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Die tragische Historie vom Doktor Faustus

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Die tragische Historie vom Doktor Faustus

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Goethes berühmter Vorläufer schickt seinen machthungrigen Faustus mit sprachlicher Brillanz, einer Prise Klamauk und viel Tragik in die Hölle.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Renaissance

Worum es geht

Magie, Moral und Macht

Welcher Zweck heiligt welche Mittel? Was kann, darf und muss man mit großer Macht, mit großem Wissen tun? Was ist man bereit zu zahlen für die Erfüllung aller Wünsche? Diese Fragen werden ihre Aktualität vermutlich nie verlieren. Sie stehen im Zentrum von Marlowes Doktor Faustus – einem Meilenstein der Weltliteratur. Und obwohl das Stück in kurzer Zeit und von einem blutjungen Autor verfasst wurde, obwohl es in keiner letztgültigen Version vorliegt und vielfach fragmentarisch erschienen ist, ist es doch ein würdiger Vorläufer von Goethes Faust. Die komischen Szenen wirken aus heutiger Sicht bisweilen etwas blutleer und passen in ihrer sprachlichen Qualität – selbst als Kontrast – kaum zu den beeindruckenden Monologen der Hauptfigur. Das Drama hat spürbar unter Eingriffen Dritter gelitten. Doch es bleibt ein wuchtiges Lehrstück über die Korrumpierbarkeit des Menschen durch Macht.

Take-aways

  • Die tragische Historie vom Doktor Faustus gilt als erste Theaterfassung des Fauststoffs und als eine der erfolgreichsten Tragödien des Elisabethanischen Zeitalters.
  • Inhalt: Um Wissen und Macht zu erlangen, schließt der Gelehrte Doktor Faustus einen Handel mit dem Teufel: 24 Jahre soll Mephistopheles ihm dienen, dafür gibt Faustus ihm seine Seele. Doch Faustus erlangt nicht das Erhoffte: Er verschwendet seine Zeit mit Zauberkunststücken und muss am Ende erkennen, dass seine Reue zu spät kommt.
  • Marlowes Hauptquelle war eine Übersetzung des anonymen deutschen Volksbuchs Historia von D. Johann Fausten von 1587.
  • Die Figur des Faustus verkörpert den wissbegierigen Menschen der Renaissance.
  • Die ernsten Szenen sind in reimlosen Blankversen verfasst, die komischen in Prosa.
  • Marlowes Stück wurde oft von wandernden Schauspieltruppen aufgeführt und trug so zur Verbreitung des Fauststoffs in ganz Europa bei.
  • Es existieren zwei verschieden lange Textfassungen von 1604 und 1616. Welche der beiden authentischer ist, lässt sich nicht entscheiden.
  • Goethe ließ sich für seinen Faust von Marlowes Stück inspirieren.
  • Aufgrund von Ungereimtheiten bei Marlowes Ermordung entstand das Gerücht, er habe weitergelebt und unter dem Pseudonym „William Shakespeare“ geschrieben.
  • Zitat: „Mein Herz ward Stein, kann keine Reu empfinden. / Kaum kann ich ja ,Erlösung, Glauben, Himmel‘ / aussprechen, denn ein schrecklich Echo donnert / ins Ohr mir: ,Faust, du bist verdammt!‘“

Zusammenfassung

Ein verhängnisvoller Entschluss reift

Der Chorus stellt Faustus im Prolog als Sohn einfacher Eltern aus Roda vor. In Wittenberg erhielt er den Doktortitel in Theologie, doch reicht ihm sein Wissen nicht. Wie Ikarus mit seinen Wachsflügeln zu nah an die Sonne flog und abstürzte, so begibt sich auch Faustus auf gefährliche Abwege. Er studiert die schwarze Magie und verspielt so sein Seelenheil. Der Vorhang öffnet sich, das Stück beginnt.

