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Die Nonne

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Die Nonne

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Diderots Roman über eine verfolgte Unschuld: eine faszinierende Milieustudie über klösterliche Heuchelei und Repression.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Aufklärung

Worum es geht

Wider Willen im Kloster

Ein bedeutender Roman der französischen Aufklärung: Unverblümt und eindrucksvoll legt Denis Diderot in Die Nonne die Heuchelei und Gewalttätigkeit seiner Zeit offen. Susanne Simonin, eine begabte junge Frau, wird, nur weil sie ein uneheliches Kind ist, von Erbe und Heirat ausgeschlossen und in ein Kloster gesperrt. Der Not gehorchend legt sie bald ihr Gelübde ab, doch ihr Wille, frei und selbstbestimmt zu leben, bleibt ungebrochen. Dies lässt sie zum Opfer sadistischer Schikanen werden. Die Mitschwestern beweisen bei ihren Quälereien große Ausdauer und Fantasie. Was wie eine seltsame Marotte wirkt, enthüllt Diderot als Auswuchs des repressiven klösterlichen Milieus. Der Roman führt präzise, gelegentlich satirisch zugespitzt, aber stets lebensnah die zerstörerische Macht des Geldes, der Konventionen und des religiösen Fanatismus vor und erkundet deren perverse Folgen: sadistische Triebe, zerrüttete Seelen, zwanghafte Neurosen. Insgeheim wird aber auch eine Gegenkraft gefeiert: Es ist der unverbrüchliche Freiheitswille, der Susanne davor schützt, gänzlich wahnsinnig zu werden oder ihren Widersachern Schaden zuzufügen. Das Buch ist nicht Diderots wichtigstes Werk, aber weiterhin sehr lesenswert.

Take-aways

  • Die Nonne von Denis Diderot gehört zu den wichtigsten Romanen der französischen Aufklärung.
  • Es ist die Leidensgeschichte einer Novizin wider Willen und die Schilderung eines menschenfeindlichen Milieus.
  • Erzählt wird die Geschichte von Susanne, einer jungen Frau aus gutem Haus, die von ihren Eltern gezwungen wird, ins Kloster einzutreten.
  • Auf diese Weise soll das uneheliche Kind daran gehindert werden, den Schwestern das Erbe streitig zu machen.
  • Da ihr die innere Berufung fehlt, ihr Freiheitswillen aber ungebrochen bleibt, strengt Susanne einen Prozess gegen ihr Gelübde an.
  • Als der Prozess verloren geht, wird sie zum Opfer sadistischer Schikanen.
  • Ihr Anwalt sorgt für ihre Verlegung in ein anderes Kloster. Von dort aus gelingt ihr die Flucht nach Paris.
  • Auf der Reise in die Stadt entgeht sie nur knapp einer Vergewaltigung und lebt in der Angst, als flüchtige Nonne gefasst und eingesperrt zu werden.
  • Die Geschichte wird aus der Perspektive der Nonne erzählt und ist in Form eines langen Bittbriefs an einen Marquis verfasst.
  • Der Roman ist eine beißende Anklage gegen gesellschaftliche Repressionen im Namen von Geld, Religion und herrschender Moral.
  • Insgeheim feiert er den menschlichen Freiheitswillen als rettende Kraft.
  • Diderot ließ Die Nonne aus Angst vor der Zensurbehörde unveröffentlicht. Als der Roman nach seinem Tod erschien, wurde er wiederholt zum Anlass für heftige Skandale.

Zusammenfassung

Eine Tochter aus gutem Haus

Susanne Simonin stammt aus einer angesehenen, gut situierten Familie. Ihr Vater ist Anwalt und wohlhabend genug, um seine drei Töchter mit einer attraktiven Mitgift auszustatten und standesgemäß zu verheiraten. Doch wider Erwarten weigert er sich im Fall von Susanne, das nötige Geld bereitzustellen. Der 16-Jährigen, ihren älteren Schwestern an Schönheit, Charme und Talent überlegen, ist das Verhalten ihres Vaters ein Rätsel. Den Brautwerbern, die das Haus regelmäßig besuchen, bleiben Susannes Reize nicht verborgen, und prompt erliegt ihr ein Notar aus Corbeil – der jedoch bereits einer ihrer Schwestern versprochen ist. Als die Eltern von der Affäre erfahren, schicken sie die Tochter, ohne erklärende Worte, ins Kloster St. Maria.

