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Die Perser

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Die Perser

Reclam,

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10 Take-aways
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Was ist drin?

Die älteste erhaltene Tragödie der Literaturgeschichte inszeniert den Kampf zweier politischer Kulturen.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Griechische Antike

Worum es geht

Ein antiker Kampf der Kulturen

Als Aischylos 472 v. Chr. Die Perser schrieb, lag die Seeschlacht von Salamis, von der das Stück handelt, gerade erst acht Jahre zurück. Nicht nur seine Wahl eines zeitgeschichtlichen statt des genreüblichen mythischen Stoffes, auch die Umsetzung war ungewöhnlich: Aischylos schildert den Krieg aus der Perspektive des geschlagenen Feindes, der Perser, die durch ihre Überwindung der Meeresenge zwischen Asien und Europa den Zorn der Götter herausgefordert hatten, so die Lesart des Stückes. Statt also zu triumphieren, lädt Aischylos seine Zeitgenossen ein, sich in den besiegten Gegner hineinzuversetzen. Nebenbei lässt er die kleine attische Polis, der es gelungen war, das zahlenmäßig überlegene persische Heer zu vernichten, in strahlendem Glanz erscheinen. Hier prallen nicht nur zwei Staaten aufeinander, sondern zwei unvereinbare politische Kulturen – Demokratie gegen Despotie, die freiheitsliebenden Athener gegen das persische Riesenreich mit seinem gottgleich verehrten Monarchen an der Spitze. Vor allem unter dieser Warte ist das Stück auch heute noch fruchtbar. 

Take-aways

  • Aischylos’ 472 v. Chr. uraufgeführtes Stück Die Perser ist die älteste erhaltene Tragödie der Literaturgeschichte.
  • Inhalt: Der Perserkönig Xerxes hat beim Versuch, Griechenland zu erobern, in der Seeschlacht bei Salamis eine schwere Niederlage erlitten. Sein Vater Dareios sieht darin die gerechte Strafe für Xerxes’ anmaßendes Verhalten: Indem dieser die Meerenge zwischen Asien und Griechenland überquerte, hat er den Zorn der Götter herausgefordert.
  • Eine Botschaft des Stückes ist: Der Mensch darf seine Grenzen nicht übertreten und muss gottgegebenes Leid ertragen.
  • Das Stück behandelt nicht, wie es das Genre forderte, einen mythischen Stoff, sondern Zeitgeschichte.
  • Es stellt die Schlacht bei Salamis von 480 v. Chr. aus der Perspektive der Perser dar und fordert Einfühlung der griechischen Zuschauer in den besiegten Feind.
  • Aischylos inszeniert einen Zusammenstoß zweier politischer Kulturen: des monarchischen Perserreiches und der demokratischen Polis.
  • Damit lieferte er das ideologische Fundament des attischen Stadtstaates.
  • Die Perser entstanden in der Spätphase von Aischylos’ Schaffen.
  • Indem Aischylos die Rolle des Chores beschränkte und einen zweiten Schauspieler einführte, betrat er Neuland.
  • Zitat: „Denn Hybris, schießend in die Blüte, bringt als Frucht hervor die Ähre der Vermessenheit, daraus sie eine Ernte voller Tränen mäht.“

Zusammenfassung

Aufbruch in den Krieg

Der Ältestenrat des persischen Großkönigs, dargestellt durch den Chor, berichtet vom Feldzug der Perser gegen die Griechen: Junge Männer aus ganz Asien haben ihre Heimat verlassen und sind dem Ruf des Perserkönigs Xerxes gefolgt, um Griechenland zu unterwerfen. Zu Pferd, mit Schiffen und zu Fuß ziehen sie dahin, eine riesige Armee, Furcht einflößend, unbezwingbar und voller Kampfesmut. Mit glühendem Blick treibt der Herrscher seine Männer voran, auf dass sie die uralte Bestimmung der Perser erfüllen: Krieg zu führen. Gleich einem Bienenschwarm sind die Männer ausgeschwärmt, haben ihre trauernden Frauen allein zurückgelassen und die Meeresenge zwischen Europa und Asien überquert.