„(…) ein wahrer Magier ist ein mächtiger Gott. / Drum Fauste, strenge deines Geistes Kräfte / hier an, Gottgleichheit zu gewinnen.“ (Faustus, S. 9)

Faustus sitzt im Studierzimmer und prüft den Umfang seines Wissens, indem er Buch um Buch aufschlägt und wieder zuklappt. Die aristotelische Logik ist ihm vertraut. Wenn sie einzig zum erfolgreichen Disputieren befähigt, ist Faustus längst über sie hinaus. Die Medizin soll die Gesundheit des Körpers gewährleisten. Faustus beherrscht sie. Doch kann er damit weder ewiges Leben schenken noch Tote erwecken – so ist auch die Medizin nutzlos. Die Rechtswissenschaft dient nur dazu, sich die Taschen zu füllen. Was bleibt, ist die Theologie. Doch anhand zweier Bibelstellen entlarvt Faustus den Sündenbegriff als Popanz. Er verwirft auch die Bibel und wendet sich der Metaphysik zu. Auf dem Feld der Magie sieht er die einzige Möglichkeit, wahre Größe zu erlangen. Er schickt seinen Gehilfen Wagner hinaus, um seine Freunde German Valdes und Cornelius zu holen. Als Wagner weg ist, treten zwei Engel auf, ein guter und ein böser. Der gute warnt Faustus vor der Schwarzkunst und mahnt zur Bibellektüre, der böse ermutigt ihn auf seinem Weg.

„Ich bin nicht außerhalb, dies hier ist Hölle! / Glaubst du, dass ich, der ich Gottes Antlitz sah / und ewige Himmelsfreuden kostete, / nun ich sie ewig missen muss, nicht stets / von tausend Höllen qualvoll bin umgeben?“ (Mephistopheles zu Faustus, S. 17)

Valdes und Cornelius erscheinen, während Faustus sich bereits in die Rolle eines Magiers fantasiert, der große Macht und umfangreiches Geheimwissen mithilfe dienstbarer Geister erlangt. Valdes stellt Faustus unermesslichen Reichtum und die Gunst der schönsten Frauen in Aussicht, wenn er nur entschlossen sei, die dunklen Künste zu erlernen. Cornelius bekräftigt ihn und sagt, dass neben der Magie alle anderen Wissenschaften verblassen. Faustus ist überzeugt. Er lädt die Freunde zum Essen ein, will sich noch am gleichen Tag magische Beschwörungen und Riten beibringen lassen und sie sofort testen.

„Doch feierlich bekräftigen musst du’s noch. / Zur Sicherheit will eine Schenkurkunde / mein Herr von dir, mit deinem Blute geschrieben. / Lehnst du dies ab, muss ich zurück zur Hölle.“ (Mephistopheles zu Faustus, S. 23)

Vor dem Haus des Doktor Faustus treffen währenddessen zwei Studenten auf Wagner und wollen von ihm wissen, wo sich der Doktor, den sie lange nicht im Hörsaal gesehen haben, gerade aufhalte. Wagner verwickelt die Studenten in einen absurden Disput, an dessen Ende er den Sieg für sich verbucht. Schließlich teilt er den beiden mit, dass Faustus mit Valdes und Cornelius zu Abend isst. Die Studenten sehen ihre Befürchtung bestätigt, dass Faustus den dunklen Künsten verfällt, und wollen den Rektor in Kenntnis setzen.

Die Beschwörung gelingt

In einem Wald bereitet sich Faustus auf die Teufelsbeschwörung vor. Mit einer Zauberformel schwört er dem dreifaltigen Gott ab und lockt Mephistopheles herbei. Dessen Gestalt missfällt Faustus. Er schickt ihn weg und sagt, er solle als Franziskaner zurückkehren. Mephistopheles tut, wie ihm geheißen, und Faustus ist sich seiner Macht über ihn gewiss. Er will ihn lebenslang als Diener haben, der ihm alle Wünsche erfüllt. Doch Mephistopheles ist ein Diener Luzifers. Luzifer ist der Herrscher aller Geister, ein gefallener Engel, einst der Liebling Gottes. Luzifers Hochmut und Stolz veranlassten Gott, ihn aus dem Himmelreich zu verbannen. Nun wohnt er mit anderen unseligen Geistern in der Hölle.

