von falschen Ratgebern und echten Egoisten, deren Eigensinn überlistet werden muss, ehe das junge Glück sich erfüllen darf. Die Geschichte vom bedrängten Liebespaar wird oft erzählt, doch kaum anderswo mit solcher Ironie: Die Widersacher sind ausgerechnet drei Frauenrechtlerinnen – und sie düpieren das eigene Geschlecht. So nötigt die extrem frauenbewegte Philaminte ihrer Tochter ohne zu zögern den falschen Gatten auf. Molière beweist auch in seiner vorletzten Komödie sein doppeltes Genie: Als Spaßmacher nimmt er das Publikum für sich ein, als Aufklärer stößt er es vor den Kopf. Im Lachen liegt bei ihm der Keim der Selbsterkenntnis. Wer über Molières Witze nachdenkt, den mag das Gefühl beschleichen, letztlich auch über sich selbst gelacht zu haben. Gewiss, das Thema scheint in die Jahre gekommen zu sein und ein wenig Rost angesetzt zu haben – heutzutage macht man ums Heiraten kein solches Brimborium mehr. Doch Molières bissiger Humor und seine Menschenkenntnis haben Die gelehrten Frauen jung und frisch gehalten.

Take-aways

  • Die gelehrten Frauen ist eine von Molières dramaturgisch ausgefeiltesten Komödien.
  • Inhalt: Der Höfling Clitandre liebt die reiche Bürgerstochter Henriette. Sie wollen heiraten, doch die gelehrte Mutter Philaminte stellt sich quer. Sie bevorzugt den Schöngeist und Mitgiftjäger Trissotin. Ihr Ehemann Chrysale protestiert nur zaghaft und vergeblich. Erst die List seines Bruders Ariste erzwingt ein glückliches Ende.
  • Molière gelingen genaue Charakterstudien seiner Figuren, in denen er ihre Moral auf die Probe stellt.
  • Die titelgebenden gelehrten Frauen können als Feministinnen der ersten Stunde gelten.
  • Ihrem emanzipatorischen Eifer gilt Molières Sympathie, nicht jedoch ihrer blasierten Art.
  • Molière kritisiert die preziösen Snobs des 17. Jahrhunderts und ihre Verlogenheit.
  • Er karikiert Persönlichkeiten aus dem damals berühmten Salon der Marquise de Rambouillet und hält ihnen das Ideal des Ehrenmannes entgegen.
  • Die emanzipatorischen Kräfte werden zur Zerreißprobe für die bürgerliche Familie, die zum Schluss gerade noch einmal gerettet werden kann.
  • Die Komödie wurde 1672 in Paris uraufgeführt, kontrovers diskutiert und war ein Achtungserfolg.
  • Zitat: „Die Frau auf dem Katheder scheint fehl am Ort zu sein. / Dass manche sehr viel weiß, räum’ ich natürlich ein, / Doch will sie den Gelehrten und Professoren gleichen, / Wird sie bei mir nur Spott und Abneigung erreichen (...)“

Zusammenfassung

Verdeckte Eifersucht

Armande ist empört, weil ihre Schwester Henriette heiraten will. Allein das Wort „Ehe“ hält sie für vulgär, und den Wunsch, eine Familie zu gründen, für spießig und kleinkariert. Die Ehe raube dem Menschen alle Freiheiten, selbst die Liebe könne die ehelichen Zwänge nicht mildern. Als Ausweg biete sich nur das Gelehrtenleben an. Es verschaffe wahre Größe und echte Ungebundenheit. Die Mutter habe es vorgelebt: Indem sie sich ganz der Wissenschaft verschrieben habe, habe sie viel Ruhm und Ehre geerntet. Ihr solle Henriette nacheifern – so Armandes Rat – und Philosophin werden. Nur mit Vernunft ließen sich die menschlichen Triebe zähmen, nur sie führe zu Besonnenheit und mache das Leben lebenswert. Henriette widerspricht: Die Menschen seien grundverschieden. Nicht jede Frau sei zur Philosophin geboren. Manche bevorzuge ein kleines Glück im Kreis der Familie. Sogar die Mutter habe sich für die Ehe entschieden. Hätte sie bloß edel und erhaben gelebt, wären beide Schwestern niemals geboren worden. Als Armande den Namen des Verlobten hört, packt sie die Eifersucht: Es ist Clitandre, ihre verflossene Liebe. Sie sagt, wer seine Geliebte so leicht wechsle, der habe Misstrauen verdient. Vielleicht heuchle Clitandre Henriette etwas vor und liebe immer noch Armande.

