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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

KiWi,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Bölls literarisches Pamphlet gegen die menschenverachtende Sensationsgier der Boulevardpresse.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Abrechnung mit den Boulevardmedien

Die verlorene Ehre der Katharina Blum ist ein so berühmter Titel, dass er längst ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist. Die Erzählung, 1974 erschienen, ist ein Stück bundesdeutscher Geschichte, da sie eng mit den Zeitläuften verwoben ist, mit der Bild-Zeitung und der Hochphase des RAF-Terrorismus. Sie spielt durch, was der skrupellose Rufmord durch das Zentralmedium der Boulevardpresse mit dem Leben einer unbedeutenden, unbescholtenen Frau macht. Es ist eine Zerstörung und Entwürdigung auf ganzer Linie, und aus Ohnmacht wird Katharina Blum zur Mörderin. Dass seine Heldin den Boulevardschmierfink schließlich erschießt, trug Böll von rechts den Vorwurf ein, er habe die Sache der Terroristen salonfähig gemacht. Katharina Blum war nicht Bölls erste, aber seine größte Schlacht mit der Bild-Zeitung. Auch wenn literarisch manches ein bisschen schematisch erscheint, so ist es doch packend geschrieben, und die Empörung des Lesers gegen die „ZEITUNG“ ist am Ende groß.

Take-aways

  • Die verlorene Ehre der Katharina Blum von 1974 ist eines der bekanntesten Werke des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll.
  • Inhalt: Katharina Blum lernt auf einer Party einen Mann kennen, verliebt sich in ihn und nimmt ihn mit nach Hause. Er wird jedoch von der Polizei gesucht, und am nächsten Morgen wird Katharinas Wohnung gestürmt. Es beginnt eine Tortur aus Vernehmungen durch die Polizei und Verleumdungen durch die Boulevardpresse. Vier Tage später erschießt Katharina einen besonders perfiden Boulevardjournalisten.
  • Böll bekannte offen, dass mit der „ZEITUNG“ im Buch die Bild-Zeitung gemeint war.
  • Er wollte zeigen, welch gravierende Auswirkungen eine Boulevardmedienpräsenz von wenigen Tagen auf ein Leben haben kann.
  • Die Erzählung ist ein Paradebeispiel engagierter, politischer Literatur.
  • Sie kann als Studie über Gewalt gelesen werden: Der Gewalt des Einzelnen steht die Gewalt einer Institution, hier der „ZEITUNG“, gegenüber.
  • Die Erzählung sorgte für einen Skandal: Von links wurde Böll für seinen Angriff auf die Springer-Presse gefeiert, von rechts als Terroristensympathisant beschimpft.
  • Böll hatte die Bild-Zeitung auch vorher schon scharf angegriffen und war dadurch in deren Fadenkreuz geraten.
  • Das Buch wurde 1975 von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta verfilmt.
  • Zitat: „Da ist eine junge Frau gut gelaunt, fast fröhlich zu einem harmlosen Tanzvergnügen gegangen, vier Tage später wird sie (…) zur Mörderin, eigentlich, wenn man genau hinsieht, aufgrund von Zeitungsberichten.“

Zusammenfassung

Die Fakten

Die 27-jährige Hauswirtschafterin Katharina Blum geht im Karneval zu einer privaten Tanzveranstaltung. Vier Tage später erschießt sie den Journalisten Werner Tötges. Wie konnte es dazu kommen?

Mittwoch, 20. Februar 1974

Katharina Blum bekommt von Rechtsanwalt Hubert Blorna zwei Wochenlöhne ausgezahlt. Sie führt für ihn und seine Frau, die Architektin Trude Blorna, den Haushalt. Die Blornas brechen am Nachmittag in den Skiurlaub auf und ermahnen Katharina, endlich auch selbst einmal auszuspannen. Katharina verspricht es, sie freut sich auf einen Hausball, zu dem ihre Patentante Else Woltersheim am selben Abend eingeladen hat. Sie kommt gegen 19 Uhr 25 dort an, nicht verkleidet. Den ganzen Abend über tanzt sie innig mit Ludwig Götten, den sie gerade kennengelernt hat. Um 22 Uhr verlassen die beiden gemeinsam die Party, sie fahren zu Katharinas Wohnung und verbringen eine Liebesnacht miteinander. Katharina ist sich sicher, den Mann ihres Lebens getroffen zu haben.