„Mein Herz ward Stein, kann keine Reu empfinden. / Kaum kann ich ja ,Erlösung, Glauben, Himmel‘ / aussprechen, denn ein schrecklich Echo donnert / ins Ohr mir: ,Faust, du bist verdammt!‘“ (Faustus, S. 30)

Als Faustus fragt, warum Mephistopheles denn außerhalb der Hölle existieren könne, antwortet dieser, er sei nicht außerhalb. Wo immer er, der die Herrlichkeit des Himmels gekostet habe, sich aufhalte, sei die Hölle. Faustus mahnt, solches Gejammer passe nicht zu einem großen Teufel. Er, Faustus, sei bereit, seine Seele an Luzifer abzutreten, wenn dieser ihn 24 Jahre lang ein Leben voller Wollust führen lasse – mit Mephistopheles als Diener. Mephistopheles macht sich auf den Weg zu Luzifer, um diesem das Angebot zu unterbreiten. Um Mitternacht soll er mit der Antwort zurück sein.

„Hier schwör ich, nie gen Himmel mehr zu schaun, / nie wieder Gott zu nennen und zu bitten, / sein Wort und seine Diener zu vernichten, / durch Geisterkraft die Kirchen zu zerstören!“ (Faustus, S. 33)

Wagner trifft unterdessen auf der Straße einen Hanswurst und versucht ihn zu seinem Diener zu machen. Der arme, verlauste Mensch will sich zunächst nicht verpflichten. Als Wagner aber zwei Teufel herbeiruft, die den Hanswurst jagen, erklärt der sich aus Angst doch bereit. Wagner verspricht, seinem neuen Diener beizubringen, wie man sich in jedes beliebige Tier verwandeln kann.

„Nun, Mephistopheles, rastlos enteilt / die Zeit; mit ihren steten, stillen Schritten / mir meine Tage, meinen Lebensfaden / verkürzend, mahnt sie mich an meine Schuld / und den Verfallstag.“ (Faustus, S. 51)

Im Studierzimmer hadert Faustus mit seinem Entschluss, seine Seele Luzifer abzutreten. Der böse Engel unterstützt ihn in seinem Entschluss, der gute Engel dagegen mahnt zur Rückkehr zu Gott. Mephistopheles tritt auf und bringt Nachricht von Luzifer: Der Handel kommt zustande: Faustus’ Seele gegen den Dienst des Mephistopheles. Luzifer besteht auf einem Vertrag – geschrieben mit Blut. Faustus sticht sich in den Arm, doch das Blut gefriert. Er fragt sich, ob denn sein Blut nicht wolle und ob seine Seele gar nicht ihm gehöre. Mephistopheles holt ein Becken mit glühenden Kohlen. Das Blut wird wieder flüssig, Faustus verfasst den Vertrag, und sofort erscheint auf seinem Arm die Inschrift „Homo fuge!“ („Mensch, flüchte!“). Faustus erkennt für einen Moment die Tragweite seiner Entscheidung. Um ihn aufzuheitern, zitiert Mephistopheles Höllengeister herbei, die einen Tanz aufführen und ihm Geschenke überreichen. Faustus liest den Vertrag vor: Mephistopheles soll jederzeit tun, was Faustus verlangt. Dafür erhält Luzifer nach Ablauf der 24 Jahre Leib, Seele, Fleisch und Blut des Faustus.

Magie und Zweifel

Faustus will nun wissen, wo sich die Hölle befindet. Mephistopheles beschreibt deren Standort vage, als nicht ortsgebunden. Die Hölle sei, wo immer er selbst sei, also auch hier. Faustus glaubt nicht an die Hölle und befiehlt Mephistopheles, ihm eine Frau zu bringen, das schönste Mädchen Deutschlands. Was Mephistopheles seinem Herrn widerwillig bringt, ist allerdings nicht nach dessen Geschmack: ein Weib aus der Hölle. Faustus weist sie zurück. Mephistopheles will Faustus die Ehe ausreden und verspricht ihm Kurtisanen, wann immer er wolle. Dann überreicht er ihm ein Buch. Dieses entpuppt sich als Verzeichnis aller Zaubersprüche, die Geld bringen, Macht verleihen, das Wetter manipulieren, Geister beschwören und das komplette Wissen über Astrologie und Pflanzenkunde offenbaren.