Liebe auf den zweiten Blick

Die Schwestern stellen Clitandre zur Rede. Dieser zögert nicht, sich offen gegen Armande auszusprechen. Als er sie noch geliebt habe, habe sie ihn gedemütigt und gequält und ihn schließlich abgewiesen. Ihre Kälte habe er auf Dauer nicht ausgehalten. Er habe sich nach einer warmen, offenherzigen Frau gesehnt und diese in Henriette gefunden. Ihr gelobt er nun Treue bis zum Tod. Armande regt sich darüber auf: Clitandre rede selbstgefällig und vermessen. Er missachte das Vorrecht der Eltern, den Gatten auszusuchen. Henriette pflichtet ihr bei und verspricht, Clitandre werde nicht eigenmächtig handeln, sondern in aller Form um ihre Hand anhalten. Armande solle ihrerseits die Heiratspläne ruhig und sachlich unterstützen. Das dürfe man von einer Philosophin erwarten, die erhaben und vernünftig leben wolle.

Die Verlobten als Strategen

Henriette klügelt die nächsten Schritte aus: Clitandre solle zunächst die Mutter überzeugen. Sie habe im Haus das Sagen, ihr Wille gelte dem Vater als Befehl. Auch Tante Bélise dürfe nicht übergangen werden. Ihre Stimme habe bei der Mutter Gewicht. Clitandre kann nicht verbergen, wie lächerlich er das gelehrte Gehabe der Mutter findet: Philaminte solle ihr Halbwissen lieber für sich behalten, meint er, es locke nur Aufschneider wie den Herrn Trissotin an. Dessen Schriften taugen, so Clitandre, lediglich als Packpapier. Henriette ermahnt ihn zur Besonnenheit: Selbst Trissotin müsse als Fürsprecher gewonnen werden.

„Vermähle dich doch lieber mit der Philosophie, / Die alles, was gemein und irdisch ist, negiert, / Um über die Natur des Viehs zu triumphieren, / Die gierig danach strebt, uns Menschen zu vertieren.“ (Armande zu Henriette, S. 123)

Clitandre berichtet Bélise von seiner Liebe, doch diese missversteht ihn absichtsvoll: Er möge doch bitte nicht so direkt und unverblümt um sie, die Tante, werben, sie bevorzuge heimliche, stille Gesten. Als Clitandre sich beeilt, den Irrtum aufzuklären, ist Bélise stattdessen von seiner scheinbaren strategischen Raffinesse beeindruckt: Wie zauberhaft, sagt sie, Henriette einen Antrag zu machen, um sie selbst zu gewinnen. Clitandre resigniert, doch er darf gleich wieder hoffen: Henriettes Onkel Ariste sagt ihm seine Hilfe zu.