Nonne wider Willen

Susannes Schwestern sind schnell verheiratet, und sie hofft, nun ihrerseits an der Reihe zu sein. Doch ihr Beichtvater, Pater Seraphim, teilt ihr mit, sie dürfe das Kloster erst wieder verlassen, wenn die Eltern gestorben seien. Für eine Heirat fehle das Geld. Bestürzt erklärt Susanne, sich weder zur Nonne berufen zu fühlen noch ins Kloster eintreten zu wollen. Ihre Oberin ignoriert den Protest und lässt nichts unversucht, Susanne doch noch umzustimmen: Sie macht ihr Komplimente, trägt ihr eine tiefe Freundschaft an, verfasst sogar einen Bittbrief an die Mutter. Susanne durchschaut dieses Werben als verlogen: Die Äbtissin ist nur an dem Geld interessiert, das die Eltern als Pension zu entrichten haben. Susannes Lage ist so hoffnungslos, dass sie schon fast in ihr Schicksal einwilligt – da wird sie Zeugin eines Zwischenfalls: Eine Nonne irrt wild schreiend, spärlich bekleidet und eine Eisenkette mitschleifend durch die Klostergänge. Susanne erkennt: Würde sie ihren Freiheitswillen verraten, könnte sie ebenso wahnsinnig werden.

Die Vorgeschichte

Am Vorabend ihres Gelübdes erhält Susanne einen Brief von der Mutter, die es kategorisch ausschließt, die Tochter zurück ins elterliche Haus zu holen. Doch als der Bischof ihr das Gelübde abverlangt, in Armut, Keuschheit und Gehorsam zu leben, setzt sich Susanne mit einem klaren Nein zur Wehr. Sofort zerrt man sie vom Altar weg und sperrt sie in ihre Zelle. Dort harrt sie Wochen aus, ehe die Mutter sie widerwillig abholen kommt. Zu Hause angekommen, stellt der Vater sie unter Hausarrest. Susanne darf ihr Zimmer nur zum Kirchgang und zur Beichte verlassen. Bei einer dieser Beichten klärt Pater Seraphim sie endlich über die familiären Hintergründe auf: Monsieur Simonin sei nicht ihr leiblicher Vater, und als illegitimem Kind stehe ihr kein Erbe, als Besitzloser keine Heirat zu. Sie müsse schon dankbar sein, wenigstens im Kloster Unterschlupf finden zu können. Susanne versucht darauf ein letztes Mal, die Mutter für sich einzunehmen – doch die sieht in ihrer Tochter nur die Verkörperung ihres Ehebruchs. Zur Sühne, so fordert die Mutter, müsse die mitschuldige Tochter ein Opfer bringen. Von Not und Mitgefühl bezwungen, erklärt Susanne sich brieflich bereit, aus freien Stücken ins Kloster einzutreten.

Die mitfühlende Oberin

Das Kloster in Longchamp nimmt Susanne freundlich auf. Madame de Moni, die Äbtissin, eine sanfte, mitfühlende, redliche und hellsichtige Frau, fasst schnell ein tiefes Zutrauen zu Susanne, die, von ihren Mitschwestern beneidet, zur bevorzugten Nonne, zur Favoritin aufsteigt. Doch soviel Trost und Seelsorge sie auch erfährt, so stark sie von der Schwesternschaft auch ins Gebet genommen wird, ihr Widerwille gegen das klösterliche Leben bleibt ungebrochen. Einen Ausweg aus ihrer Zwangslage findet sie freilich nicht, und so legt sie das Gelübde schließlich ab. Mechanisch lässt sie die Zeremonie über sich ergehen – und braucht Monate, um sich von ihrem Selbstverrat zu erholen.

