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Die Kultur der Renaissance in Italien

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Die Kultur der Renaissance in Italien

Deutscher Klassiker Verlag,

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Dem berühmten Schweizer Historiker ist ein Hauptwerk der Kulturgeschichte gelungen.


Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Moderne

Worum es geht

Das Standardwerk über die Renaissance

Wer Jacob Burckhardts gewaltiges Hauptwerk Die Kultur der Renaissance in Italien lesen will, muss sich darauf gefasst machen, von einer überaus großen Detailfülle geradezu erschlagen zu werden. Das Buch ist keine chronologische Geschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, sondern eine Gesamtschau, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Nicht die historische Entwicklung, sondern die Entfaltung der Kultur – aufgeteilt in sechs große Themenabschnitte – erwartet den Leser. Burckhardts zentrale These ist, dass im Italien der Renaissance die „Entdeckung des Individuums“ erfolgte, wodurch eine Kultur der Wissenschaft, der Entdeckungen und der Staatstheorie möglich wurde, die für ganz Europa und für die Neuzeit bahnbrechend war. Literatur, Religion, Feste und Feiern, das gesellschaftliche Leben, Politik und Tyrannei, blutige Familienfehden, Entdeckungsreisen, Aberglaube und Papsttum, all das und noch viel mehr führt Burckhardt dem Leser in glänzendem Stil vor Augen: eine Vorgehensweise, die seine wissenschaftlichen Kollegen zunächst ablehnten, dann aber doch anerkennen mussten. Heute zählt Burckhardt zu den wichtigsten Kulturhistorikern und zu den berühmtesten Schweizern.

Take-aways

  • Jacob Burckhardts Die Kultur der Renaissance in Italien gehört zu den wichtigsten Werken der Kulturgeschichte.
  • Den Begriff „Renaissance“, der den kulturgeschichtlichen Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit bezeichnet, entlehnte Burckhardt dem Werk eines französischen Historikers.
  • Das Italien des 15. Jahrhunderts bestand aus vielen Kleinstaaten, die von wech-selnden Fürsten beherrscht wurden und im Wettstreit miteinander lagen.
  • Nicht selten übernahmen Heerführer, die so genannten Condottieri, die Macht.
  • In der Renaissance entdeckten die Menschen ihre Individualität: Man empfand sich nicht mehr als Teil eines Kollektivs, sondern als einzigartige Persönlichkeit.
  • Die Bildung rückte ins Zentrum und überwand sogar Standesunterschiede: Der gebildete Mensch wurde zum Ideal des Humanismus.
  • Renaissance bedeutet auch Rückbesinnung auf die Antike: Deren Lehren wurden wiederentdeckt, antike Literatur wurde gesammelt, übersetzt und verbreitet.
  • Weit Entferntes rückte ebenso ins Blickfeld (mit den großen Entdeckungsreisen) wie das Naheliegendste (Interesse an menschlicher Anatomie und dem Seelenleben).
  • Burckhardts Buch revolutionierte die historische Darstellungsweise, indem es statt einer Chronologie eine Gesamtschau aller Lebensaspekte der Menschen präsentierte.
  • Das bescherte dem Werk zunächst eine zögerliche Akzeptanz bei Fachkollegen, was sich jedoch änderte, als man sich intensiv mit der Renaissance beschäftigte.
  • Burckhardt verzichtete weitgehend auf das bei Historikern übliche Studium unveröffentlichter Quellen.
  • Stattdessen bediente er sich bereits gedruckter Schriften und verließ sich auf die ei-gene Anschauung vor Ort.

Zusammenfassung

Tyrannis, Macht und Mord

Im 13. Jahrhundert verstand der herrschende Kaiser Friedrich II. den italienischen Staat nach dem Vorbild der Normannen als eine kontrollierbare Masse von Untertanen, die sich z. B. nicht außerhalb des Staates verheiraten durften und deren Handel der Kaiser hemmte. Dessen Macht wurde von seinem Schwiegersohn Ezzelino da Romano gestützt, der durch Massenmorde und andere Scheußlichkeiten den Thron sicherte. Ein Zeitalter der Tyrannen nahm seinen Beginn. Die Herrscher bewahrten sich ihre Macht durch Mord und Gemetzel. Der Charakter dieser Gewaltherrschaften änderte sich im 15. Jahrhundert. Italien war in mehrere Klein- und Kleinststaaten zersplittert. Einzelne Tyrannen traten in den Dienst der größeren unter ihnen, um sich als Condottieri (Anführer von Söldnerheeren) ein wenig Geld und vielleicht auch Straffreiheit für Missetaten zu sichern. Die Condottieri waren nicht nur vom Feind gefürchtet: Auch für die Staaten, die ihnen den Sold bezahlten, waren sie gefährlich. Es soll vorgekommen sein, dass die Feldherren von ihren Brotherren getötet wurden.