„O dass mir’s doch gelänge, Doktor Faust, / zum Pfad des Lebens deinen Schritt zu lenken, / auf jenen guten, schmalen Weg zum Ziele, / der in des Himmels selige Ruh’ dich führt!“ (alter Mann, S. 64)

Bei einem Blick in den Himmel zweifelt Faustus erneut an seiner Entscheidung. Der gute und der böse Engel tauchen auf und werben um ihn. Doch der Weg zum seligen Leben erscheint ihm verbaut. Faustus befragt Mephistopheles über das Wesen der Welt und erhält mehr oder weniger zufriedenstellende Antworten. Erst als Faustus nach dem Schöpfer der Welt fragt, verweigert Mephistopheles die Antwort und erinnert ihn daran, dass er des Teufels ist. Wieder überkommt Faustus Reue. Er ruft Christus an, und prompt erscheinen Luzifer und Beelzebub und bezichtigen ihn des Wortbruchs. Verängstigt bekennt sich Faustus zu seinem Pakt und schwört Gott und der Kirche ab. Zu seiner Erheiterung zitieren Luzifer und Beelzebub die sieben Todsünden herbei. Sie stellen sich Faustus der Reihe nach vor: Hoffart, Geiz, Zorn, Neid, Völlerei, Trägheit und Wollust. Luzifer übergibt Faustus ein Buch, mit dessen Hilfe er jede beliebige Gestalt annehmen kann. Die Teufel stellen Faustus für den nächsten Tag eine Höllentour in Aussicht und verabschieden sich.

„Hier will ich bleiben, denn der Himmel wohnet / auf diesem Lippenpaar, und alles, was / nicht Helena, ist nichts!“ (Faustus, S. 67)

Der Hausknecht Robert findet ein Zauberbuch von Faustus und gibt damit vor dem Stallknecht Richard an: Er, der selbst kaum lesen kann, könne Rotwein und die Gunst der Magd herbeizaubern. Robert und Richard versuchen ihr Glück mit dem Zauberbuch und stehlen einem Schankwirt einen silbernen Trinkbecher. Als der Wirt sein Eigentum zurückfordert, versucht Robert, Mephistopheles zu beschwören. Das gelingt – jedoch nicht mit dem erhofften Erfolg. Mephistopheles, der sich aus nichtigen Gründen herbeizitiert sieht, versetzt Robert und Richard in Angst und Schrecken. Der Wirt erhält seinen Becher zurück, und die beiden Knechte werden in einen Affen und einen Hund verwandelt.

„Warum muss meine Seel’ unsterblich sein? / (…) alle Tiere / sind glücklich, denn sobald eins stirbt, zerfließt / gleich seine Seele in die Elemente, / doch meine bleibt für Höllenplagen leben.“ (Faustus, S. 75)

Faust und Mephistopheles besichtigen einige Städte: Nach Deutschland und Frankreich gelangen sie nach Italien und befinden sich nun in den Privatgemächern des Papstes in Rom. Faustus brennt darauf, die Stadt zu sehen, doch Mephistopheles überredet ihn, noch auf ein Späßchen zu bleiben. Er macht Faustus unsichtbar und dieser beginnt, an der Tafel des Papstes und seiner Gäste Unfug zu treiben. Er nimmt ihnen Speisen und Wein weg und stiftet Verwirrung. Der Papst wird, sooft er sich bekreuzigt, vom unsichtbaren Faustus geohrfeigt. Als die anwesenden Mönche den Übeltäter verfluchen, werden sie schließlich von Faustus und Mephistopheles verprügelt. Die beiden werfen Feuerwerk und verschwinden.

Possen und Magie bei Hof und in Wittenberg

Faustus ist viel herumgekommen und hat sich einen Ruf als Magier erworben, der ihn bis an den Hof des deutschen Kaisers bringt. Dieser verlangt, dass Faustus Alexander den Großen sowie dessen Gattin herbeibeschwören soll. Ein Ritter zweifelt an Faustus’ Fähigkeiten und macht sich über ihn lustig. Doch Faustus gelingt es tatsächlich, die gewünschten Geister zu erwecken. Dem zweifelnden Ritter zaubert er Hörner auf den Kopf. Auf Bitte des Kaisers entfernt er sie jedoch wieder und ermahnt den Ritter stattdessen, Gelehrten künftig mit mehr Ehrfurcht zu begegnen. Der Kaiser verspricht reiche Belohnung, und Faustus, der seine Zeit verrinnen sieht, macht sich mit Mephistopheles auf den Rückweg nach Wittenberg.