Scheußliche Schikanen

In kurzer Zeit sterben drei für Susanne wichtige Menschen: erst der Ziehvater, dann Madame de Moni und schließlich die Mutter. Neue Oberin wird die Nonne Christine, eine abergläubische und misstrauische Person, die im Kloster ein Klima der Verleumdung schafft und harte Bußmaßnahmen verordnet: Die Nonnen sollen sich mit Peitschen selbst kasteien, kratzige, aus Ziegenhaar gefertigte Kutten tragen und auf dem kalten Steinboden schlafen. Susanne soll nun ihre Sünde büßen, ehedem eine Favoritin gewesen zu sein, aber sie weigert sich und verkündet, nur Dienst nach Vorschrift der Ordensregel leisten zu wollen. So kann sie sich zwar den Bußen entziehen, wird dafür aber zur Zielscheibe kleiner, alltäglicher Schikanen. Man lässt sie mit Vorliebe bei Wasser und Brot hungern, die Schmutzarbeit verrichten, sperrt sie grundlos von den Gebetstunden aus und verlegt sie in eine karge Zelle mit einem Strohsack als Bett.

„Jeden Augenblick fiel mir die wahnsinnige Nonne ein, und ich erneuerte in der Stille meinen Schwur, kein Gelübde abzulegen“ (S. 19)

Der Schikanen müde, beschließt Susanne, eine Denkschrift zu verfassen und gegen ihr Gelübde zu prozessieren. Tinte und Papier bekommt sie ausgehändigt, da sie vorgibt, sie wolle ihre nächste Beichte ausführlich vorbereiten. Die fertige Denkschrift kann sie gerade noch rechtzeitig der befreundeten Nonne Ursula anvertrauen, da wird sie schon von Christine zur Rede gestellt. Ihre Beichte sei, gemessen an der Papiermenge, zu kurz ausgefallen. Susanne solle nun entweder das Papier aushändigen oder ihre Unschuld beschwören. Da sie beides ablehnt, wird sie in den Bändigungskerker geworfen. In dem modrigen, lichtlosen Kellerloch verlebt sie drei Tage wild schreiend, sich würgend, den Kopf gegen die Wand schlagend. Aus der Beugehaft entlassen, muss sie ihre Oberin auf Knien um Vergebung bitten und geloben, Stillschweigen zu bewahren.

Die Klage und ihre Folgen

Allmählich wird Susanne wieder in die Ordensgemeinschaft eingegliedert. Sie bringt dem Kloster sogar Geld ein: Ihr schöner Gesang lockt von weither ein zahlungswilliges Publikum an; eine Geldquelle auf die der Orden nicht verzichten will. Von den Mitschwestern unbemerkt, kann sich Susanne endlich mit Ursula verständigen, welche ihre Denkschrift an den Anwalt Manouri weiterleitet. Kaum hat dieser eine Protestklage bei Gericht eingereicht, regt sich von allen Seiten heftiger Widerstand. Susannes Halbschwestern bangen um ihr Erbe. Oberin Christine deutet den Protest als Akt der Rache gegen die Beugehaft, obgleich Susanne beteuert, nur ihre Freiheit erlangen zu wollen. Zudem fürchtet die Oberin einen Skandal, der dem guten Ruf des Klosters schaden würde. Susannes Vorschlag, ihr heimlich die Pforte zu öffnen und so die Flucht zu ermöglichen, lehnt sie kategorisch ab; auch die Drohung Susannes, sich umzubringen, verfehlt ihre Wirkung.

„Ich kenne wenigstens den Wert der Freiheit und das Drückende eines Standes, zu dem man nicht berufen ist.“ (S. 32)

Im folgenden Gottesdienst wird Susanne dem versammelten Konvent als Abtrünnige vorgeführt. Man legt sie in einen Sarg, schüttet Weihwasser über ihr aus und liest ihr die Totenmesse. Aus Furcht, sich bei ihr anzustecken, verweigern ihr die Nonnen den Zutritt zum Speisesaal und stellen ihr stattdessen einen Napf mit Essensresten vor die Küchentür. Nachts dringen sie in ihre Zelle ein, durchwühlen diese nach verdächtigen Gegenständen, entwenden Susanne das Bettzeug und lassen sie frierend auf dem Steinboden liegen.