„Die höchste und meistbewunderte Form der Illegitimität ist aber im 15. Jahrhundert der Condottiere, der sich - welches auch seine Abkunft sei - ein Fürstentum erwirbt.“ (S. 29)

Die Vererbung von Machttiteln im Staat konnte im Lauf der Zeit auch durch so genannte Bastardlinien erfolgen. Das war vor allem aus praktischen Gründen so, denn oft waren die ehelichen Söhne, zumal angesichts der drängenden politischen Probleme, den unehelichen Bastarden unterlegen. Ein berühmter Vertreter einer solchen Herrscherlinie war Francesco Sforza, der als Krieger seine Feinde allein durch seine bloße Anwesenheit zur Kapitulation zwang und sich 1450 mit einem Staatsstreich den Herzogthron in Mailand eroberte. Zu den wichtigsten Herrschergeschlechtern des 15. Jahrhunderts gehören auch die Aragonesen von Neapel, erstmalig repräsentiert von Alfons V., dem König von Aragonien, der die spanische Herrschaft in Neapel begründete. Republiken hatten im damaligen Italien der Gewaltherrscher keine Chance. Die seit dem 13. Jahrhundert verfeindeten Parteien der Guelfen und Ghibellinen versanken in der Bedeutungslosigkeit, und angesichts der Macht der lokalen Fürsten verkümmerte das Kaisertum. Die einzige Möglichkeit, sich ungeliebter Despoten zu entledigen, war der Tyrannenmord – vorzugsweise im Gottesdienst, weil sich dort gleich die ganze Familie ins Jenseits befördern ließ: So geschehen beispielsweise 1435, als sich die Fabrianesen während der Messe ihres Herrschergeschlechts, der Chiavelli, entledigten.

Venedig und Florenz

Die großen italienischen Städte hatten mehrere Chancen, sich zu einem föderalen Städtebund zusammenzuschließen, zuletzt im 12. Jahrhundert in einem Bündnis gegen Kaiser Barbarossa. Dauerhaft waren diese Verbindungen aber nicht: Jede größere Stadt wollte im Alleingang noch größer und mächtiger werden und richtete sich gegen die vermeintlichen Handelskonkurrenten. Schließlich griffen die Tyrannen nach der Macht und beendeten damit das Gezänk: Die Städte wurden ihrer Freiheit beraubt – bis auf zwei, die ihre Unabhängigkeit bewahren konnten: Venedig und Florenz. Venedig erschien als Stadt des Schweigens und des Stillstands; man isolierte sich und zog sich deswegen den Groll der anderen Städte zu. Auch interessierte man sich hier nicht so sehr für das Altertum, weshalb das, was man heute als „Renaissance“ bezeichnet, nämlich die Wiedergeburt der Antike, vor den Toren Venedigs lange Zeit Halt machte. Florenz war da ganz anders: Hier war alles auf fortwährende Veränderung ausgerichtet. Man versuchte sich gegen die Eroberungen Venedigs aufzulehnen und betrachtete die Verfassung des Staates als Kunstwerk.

Staatskunst und Papsttum

Niccolò Machiavelli war einer der größten florentinischen „Staatskünstler“. In seinen Verfassungsentwürfen und politischen Schriften gab er moralisch nicht immer ganz einwandfreie Handlungsanweisungen. Feinde existierten genug, gegen die sich die italienischen Staaten zur Wehr setzen mussten: die Osmanen etwa oder die Franzosen – und meist bekriegten sich die italienischen Kleinstaaten auch untereinander. Kein Wunder, dass das Kriegshandwerk und die Verwendung von Feuerwaffen in Italien zu Wissenschaften erhoben wurden. Eine Besonderheit Italiens bildete der Kirchenstaat mit dem Papst, dessen Einflussbereich seit dem Mittelalter erheblichen Schwankungen ausgesetzt war. Obwohl man stolz war, dass die Nachfolger Petri in Rom residierten, mokierte man sich auch über Dekadenz, Vetternwirtschaft und Machtkämpfe im Papsttum. Die Feindseligkeiten führten so weit, dass sogar Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger ermordet wurden. Im Jahr 1527 wurde der Kirchenstaat zwi-schen den Machtkämpfen der Spanier und Franzosen aufgerieben: Papst Clemens VII. aus dem Haus der Medici konnte sich in letzter Sekunde in die Engelsburg retten. Später wurde die politische Stellung des Papsttums gefestigt, es entwickelte sich, unter dem schützenden und drohenden Einfluss Spaniens, zur geistigen Weltmacht.