Donnerstag, 21. Februar 1974

Als am nächsten Morgen bis 10 Uhr 30 weder von Katharinas Wohnung aus telefoniert wurde noch Ludwig Götten das Haus verlassen hat, stürmen acht schwer bewaffnete Polizisten die Wohnung. Katharina, die im Bademantel an ihrer Anrichte lehnt und frühstückt, wirkt nicht überrascht, sondern gelassen, ja glücklich und triumphierend. Götten, sagt sie, habe die Wohnung verlassen, während sie noch geschlafen habe. Der Kriminalkommissar Erwin Beizmenne fragt Katharina, ob Götten sie „gefickt“ habe. Katharina antwortet ausweichend. Sie muss sich anziehen und mitkommen. Auf ihre wiederholt vorgebrachte Frage nach dem Grund dafür erklärt ihr die Beamtin Pletzer schließlich, dass Götten ein gesuchter Krimineller sei, vermutlich ein Bankräuber, vielleicht sogar ein Mörder.

Katharina Blums Vorgeschichte

Katharina wird vernommen: Sie wurde 1947 geboren und wuchs in einer dörflichen Umgebung auf. Ihr Vater war Bergarbeiter und starb, als sie sechs Jahre alt war, an einer Kriegsverletzung. Das Geld war knapp, und Katharina musste früh im Haushalt mithelfen. Die Mutter arbeitete als Putzfrau. Nach der Schule besuchte Katharina eine Hauswirtschaftsschule. Eines ihrer ersten Anstellungsverhältnisse als Hausgehilfin endete, weil ihr Arbeitgeber, ein Arzt, zudringlich wurde. 1968 lernte sie den Textilarbeiter Wilhelm Brettloh kennen und heiratete ihn wenige Monate später. Bald jedoch fühlte sie sich von ihrem Mann abgestoßen, denn auch ihn empfand sie nur als zudringlich und nicht als zärtlich. So wurde sie, „schuldig wegen böswilligen Verlassens“, von ihm geschieden. Sie nahm ihren Mädchennahmen Blum wieder an, wohnte zunächst bei Frau Woltersheim, dann im Rahmen einer neuen Stelle bei einem Wirtschaftsprüfer. Dieser förderte sie, ermöglichte ihr, Abendkurse zu besuchen, die sie als staatlich geprüfte Wirtschafterin abschloss. Die Anstellung endete, weil ihr Chef wegen Steuerhinterziehungen verhaftet wurde. Im Anschluss fand sie eine Stelle bei Dr. Blorna und seiner Frau, wo sie nun seit vier Jahren arbeitet.

„Die Tatsachen, die man vielleicht zunächst einmal darbieten sollte, sind brutal (…)“ (S. 9)

Trude Blorna verhalf ihr zu einer Neubau-Eigentumswohnung mit zwei Zimmern im Süden der Stadt. Die Blornas bürgten für einen Kredit. Katharina hatte schon etwas zur Seite gelegt, und wegen ihrer sparsamen Lebensweise konnte sie den Kredit rasch abzahlen. Sie arbeitete viel, half hier und da auch noch freiberuflich bei anderen Familien oder bei Empfängen und Bällen aus, sei es in der Planung oder auch als Köchin oder Serviererin. Im Rahmen solcher gesellschaftlicher Anlässe tanzte sie manchmal nach getaner Arbeit mit den anwesenden Herren – Akademikern, Industriellen, Politikern. Später tat sie dies nur noch ungern, weil die Männer oft zudringlich wurden, zumal wenn sie angetrunken waren. Auch mit dem bei der Vernehmung anwesenden Staatsanwalt Hach habe sie schon getanzt, sagt sie.