Niederlage vor Gericht

Der Großvikar Hérbert erfährt von den Wirren im Kloster und kündigt eine Untersuchung an. Die Nonnen lassen nun keine Quälerei unversucht, um Susanne als Wahnsinnige erscheinen zu lassen. Hérbert durchschaut jedoch den Täuschungsversuch und spricht ein Machtwort: Susanne sei in Zukunft mit Würde zu behandeln. Sein Befehl beschert ihr zwar einige friedliche Tage, doch gleichzeitig entwickelt sich der Prozess zu ihrem Nachteil: Die Richter fürchten einen Präzedenzfall; auf die eine Klage könnten unzählige andere folgen. Auch hat Susanne ihrem Anwalt enge Grenzen gesteckt: Weder ihre Halbschwestern noch das Kloster sollen durch den Prozess verunglimpft werden. Zuletzt wird ihr der Brief, in dem sie erklärt hat, freiwillig ins Kloster eintreten zu wollen, zum Verhängnis – und ihr Prozess geht verloren.

„Du erinnerst mich an einen Verrat, an eine so hässliche Undankbarkeit vonseiten eines anderen, dass mir der Gedanke daran unerträglich ist; dieser Mann steht immer zwischen dir und mir, er stößt mich zurück, und der Hass, den ich ihm schuldig bin, erstreckt sich auch auf dich.“ (die Mutter zu Susanne, S. 36)

Betont schadenfroh wird ihr die schlechte Nachricht überbracht. Susanne sucht eine letzte Aussprache mit Manouri, die sie zutiefst resignieren lässt. Sie glaubt, nun für immer eingesperrt zu bleiben. Schlimmer noch: Am selben Tag beginnen die Nonnen sie wieder zu peinigen. Diesmal verliert Susanne fast alle ihre Lebenskräfte. Sie wird krank, bettlägerig und wäre fast gestorben, hätte Ursula sie nicht gesund gepflegt. Ihre einzige Freundin bezahlt die Fürsorge mit dem Leben: Sie steckt sich bei Susanne an und stirbt nach kurzer Leidenszeit.

Erotische Abenteuer

Nach Ursulas Tod scheint sich Susannes Schicksal wider Erwarten doch noch zu wenden. Manouri und Hérbert haben stillschweigend Geld gesammelt, um sie in ein anderes Kloster bei Arpajon verlegen zu können. Die dortige Oberin Madame * empfängt die Leidgeprüfte mit einem überschwänglichen Geständnis ihrer Liebe, das sie ständig erneuern wird. Nach einem Gesangsvortrag am Spinett zieht Madame * Susanne auf ihren Schoß und liebkost ihre Augen und ihren Mund. Therese, die bisherige Geliebte der Oberin, fährt eifersüchtig dazwischen, doch Madame * weist sie brüsk ab und die Tändeleien können ungehindert fortgesetzt werden.

„Ich hörte nichts von dem, was um mich gesprochen wurde; ich war wie in eine Maschine verwandelt und bemerkte nichts; ich hatte nur von Zeit zu Zeit so etwas wie kleine krampfhafte Zuckungen.“ (S. 52)