Der Vater der Braut

Die Gelegenheit ist günstig. Geschickt lenkt Ariste bei seinem Bruder, Henriettes Vater Chrysale, das Gespräch auf Clitandre. Doch da platzt Bélise dazwischen und erklärt, Clitandre werbe nur zum Schein um Henriette, in Wahrheit sei sie selbst diejenige, die er liebe. Er sei ein reizend feiner Mensch; aus Rücksicht vor ihren Gefühlen verberge er die seinen. Aristes Spott wehrt sie ab. Gleich vier Verehrer weiß sie zu nennen, die ebenso dezent und verschwiegen um sie würben. Ariste kennt ihre blühende Fantasie und ihre Hirngespinste: Die Genannten seien eigenbrötlerisch, ihr völlig abgeneigt oder sogar glücklich liiert, also allesamt an Bélise gar nicht interessiert. Gekränkt geht die Tante ihrer Wege. Chrysale bekennt sich nun offen zu Clitandre. Dieser sei zwar nicht reich, aber ein guter Freund der Familie. Mit seinem Jawort dürfe er rechnen. Und da er, Chrysale, im Haus das Sagen habe, werde Philaminte seiner Entscheidung folgen.

Dem guten Bürger platzt der Kragen

Prompt kommt es zum Eklat. Chrysale versteht seine Frau nicht mehr: Sie hat das Küchenmädchen Martine fristlos entlassen, obgleich es sehr gut kochen kann. Philaminte belehrt ihren Gatten: Bei einem Küchenmädchen komme es nicht auf die Koch-, sondern auf die Sprechkünste an. Und Martine missachte sträflich die Regeln der Grammatik. Das sei intolerabel. Nur ein kruder Materialist käme auf die Idee, geistige Belange so gering zu schätzen. Bélise springt ihrer Schwägerin bei und behauptet kühn, nur die Wissenschaft könne den menschlichen Körper ernähren. Da verliert Chrysale die Geduld und lässt Bélise seinen angestauten Ärger spüren: Ihr Bücherwissen sei er leid. Im Alltag tauge es zu nichts. Das Fernrohr auf dem Dach sei völlig überflüssig. Man wohne schließlich nicht auf dem Mond, sondern auf der Erde. Als Frau gehöre es zu ihren Pflichten, sich um das Haus und die Kinder zu kümmern. In einer Männerdomäne wie der Wissenschaft habe sie zu Recht nichts verloren.

Die Frau hat die Hosen an

Beleidigt geht Bélise ab. Chrysale kommt auf die geplante Hochzeit zu sprechen, doch Philaminte überrumpelt ihn mit ihrer eigenen Wahl: Henriette soll Trissotin heiraten. Dieser Entschluss sei unumstößlich. Der Tochter soll er zunächst verheimlicht werden. Chrysale muss Ariste seine Niederlage eingestehen. Sein starkes Bedürfnis nach Ruhe und die Angst vor den Launen seiner Frau hätten obsiegt. Ariste ärgert das Seufzen und Klagen, er schimpft seinen Bruder einen Feigling, weil er die Macht im Haus nicht an sich reißen will. Lieber würde er die Tochter an einen Dummkopf verschachern. Da findet Chrysale zu seinem Stolz zurück und verkündet: Sein Wille werde siegen.

Die Stunde der Preziösen

Die Frauen haben sich um Trissotin geschart und verlangen, eine Probe seiner Kunst zu hören. Großspurig verkündet er, seinen Vortrag werde er wie ein Menü anrichten. Zur Vorspeise gebe es ein Sonett, geschrieben für die fieberkranke Prinzessin Uranie, zum Hauptgang ein feines Madrigal. Nach jeder Strophe hält er inne und gibt den Frauen Gelegenheit, seine Verse genussvoll nachzusprechen. Darauf darf Philaminte ihr neues Statut für die Akademie präsentieren, das helfen soll, die Frau zu emanzipieren. In der Wissenschaft sei deren Können beträchtlich, was Philaminte auch gleich zu beweisen sucht: Gemeinsam mit Bélise listet sie x-beliebige Philosophen und Doktrinen auf. Schließlich fordert Armande, dass das Französische von Grund auf gereinigt werden müsse. Alle Wörter, die zu Scherzen reizen oder die Scham verletzen, gehörten verboten.