„RÄUBERLIEBCHEN KATHARINA BLUM VERWEIGERT AUSSAGE ÜBER HERRENBESUCHE.“ (S. 36)

Katharina lässt sich das ganze Vernehmungsprotokoll vorlesen, um es zu kontrollieren, und besteht auf ihrem Wortlaut, etwa darauf, dass es „zudringlich“ und nicht „zärtlich“ heißen muss, wie die Protokollführerin geschrieben hat.

Katharinas Nachbarn werden ebenfalls vernommen, und es ist von gelegentlichen „Herrenbesuchen“ die Rede. Der Polizei geht es um die Frage, ob es sich bereits um Ludwig Götten gehandelt hat, ob sie ihn also schon länger kennt. Katharina verneint das, weigert sich aber, den Namen des Herrenbesuchs zu nennen. Am Nachmittag wird Blorna in seinem Skiort von einem Journalisten der „ZEITUNG“, eines Boulevardblatts, angesprochen und gefragt, ob er Katharina für fähig halte, ein Verbrechen zu begehen. Der Mann fragt außerdem nach Katharinas Charaktereigenschaften. Blorna beschreibt sie als klug und kühl und ärgert sich sofort über sich selbst, weil die Formulierung nicht das wiedergibt, was er ausdrücken wollte.

Freitag, 22. Februar 1974

Am nächsten Morgen sehen die Blornas Katharina auf der Titelseite der „ZEITUNG“. Ihr wird eine Beteiligung an einer Verschwörung unterstellt, und Blornas Charakterisierung Katharinas ist zu „eiskalt und berechnend“ verdreht worden. Die Blornas brechen ihren Urlaub ab. In der Nacht auf Freitag ruft Ludwig Götten Katharina an. Die beiden tauschen zärtliche Worte, das Telefonat wird von der Polizei mitgehört. Kurz nach Göttens Anruf erhält sie einen weiteren, obszönen Anruf eines Mannes, der sich als Nachbar bezeichnet. Auch ihr Briefkasten quillt über vor Beleidigungen, politischen Beschimpfungen, sexuellen Angeboten und Drohungen. In ihrer Wohnung nimmt Katharina Flaschen aus ihrer Hausbar und wirft sie gegen die Wände.

„MÖRDERBRAUT IMMER NOCH VERSTOCKT! KEIN HINWEIS AUF GÖTTENS VERBLEIB! POLIZEI IN GROSSALARM.“ (S. 39)

Katharina wird zum zweiten Mal verhört. Inzwischen sind ihre Finanzen geprüft worden – ergebnislos, alles ist geradezu penibel korrekt. Unter den beschlagnahmten Gegenständen befindet sich ein Rubinring, zu dem sie keine Angabe machen will, aber sie wiederholt, sie habe Ludwig Götten am Mittwoch zum ersten Mal in ihrem Leben getroffen. Als Else Woltersheim vernommen wird, fragt sie mit Blick auf die „ZEITUNG“ scharf nach, ob man Katharina vor so etwas nicht schützen könne. Es sei ihr unverständlich, wie Details aus der Vernehmung – etwa das Thema Herrenbesuch – an die „ZEITUNG“ gelangt sein konnten. Staatsanwalt Hach antwortet, natürlich habe es eine Pressemitteilung gegeben, und Katharina sei nun mal durch den Kontakt zu Götten zu einer „Person der Zeitgeschichte“ geworden.