„Faust ist dahin, sein satanseignes Schicksal, / sein Höllensturz mög’ jeden Weisen lehren, / nur staunend anzusehn das Unerlaubte (…)“ (Chorus, S. 76)

Faustus wird von einem Rosstäuscher besucht, der ihm sein Pferd abkaufen will. Er überlässt dem Rosstäuscher das Tier für 40 Taler mit dem Hinweis, er solle es niemals ins Wasser reiten. Kurz darauf kehrt der völlig durchnässte Rosstäuscher zurück und verlangt sein Geld zurück: In einem Teich hat sich das Pferd unter ihm in ein Bündel Heu verwandelt. Als er seine Beschwerde vortragen will, schläft Faustus, und Mephistopheles will den Rosstäuscher nicht mit seinem Herrn sprechen lassen. Als der daraufhin Faustus wütend am Bein zieht, um ihn aufzuwecken, hat er das Bein plötzlich in der Hand. Faustus erwacht, schreit nach seinem Bein, und Mephistopheles droht, den Rosstäuscher zur Wache zu bringen. Dieser verspricht nun weitere 40 Taler und macht sich panisch davon, um sie zu holen. Das Bein sitzt inzwischen wieder an seinem angestammten Platz.

Der Rosstäuscher, Robert, Richard und ein Fuhrmann treffen sich im Wirtshaus und erzählen sich ihre Erfahrungen mit Doktor Faustus. Der Fuhrmann berichtet, wie der Doktor ihm eine ganze Fuhre Heu weggefressen habe, der Rosstäuscher erzählt die Geschichte mit dem Bein, Robert die mit der Verwandlung in einen Affen. Gemeinsam wollen sie Faustus aufsuchen und ihn zur Rede stellen. Die vier machen sich auf den Weg zum Herzog von Anhalt, bei dem Faustus gerade zu Gast ist, und randalieren vor dem Tor, bis man sie auf Bitte des Doktors einlässt. Die Bande führt sich übel auf und macht Scherze über das vermeintlich verlorene Bein des Faustus. Doch der Anblick des unversehrten Faustus erschreckt die Rüpel. Als sie nun ihre Geschichten vorbringen wollen, zaubert Faustus sie stumm. Sie verschwinden, und der Herzog ist amüsiert über das gelungene Schauspiel. Der Herzogin verschafft Faustus reife Trauben – mitten im Januar – und erwirbt sich damit große Bewunderung und reiche Belohnung.

Ein böses Ende

Wagner ahnt, dass es mit seinem Herrn zu Ende geht, denn Faustus redet davon, ihm seinen ganzen Besitz zu vermachen. Gleichzeitig feiert der Doktor jedoch mit seinen Studenten. Als diese ihn zum Ende des Festmahls bitten, die schönste aller Frauen, Helena von Troja, herbeizuzaubern, kommt er ihrem Verlangen nach. Mephistopheles führt Helena herbei. Die Studenten sind begeistert. Ein alter Mann tritt auf und redet Faustus ins Gewissen. Er solle seine letzte Chance nutzen und von seinen teuflischen Machenschaften ablassen. Doch Faustus glaubt nicht mehr daran, dass er errettet werden kann. Er will sich umbringen. Der alte Mann hält ihn jedoch davon ab: Er soll Gott um Hilfe anrufen. Wieder hadert Faustus und bereut seine Taten. Auf Drohen von Mephistopheles aber erneuert er seinen Schwur mit Blut. Er hat nun nur noch eine Bitte: Er will Helena. Sein Wunsch wird ihm gewährt. Der alte Mann verflucht Faustus und bietet mit seinem festen Glauben den Teufeln die Stirn.