„Die Frau auf dem Katheder scheint fehl am Ort zu sein. / Dass manche sehr viel weiß, räum’ ich natürlich ein, / Doch will sie den Gelehrten und Professoren gleichen, / Wird sie bei mir nur Spott und Abneigung erreichen (...)“ (Clitandre, S. 129)

In die Euphorie platzt der Gelehrte Vadius, den Trissotin hergebeten hat. Weil Vadius Griechisch kann, begrüßen die Frauen ihn überschwänglich. Für einen Vortrag ist er allerdings nicht zu haben. Er bekennt, mündliche Rede sei nicht sein Stil. Stattdessen reicht er Trissotin ein frisches Manuskript, das den Schöngeist ungeheuer verzückt. Danach loben sich die Herren wechselweise in den höchsten Tönen, bis Trissotin den Gelehrten listig nach seiner Meinung über das Sonett auf die Prinzessin Uranie fragt. Vadius erklärt es zum Schlechtesten, was je geschrieben wurde, und wird sehr verlegen, als sich Trissotin als Autor zu erkennen gibt. Mit einer eigenen Ballade will er seinen Fauxpas überspielen, doch Trissotin kennt kein Pardon: Balladen seien völlig aus der Mode, nur eine Stilübung für Dilettanten. Auf die Lobhudelei folgen nun wilder Schimpf und Tadel. Sogar Philaminte kann ihre Wut nicht dämpfen. Erst als Vadius Rache schwört und das Weite sucht, kehrt Ruhe ein. Philaminte ruft Henriette herbei und verfügt, dass Trissotin ihr Gatte werden soll. Er werde ihr die Bildung verschaffen, die sie so schmerzlich vermissen lasse. Trissotin kann sein Glück kaum fassen und stürmt auf Henriette zu, wird von ihr aber frostig abgewiesen.

Die miese Schwester

Die Schwestern bleiben allein zurück. Armande redet auf Henriette ein, um sie für Trissotin einzunehmen, wird aber von ihrem Vater Chrysale unterbrochen, der mit Clitandre hereinkommt und erklärt, Henriette solle Clitandre heiraten. Armande protestiert: Der Vater handle gegen den Willen der Mutter. Doch niemand beachtet sie. Hand in Hand geht das Paar in Henriettes Zimmer. Der Vater begleitet es. Armande läuft sogleich zur Mutter und teilt ihr mit, dass Henriette Böses im Sinn habe. Sie wolle Clitandre heiraten, um sie, die Mutter, zu beleidigen. Philaminte bleibt gelassen: Mit den Waffen des Geistes werde man den dummen Höfling Clitandre schon verjagen. Da tritt dieser aus seinem Versteck, von wo aus er die Frauen belauscht hat. Er verlangt, dass man ihm erkläre, weshalb man ihn ständig beleidige und bekriege. Armande erinnert ihn an ihre verflossene Affäre: Clitandre habe schändlich die Treue gebrochen. Dieser weist den Vorwurf harsch zurück: Zwei Jahre habe er sie vergeblich umworben. Er trage keine Schuld an ihrer Kälte, ebenso wenig an ihrem Wunsch nach geistig verklärter Liebe. Nur wenn er zu ihr zurückkehren würde, käme es zum Treuebruch, nämlich gegen Henriette. Dann bittet er Philaminte, Trissotin endlich abzuweisen. Der Schöngeist habe ihre Bewunderung nicht verdient, sein Talent sei dafür viel zu gering. Philaminte will das durchaus nicht einsehen.

Die Macht der Mitgift

Trissotin kommt dazu und versucht zu beweisen, wie erlesen seine Bildung sei, doch Clitandre bestreitet deren Wert: Theorien, die sich dem Alltag verschließen, würden nur Schaden anrichten. Clitandre, so mutmaßt Trissotin, übe einzig deshalb Kritik, weil er ein Höfling sei. Diese Schicht sei berühmt für ihre Ignoranz und Fehlurteile. Clitandre entgegnet, auch bei Hof gebe es kluge und belesene Leute. Sie verachteten aber die Bücher gewisser Gelehrter mit gutem Grund, denn diese seien für den Staat ohne Nutzen. Die Autoren kauten nur Altbekanntes wieder und pflegten ihre Eitelkeit. Unversöhnt gehen die Rivalen auseinander.