„Es wird nie mehr so sein, nie mehr. Sie machen das Mädchen fertig. Wenn nicht die Polizei, dann die ZEITUNG, und wenn die ZEITUNG die Lust an ihr verliert, dann machen’s die Leute.“ (Trude Blorna über Katharina, S. 40)

Die Polizei geht dann der Frage nach, wie Ludwig Götten auf die Party von Else Woltersheim kam. Dafür wird die 17-jährige Verkäuferin Herta Scheumel vernommen. Sie und Claudia Sterm, die beide weitläufig mit Else Woltersheim und Katharina Blum verwandt sind, hatten versprochen, ihre Freunde mitzubringen, damit genügend männliche Tanzpartner da wären. Beide Freunde waren aber verhindert, also beschlossen sie, in einem Café „jemand Netten aufzugabeln“. In diesem Café wurde Herta Scheumel von Götten zum Tanz aufgefordert und lud ihn darauf zu der Party ein. Das bekam ein gewisser Karl mit, der als Scheich verkleidet war und gerade mit Claudia tanzte; er kam einfach auch mit. Sie fuhren in Göttens Porsche zu Else Woltersheim. Karl, so stellt sich heraus, war in Wirklichkeit ein Polizeibeamter, der Ludwig Götten überwachte.

Samstag, 23. Februar 1974

In der Samstagsausgabe der „ZEITUNG“ wird Katharinas Exmann zitiert, der sich nicht vorstellen kann, dass Katharina aus eigenen Mitteln eine Eigentumswohnung gekauft hat, und folglich an ein Verbrecherkomplott glaubt. Es gibt auch ein Foto vom Ehepaar Blorna, beide werden als „links“ bzw. „rot“ beschimpft und der Luxus ihrer Villa wird betont. Ihre Rolle sei fragwürdig. Trude Blorna erzählt ihrem Mann, sie sei indirekt schuld daran, dass Katharina Götten zur Flucht verhelfen konnte, obwohl das Haus überwacht wurde: Sie war damals als Architektin mit dem Wohnkomplex befasst, in dem Katharinas Wohnung liegt, und hatte einen Plan der Heizungs-, Lüftungs- und Kanalisationsschächte in ihrem Schlafzimmer hängen, den sie der neugierigen Katharina eingehend erklärte hatte.

„Mein Gott, er war es eben, der da kommen soll, und ich hätte ihn geheiratet und Kinder mit ihm gehabt – und wenn ich hätte warten müssen, jahrelang, bis er aus dem Kittchen wieder raus war.“ (Katharina Blum über Ludwig Götten, S. 59)

Die Blornas mutmaßen, dass Katharinas Herrenbesuch ihr Freund und Blornas Mandant, der Industrielle Alois Sträubleder, ist. Da kommt Sträubleder auch schon vorgefahren. Er ist tatsächlich der besagte Herrenbesuch, hat aber keine Angst vor der „ZEITUNG“; das habe Lüding, sein Geschäftspartner, im Griff. Sträubleder weiß, dass Katharina eine Stunde zuvor bei der „ZEITUNG“ angerufen und einen Termin für ein Interview mit Journalist Tötges vereinbart hat, für den folgenden Nachmittag. Dann rückt er mit einer pikanten Information heraus: Er hat im Zuge seiner Avancen Katharina den Schlüssel zu seinem Zweithaus „regelrecht aufgedrängt“. Sträubleder ist sich sicher, dass sie ihn Götten gegeben hat und dass der sich dort versteckt. Kurz darauf kommt Trude mit den neuesten Nachrichten: Götten wurde in Sträubleders Haus verhaftet, es gab einen Schusswechsel, bei dem Götten verletzt wurde, aber nicht lebensgefährlich. Das Erste, was Götten sagte, war, dass Katharina nichts mit der Sache zu tun habe.

„In diesem Augenblick erst zog Katharina die beiden Ausgaben der ZEITUNG aus der Tasche und fragte, ob der Staat – so drückte sie es aus – nichts tun könne, um sie gegen diesen Schmutz zu schützen und ihre verlorene Ehre wiederherzustellen.“ (S. 60)