Eines Tages erzählt Susanne der Oberin ihre ganze Leidensgeschichte. Madame * zerfließt dabei vor Mitgefühl, schimpft tränenreich auf die Ungerechten, die der schönen Susanne so hart zugesetzt haben, und beendet ihre Klage mit einer heftigen Liebkosung. Susanne weiß die Erregung der Madame nur als Krankheit zu deuten. Nach ihren bisherigen erotischen Abenteuern befragt, wird sie verlegen. Sie habe, gesteht sie, noch nie einen Liebhaber besessen und sich auch noch nie selbst zu befriedigen versucht. Beides hätte sie als Sünde empfunden und vor Scham nicht beichten können. In einer der folgenden Nächte schreckt Susanne plötzlich aus dem Schlaf auf und sieht zu ihrer Überraschung die Oberin auf ihrer Bettkante sitzen. Ehe sie sich versieht, ist Madame * unter das Bettlaken geschlüpft und hat sich eng an Susannes Körper geschmiegt. Gerade will sie das Nachthemd lüpfen, da wird heftig mit der Faust an die Zellentür geschlagen. Susanne springt erschrocken aus dem Bett, kann sich jedoch gleich wieder beruhigen: Es war nur Therese, die das Liebesspiel hat stören wollen.

„Die hartnäckige Lust zu peinigen, unglücklich zu machen, ermüdet draußen in der Welt; in den Klöstern wird sie nie müde.“ (S. 64)

Vor Pfingsten kündigt sich neues Ungemach an. Pater Lemoine möchte Susanne die Beichte abnehmen, was die Oberin zwar trickreich, aber vergeblich zu verhindern sucht. Gewieft entlockt er Susanne Details über ihre Affäre und verbietet ihr fortan jede Liebkosung, jedes Treffen zu zweit. Madame *, schwer in ihren Gefühlen verletzt, veranlasst noch, Pater Lemoine in ein anderes Kloster zu versetzen, dann stürzt sie in eine schwere Lebenskrise. Sie magert ab, verliert ihre Fröhlichkeit und verfällt allmählich dem Wahnsinn. Drei Tage die Woche fastet sie, kasteit sich mit Peitschenhieben, wirft sich neben die Kirchentür und wartet, bis alle Nonnen den Raum betreten haben. Des Nachts hört man sie stöhnend durchs Kloster schleichen, den Strick nach sich ziehend, mit dem man sie ans Bett gefesselt hat.

Die Flucht

In Dom Morel, dem Nachfolger von Pater Lemoine, trifft Susanne erstmals auf einen Ordensmann, der ihr Schicksal ganz versteht: Auch er wurde gegen seinen Willen ins Kloster eingewiesen und leidet seither stark unter dem Freiheitsentzug. Zögerlich fassen die beiden Vertrauen, doch die Zeit des Trostes und des Friedens wird durch den Tod der Oberin jäh unterbrochen. Ihr folgt eine neue Äbtissin, die Susanne sofort beschuldigt, Madame * verhext zu haben, und so beginnen die Torturen aufs Neue. Deren überdrüssig, willigt Susanne schließlich ein, gemeinsam mit Dom Morel die Flucht zu wagen. An einem Strick klettert sie über die Klostermauer ins Freie und macht sich mit ihm auf den Weg nach Paris. Noch bevor sie die Stadt erreichen, macht sich der Benediktiner über die schöne Nonne her und versucht sie zu vergewaltigen. Nur der beherzt eingreifende Kutscher kann Schlimmeres verhindern.

„Meine erste Regung war, mich umzubringen, ich legte die Hände an meine Kehle, ich zerriss meine Kleidung mit den Zähnen, ich stieß ein fürchterliches Geschrei aus, ich heulte wie ein wildes Tier, ich schlug den Kopf gegen die Mauern, dass ich ganz mit Blut bedeckt war: Ich suchte den Tod, bis mich meine Kräfte verließen, was bald geschah.“ (S. 73)