Atossas Traum

Ehrfurchtsvoll begrüßt der Chorführer die Mutter des Xerxes und Witwe des Dareios, Atossa, die mit großem Gefolge und prächtig gekleidet auf einem Wagen herbeigefahren kommt. Aus Sorge um ihren Sohn hat sie den Königspalast in Susa verlassen. Auch fürchtet sie um den Wohlstand des Landes, den Dareios aufgebaut hat, nun, da keine Männer da sind, die ihn verteidigen. In ihrer Not bittet sie den Ältestenrat, ihr zu weisen, was sie tun soll.

„Wir hier werden der Perser, die fortgezogen / ins Land der Hellenen, Getreue genannt / und der reichen und goldgesegneten / Paläste Hüter, die aufgrund von Alter und Würde / Xerxes selbst, unser Herr und König, / Dareios’ Sohn, / hat erwählt, zu wachen über sein Land.“ (Chor, S. 9)

Nachdem der Chorführer ihr die Loyalität des Ältestenrates zugesichert hat, berichtet Atossa von einem Traum, den sie in der vorherigen Nacht hatte. Zwei schöne, große Frauen – die eine in persischer, die andere in griechischer Tracht – stritten miteinander. Als Xerxes das bemerkte, versuchte er, die beiden zu besänftigen. Er spannte sie vor seinen Wagen und schnallte ihnen ein Joch auf. Die eine fügte sich, die andere bäumte sich auf, riss das Geschirr entzwei, zerbrach das Joch und schleifte den Wagen an den Zügeln hinter sich her. Dabei stürzte Xerxes. Als sein Vater dazutrat und ihn beklagte, zerriss Xerxes sich die Kleider.

„Solch eine Blüte von Kriegern / des Perserlandes ist ausgezogen, / um die Asiens gesamte Erde, / die sie genährt, in brennender Sehnsucht stöhnt; / und Eltern und Frauen fürchten zitternd, die Tage zählend, / die Zeit, die sich immer mehr ausdehnt.“ (Chor, S. 11 f.)

Als sie am nächsten Morgen aufgestanden sei, berichtet Atossa weiter, habe sie den Unglück abwendenden Daimonen Opfergaben auf den Altar gelegt. Dabei habe sie mit Schrecken beobachtet, wie ein Falke auf einen Adler herabstieß und ihm mit seinen Krallen den Kopf zerrupfte. Der Adler habe sich dem Falken ohne Gegenwehr preisgegeben.

„Doch der trug-sinnenden Täuschung eines Gottes: Welcher sterbliche Mann wird ihr entrinnen?“ (Chor, S. 15)

Atossa weiß: Kommt ihr Sohn als Sieger aus dem Krieg zurück, wird man ihn bewundern; aber auch wenn er als Verlierer kommt, muss er sich niemandem erklären und bleibt Herrscher des Landes. Der Chorführer rät Atossa, die Götter um Beistand zu bitten. Zudem soll sie für die Toten Trankopfer darbringen und ihren verstorbenen Mann, der ihr nachts im Traum erschienen ist, darum bitten, Gutes für sie und den Sohn aus der Unterwelt heraufzuschicken. Dann werde alles gut ausgehen.

„Keines Mannes Knechte stehen sie im Ruf zu sein noch Untertanen.“ (Chorführer über die Athener, S. 27)

Atossa verspricht, den Anweisungen des Chores zu folgen. Eine Frage hat sie aber noch: Wo liegt eigentlich Athen? Weit im Westen, erwidert der Chorführer. Warum sei ihr Sohn so darauf erpicht, diese Stadt zu erobern? Weil er sich damit ganz Griechenland untertan machen will, erklärt der Chorführer. Die Hellenen hätten ein starkes Heer, das nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit Lanzen und Schildern für den Nahkampf bewaffnet sei. Es werde nicht von einem einzelnen Mann angeführt, und die Soldaten seien niemandes Knechte oder Untertanen. Wie sie denn auf diese Weise die Angriffe des Feindes abwehren könnten, will Atossa wissen. Doch der Chorführer erinnert sie daran, dass die Griechen schon einmal ein großes persisches Heer vernichtet hätten, nämlich das des Dareios.