Trude hat noch eine weitere Information: Katharinas Mutter, die gerade eine schwere Krebsoperation hinter sich hatte, ist in der vorigen Nacht gestorben, nachdem Tötges sie am Freitagmorgen aufgesucht hatte – er hatte sich wohl als Handwerker verkleidet zu ihr hineingeschlichen. Katharina fährt, begleitet von den Blornas und Else Woltersheim, ins Krankenhaus, um einen letzten Blick auf ihre Mutter zu werfen. Danach weint sie heftig, bleibt aber im Ganzen doch gefasst. Sie spricht nun offen über Sträubleder: Der sei zwar zudringlich geworden, aber sie habe ihn zurückgewiesen. Für den Schlüssel zum Zweithaus war sie dann aber doch dankbar, und ja, sie habe ihn Götten gegeben und sie habe ihm auch den Fluchtweg durch den Heizungsschacht gewiesen. Als Grund für seine Flucht habe er ihr nur genannt, dass er Bundeswehrdeserteur sei. Für sie war das Ganze eine Art romantisches Räuber-und-Gendarm-Spiel.

Sonntag, 24. Februar 1974

In der Sonntagsausgabe der „ZEITUNG“ muss Katharina lesen, dass sie mit ihrem Lebenswandel selbst schuld am Tod ihrer Mutter sei. Sie wird als herzlos und pervers beschrieben, und die Ehefrau des ehemaligen Arbeitgebers, der sie bedrängt hatte, bezeichnet sie als „nuttig“. Zudem wird ihr eine Beteiligung an den Steuerhinterziehungen ihres anderen Arbeitgebers unterstellt. Ihr Verhältnis zu Sträubleder, der im Bericht nicht namentlich genannt wird, wird ins Gegenteil verkehrt: Sie habe ihm nachgestellt, um im Auftrag einer „Linksgruppe“ seine Karriere zu zerstören. Blornas Reaktion auf den Artikel: Er brüllt und sucht nach einer leeren Flasche, um in der Garage einen Molotowcocktail zu basteln – woran ihn aber seine Frau hindert. Trude Blorna ruft Lüding an und beschimpft ihn als Schwein. Katharina hält sich zur gleichen Zeit als Beduinin verkleidet in einem Journalistenlokal auf, sie will sich Tötges ansehen – den Menschen, der ihr Leben zerstört hat. Sie trifft ihn dort aber nicht an.

„Sie kenne Katharina vom Tag ihrer Geburt an und beobachte jetzt schon die Zerstörung und auch Verstörtheit, die an ihr seit gestern bemerkbar sei.“ (Frau Woltersheim über Katharina, S. 62)

Gegen zwölf Uhr geht sie in ihre Wohnung und wartet auf Tötges, der eine Viertelstunde später eintrifft. Obwohl er hübsch ist, sieht sie sofort, mit was für einem Schwein sie es zu tun hat. Er schlägt ohne weitere Einleitung vor, „dass wir jetzt erst einmal bumsen“. Da zieht sie die Pistole, die sie vom Freund ihrer Patentante genommen hat, und schießt mehrmals auf ihn. Dann kehrt sie in das Lokal zurück. Gegen vier geht sie in eine Kirche, dann in das Café einer Bekannten. Gegen 19 Uhr fährt sie zur Polizei und lässt sich festnehmen. Sie möchte auch dort sein, wo ihr Ludwig ist.

Nachspiel

Auf Katharinas Bitte übernimmt Blorna die Verteidigung Göttens und versucht, eine gegenseitige Besuchserlaubnis für die beiden zu erwirken. Die „ZEITUNG“ fällt entsprechend über ihn her. Blorna geht es zusehends schlechter, er hat finanzielle Probleme, weil er die Treuhänderschaft für Katharinas Wohnung übernommen hat. Seine Freundschaften zu Lüding und Sträubleder sind am Ende. Große Unternehmen, für die er als Anwalt auf internationaler Ebene gearbeitet hat, geben ihm nur noch unbedeutende Fälle. Er verbittert und verwahrlost.