Faustus hat sein Testament gemacht. Als er einige befreundete Gelehrte zu Gast hat, offenbart er ihnen seinen Pakt mit dem Teufel. Die Freunde sind entsetzt, aber sie versuchen, ihm Mut zuzusprechen. Faustus weiß, dass er verloren ist, und schickt sie weg, um sie nicht zu gefährden. Mephistopheles erscheint und gibt unumwunden zu, dass er alles getan hat, um Faustus von einer Umkehr zu Gott abzuhalten. Jetzt treten der gute und der böse Engel auf. Der gute Engel zeigt Faustus den Himmelsthron, der ihn erwartet hätte; der böse Engel einen Ausblick auf die unendlichen Qualen, die ihm die Hölle bereiten wird. Faustus verzweifelt. Immer flehentlicher wird sein Bitten. Dann schlägt es zwölf – die Teufel kommen ihn holen, er ist verloren. Die Gelehrten finden seine Leiche zerrissen und ihre Glieder verstreut. Sie beschließen, Faustus trotz allem ein christliches Begräbnis zu gewähren.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die tragische Historie vom Doktor Faustus ist eine Tragödie in fünf Akten. Die ernsten Passagen sind in reimlosen Blankversen verfasst, die komischen Zwischenspiele in Prosa, wodurch ein wirkungsvoller Kontrast entsteht. Rund 40 Rollen beinhaltet das Stück, davon ungefähr 30 Sprechrollen. Der Prolog, der Beginn des dritten und des vierten Aktes sowie der Epilog werden von einem Chorus gesprochen, der die Handlung zusammenfasst und kommentiert. Die erzählte Zeit umfasst 24 Jahre, große Teile dieses Zeitraums werden aber ausgelassen oder durch den Chorus in aller Kürze erzählt. Das Stück enthält zahlreiche lateinische Zitate und Verweise auf griechische Mythen. Es vereint Merkmale mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Moralitäten – insbesondere die Personifikation der sieben Todsünden oder des guten und des bösen Engels – mit modern anmutenden, psychologisch und philosophisch unterfütterten Monologen.

Interpretationsansätze

  • Doktor Faustus wird als ein Mensch auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit dargestellt. Er ist der Prototyp des wissbegierigen Renaissance-Menschen, der sein Heil in den eigenen Fähigkeiten und nicht mehr in der Gnade Gottes sucht. Seine Wissbegier ist aber nicht der Charakterzug, der ihn zum Bösewicht macht; erst sein Größenwahn und seine Selbstsucht erscheinen als verdammenswert.
  • Faustus verrät das humanistische Ideal des beständigen Strebens nach Selbstverbesserung. Sein Weg beginnt mit dem Wunsch nach unendlichem Wissen, nach Liebe und Macht sowie mit dem Willen, die Welt in seinem Sinn zu verändern. Doch was er tatsächlich erreicht, bewegt sich eher auf dem Niveau der komischen Figuren im Stück: Tricks, Kunststückchen und unsinnige Spielereien, die an mittelalterliche Narrenfiguren wie etwa Till Eulenspiegel erinnern. Faust verliert den Blick für das fortschrittliche Renaissance-Denken und verfällt in mittelalterliche Jahrmarktattraktionen.
  • Wie Faustus sind auch die Teufel nicht durchweg verabscheuungswürdig. Mephistopheles ist nicht nur Täter, er zeigt sich auch als Opfer. Das Leiden des Teufels ist ein neues Moment in der Faustsage. Dass sogar das Exempel dieses leidenden Teufels Faust nicht von seinem Pakt abhält, macht den Bruch mit Gott noch radikaler.
  • Das Stück lässt sich als Appell an hehre Ideale lesen: Faustus’ Abkehr von Gott ist eine Abkehr von den großen Zielen. Teuflische Magie führt lediglich in die Mittelmäßigkeit, niemals zu wahrer Größe. Aus der Sicht eines Humanisten beginnt die Höllenfahrt mit der Abkehr vom Wesentlichen, nicht erst nach Ablauf der 24 Jahre.
  • Marlowe bricht mit der mittelalterlichen Gewissheit, dass – unabhängig von der Schwere der Sünden – die Rettung der Seele durch wahre Reue jederzeit möglich ist. Sein Faustus, der sich in letzter Sekunde Christus anvertrauen will, ist trotz seiner Bereitschaft zur Buße verloren. Es gibt also einen Point of no Return auch für den reuigsten Sünder.
  • Für die magischen Spielereien hätte es keines Pakts mit dem Teufel bedurft. Auch Wagner, Richard und Robert können Mephistopheles herbeilocken. Das verdeutlicht die Tragik des faustischen Scheiterns. Faustus verkauft sich im Grunde für nichts. Und dabei kann er sich noch nicht einmal darauf berufen, verraten worden zu sein, denn er selbst bestimmt, wie er seine Fähigkeiten nutzt.