Die Schreckensbotschaft

Ein Bote überbringt die Nachricht, die Perser seien im Kampf geschlagen, die „Männerblüte“ des Landes auf einen Schlag vernichtet worden. Immer wieder von den Klagen des Chores unterbrochen, schildert der Bote, was er gesehen hat: Salamis, der Ort der Schlacht, und das Land ringsum seien mit Leichen übersät, viele Anführer seien von Speeren getroffen worden und qualvoll gestorben. Ihre Bögen hätten den Persern nichts genützt. Dank einer Kriegslist und göttlichem Beistand hätten die griechischen Schiffe – obwohl zahlenmäßig weit unterlegen – die persische Seemacht geschlagen. Mit Kampfesmut und Siegeswillen hätten die griechischen Schiffe diejenigen der persischen Flotte gerammt, in die Enge getrieben und schließlich zerstört. Noch nie seien an einem einzigen Tag so viele Menschen umgekommen; bis in die Nacht sei das Geschrei der Sterbenden zu hören gewesen.

„O des gesamten Asienlandes Städte ihr, / o Perser-Erde und des Reichtums weiter Hafen! / Wie ist durch einen Schlag zerstört der reiche Segen und gefallen / der Perser Männerblüte und dahin.“ (Bote, S. 29)

Aber das sei nur der Anfang gewesen, berichtet der Bote: Xerxes habe seine Krieger auf eine kleine Insel in der Nähe von Salamis geschickt. Von dort aus sollten sie die von den Schiffen ins Wasser gefallenen Griechen niedermetzeln und die eigenen Leute aus dem Wasser retten. Die Griechen legten jedoch Rüstungen an und stürmten die Insel in einem Umschließungsangriff. Sie bombardierten die Perser, die nun in der Falle saßen, mit Steinen und Pfeilen und töteten sie bis auf den letzten Mann. Von seinem Aussichtsposten auf einem hohen Hügel am Meer musste Xerxes mit ansehen, wie seine Männer dahingeschlachtet wurden. Verzweifelt zerriss er seine Kleidung und stieß einen schrillen Schrei aus, ehe er die Flucht antrat.

Kriegsschrecken und Leid

Atossa ist tief bestürzt über das Ausmaß des Unglücks, zugleich aber erleichtert, dass Xerxes am Leben ist. Sie verflucht den Daimon, der die Perser so getäuscht hat. Ihr Sohn habe sich an Athen für die Schlacht von Marathon rächen wollen und damit entsetzliches Leid über die Perser gebracht.

„Otototoi! Der Lieben Leiber, / viel herumgewirbelt, in die Salzfluten eingetaucht: / Gestorben, sagst du, fluten sie / dahin zwischen den treibenden Planken.“ (Chor, S. 31)

Der Bote fährt mit der Schilderung der Kriegsschrecken fort: Nach der Niederlage hätten die wenigen noch intakten Schiffe der Perser ziellos die Flucht angetreten, die überlebenden Soldaten seien auf dem Rückmarsch verhungert oder verdurstet, erfroren oder ertrunken oder an Erschöpfung gestorben. Nur wenige hätten die Strapazen überlebt und befänden sich nun auf dem Weg in die Heimat. Die ganze Jugend des Landes sei verloren.

„Doch gleichwohl müssen gottgesandtes Leid die Sterblichen ertragen.“ (Atossa, S. 31)

Auch der Chorführer klagt den Daimon an, der den Persern so viel Kummer und Not bereitet hat. Atossa beschwört noch einmal ihren Traum herauf, der das Unheil angekündigt hat, und wirft dem Ältestenrat vor, ihre Vorahnungen auf die leichte Schulter genommen zu haben. Dennoch will sie dessen Rat befolgen, zu den Göttern zu beten und für die Toten Opfer darzubringen. Damit kann sie zwar das Geschehene nicht ungeschehen machen, doch hofft sie, die Zukunft werde Besseres bringen. Sie begibt sich auf den Weg zum Palast, um die Opfergaben zu holen. Sollte ihr Sohn inzwischen eintreffen, so bittet sie den Ältestenrat, sollen sie ihn trösten und ihm Mut zusprechen. Ansonsten, fürchtet sie, werde er sich etwas antun.