„Es war der junge Staatsanwalt Dr. Korten, der hier ein fast leidenschaftlich zu nennendes Plädoyer für die Pressefreiheit und für das Informationsgeheimnis hielt und ausdrücklich betonte, dass, wer sich nicht in schlechte Gesellschaft begebe oder in solche gerate, ja auch der Presse keinerlei Anlass zu vergröberten Darstellungen gebe.“ (S. 65)

Katharina erzählt Blorna, sie habe schon nach dem ersten Artikel in der „ZEITUNG“ Mordgedanken gehabt. Sie empfindet keine Reue, scheint mit sich im Reinen zu sein und ist eine vorbildliche Gefangene. Götten wird nun doch kein Mord vorgeworfen, er wird außer für seine Desertion noch angeklagt, einen Safe der Bundeswehr geplündert und Bilanzen gefälscht zu haben. Sowohl für ihn als auch für Katharina wird es auf acht bis zehn Jahre Gefängnis hinauslaufen. Katharina hat schon Zukunftspläne: Sie will nach ihrer Entlassung ein Restaurant eröffnen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Erzählung zeichnet sich durch eine überaus verschachtelte Zeitstruktur aus. An vielen Stellen wird die Chronologie durch Rückblenden unterbrochen. Die Tatsache des Mordes wird gleich zu Anfang vorgegeben, sodass es dann scheinbar nicht mehr um Spannung geht, sondern um eine exakte Rekonstruktion der Ereignisse, die zu diesem Mord führten. Durch die allmähliche Enthüllung von Zusammenhängen erzeugt Böll jedoch durchaus Spannung. Die exakten Zeitangaben und das Zitieren von Quellen lassen den Bericht objektiv erscheinen und erzeugen einen starken Kontrast zur Arbeitsweise und zur Sprache der „ZEITUNG“. Doch zugleich ist die Erzählweise subjektiv und wertend: Der allwissende Erzähler montiert, springt, kommentiert, korrigiert, beurteilt und erklärt an vielen Stellen das Geschehen so, dass eine eindeutige Parteinahme für Katharina Blum und gegen die „ZEITUNG“ zu erkennen ist. Eine dem Text vorangestellte Klausel beginnt mit der Versicherung, sämtliche Ereignisse darin seien frei erfunden; dann jedoch variiert Böll: Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung, schreibt er, seien „weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich“.

Interpretationsansätze

  • Bölls Erzählung ist ein Paradebeispiel engagierter, politischer Literatur. In Texten dieses Genres steht oft der politische Zweck im Vordergrund, während die ästhetischen Qualitäten sekundär sind.
  • Der Text kann als Studie über Gewalt gelesen werden: Der Gewalt des Einzelnen (Götten) steht die Gewalt einer Institution, hier der „ZEITUNG“, gegenüber. Entsprechend lautet der Untertitel: „Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“.
  • Böll liefert eine radikale Kritik an der Boulevardpresse, konkret an der Bild-Zeitung, die kraft ihrer publizistischen Macht Existenzen vernichten kann. Das wird hier am Fall der unbescholtenen Katharina Blum durchgespielt. Charakteristisch für die Methoden der „ZEITUNG“ sind Vorverurteilungen, Unterstellungen und die falsche Wiedergabe von Zitaten bis hin zur Verdrehung ins Gegenteil.
  • Die „ZEITUNG“ schürt Ressentiments gegenüber Linken und Intellektuellen, etwa gegenüber dem Ehepaar Blorna – sie werden als „rot“ beschimpft und für ihren Lebensstandard verurteilt, wohingegen die konservative Besitzelite geschont wird; am auffälligsten ist das bei Sträubleder. Andererseits gibt die „ZEITUNG“ sich gern als Anwalt des kleinen Mannes, der sich sein bescheidenes Glück redlich verdient – er darf aber nicht in der Gewerkschaft sein oder einen Kommunisten in der Verwandtschaft haben.
  • Mit der Figur des Boulevardjournalisten Tötges zeichnet Böll einen besonders finsteren Vertreter seiner Zunft. Ihm mangelt es vollständig an Respekt, er geht buchstäblich über Leichen, um an eine sensationelle Geschichte zu kommen, wie das Beispiel mit Katharinas Mutter zeigt. Für ihn sind Menschen lediglich Objekte. Er ist sogar noch skrupelloser als die „ZEITUNG“ selbst, weil er die Meldungen, die er dort nicht loswird, unter anderem Namen an Klatschzeitschriften verkauft.
  • Böll klagt auch den krassen männlichen Chauvinismus der Zeit an: Katharina Blum muss immer wieder Zudringlichkeiten von Männern abwehren. Zu einer Zeit, da Vergewaltigung in der Ehe noch keine Straftat war, wird sie „schuldig“ geschieden. Sie verliert eine Anstellung, weil der Arbeitgeber sie belästigt, und wird später dafür in der Zeitung als Nutte bezeichnet.