Historischer Hintergrund

Wissenschaft und Magie im Renaissance-England

Magie, Astrologie, Alchemie – diese Praktiken waren in England unter Elisabeth I. vielfach noch verbunden mit heute anerkannten Wissenschaften wie Astronomie, Chemie oder Mathematik. Das bekannteste Beispiel eines englischen Universalgelehrten, der sowohl moderne wie auch magische Wissenschaften verkörperte, ist John Dee. Ab 1564 unterrichtete er die Königin in Astrologie und stand ihren Ministern als Berater zur Seite. Noch unter Elisabeths katholischer Vorgängerin Maria I. war Dee wegen Zauberei angeklagt worden, doch die protestantische Elisabeth beförderte den Mystiker und Mathematiker zum Hofastrologen.

Zur gleichen Zeit entwickelte sich die Wissenschaft allerdings ohnehin weg von der Mystik. Francis Bacon war einer der ersten Vertreter des aufkommenden Empirismus, eines neuen wissenschaftlichen Paradigmas, das die Beobachtung der physischen Welt und das Experiment als einzig gültige Erkenntnisquellen betonte. Die mittelalterliche Scholastik, die von durch Offenbarung erwiesenen Grundprinzipien ausging und neues Wissen daran maß, geriet zunehmend in Bedrängnis.

Das noch junge anglikanische England, das zwischen dem kontinentalen Protestantismus und dem überwundenen Katholizismus seinen eigenen Weg beschritt, war für das alte und religionsübergreifende Thema Magie sehr empfänglich. Für die Regierungszeit Elisabeths I. ist die Entstehung und Aufführung von 28 überlieferten Dramen belegt, in denen Magie eine Rolle spielt, zumeist als Stoff für komische Szenen. Im elisabethanischen Theater, in dem sich Volk und Adel mischten, war die Magie damit ein Thema, das alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen faszinierte und bewegte.

Entstehung

Der Ursprung der Faustsage liegt wahrscheinlich im frühen 16. Jahrhundert. Ein Doktor Faust, der um 1500 herum Deutschland bereiste und mit allerlei Zauberkunststücken, Alchemie, Astrologie und Medizin für Aufsehen sorgte, wurde schon bald nach seinem Tod zur Legende. 1587 veröffentlichte der Verleger Johann Spies die anonyme Historia von D. Johann Fausten, die sich auf einen großen Fundus allgemein kursierender Gerüchte und Spukgeschichten stütze. Vermutlich war eine englische Übersetzung dieses deutschen Faustbuchs bereits ein Jahr später erhältlich. Sie wurde zur Hauptquelle für Christopher Marlowe. Seine Historie vom Doktor Faustus übernimmt aus dem deutschen Faustbuch alle wesentlichen Handlungsstränge und die Figurenkonstellation, zum Teil sogar einzelne Textpassagen für den Chorus.

Als Entstehungszeitraum des Stücks werden die Jahre 1588 bis 1592 angenommen, also die Zeit nach Marlowes Erfolg mit Tamburlaine the Great. Eintragungen im Stationers’ Register, dem Verzeichnis zum Druck angemeldeter Dramen in London, lassen sich in Bezug auf den Zeitpunkt der Uraufführung widersprüchlich interpretieren. Einige Forscher gehen von 1588 aus, nachgewiesen sind allerdings erst Aufführungen ab 1594 durch die Truppe des Earl of Nottingham. Die Druckfassung des Textes existiert in zwei sehr unterschiedlichen Versionen von 1604 und 1616. Diese unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihres Umfangs (die spätere Version ist etwa 550 Zeilen länger), sondern auch inhaltlich: Einige Szenen der frühen Fassung sind anders als jene der späteren. Man muss davon ausgehen, dass durch Zensur, postume Ergänzungen sowie Änderungen zugunsten einer geänderten Aufführungspraxis die Urfassung mehrfach variiert wurde – zum Teil durch Marlowe selbst, zum Teil durch andere Autoren.