Das Ende des Perserreiches

Der Chor wendet sich an Zeus, der das große und stolze Heer der Perser vernichtet und ein ganzes Land in tiefe Trauer gestürzt habe. Er stimmt ein in die Klage der Frauen, die verzweifelt weinen und im Schmerz ihre Schleier zerreißen. Sie trauern um ihre Männer, mit denen sie – frisch verheiratet – sich den Freuden der Liebe hingegeben haben. König Xerxes, so der Chor, hat unvernünftig gehandelt, als er seine Männer nach Griechenland führte. Die griechischen Schiffe haben die persische Flotte durch Rammstöße vernichtet und nun ist das Leid groß. In den Häusern fehlen die Männer, Eltern beklagen den Verlust ihrer Kinder. Ganz Asien ist entvölkert, und der persische König hat seine Macht verloren. Die von ihm beherrschten Völker werden ihm keinen Respekt mehr erweisen und nicht mehr bereit sein, Tribute zu entrichten. Stattdessen werden sie aufbegehren.

„Zeus! König! Nun hast du der Perser, / der stolzen und männerreichen, / Heer zugrunde gerichtet / und Susas und Agbatanas Stadt / in dunkle Trauer gehüllt!“ (Chor, S. 53)

Mittlerweile ist Atossa, begleitet von ihren Dienerinnen, mit den Opfergaben aus dem Palast zurückgekehrt. Ihren Wagen hat sie zurückgelassen, die prunkvolle Aufmachung gegen ein schlichtes Trauerkleid getauscht. Das Unglück, das über sie hereingebrochen ist, hat ihren Blick auf die Welt getrübt. Überall erkennt sie die Feindschaft der Götter, und in ihren Ohren dröhnt ein Lärm, der keine Heilung verspricht. Nun will sie Dareios, dem verstorbenen Vater ihres Sohnes, Opfergüsse darbringen, die ihn besänftigen sollen: die Milch eines Rindes, Honig, reines Quellwasser, guten Wein, würziges Öl und dazu Blumenkränze. Sie fordert den Chor auf, feierliche Lieder anzustimmen und so Dareios heraufzurufen.

Besuch aus dem Reich der Toten

Der Chor ruft die Daimonen der Unterwelt sowie den „seligen, gottgleichen König“ Dareios an, er möge aus der Unterwelt heraufkommen. Niemals habe dieser größte aller Herrscher sich blindlings in Kriege gestürzt. Von seinem Volk sei er zu Recht als göttlicher Ratgeber verehrt worden.

„Leiden, weil’s dem Menschen wesenseigen, stößt dem Sterblichen halt zu: / Viele kommen aus dem Meere, viele Übel von dem Land / auf die Menschen, wenn das Leben weit sich in die Länge spannt.“ (Dareios, S. 67)

Hervorgelockt durch die Klagelieder erscheint der Geist des Dareios über seinem Grab und beginnt zu sprechen: Es sei leichter, ins Totenreich hinein- als wieder herauszukommen. Doch da er bei den unterirdischen Götter Einfluss besitze, sei es ihm gelungen. Er möchte wissen, welches Unglück den Persern widerfahren ist, dass sie so jammervoll nach ihm rufen.

„Denn Hybris, schießend in die Blüte, bringt als Frucht hervor die Ähre der / Vermessenheit, daraus sie eine Ernte voller Tränen mäht.“ (Dareios, S. 77 f.)

Dareios fordert den Chor auf, ohne Scheu zu sprechen, sich aber kurzzufassen. Er habe nicht viel Zeit und müsse bald wieder zurück in die Unterwelt, sonst werde man ihn für seine Saumseligkeit tadeln. Da der Chor in Ehrfurcht erstarrt ist, wendet sich Dareios an Atossa. Er fordert sie auf, mit dem Weinen und Klagen aufzuhören. Leiden gehöre nun einmal zum Leben. Atossa gehorcht und berichtet, die Macht der Perser sei vollkommen vernichtet – und zwar nicht, wie Dareios zunächst vermutet, durch eine Seuche oder einen Aufstand im Reich, sondern durch Krieg. „Der Hitzkopf Xerxes“ habe das Heer seiner vollkommenen Vernichtung zugeführt.