„Mir liegt an gutem Essen und nicht an Sprachproblemen, / Herr Vaugelas lehrt nichts von Saucen, Torten, Cremen; / Die Weisen, hochgelehrt und stilistisch beschlagen, / Sie würden ihrerseits vor jedem Herd versagen.“ (Chrysale, S. 145)

Henriette redet Trissotin ins Gewissen: Als Philosoph solle er nicht auf die Mitgift spekulieren. Geld dürfe für ihn keine Rolle spielen. Trissotin jedoch behauptet steif und fest, er sei unsterblich in sie und nicht ins Geld verliebt. Henriette muss ihn enttäuschen. Seine Gefühle kann sie nicht erwidern, ihr Herz schlägt für Clitandre. Sollte Trissotin eine Heirat mit Gewalt durchsetzen wollen, werde er Unfrieden stiften. Eine erzwungene Ehe verführe die Frau nur zur Rache. Trissotin wiegelt ab: Seine Vernunft habe ihn noch gegen jeden Verrat schützen können. Philaminte erhält einen Brief von Vadius, in dem dieser Trissotin als Mitgiftjäger denunziert. Sie schenkt dem jedoch keinen Glauben und forciert nun erst recht die Heirat ihrer Tochter mit Trissotin.

Eine List erzwingt das glückliche Ende

Auf Philamintes Betreiben hat sich die Familie beim Notar eingefunden. Der Ehevertrag liegt bereits fertig vor. Philaminte würde ihn gern noch poetisch umgestalten, doch der Notar lehnt das unwirsch ab und schreitet forsch zur Tat. Überrascht stellt er fest, dass sich mit Clitandre und Trissotin gleich zwei Bewerber vorfinden, die beide von je einem Elternteil unterstützt werden. Der Notar meint, man solle sich doch bitte auf einen Bräutigam einigen. Die Eheleute giften einander daraufhin unversöhnlich an. Da ergreift Martine das Wort und erklärt, der Mann sei von alters her das familiäre Oberhaut, also habe er die Wahl zu treffen. Eilig schlägt Philaminte einen Handel vor: Wenn Clitandre auf Henriette verzichte, dürfe er sich mit Armande vertrösten. Chrysale begrüßt den Kompromiss, das Liebespaar hingegen ist am Boden zerstört.

„Ja, unsere Väter waren in dieser Hinsicht klug, / Bei ihnen galt das Wort: Die Frau ist klug genug, / Wenn sie so geistreich ist, dass sie den Unterschied, / Der zwischen Hemd und Hose besteht, nur deutlich sieht.“ (Chrysale, S. 146 f.)

Da kommt Ariste und überbringt zwei Briefe. Der eine stammt von Philamintes Anwalt: Die gelehrte Dame hat einen Prozess verloren und muss nun eine hohe Strafe zahlen. Der andere Brief berichtet vom Bankrott zweier Geschäftsleute. Ihnen hat Chrysale sein Vermögen anvertraut, das nun gänzlich verloren ist. Kaum sind die Schicksalsschläge verkündet, zieht Trissotin seinen Antrag zurück. Philaminte muss eingestehen, dass ihr seine Geldgier völlig entgangen ist. Einer Liebesheirat steht nichts mehr im Weg, doch Henriette hat nun plötzlich selbst einen Einwand: Der Bankrott der Familie habe aus ihr eine schlechte Partie gemacht, und ein Leben in Armut wolle sie Clitandre ersparen. Diese Sorge kann Ariste zerstreuen: Die Briefe sind gefälscht. Nur so konnte Trissotins wahres Gesicht zum Vorschein gebracht werden. Die Hochzeit wird vollzogen, und Chrysale stellt befriedigt fest, dass am Ende doch sein Wille gesiegt hat.