In Paris findet Susanne in einem Hospiz Unterschlupf, wo zwielichtige Zuhälter verkehren. Sie muss befürchten, als Prostituierte zu enden. Auch als sie kurze Zeit später eine neue Bleibe und Arbeit als Wäscherin findet, lebt sie beständig in der Angst, als flüchtige Nonne gefasst und eingesperrt zu werden. Da entschließt sich Susanne, ihren Leidensweg aufzuschreiben und an den Marquis de Croismare zu schicken. Dieser hat ihren Prozess mit Wohlwollen begleitet, und von ihm erhofft sie sich eine Anstellung, um in Frieden und Freiheit leben zu können.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman besteht aus einem langen Brief der ehemaligen Nonne Susanne an den Marquis de Croismare, dem sie rückblickend ihr Martyrium berichtet. Die Handlung entwickelt sich geradlinig und chronologisch, hin und wieder von Susannes Kommentaren verzögert. Im Mittelpunkt stehen die drei Leidensjahre im Kloster; die Familiengeschichte und die Flucht werden nur summarisch wiedergegeben. Die Erzählerin Susanne tritt zugleich als Bittstellerin auf. Der Marquis soll Sympathie empfinden und ihr eine Anstellung besorgen. Dieses Werben prägt die Ich-Erzählung ebenso wie Susannes schlichter Charakter. Die entflohene Nonne präsentiert ihre Erlebnisse z. T. so, als ob sie sie nicht recht begreifen und bewerten könne. Dadurch bleibt der Bericht, so persönlich er auch gehalten ist, aufklärerisch sachlich und lässt die sozialen Kräfte spürbar werden, die einen Menschen zur verfolgten Unschuld machen können. Diderots Sprache fließt melodisch leicht und rhythmisch sicher dahin, so als werde sie in mündlicher Rede vorgetragen. Entsprechend wirken die geschilderten Situationen stets lebensnah, wie unmittelbar miterlebt. Dem Roman ist ein „Nachgestelltes Vorwort“ angefügt, das Dichtung und Wahrheit gehörig durcheinanderbringt. Es berichtet von dem wahren Fall der Nonne Marguerite Delamarre und von einer literarisch-spielerischen Betrügerei: In Marguerites Namen, so wird berichtet, habe Diderot fingierte Briefe an den Marquis de Croismare geschickt, der darauf mit echtem Mitgefühl geantwortet habe. Der Briefwechsel ist in dem Vorwort abgedruckt.

Interpretationsansätze

  • Der Roman bietet eine scharfsichtige Milieustudie des klösterlichen Lebens. Er schwankt zwischen antiklerikalen und christlichen Tendenzen. Das Kloster erscheint nicht als Hort religiöser Tugend, sondern als x-beliebiger Machtapparat. Wie in jedem weltlichen Betrieb herrschen auch im Kloster Intrigen, Willkür und Karrierestreben.
  • Ausgerechnet die eine Nonne, die sich dem Klosterbetrieb standhaft verweigert, erscheint als authentisch religiös: Susanne verzichtet gut christlich auf Rache, liebt ihre Feinde und folgt der Stimme ihres Herzens.
  • Das Buch zeigt auch die zerstörerische Wirkung von Geld und Konventionen. Eine junge Frau muss leiden, weil sie sich zutiefst menschlich verhält, indem sie auf ihrem Recht beharrt, in Freiheit leben zu dürfen. Die Familie und ihre Oberen stufen sie deshalb als Bedrohung ihrer eigenen Besitzstände ein: Die Halbschwestern fürchten um das geerbte Geld, das Kloster um das gute Renommee, die Gerichtsbarkeit um eine ungerechte Rechtspraxis.
  • Der Roman erforscht gesellschaftlich bedingte Verhaltensstörungen. Er deutet sie als Folge einer die Natur des Menschen unterdrückenden Moral. Susannes Mutter hat den Ehebruch so sehr als Sünde verinnerlicht, dass sie ihr Kind nur noch verstoßen kann. Madame de Moni vermag das Gebot der Nächstenliebe nicht zu relativieren und geht an einem maßlosen Mitgefühl zugrunde. Die Äbtissin Christine entdeckt überall Anfeindungen des Teufels und wird zur paranoiden Sadistin.
  • Diderot nutzt das erotische Potenzial seines gesellschaftskritischen Romans zur Schilderung softpornografischer Szenen, die wesentlich zum Erfolg – und zur Skandalisierung – des Werks beigetragen haben.