Die Entdeckung des Individuums

Im Mittelalter empfand sich der Mensch in erster Linie als Kollektivwesen: fest eingebunden in Familie, Volk und Kirchengemeinschaft. Wie ein Schleier lagen Glaube und Wahn auf dem Leben der Menschen. Die Kultur und Politik der Renaissance zog diesen Schleier fort. Vor allem in Italien sahen sich die Menschen nun als Individuen und entdeckten die Subjektivität. Tyrannen, Condottieri, Geheimschreiber, Beamte – sie alle waren die Vorreiter von vielerlei Persönlichkeiten, die sich nicht mehr scheuten, aus der Masse hervorzustechen und als Individuen und Individualisten zu gelten. Der Dichter Dante Alighieri, der wegen der ständig wechselnden Machtkonstellationen in Florenz ins Exil gehen musste, formulierte eine Überzeugung, die für den in der Renaissance aufkommenden Humanismus wichtig werden sollte: Als gebildeter Mensch fühle er sich überall in der Welt wohl und brauche weder Volk noch Vaterland, um glücklich zu sein.

Der „uomo universale“

Poet, Philosoph, Theologe: Was Dante in sich vereinte, wurde zum Ideal des „uomo universale“, des vielseitig begabten Menschen. Die Chroniken und Biografien des 15. Jahrhunderts sprechen deutlich aus, welche Rolle die Bildung plötzlich spielte: Da war kaum ein Staats- oder Kaufmann, der nicht auch mindestens zwei Fremdsprachen sprach und sich für Geschichtsschreibung, Literatur oder gar Geografie interessierte. Besonders herausragend war der aus Genua stammende Leon Battista Alberti, der sich als Dichter, Philosoph, Maler, Musiker und Architekt einen Namen machte. Der Name, also der persönliche Ruhm, ging mit der Individualisierung einher: Die Dichterfürsten Dante und Francesco Petrarca strebten danach, und im 15. Jahrhundert erblühte bereits ein Kult um ihre Gräber und Geburtshäuser. Fast Heiligen gleich wurden sie verehrt und man bemühte sich um ihre kostbaren Gebeine. Das 15. Jahrhundert belebte auch den Humor: Spott und Witz breiteten sich als Kunstform aus, der „buffone“ (der Narr, stets für einen derben Scherz gut) und der „uomo piacevole“ (der Mann für den feineren Spott) drangen bis zum Hof und zum Papstthron vor.

Wiedergeburt der Antike

Der Begriff „Renaissance“ bezieht sich eigentlich auf die Wiedergeburt der Antike. Dies war jedoch nur ein kleiner Teil des großen Ganzen, das diese Kulturepoche ausmachte. Obwohl man sich in Italien schon vorher mit der Antike beschäftigt hatte, begann die intensive Auseinandersetzung damit erst im 14. Jahrhundert. Der Abstand zwischen Adligen und Bürgern verwischte sich und Bildung wurde zum allgemeinen Ziel. Dafür standen nun erstmals die Mittel und die Zeit zur Verfügung. Das Mittelalter hatte vor allem eine Fantasiewelt geboten, von der man sich nun frei machen wollte. Mit bloßer Empirie und eigenen Forschungen über die Welt kam man damals noch nicht sehr weit, also machte man sich auf die Suche nach universellen Lehren. Diese fand der Renaissancemensch in der klassischen Antike. Die Bewohner Italiens erfasste plötzlich eine Ehrfurcht vor allem, was antik war, insbesondere vor den Trümmern des alten Rom. Der Dichter Petrarca berichtete von seinen Wanderungen in den Ruinen und davon, wie der Anblick der altehrwürdigen Stätten sein Interesse für Geschichte weckte und wachhielt. In weiten Kreisen setzte sich eine regelrechte „Ruinensentimentalität“ durch: Man begann sogar damit, die Geburt Christi malerisch in solchen Ruinen anzusiedeln, und nutzte künstliche Ruinen für die Gartengestaltung. Das Faible des Renaissancemenschen für die Antike ging bis zur Namensgebung: Aus der Antike überlieferte Namen, z. B. Minerva, wurden gerne als Taufnamen gewählt.