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Aufbau und Stil

Die gelehrten Frauen folgt streng den Regeln klassischer Dramaturgie und wahrt die Einheit von Zeit, Ort und Handlung: Das Geschehen erstreckt sich über einen Tag, spielt an einem Ort und entwickelt sich gleichmäßig über fünf Akte. Der erste Akt dient der Einleitung und entfaltet den familiären Grundkonflikt, der zweite stellt vor allem Philamintes zwiespältigen Charakter dar, der dritte übt Zeitkritik an den Preziösen, der vierte verschärft und beschleunigt die Intrige, der fünfte löst sie auf ins Happy End. Die Dialoge sind im typischen Vers der französischen Klassik gehalten, dem Alexandriner. Er besteht aus sechs Jamben, wobei auf die dritte Hebung meist eine Zäsur folgt. Das Versmaß und der Paarreim verleihen den Dialogen einen mechanisch-getriebenen Charakter. Reim und Rhythmus werden jedoch durch spitze Pointen und viel Wortwitz aufgelockert.

Interpretationsansätze

  • Molière fertigt differenzierte Charakterstudien an. Er stellt die Moral seiner Figuren auf die Probe und spaltet sie in zwei Lager: Pragmatiker und Idealisten. Zur zweiten Gruppe gehören neben den gelehrten Frauen die beiden Preziösen Vadius und Trissotin. Bei ihnen klaffen Anspruch und Wirklichkeit, Schein und Sein weit auseinander.
  • Philamintes weibliches Emanzipationsstreben ist anmaßend: Ihr Engagement versagt genau dort, wo es sich bewähren müsste, in der Lebenspraxis. Der Familie verweigert sie die Unabhängigkeit, die sie für sich selbst beansprucht. Und sie streitet für Frauenrechte, die sie ihrer Tochter bei der Partnerwahl verweigert.
  • Die gelehrten Frauen sind Feministinnen der ersten Stunde. Ihrem emanzipatorischen Eifer gilt Molières Sympathie, nicht jedoch der Art, wie sie ihre Ideale mit Leben füllen. Sie fordern geistige Bildung für die Frau, doch sie missrät ihnen zu Schwärmerei und Pedanterie, zu Namedropping und Nachbeterei.
  • Molière übt offen Kritik an den Snobs des 17. Jahrhunderts, den „Preziösen“. Er entlarvt ihr künstliches, betont kultiviertes Verhalten als verlogen. Der Schöngeist erweist sich als ordinärer Mitgiftjäger, der Gelehrte als stupider Denunziant.
  • Den Preziösen stellt Molière das Ideal des honnête homme, des Ehrenmannes, entgegen. Der Ehrenmann soll alle Tugenden besitzen und sich stets versiert, offenherzig, vernünftig, ausgleichend etc. verhalten. Diese hehre Gesinnung verkörpern mit Abstrichen Ariste und Clitandre. Mit ihnen treibt Molière denn auch nur milden Spott.
  • Ariste übernimmt den Part des Deus ex Machina: Er führt das Happy End und die Schlusspointe herbei, indem er das Falsche durch eine Fälschung richtigstellt. Die durch emanzipatorische Kräfte bedrohte bürgerliche Familie wird zwar noch einmal gerettet, doch die gewonnene Eintracht bleibt brüchig, die alten Konflikte sind ungelöst.
  • Die Sprache der Figuren variiert je nach Interessenlage: Sie dient als Mittel zur Macht (Philaminte, Martine), zur Verständigung (Clitandre, Henriette) oder zur Wunscherfüllung (die gelehrten Frauen). Bei Bélise nimmt sie eine genuin poetische Funktion ein und dient als Ersatz für eine mangelhafte Realität: Die prüde Jungfer redet sich Verehrer ein, um ihr Selbstbild als begehrte Frau aufrechterhalten zu können.