Historischer Hintergrund

Liberalisierung und Terrorismus

Nach langen Jahren der CDU/FDP-Regierung kam in der Bundesrepublik Deutschland 1966 eine große Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sowie Vizekanzler und Außenminister Willy Brandt an die Macht. Sie betrieb eine energische Wirtschaftspolitik, durch die es ihr gelang, die Rezession zu stoppen. Es wurden aber auch Notstandsgesetze verabschiedet, mit denen in Ausnahmesituationen Grundrechte beschränkt werden konnten. Als Reaktion bildete sich die sogenannte Außerparlamentarische Opposition (APO), die Protestmärsche und Massenkundgebungen veranstaltete. Daraus erwuchs eine Massenbewegung hauptsächlich von Studenten, die sich gegen den Bildungsnotstand, den Vietnamkrieg und die fehlende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit richtete. Die Studenten demonstrierten auch gegen die Springer-Presse, die mit ihrer skrupellosen Sensationsgier und ihrer kleinbürgerlichen Bigotterie für die Studenten den Inbegriff des Bösen darstellte. Vor dem Springer-Gebäude in Berlin kam es 1968 zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Bei der Bundestagswahl 1969 bekam zwar die CDU die meisten Stimmen, aber weniger als SPD und FDP zusammen, die gemeinsam die Regierung bildeten und die CDU zum ersten Mal in die Opposition verwiesen. Die neue Innenpolitik stand im Zeichen der Liberalisierung. Zahlreiche Gesetze wurden verändert oder abgeschafft: Gotteslästerung, Ehebruch und Homosexualität wurden legalisiert, das Pornografieverbot wurde gelockert, und eine weitreichende Indikationsregelung zur Abtreibung wurde eingeführt.

Im Umfeld der APO formierte sich die linksextremistische Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) mit den Protagonisten Ulrike Meinhof und Andreas Baader. Ihr Terror erreichte im Herbst 1977 mit der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und der Entführung einer Lufthansa-Maschine seinen Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt war Helmut Schmidt Bundeskanzler.

Entstehung

Heinrich Böll war schon während der Studentenbewegung Ende der 1960er-Jahre ein erklärter Feind der Bild-Zeitung. Als einer von über 100 Autoren der Gruppe 47 rief er zum Boykott gegen die Springer-Presse auf. 1972 schrieb er im Spiegel den Artikel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?, in dem er einen fairen rechtsstaatlichen Umgang mit den RAF-Terroristen forderte und die Bild-Zeitung scharf für vorverurteilende Stimmungsmache kritisierte. Er warf ihr „nackten Faschismus, Verhetzung, Lüge“ vor. Daraufhin wurde er nicht nur von der konservativen Presse als Sympathisant der Terroristen bezeichnet, sondern auch Opfer mehrerer polizeilicher Durchsuchungsaktionen. 1974 wurde Bölls Sohn Raimund Böll festgenommen und verhört, weil sein Wehrpass in Hamburg in einer Wohnung von Terrorverdächtigen gefunden worden war. Hier wurde für Böll offensichtlich, dass die Polizei mit der Springer-Presse zusammenarbeitete, denn über diese Hausdurchsuchung, die erst am Nachmittag stattfand, wurde bereits am nächsten Tag in der Berliner Zeitung berichtet, und alles wurde tendenziös aufgebauscht. Der Titel und die Grundidee der Erzählung sind an Friedrich Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre angelehnt.