„Gegenüber von dieser konzentrierten Fürstenmacht war jeder Widerstand innerhalb des Staates erfolglos. Die Elemente zur Herstellung einer städtischen Republik waren für immer aufgezehrt, alles auf Macht und Gewaltübung orientiert.“ (S. 61)

Die Literatur stellte für die gebildeten Italiener des 14. und 15. Jahrhunderts den wahren Schatz der Antike dar. Was von Homer, Plutarch oder Aristoteles zu finden war, wurde eifrig gesammelt, übersetzt und in Skriptorien vervielfältigt. Der Buchdruck, der sich von Deutschland nach Italien ausweitete, freute alle, die bislang die Mühen der Abschrift auf sich nehmen mussten. Doch hatten gedruckte Bücher lange Zeit den Dünkel der billigen Kopie, verglichen mit den in prachtvollen Samt gefassten, mit Silber beschlagenen und auf Pergament geschriebenen Kodizes, die mit Miniaturen und ästhetischen Kalligrafien aufwarten konnten. Im 15. Jahrhundert fing man mit dem systematischen Aufbau von Bibliotheken an. Papst Nikolaus V. legte in der Mitte des 15. Jahrhunderts den Grundstein für die Vatikanische Bibliothek.

Humanistische Bildung

Die humanistische Bildung wurde vor allem von den drei großen Dichtern der italienischen Renaissance gefördert: Dante, Petrarca und Giovanni Boccaccio. Hort der Bildung wurden die Universitäten, die nach und nach hauptamtliche Professoren beschäftigten. Die gängigen Disziplinen waren geistliche und weltliche Juristerei, Medizin, Rhetorik, Philosophie und Astronomie. Auch die Geschichtsschreibung der Renaissance wurde vom Humanismus beeinflusst – nicht immer zu ihrem Besten, gerieten doch die Chroniken jener Zeit ungleich blasser als ihre Vorgänger aus dem 13. Jahrhundert.

Die Entdeckung der Welt und des Menschen

Schon die Kreuzzüge hatten dafür gesorgt, dass die Europäer in die Weite strebten – freilich mit dem kriegerischen Ziel, Jerusalem zu „befreien“. Die Italiener, als Küstenbewohner den Seehandel gewohnt, zog es vor allem aus Handelsinteressen in die östlichen Häfen rund ums Mittelmeer. Der berühmteste italienische Entdecker des 15. Jahrhunderts ist ohne Zweifel Christoph Kolumbus, der Mittelamerika – allerdings unter spanischer Flagge – entdeckte. Auch die Naturforschung blühte auf, insbesondere das Sammeln von Pflanzen und Tierarten südlicher Regionen. Der Tiergarten von Palermo beherbergte beispielsweise Löwen, Leoparden und Kamele. Ab und zu trat noch die Inquisition auf den Plan, beispielsweise wenn Ärzte der Nekromantie (der Wahrsagung mittels Totenbeschwörung) bezichtigt wurden. Mit der Entdeckung des Individuellen ging eine Neubewertung des Menschen einher, insbesondere in der Literatur. Eine eigentliche Psychologie gab es zwar noch nicht, stattdessen verließ man sich auf die Einteilung menschlicher Charakteristika in vier Temperamente (Choleriker, Sanguiniker, Melancholiker, Phlegmatiker). Die Lyrik erforschte die Gefühlswelt der Menschen. Ihre Krone bildeten das formvollendete Sonett und die Gesänge von Dantes Göttlicher Komödie. Auch der menschliche Körper wurde nun in der Literatur beschrieben (z. B. von Boccaccio) und zu einem dem Mittelalter entgegengesetzten Schönheitsideal gestaltet.