Historischer Hintergrund

Die höfische Gesellschaft des Sonnenkönigs

Auch wenn ihm der berühmte Satz „L’État, c’est moi!“ („Der Staat bin ich!“) nur in den Mund gelegt wurde: Unter Ludwig XIV. erreichte die absolute Monarchie in Frankreich ihren Höhepunkt. Nachdem 1661 der einflussreiche Kardinal und regierende Minister Jules Mazarin gestorben und Finanzminister Nicolas Fouquet 1664 auf Lebenszeit ins Gefängnis gesperrt worden war, hatte der Sonnenkönig politisch freie Hand. Er reagierte auf die gescheiterte Revolte des Adels in den 1650er Jahren, die „Fronde des Princes“, indem er dessen Macht gezielt beschnitt und ein zentralistisches, ganz auf ihn als König zugeschnittenes Staatswesen aufbaute. Gleichzeitig überhäufte er den Hofadel mit luxuriösem Pomp, um ihn einzulullen und ihn so in einen goldenen Käfig zu sperren. Alle Möglichkeiten, sich politisch oder sozial zu engagieren, fielen weg. So blieb dem Adel kaum mehr als dekadenter Müßiggang auf den wenigen verbliebenen Spielfedern: Liebe, Literatur und Konversation.

Zur gleichen Zeit vollzog sich der Aufstieg des Bürgertums. Es profitierte vom ökonomischen Aufschwung, den der Merkantilismus befördert hatte, und durfte fortan sogar Staatsämter bekleiden. Der Tuchhändlersohn Jean-Baptiste Colbert etwa wurde Nachfolger des verhafteten Finanzministers Fouquet. Doch die neue Schicht des so genannten Geld- und Robenadels blieb von adligen Privilegien ausgeschlossen. Der Hofadel grenzte sich durch einen strengen Verhaltenskodex gegen alle Emporkömmlinge ab. Wer seine Regeln missachtete, wurde schnell als lächerlich diffamiert und nicht selten vor Gericht gestellt.

Die französische Kultur profitierte vom Mäzenatentum des Königs. Dank seiner Geldmittel erreichten Kunst und Wissenschaft eine hohe Blüte, die heute als französische Klassik bezeichnet wird.

Entstehung

Vier Jahre, länger als an jeder anderen Komödie, arbeitete Molière an den Gelehrten Frauen. Er schrieb das Werk mit dem erklärten Vorsatz, ein „ganz und gar vollendetes“ Theaterstück zu schaffen. Wie üblich zog er für seine Komik reichlich Geistes- und Zeitgeschichtliches heran. Die von Trissotin vorgetragenen Gedichte sind wörtlich aus Charles Cotins Œuvres galantes zitiert. Damit wollte sich Molière offenbar an dem berühmten Abbé rächen, der Molières Theater als sittenwidrig verunglimpft hatte.

Molière nimmt im Stück noch auf andere Quellen Bezug: Armande und Bélise etwa befolgen – und verfälschen – petrarkistische (benannt nach dem Dichter Francesco Petrarca) Vorstellungen von Liebe. In diesem Konzept wird der Liebende zwischen Hingabe und Verzicht hin- und hergerissen und sucht sein Heil in einer Unterdrückung der Affekte und Triebe. Bélise erinnert überdies an eine Frauenfigur aus der Komödie Les Visionnaires von Jean Desmarets de Saint-Sorlin: eine prüde, aber liebestolle Jungfer. Mit dem Schöngeist und dem Gelehrten schließlich widmet sich Molière einer Gruppierung, die er schon in dem Stück Die lächerlichen Preziösen behandelt hatte. Für Die gelehrten Frauen milderte er die satirische Schärfe, erweiterte den sozialen Rahmen und stieß umso forscher ins Herz des Pariser Gesellschaftslebens vor: Seine beiden Preziösen entstammen nachweislich dem berühmten Pariser Salon der Marquise de Rambouillet.