„Denn über allzu arrogantem Denken steht, / ich sag’s dir, Zeus als Züchtiger, ein harter Richtigsteller.“ (Dareios, S. 79)

Wie Xerxes es denn geschafft habe, mit diesem Riesenheer zu Fuß nach Athen zu gelangen, will Dareios wissen. Er staunt, als Atossa ihm erzählt, dass sein Sohn den Hellespont überbrückt habe: Eine solch unvernünftige Idee könne Xerxes nur durch einen Daimon eingegeben worden sein! Die Nachricht, dass das gesamte persische Heer durch die Speere des Feindes vernichtet worden sei, erschüttert Dareios. Er kann nicht fassen, dass durch die Schuld seines Sohnes das persische Reich seiner Männer beraubt worden sei. Die Stadt Susa etwa, berichtet Atossa, sei vollkommen entvölkert. Welch eine Verschwendung von Jugendkraft, findet Dareios.

„Allein, ich geh und hol aus dem Palast das Prunkgewand / und will versuchen, zu begegnen meinem Sohn: / Nicht lassen wir das Liebste in der Not im Stich.“ (Atossa, S. 81)

Der verstorbene König schimpft auf seinen Sohn. Durch die Überbrückung des „heiligen Hellespont“ habe Xerxes sich mit dem Gott Poseidon angelegt. Er müsse geisteskrank sein, dass er sich anmaßt, als Sterblicher die Götter beherrschen zu wollen. Allen Reichtum, den er selbst mühsam aufgebaut hat, sieht Dareios durch die Unvernunft seines Sohnes in Gefahr. Atossa schiebt die Schuld „schlimmen Männern“ zu, unter deren Einfluss Xerxes stand: Man habe ihm eingeredet, es fehle ihm an Männlichkeit und er sei nicht in der Lage, den vom Vater überkommenen Wohlstand zu vermehren. Die ständigen Sticheleien hätten schließlich dazu geführt, dass er Griechenland angriff. Dareios zählt vergangene Herrscher auf, die das Perserreich überwiegend besonnen regiert und das Herrschaftsgebiet vergrößert hätten. Auch er selbst habe als König viele Feldzüge unternommen, doch nie seinem Land so großen Schaden zugefügt. Xerxes aber habe sich im jugendlichen Übermut über alle väterlichen Ratschläge hinweggesetzt.

Die Rückkehr des Xerxes

Der Chor fragt den Geist des alten Königs: Was kann das persische Volk tun, um die Folgen der Katastrophe zu bewältigen und wieder Zuversicht zu gewinnen? Nicht weiter gegen die Griechen in den Krieg ziehen, lautet die Antwort, selbst wenn das eigene Heer noch so groß ist. Die Heimaterde der Griechen sei deren Verbündete, sie lasse die Angreifer verhungern. Die Perser hätten den Fehler begangen, griechische Tempel abzubrennen, Götterstatuen zu stehlen, Altäre und Heiligtümer zu zerstören. Eine solche Vermessenheit der Sterblichen gegenüber den Göttern werde immer hart bestraft.

„Es schreit, schreit drinnen im Leib mit das Herz!“ (Xerxes, S. 91)

Bevor Dareios wieder verschwindet, fordert er Atossa auf, den verzweifelten Xerxes zu beruhigen. Den Ältesten rät er, sich auch in der Not täglich Freuden zu gönnen, denn den Verstorbenen nütze der Reichtum nichts mehr.

Nachdem Atossa in den Palast gegangen ist, um für Xerxes ein Prunkgewand zu holen, singt der Chor ein Loblied auf den ehemaligen Herrscher Dareios, der seine Soldaten stets ruhmvoll und glücklich in die Heimat zurückgeführt habe. Da kommt Xerxes im zerrissenen Gewand und mit leerem Köcher an. Er wendet sich an den Daimon, der den Persern solches Leid zugefügt hat. Im Wechsel mit dem Chor beklagt er sein Schicksal und den Tod so vieler Gefährten. Die Chorleute folgen seinen Anweisungen. Sie weinen und schreien, schlagen sich auf die Brust, raufen sich die Haare, zerreißen ihre Kleider und geleiten Xerxes unter lautem Klagen zum Palast. 