Geselligkeit und Feste, Sitten und Religion

Natürlich gab es auch im Italien der Renaissance Standesunterschiede, aber diese begannen sich zu verwischen. Adlige und Bürger wohnten in den Städten zusammen, sodass auch die Festivitäten und die Geselligkeit zu einem einenden Band werden konnten. Zu den größeren Feiern gehörten der Fronleichnamsumzug, gängige Myste-rienspiele und der Karneval. Durch den Wegfall der Standesgrenzen wurde wiederum das Individuum gestärkt, das sich mit Mode, Kosmetik und äußerer Eleganz profilieren konnte. Das gesellschaftliche und höfische Ideal war nun der „cortigiano“, der nicht nur gebildet und sprachbegabt, sondern auch körperlich fit und in allen wichtigen sportlichen Disziplinen tauglich sein musste.

„Bei den Florentinern, sooft sie sich der Medici entledigten oder entledigen wollten, galt der Tyrannenmord als ein offen zugestandenes Ideal.“ (S. 66)

Moralität und Sitte der Italiener, das zeigen viele zeitgenössische Berichte, waren relativ schlecht entwickelt, Trink- und Spielsucht weit verbreitet; die Blutrache, bei der manchmal ganze Familien über mehrere Generationen fast vollständig ausgerottet wurden, war ein akzeptiertes Übel. Der Glaube der Menschen in der Renaissance war gering. Sie konnten oder wollten nicht zwischen dem christlichen Glauben und seiner äußeren Repräsentation – der Kirche – unterscheiden. Und weil diese kein gutes Vorbild bot, sondern ihren Machtanspruch mit allen Mitteln verteidigte, blieb im Volk der Glaube auf der Strecke. Eine Reformation wie in Deutschland konnte es aber in Italien nicht geben, denn zu sehr hingen die Italiener trotz allem an den hierarchischen Vorstellungen der Kirche. Aberglaube – auch solcher, der mit dem Studium der Antike neu aufkam – und eine sehr wechselhafte Frömmigkeit zeichneten den italienischen Renaissancemenschen aus: Manch einer, der ein unchristliches Leben gelebt hatte, kehrte kurz vor seinem Tod zum Glauben zurück.

Zum Text

Aufbau und Stil

Burckhardts Kulturgeschichte ist, obwohl nach Art der Wissenschaft mit Fußnoten und Literaturverweisen versehen, in erster Linie ein Lesebuch. Das war zu seiner Zeit gerade das Neue und Ungewöhnliche an dem Werk: Wer konkrete Daten und die dazugehörigen Fakten sucht, wird bei Burckhardt nicht ohne Weiteres fündig. Der Autor erschafft mit seiner weit ausgreifenden und nicht gerade sehr systematischen Abhandlung ein farbenprächtiges, schillerndes Bild der Epoche der Renaissance – dabei ist er manchmal ausführlich, manchmal eher reserviert, aber meistens lebensnah. Er bedient sich einer sehr literarischen, ausschmückenden Sprache – keine Spur von akademisch-trockener Gelehrsamkeit, wie das Beispiel zeigt: „Zunächst wird allen Kindern angesehener Familien das Horoskop gestellt und bisweilen schleppt man sich hierauf das halbe Leben hindurch mit irgendeiner nichtsnutzigen Voraussetzung von Ereignissen, die nicht eintreffen.“

Das Buch ist in sechs große Abschnitte unterteilt, die sich unterschiedlichen Aspekten der italienischen Renaissance widmen. Den Anfang macht die Politik oder Staatskunst, gefolgt von der Entdeckung des Individuums, der Rückbesinnung auf die Antike, der Entdeckung der Welt, der Feste und Sitten und schließlich der Religion.