Wirkungsgeschichte

Marlowes Doktor Faustus war bereits bei den ersten Aufführungen sehr erfolgreich. Acht gedruckte Ausgaben und zahlreiche Aufführungen bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zeugen vor der großen Popularität des Stücks. Marlowes Drama bereicherte auch das Repertoire vieler reisender Theater- und Puppenspielensembles, die den dramatisch gestalteten Fauststoff über ganz Europa verteilten – jeweils mit Änderungen, Straffungen oder abweichenden narrativen Schwerpunkten. Die kursierenden Faustadaptionen für Jahrmärkte und Volksfeste, die den Kern der marloweschen Tragödie bewahrten, wurden auch in Deutschland zum Bestandteil von Populär- und Hochkultur. Gotthold Ephraim Lessing lobte den Stoff als eines shakespeareschen Genies würdig – ohne Marlowes Drama im Original gelesen zu haben. Johann Wolfgang von Goethe hat nach neueren Erkenntnissen während der Niederschrift seines Faust I vermutlich ein Exemplar der Version von 1604 zur Hand gehabt. Parallelen in beiden Stücken stützen diese Annahme. Noch heute ist Marlowes Drama eines der meistgespielten Stücke aus dem elisabethanischen England. Richard Burton verfilmte es 1967 mit sich selbst in der Hauptrolle und Elizabeth Taylor als Helena.

Über den Autor

Christopher Marlowe wird am 26. Februar 1564, also im selben Jahr wie William Shakespeare, als Sohn eines Schuhmachers in Canterbury geboren. 1580 verlässt er seinen Geburtsort und erhält ein Stipendium am Corpus Christi College in Cambridge. Mit seinen Abschlüssen ist er für eine geistliche Laufbahn vorbereitet, doch er entscheidet sich gegen ein kirchliches Amt. Das College weigert sich zunächst, ihm den Magistertitel auszuhändigen, da Marlowe im Verdacht steht, zum Katholizismus übertreten zu wollen. Gerüchten zufolge hat er katholische Gemeinden in Frankreich besucht. Eine Fürsprache von Königin Elisabeth I. in Bezug auf seinen Titel legt die Vermutung nahe, dass Marlowe im Auftrag der britischen Krone in Frankreich spioniert hat. Nach seinem Umzug nach London schreibt Marlowe sieben Theaterstücke – allesamt sehr erfolgreich. Besonders die Tragödien Tamburlaine the Great (1590), Die berühmte Tragödie des reichen Juden von Malta (The Famous Tragedy of the Rich Jew of Malta, 1589) sowie Die tragische Historie vom Doktor Faustus (The Tragicall History of D. Faustus) und Edward II (The Troublesome Reign and Lamentable Death of Edward the Second, 1594) ebnen Marlowe den Weg zum Ruhm und markieren den Einzug des Blankverses in die englische Theaterliteratur. Marlowe führt ein skandalumwittertes Leben und wird immer wieder der Ketzerei verdächtigt. 1593 wird er verhaftet und auf Bewährung wieder entlassen. Wenige Tage nach seiner Freilassung, am 30. Mai 1593, wird Marlowe bei einem Streit mit einem Dolchstich in den Kopf getötet. Nach anfänglichen Vermutungen, er sei das Opfer einer Wirtshausschlägerei geworden, geht man heute mehrheitlich von einem gezielten Mord auf Anweisung höchster Regierungsstellen aus. Die Ungereimtheiten bei Marlowes Tod führten unter anderem auch zur sogenannten „Marlowe-Theorie“. Danach wurde Marlowes Tod nur vorgetäuscht und er schrieb in der Folge unter dem Pseudonym „William Shakespeare“ dessen gesamte Werke.

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