Zum Text

Aufbau und Stil

Aischylos’ Drama Die Perser ist nach dem Schema der klassischen Tragödie gegliedert, die ein komplexes Gebilde aus gesprochenem Wort, Tanz und Musik darstellte. Nach der Parodos, dem Einzugslied des Chores der persischen Ältesten, folgen im Wechsel der Auftritt der Schauspieler, die sogenannten Epeisodien, und der „Stasimon“ genannte Standgesang des Chores. Der Chor bildet das durchgehende Element, die Schauspieler treten als Berichterstatter oder Handelnde hinzu. Das Stück, das überwiegend in den lyrischen Versmaßen des Anapäst und des Ionikers – eines Metrums, dass als orientalisch empfunden wurde – verfasst ist, endet mit einem klagenden Wechselgesang zwischen dem Chor und Xerxes, wobei mimetisch-tänzerische Elemente wie das Schlagen auf die Brust und Haareraufen angedeutet werden. Obgleich das Stück gegenüber der damals vorherrschenden dramatischen Praxis einige Neuerungen bietet – etwa die Einführung eines zweiten Schauspielers und die Aufwertung des gesprochenen Wortes –, trägt es durch die Dominanz des Chores nach wie vor altertümliche Züge. Gerade in dessen Klagegesängen ist noch deutlich spürbar, woraus die Tragödiengattung entstand: aus dem Trauergesang am Grab eines Helden im Rahmen des ekstatisch-orgiastischen Dionysoskultes.

Interpretationsansätze

  • Die Perser, die älteste erhaltene Tragödie der Literaturgeschichte, handelt von der vernichtenden Niederlage der Perser in der Schlacht von Salamis gegen die Griechen im Jahr 480 v. Chr. Damit zählt das Stück zu den wenigen antiken Dramen, die Zeitgeschichte und nicht mythische Stoffe inszeniert haben.
  • Aischylos schildert die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht aus der Perspektive der siegreichen Griechen, sondern aus Sicht der Perser, die hier zu tragischen Helden werden. Damit forderte er seine Zeitgenossen auf, sich ohne Hochmut und Schadenfreude in das Schicksal des besiegten Feindes einzufühlen.
  • Bei aller Empathie lässt sich das Stück dennoch als Verherrlichung Athens lesen, das damals eine zwar bedeutende, aber noch nicht hegemoniale Stellung in der Region innehatte. Atossas Traum vom mutigen Falken, der einen hilflosen Adler angreift und übel zurichtet, ist ein Gleichnis für das kleine, heroische Athen und das saturierte Riesenreich der Perser.
  • Aischylos liefert im Stück das ideologische Fundament der attischen Polis. Atossas Traum von den beiden Frauen, die von Xerxes unters Joch gezwungen werden, drückt die Unvereinbarkeit der beiden gegensätzlichen politischen Kulturen aus: In Abgrenzung zum riesigen, von einem Gottkönig regierten Perserreich zeichnet Aischylos das Bild der kleinen, demokratischen und freiheitsliebenden Polis Athen.
  • Das Stück enthält Züge einer Leidensethik: Alles Leid ist, laut Aischylos, von den Göttern gesandt, wobei Götter und Schicksal bei ihm weitgehend dasselbe sind. Der Handlungsspielraum des Menschen ist eng bemessen. Hinter allem Geschehen steht die Gerechtigkeit des Gottes Zeus, die zufälliges Geschehen ausschließt. Menschliches Leid führt idealerweise nicht zu Verzweiflung oder Resignation, sondern zu Einsicht.
  • Auch prangert der Autor die Neigung des Menschen zur Hybris, zur Überhebung über die Götter an – etwa da, wo Dareios seinem Sohn eine Mitschuld an dem Desaster zuweist, insofern dieser den heiligen Hellespont zu überbrücken gewagt habe. Xerxes selbst zeigt allerdings keine Einsicht in sein Fehlverhalten. Er macht missgünstige Götter und böse Geister für die Katastrophe verantwortlich und versinkt am Ende in Selbstmitleid.