Historischer Hintergrund

Aufklärung und Repression in Frankreich

Diderots Die Nonne entstand in einer turbulenten Zeit des Übergangs. Die alten, feudalen Kräfte waren durch die hemmungslose Kriegspolitik Ludwigs XIV. (1638–1715) und seine Verschwendungssucht geschwächt und befanden sich im politischen und wirtschaftlichen Niedergang. Der Staat ruinierte sich zusehends durch verlustreiche Kriege: So verlor Frankreich als Folge des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) einträgliche Kolonien in Indien, am Mississippi und in Kanada. Vor allem aber begehrten zunehmend liberale Kräfte gegen das absolutistische Staatswesen auf. Ein durch die Manufakturen reich gewordenes Bürgertum forderte die Gleichstellung mit dem Adel, die Sicherung grundlegender Rechte und eine moralische Unabhängigkeit von der Kirche. Namhafte Intellektuelle der Aufklärung wie Montesquieu, Voltaire, Rousseau und Diderot lieferten dafür das religions- und herrschaftskritische Gedankengut. Der angegriffene Staat reagierte auf die emanzipatorischen Bestrebungen mit harten Repressionen. Als Robert-François Damiens 1757 ein – gescheitertes – Attentat auf Ludwig XV. verübte, wurde die Zensurbehörde mit einem radikalen Erlass gestärkt: Drucker und Autoren, die Bücher ungenehmigt publizierten, sollten mit dem Tod bestraft werden. Auch die den Staat mittragende Kirche war in die gesellschaftlichen Konflikte verwickelt. Sie wurde von außen, aber auch von innen hart bekämpft. Gruppierungen wie die Janseisten, Molinisten und Jesuiten gingen erbittert gegeneinander vor. 1762 wurden die Jesuiten vom Pariser Gerichtshof sogar gänzlich verboten.

Entstehung

Zu seinem Roman Die Nonne hat Diderot eigentlich ein Scherz veranlasst. Der Marquis de Croismare hatte sich 1759 auf seinen Landsitz nach Caen zurückgezogen, wurde aber im Pariser Salon der Madame d’Épinay schmerzlich vermisst. Darauf beschlossen die Salondame, Diderot und sein Freund Melchior Grimm, den Marquis mit einer raffinierten Finte nach Paris zurückzulocken: Zwei Jahre zuvor hatte Marguerite Delamarre, eine Nonne, für Aufsehen gesorgt, als sie einen Prozess gegen ihr Gelübde angestrengt und verloren hatte. Der Marquis hatte daran regen Anteil genommen. Diderot und seine Spießgesellen fingierten nun unter ihrem Namen Briefe und appellierten mit Erfolg an das Mitgefühl des Marquis. Er antwortete auf die Briefe und forderte Marguerite sogar auf, nach Caen zu reisen – woraufhin Diderot die Nonne notgedrungen sterben ließ.

Das Sujet ließ Diderot seither nicht mehr los. Im Jahr 1760 begann er mit der Niederschrift von Die Nonne, konnte sie aber zu keinem befriedigenden Ende führen. 20 Jahre später nahm er sich das Manuskript ein zweites Mal vor, überarbeitete es grundlegend und publizierte es in Melchior Grimms Correspondance littéraire, einer für den europäischen Adel bestimmten, von Hand geschriebenen und geheimen Zeitschrift, die in sehr niedriger Auflage erschien.

Mit dem interessanten Fall der verfolgten Unschuld konnte Diderot an eine Romantradition anknüpfen, die bereits in England für Furore gesorgt hatte. Samuel Richardson hatte 1740 mit seinem empfindsamen Briefroman Pamela oder die belohnte Tugend eine große Leserschaft faszinieren können. Namhafte Schriftsteller ließen ähnliche Werke folgen, z. B. Jean-Jacques Rousseau mit Julie oder Die neue Heloïse (1761) oder Johann Wolfgang von Goethe mit Die Leiden des jungen Werther (1774). Diderot kannte sein Sujet überdies aus eigener Erfahrung und wusste, was es bedeutete, im Kloster eingesperrt zu werden, hatte ihn doch sein Vater 1743 im Kloster von Troyes festsetzen lassen, um seine Heirat mit einer einfachen Frau zu verhindern. Außerdem war seine Schwester als Nonne wahnsinnig geworden.