Wirkungsgeschichte

Der Spiegel veröffentlichte mit Die verlorene Ehre der Katharina Blum erstmals eine Erzählung im Vorabdruck. Sie erschien dort ab 29. Juli 1974. Die Springer-Presse vermied jeden Hinweis auf das Erscheinen des Buches, Die Welt nahm keine Werbeanzeige dafür an, und die Welt am Sonntag stellte sogar die Veröffentlichung ihrer Bestsellerliste ein, weil das Buch dort auf den vorderen Rängen stand. In den Feuilletons der Springer-Presse, aber auch anderer konservativer Zeitungen wurde die Erzählung erwartungsgemäß verrissen. In der katholischen Zeitung Die Tagespost wurde sie sogar als eine „kaum verhohlene Huldigung an die Baader-Meinhof-Bande“ bezeichnet. Eine zweite Gruppe von Kritikern begrüßte die politisch-moralische Aussage, fand die Erzählung aber literarisch schlecht gemacht, sie sei zu konstruiert, hölzern, unglaubwürdig. Eine dritte Gruppe schließlich lobte beides, den kämpferischen Inhalt und die sprachliche Gestaltung. Walter Jens sagte im Hessischen Rundfunk: „Es ist beeindruckend, mit welcher schriftstellerischen Akkuratesse und, dabei, mit wie viel politischer Humanität, Böll die Prozessualität dieses Falles entwickelt und dabei veranschaulicht, dass es eine ideologische Gewalt gibt (…), die so satanisch ist, dass nicht einmal das Lamm ihr gegenüber seine Unschuld zu behaupten vermag.“

Böll selbst bezeichnete die Erzählung als politisches Pamphlet und begrüßte ihre politische Sprengkraft. Insgesamt wurden über 2 Millionen Exemplare verkauft und das Buch wurde in 30 Sprachen übersetzt. Auch die Verfilmung unter der Regie von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta, die 1975 in die Kinos kam, polarisierte noch einmal heftig.

Über den Autor

Heinrich Böll wird am 21. Dezember 1917 in Köln geboren, wo er erst die katholische Volksschule und anschließend das staatliche Gymnasium besucht. Er beginnt eine Ausbildung zum Buchhändler, wird dann jedoch für ein Jahr zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Kurz nach Aufnahme eines Studiums der Germanistik und der klassischen Philologie wird er 1939 in die Wehrmacht einberufen. Im Krieg wird er mehrfach verwundet. Ab 1944 manipuliert Böll seine Krankheits- und Urlaubsscheine, um nicht mehr an die Front zu müssen. 1945 gerät er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung nimmt er die literarische Arbeit wieder auf und kann 1947 eine erste Erzählung im Rheinischen Merkur veröffentlichen. Buchpublikationen und Rundfunksendungen folgen. In vielen Texten setzt sich Böll mit der NS-Vergangenheit und den gesellschaftlichen Verhältnissen im Deutschland der Nachkriegszeit auseinander. 1951 erhält er den Literaturpreis der Gruppe 47. Bölls kritische Haltung gegenüber der katholischen Kirche in Deutschland schlägt sich in seinem Roman Ansichten eines Clowns nieder, der 1963 erscheint. Ab 1964 hält Böll Vorlesungen an der Goethe-Universität Frankfurt, 1971 wird er zum Vorsitzenden des P.E.N.-Clubs, der internationalen Schriftstellervereinigung, gewählt. 1972, nachdem im Spiegel sein Artikel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? publiziert wurde, in dem er sich für einen fairen Prozess für Ulrike Meinhof einsetzte, wird Böll als RAF-freundlicher „Ziehvater des Terrorismus“ öffentlich verunglimpft. Im gleichen Jahr erhält er den Literaturnobelpreis. 1974 erscheint sein Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum, eines seiner bekanntesten Werke. 1976 tritt er aus der katholischen Kirche aus. In den folgenden Jahren engagiert er sich in der Friedensbewegung. Heinrich Böll stirbt am 16. Juli 1985 in seinem Haus in Langenbroich. An seiner Beerdigung nehmen viele Prominente teil, unter anderem der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

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