Historischer Hintergrund

Attische Demokratie gegen persische Despotie

Im Laufe des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts hatten die Lyder eine Reihe griechischer Pflanzstädte im westlichen Teil Kleinasiens erobert. Als das lydische Reich an die Perser fiel, zwangen die neuen Herren die griechischen Städte zu Tributzahlungen. Dagegen erhoben diese sich im Jahr 500 v. Chr. Die Rebellion endete 494 v. Chr. mit dem Sieg der Perser und der Zerstörung der reichen Handelsstadt Milet. Um Athen für seine Unterstützung der Rebellen zu bestrafen und die eigene Herrschaft weiter nach Westen auszudehnen, schickte der persische Großkönig Dareios I. 490 v. Chr. ein Heer nach Griechenland. In der Schlacht bei Marathon besiegten jedoch die Griechen, trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit, die persischen Angreifer.

Dareios starb 486 v. Chr. Sein Sohn und Nachfolger Xerxes I. unternahm 480 v. Chr. erneut einen Feldzug gegen die Griechen. Seinem Riesenheer stellte sich nur eine kleine Streitmacht, angeführt von Athen und Sparta, entgegen. Nach heftigen Kämpfen an den Thermopylen gelang es den Persern, bis nach Athen vorzudringen, die Stadt in Brand zu setzen und die Akropolis zu plündern. Doch die griechische Flotte war noch einsatzfähig. Mit Täuschungsmanövern lockte der griechische Feldherr Themistokles die weit überlegene feindliche Flotte in die Meerenge zwischen der Insel Salamis und dem Festland. Dort behinderten sich die schweren Schiffe der Perser gegenseitig und waren außerstande, die Angriffe der kleineren und wendigeren griechischen Schiffe abzuwehren. Nach der vernichtenden Niederlage in der Schlacht von Salamis zogen sich Heer und Flotte des Xerxes nach Kleinasien zurück.

Der Sieg bot den Griechen Stoff für eine mythische Überhöhung ihrer jüngeren Vergangenheit in Wort und Bild. Der Triumph Athens über das persische Riesenreich gewann dadurch etwas Überzeitliches, Grundsätzliches und erlangte große Bedeutung für das Selbstverständnis der Polis auf ihrem Weg zur griechischen Führungsmacht. In den Perserkriegen hatte nicht nur ein Staat über einen anderen gesiegt, sondern eine Staatsform über eine andere: die Demokratie über die Despotie. Mit dem Sieg über das persische Landheer 479 v. Chr. in der Schlacht von Plataiai war das Ende der persischen Invasion dann endgültig besiegelt. 

Der Polis Athen war in den Perserkriegen die Führungsrolle zugefallen. In der Folge stieg Athen zur Hegemonialmacht im griechischen Raum auf. Ein goldenes Zeitalter schloss sich an, das während der Herrschaft des Perikles seinen Höhepunkt fand.

Entstehung

Erstmals hatte Aischylos’ Vorläufer und Konkurrent Phrynichos 476 v. Chr. in seinem Stück Die Phönizierinnen die Niederlage der Perser in der Schlacht von Salamis und die Trauer der persischen Frauen über ihre gefallenen Ehemänner thematisiert. Vier Jahre nach den Phönizierinnen brachte dann Aischylos, der selbst in den Schlachten von Marathon und Salamis gekämpft hatte, das Sujet erneut auf die Bühne. Als er 472 v. Chr. seine Tragödie Die Perser verfasste, war Aischylos bereits über 50 Jahre alt und ein gestandener Bühnenautor. Wie in einer antiken Sekundärschrift zu Die Perser erklärt wird, gestaltete er sein Drama nach dem Vorbild von Phrynichos’ Tragödie und übernahm sogar den Anfangsvers aus den Phönizierinnen als Zitat.

Wie fast alle griechischen Tragödien entstand Die Perser somit aus der Umgestaltung einer älteren Bearbeitung desselben Stoffes. Dennoch lieferte Aischylos keine reine Paraphrase der Vorlage, sondern schuf etwas ganz Neues. Während etwa bei Phrynichos gleich zu Beginn ein Bote die Schreckensnachricht von der Niederlage der Perser bringt, wird dieser Moment bei Aischylos hinausgezögert, was dem Stück eine Spannung verleiht, die in der früheren Fassung des Dramas noch fehlte. Auch gab er dem Stoff eine religiöse Dimension, die die – nicht erhaltene – Vorlage wohl nicht besaß.