Wirkungsgeschichte

Das Stück wurde am 11. März 1672 im Pariser Palais Royal uraufgeführt. Die Rolle des Chrysale übernahm Molière selbst. Ludwig XIV. wohnte persönlich zwei Aufführungen bei. Insgesamt erzielte die Komödie einen Achtungserfolg. Zu Molières Lebzeiten wurde sie 24 Mal gespielt. Als Buch erschien sie im Dezember 1672.

Die Kritik teilte sich in zwei Lager: Die einen rühmten die handwerkliche Perfektion, die anderen tadelten diese als tote, regelgeleitete Kunst. Überdies erregte die Komödie Ärgernis, karikierte sie doch Personen des öffentlichen Lebens: neben dem erwähnten Cotin auch den Grammatiker Gilles Ménage. In der Folge kam es zu hitzigen Debatten über Wert und Unwert der Preziösen.

Im 18. Jahrhundert wurde das Thema des Stücks auf seinen pädagogischen Aspekt reduziert und Molière eine konservative Gesinnung bescheinigt: Seine Komödie zeige, wie unnütz und gefährlich es sei, wenn Frauen sich geistig fortbilden möchten. Mitte des 20. Jahrhunderts korrigierte Simone de Beauvoir das Bild von Molière als Frauenfeind. Sie deutete die Komödie als verhaltene Befürwortung der Emanzipation der Frau. Frischen Wind in die Molière-Rezeption brachte die Regisseurin Ariane Mnouchkine. Ihr Filmepos Molière (1978) zeigt neben dem Komödienschreiber auch den Lebemann und passionierten Theatermacher.

Über den Autor

Molière wird um den 15. Januar 1622 in Paris als Jean-Baptiste Poquelin geboren. Er ist der erste Sohn des königlichen Tapissiers und Dekorateurs Jean Poquelin. Seine Mutter verliert er mit zehn Jahren. Als er mit 20 den Handwerksbetrieb des Vaters übernehmen soll, lehnt er ab, lässt sich das mütterliche Erbe ausbezahlen und gründet 1642 mit der Schauspielerin Madeleine Béjart das Illustre Théâtre in Paris. Nach drei Jahren macht das Theater Bankrott, und Molière – wie er sich mittlerweile nennt – muss für ein paar Tage ins Gefängnis. Wieder auf freiem Fuß, schließt er sich mit Madeleine einer Wandertruppe von Schauspielern an. Mit ihr touren sie von 1645 bis 1658 quer durch Frankreich. Dank guter Kontakte zum jüngeren Bruder von König Ludwig XIV. darf Molière in Paris seine ersten Komödien spielen: Le Médecin amoureux (Der verliebte Arzt, 1658) und Les Précieuses ridicules (Die lächerlichen Preziösen, 1659). Beide werden große Erfolge, ebenso das Stück L’École des femmes (Die Schule der Frauen), das 1662 folgt. Im selben Jahr heiratet Molière Armande Béjart – Madeleines Schwester oder Tochter, das ist unbekannt –, mit der er etwa sieben Jahre zusammenbleibt. Was Molière schreibt, gefällt dem König so sehr, dass er den Dichter mit einer Pension von 1000 Livres jährlich belohnt, Taufpate von dessen erstem Kind wird und Molières Truppe am Hof und im Palais Royal spielen lässt. Im Mai 1664 darf Molière im Schlossgarten von Versailles ein mehrtägiges Fest organisieren, an dem er u. a. eigene Komödien wie Le Mariage forcé (Die erzwungene Heirat) präsentiert. In diesem Rahmen wird auch der Tartuffe uraufgeführt – eine offene Attacke gegen die Frömmlerei –, der für einen Skandal sorgt und mit einem fünfjährigen Aufführungsverbot belegt wird. Ab 1668 folgen Komödien im Jahresrhythmus, so 1668 L’Avare (Der Geizige), 1670 Le Bourgeois gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) oder 1672 Les Femmes savantes (Die gelehrten Frauen). In Le Malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) spielt Molière seine letzte Rolle: Am 17. Februar 1673 bricht er während der vierten Aufführung zusammen und stirbt wenig später.

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