Interpretationsansätze

  • Burckhardt liefert nicht nur eine Darstellung der Renaissance in Italien, sondern auch einen Einblick in die Geburtsstunde und Kinderstube des modernen Europas. Insofern ist sein Werk auch für diejenigen relevant, die sich weniger für das Italien des 14. und 15. Jahrhunderts, sondern vielmehr für die Ursprünge unserer modernen Kultur interessieren.
  • Das Buch ist ein Hauptwerk der Kulturgeschichte. Man kann Geschichtswissenschaft als „Weltgeschichte“ (Daten und Fakten) und als „Menschheitsgeschichte“ (Entwicklung des Menschen und seiner Kultur) betreiben. Für Burckhardt zählt nur Letzteres: der große Gesamtzusammenhang. Der Leser erhält ein geschlossenes Bild einer Epoche, auch wenn es ihm vielleicht manchmal schwerfällt, sich historisch zu orientieren.
  • Burckhardt klammert bestimmte Lebensbereiche aus, die für die Renaissance durchaus auch von großer Bedeutung waren, die ihn aber offenbar nicht sonderlich interessieren: die Wirtschaftsgeschichte beispielsweise. Auch die Kunst im engeren Sinn wird in dem Werk vernachlässigt – nicht aber um ganz auf sie zu verzichten, sondern um sie in einem separaten, später erschienenen Buch zu behandeln: Die Kunst der Renaissance in Italien.
  • Der zentrale Punkt, um den sich alles dreht, ist die neue Bedeutung der Individualität. Burckhardt verwendet hierauf ein eigenes Kapitel, behandelt aber auch die Auswirkungen der Individualität auf alle Bereiche der Kultur: auf die Darstellung des Menschen in der Literatur, auf das Auftreten bei Festen und in der Gesellschaft und auf das Verhältnis zur Religion.

Historischer Hintergrund

Schweizer Gegenwart und italienische Vergangenheit

Warum schreibt ein Schweizer Historiker in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Buch über eine weit zurückliegende Epoche wie die italienische Renaissance? Ein Zitat des Autors gibt darüber Auskunft: Bei der Heimkehr von seiner ersten Italienreise nach Ber-lin über Basel im Jahr 1846 gestand Jacob Burckhardt Freunden, seine Vaterstadt blicke ihn „so langweilig und philiströs an, dass ich meinem Herrgott selbst für einen Winter in Berlin sehr dankbar bin“. Und: „Unter diesen Geldbrozen hält es kein rechter Mensch aus. Rom! Rom! Rom! – capisce?“ Burckhardt fühlte sich erdrückt von der Enge, die er nicht nur in der Schweiz, sondern auch im rigiden preußischen Berlin spürte. In der Schweiz wurden damals die liberalen Bestrebungen, die ganz Europa nach der Julirevolution von 1830 erfasst hatten, von den konservativ-katholischen Kräften abgelehnt.

Im Jahr 1845 – darüber berichtete Burckhardt höchstpersönlich in seiner Eigenschaft als Redakteur in Basel – schlossen sich die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden sowie Luzern, Zug, Fribourg und Wallis zu einem Sonderbund zusammen, um sich der politischen Liberalisierung zu entziehen. Dieses Vorgehen führte 1847 sogar zu einem Bürgerkrieg, der allerdings nur 27 Tage dauerte. Enttäuscht von diesen Entwicklungen der Gegenwart, richtete Burckhardt seinen Blick gen Italien, suchte das Heil im Studium der Vergangenheit – und begründete nebenbei die Renaissanceforschung. Diese ist also eine relativ junge Teildisziplin der Geschichtswissenschaft. Vor Burckhardt wurden die Jahrhunderte zwischen 500 und 1500 meist nur als „Mittelalter“ bezeichnet, ein Sammelbegriff, der nicht unbedingt wohlwollend gemeint war, zumal er meist noch mit den Attributen „dunkel“ oder „finster“ versehen wurde. Der Name „Renaissance“ wurde erst im 19. Jahrhundert von dem französischen Historiker Jules Michelet geprägt.

Entstehung

Verglichen mit den üblichen Quellenstudien von Historikern war Burckhardts Arbeitsweise bei der Vorbereitung seines Hauptwerkes recht ungewöhnlich: Er ließ die ungedruckten Quellen in den italienischen Archiven unbesehen liegen und bezog sich fast ausschließlich auf bereits veröffentlichte Berichte über sein Thema. Hierzu gehörten neben historischen Texten vor allem die schöngeistige Literatur von Petrarca, Boccaccio und Dante, die er immer wieder zitiert. Vor allem stützte er sich auf die eigene Anschauung vor Ort: Burckhardt unternahm zwei Italienreisen, 1846 und 1854, und fuhr auf Johann Wolfgang von Goethes Spuren der Renaissance und natürlich der Antike hinterher. Alles, was er an Quellen fand, verarbeitete Burckhardt zu Exzerpten, zerschnitt diese und ordnete sie in Clustern neu an: nicht chronologisch, sondern nach Themen gebündelt. So ergab sich der thematisch gegliederte, mehrere Jahrhunderte umspannende Aufbau des Textes, der zeitgenössischen Historikern reichlich unorthodox vorkommen musste.