Die Perser stellt das zweite Stück einer Tetralogie dar, zu der neben den verloren gegangenen Dramen Phineus und Glaukos Potnieus auch das Satyrspiel Prometheus Pyrkaeus gehört hat. Eine inhaltliche Verbindung zwischen den vier Stücken gilt aber als eher unwahrscheinlich. Die Perser wurde 472 v. Chr. im Rahmen der städtischen Dionysien – Festspiele zu Ehren des Gottes Dionysos – in Athen uraufgeführt, keine acht Jahre nach der Schlacht von Salamis.

Wirkungsgeschichte

Mit der Tetralogie, deren Mittelteil Die Perser bildeten, gewann Aischylos den ersten Preis der Festspiele. Auch eine Wiederaufführung des Stückes um 470 v. Chr. in Syrakus war ein großer Erfolg. Im Römischen und Byzantischen Reich, die ebenfalls in Kriege mit den Persern verstrickt waren, war das Stück sehr beliebt, ebenso wie im heutigen Griechenland. Das Drama beeinflusste die englischen Dichter Percy Bysshe Shelley und T. S. Elliot

Der Text wurde auch mehrfach ins Deutsche übersetzt, etwa von Lion Feuchtwanger, Wolfgang Schadewaldt, Heiner Müller oder Durs Grünbein. Der Komponist Klaus Lang schuf eine Bearbeitung des Werkes für das Musiktheater, die 2003 uraufgeführt wurde. Auf den Theaterbühnen wird das Stück heute nach wie vor regelmäßig aufgeführt. Sowohl der Golfkrieg von 1990/91 als auch der Irakkrieg von 2003 veranlassten Regisseure in Europa und den USA, das Stück neu zu inszenieren.

Über den Autor

Aischylos zählt mit Sophokles und Euripides zu den drei großen antiken Tragödiendichtern. Wie bei vielen antiken Persönlichkeiten ist über sein Leben nur wenig Verlässliches bekannt. Einige Details sind aus den Komödien des Aristophanes bekannt, dessen Anekdoten höchstwahrscheinlich aber überzogen oder gar frei erfunden sind. Aischylos wird 525 v. Chr. als Sohn des Adligen Euphorion in Eleusis geboren. Im Alter von 25 Jahren nimmt er erstmals mit einer Tragödie an den Großen Dionysien teil. Insgesamt verfasst er rund 90 Stücke für den Dichterwettstreit, den er mindestens fünfmal gewinnt. Die Arbeit des Tragödiendichters geht weit über die eines Autors hinaus: Aischylos ist Dichter, Regisseur, Choreograf und nicht selten auch selbst Schauspieler. Sieben seiner Stücke sind vollständig erhalten: Die PerserSieben gegen ThebenDie SchutzsuchendenDer gefesselte PrometheusAgamemnonDie Choephoren und Die Eumeniden. Aischylos wird häufig als der erste wahre Tragödiendichter angesehen. Laut Aristoteles hat er das Theater revolutioniert, indem er zwei Schauspieler statt wie zuvor nur einen einsetzte, wodurch er dynamischere Dialoge ermöglichte. Neben seiner Arbeit als Dramatiker bringt sich Aischylos auch in staatlichen Belangen ein: Er nimmt 490 v. Chr. an der Schlacht bei Marathon und 480 v. Chr. an der Seeschlacht von Salamis teil. In beiden Schlachten kämpfen die Griechen gegen die Perser. Ab 468 v. Chr. tritt in Athen Aischylos’ wichtigster Konkurrent Sophokles auf den Plan, der ihm einige Niederlagen bereitet. Aischylos bringt seine Stücke auch außerhalb von Athen zur Aufführung. Bei einer solchen Reise stirbt er 456 v. Chr. in Gela in Sizilien – der Legende zufolge wird er von einer Schildkröte erschlagen, die ein Raubvogel fallen lässt, um sie auf seinem kahlen Schädel zu zerschmettern.

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