Wirkungsgeschichte

Seine Festungshaft aufgrund einer religionskritischen Schrift im Jahr 1749 hatte Diderot vorsichtig werden lassen: Er wollte nicht noch einmal von der Zensurbehörde festgenommen werden. Deshalb blieb ein Großteil seiner literarischen Werke zu Lebzeiten unveröffentlicht. Auch Die Nonne erschien als Buch erst nach seinem Tod, nämlich 1796. Zu der Zeit befand sich Frankreich in der Endphase der Revolution und entsprechend beurteilte die Kritik das Buch als Manifest, das die bisherigen Umwälzungen bestätigte: Das Buch führte vor, wie menschenverachtend das Leben in den Klöstern war, und rechtfertigte deren Umwandlung in Staatsbesitz. Später, im 19. Jahrhundert, warf die bürgerliche Öffentlichkeit dem Roman wiederholt obszöne und antiklerikale Tendenzen vor. Der französische Staat ließ sich von dem Skandal beeindrucken und verbot das Buch.

Jacques Rivette verfilmte den Roman 1966 unter dem Titel Suzanne Simonin, la Religieuse de Denis Diderot und löste schon im Vorfeld einen Skandal aus: Die Elternvereinigung der Privatschulen erwirkte eine Altersbeschränkung auf 18 Jahre, da der Film religiöse Gefühle verletze und die Jugend zu falscher Moral verführe. Ein Staatssekretär sah in dem Film eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und belegte ihn am 1. April 1966 mit einem Verbot, musste es aber unter dem Druck der Öffentlichkeit im März 1967 wieder aufheben. Der Film wurde schließlich ein großer Publikumserfolg.

Über den Autor

Denis Diderot wird am 5. Oktober 1713 als Sohn eines wohlhabenden Messerschmieds in Langres geboren. Nach seiner Schulzeit geht er nach Paris, wo er Philosophie und Naturwissenschaft studiert. Die vom Vater verlangte theologische Karriere schlägt er aus und er wird stattdessen für ein Jahr Anwaltsgehilfe. Danach lebt er von schlecht bezahlten Gelegenheitsarbeiten, geht häufig als Bohemien in die Pariser Cafés, wo er sich mit Intellektuellen wie Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, Jean-Jacques Rousseau, Étienne Bonnot de Condillac und Melchior Grimm anfreundet. Als er den Vater bittet, in seine Heirat mit einer Wäscheverkäuferin einzuwilligen, lehnt dieser ab und schickt den Sohn ins Kloster von Troyes. Diderot gelingt bald die Flucht nach Paris, wo das Paar sich 1743 heimlich trauen lässt. Vier Jahre später wird Diderot Leiter eines berühmten verlegerischen Projekts: der 28-bändigen Enzyklopädie (Encyclopédie), dem Anspruch nach eine Zusammenstellung des gesamten Wissens der Zeit. 1749 wird Diderot wegen seines religionskritischen Briefes über die Blinden (Lettre sur les aveugles) von der Zensurbehörde für drei Monate in Vincennes eingesperrt. Viele seiner literarischen Werke lässt er daraufhin unveröffentlicht, darunter später berühmte Werke wie Die Nonne (La religieuse), Rameaus Neffe (Le neveu de Rameau) oder Jakob und sein Herr (Jacques le fataliste et son maître). Zu Lebzeiten tritt er vor allem als Philosoph, Naturwissenschaftler, Kunstkritiker und Dramatiker in Erscheinung. Seine Abhandlung Paradox über den Schauspieler (Le paradoxe sur le comédien, 1773) revolutioniert die Theaterszene. 1765 kann Diderot, der stets unter Geldnot leidet, die russische Zarin Katharina II. als Mäzenin gewinnen. Sie kauft ihm seine Bibliothek ab und besoldet ihn für 50 Jahre im Voraus als Bibliothekar. 1773 reist er auf ihre Einladung hin für ein halbes Jahr nach St. Petersburg. Am 31. Juli 1784 stirbt er in Paris an Herzversagen.

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