Als das Buch, schließlich zum Dreifachen des ursprünglich beabsichtigten Umfangs angeschwollen, 1860 in Basel erschien, bezeichnete Burckhardt es als „flüchtig und dilettantisch“, als „Landplage“ und „Schmerzenskind“. Der Verkauf nach der Auslieferung verlief eher schleppend. Burckhardt erarbeitete noch eine zweite Auflage, die aber erst 1869 herauskam, verabschiedete sich dann von dem Projekt und übertrug weitere Verbesserungen seinem Bearbeiter Ludwig Geiger. Interessanterweise schrieb Burckhardt überhaupt nicht über seinen eigenen Fachbereich, die Kunst. Das lag daran, dass er das Hauptwerk um einen zweiten Band ergänzen wollte, der sich exklusiv dieser Thematik widmen sollte: Die Kunst der Renaissance in Italien. Ausgearbeitet und veröffentlicht wurden jedoch einzig die Kapitel über Architektur und De-korationskunst; die Abschnitte über Malerei und Skulptur existieren nur als Fragmente aus dem Nachlass.

Wirkungsgeschichte

Die Aufnahme des Buches in der Kritik und bei wissenschaftlichen Lesern erfolgte zögerlich. Der Grund ist wohl in dem ungewöhnlichen Format der literarischen, themenbezogenen Darstellung zu suchen: Die Historiker fanden in dem Buch etwas anderes vor, als sie erwartet hatten. Der Geschichts- und Kulturphilosoph Wilhelm Dilthey äußerte sich in einer Rezension einerseits bewundernd über Burckhardts Arbeit, andererseits skeptisch gegenüber dessen Methode. Kritisch beurteilte er vor allem den Versuch, allgemeine Erscheinungen mithilfe spezifischer Ausprägungen der Renais-sance beschreiben zu wollen. Die Mischung aus Kunst und Wissenschaft, Neuschöpfung und Quellenanalyse machte das Werk zu etwas Einzigartigem. Erst allmählich setzte sich das Buch durch: In den folgenden Jahrzehnten, als sich ein Bewusstsein für die Renaissance als eigene Epoche (und nicht als „Anhängsel“ des Mittelalters) einstellte und die Renaissanceforschung zur Reife kam, wurde Burckhardts Werk als richtungweisend gefeiert. Heute zählt Jacob Burckhardt zu den bekanntesten Schweizern: Seit 1998 ziert sein Porträt den 1000-Franken-Schein.

Über den Autor

Jacob Burckhardt gilt als einer der Begründer der wissenschaftlichen Kunstgeschichte. Am 25. Mai 1818 wird er in eine alteingesessene Basler Familie geboren. Sein Vater ist Pfarrer einer reformierten Gemeinde. Burckhardt durchläuft eine humanistische Ausbildung am Basler Gymnasium. Auf Wunsch des Vaters beginnt er 1837 ein Theologiestudium in Basel, befasst sich aber zu diesem Zeitpunkt auch mit Geschichte und Sprachwissenschaften. 1839 wechselt er die Disziplin und nimmt ein Geschichtsstudium auf, das ihn 1843 nach Berlin führt. Anschließend promoviert er in Basel und verbringt mehrere Monate in Paris, die er zu ausführlichen Galeriebesuchen nutzt. Zurück in Basel, treibt Burckhardt seine wissenschaftliche Karriere voran: 1844 habilitiert er in Geschichte und wird 1845 außerordentlicher Professor an der Universität Basel. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit an der Uni schreibt er als politischer Redakteur für die konservative Basler Zeitung. Bis 1858 ist Jacob Burckhardt ordentlicher Professor für Kunstgeschichte an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich, danach übernimmt er den Lehrstuhl für Geschichte in Basel. Neben den Vorlesungen in Kunst- und Kulturgeschichte hält er öffentliche Vorträge, die u. a. auch seinen Universitätskollegen Friedrich Nietzsche beeindrucken. Burckhardts erstes wichtiges Werk ist Die Zeit Konstantins des Großen (1853), in dem er den Zerfall der Antike und die Entwicklung des Christentums untersucht. 1855 folgt Cicerone, eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, und 1860 schließlich das Hauptwerk Die Kultur der Renaissance in Italien, das den Anstoß zu einer intensiven Beschäftigung mit der historischen Entwicklung der Neuzeit gibt. Burckhardt stirbt am 8. August 1897 in Basel.

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