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Die wiedergefundene Zeit
Buch

Die wiedergefundene Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band 7

Paris, 1927
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2004 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Lesegenuss für ausdauernde Liebhaber

„Das Leben ist zu kurz und Proust zu lang“, schrieb Anatole France 1913 bei der Veröffentlichung des ersten Bandes von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – und das, als gerade mal 600 von insgesamt 4200 Seiten gedruckt waren. So mancher Leser dürfte am Anfang ähnlicher Meinung sein. Wer aber Ausdauer hat und sich auch durch die zweifellos vorhandenen Längen durchbeißt, wird im siebten und letzten Band Die wiedergefundene Zeit tatsächlich belohnt: Scheinbar verirrte Erzählstränge werden verknüpft, lange im Dunkeln gebliebene Fragen erhellt, und der Ich-Erzähler findet endlich den Stein des Anstoßes, der ihn aus seiner Lethargie reißt. Aus dem wackligen Erzählgerüst wird ein stabiles Gebäude, worin dem Leser tiefe Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele geboten werden. Freilich bleibt die Grundstimmung bis zum Ende düster: Das erbarmungslose Voranschreiten der Zeit verändert die Menschen bis zur Unkenntlichkeit, und eine gemeinsame Sprache zu finden, gelingt ihnen nicht. Die Lektüre des Gesamtwerks ähnelt dem Genuss von schwarzem Kaffee: ungewohnt bitter am Anfang, aber mit zunehmend interessanten, feinen Geschmacksnuancen.

Zusammenfassung

Ganz unten

Der Ich-Erzähler Marcel verbringt lange Tage in Tansonville bei Combray, wo er seiner Jugendfreundin Gilberte Gesellschaft leistet. Diese ist unglücklich, da sie ahnt, dass ihr Mann Saint-Loup sie betrügt – allerdings scheint sie nicht zu wissen, dass er dies mit Männern tut. Saint-Loup überredet Marcel mehrmals zum Bleiben, um selbst unbeschwert zu seinem Geliebten Morel nach Paris fahren zu können. Ansonsten verhält er sich seinem Freund gegenüber eher spröde, als wolle er jeden Verdacht bezüglich seiner Neigung zerstreuen. Marcel liest in dieser Zeit einen für ihn enttäuschenden Text der Brüder Goncourt, der einen lange zurückliegenden Besuch im Salon der Verdurins schildert. Von der Anordnung der Teller bis hin zu den Zutaten der weißen Sauce ist die Szene detailliert und in blumigen Worten beschrieben. Nur: Zwischen den exakten Beobachtungen der Goncourts und Marcels eigener Wahrnehmung der gleichen Orte und Menschen liegen Welten. Wenn das Literatur sein soll, dann muss er selbst mit Taubheit und Blindheit geschlagen sein, meint er voller Selbstzweifel.

Paris im Krieg...

Über den Autor

Marcel Proust wird am 10. Juli 1871 in Auteuil bei Paris geboren. Sein Vater ist ein berühmter Arzt, die Mutter stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie. Ab 1878 verbringt er die Ferien in dem Dorf Illiers bei Chartre, das später als Vorbild für das fiktive Combray dienen wird. 1881 erleidet der kränkliche Proust seinen ersten Asthmaanfall. Ab dem Folgejahr besucht er das Lycée Condorcet, wo er zusammen mit Schulkameraden verschiedene literarische Zeitschriften herausbringt. Nach dem Abitur dient Proust trotz seiner schwachen Gesundheit für ein Jahr in der Armee in Orléans. Anschließend studiert er Politik und Jura, bricht ab und macht in Philosophie und Literatur einen Abschluss. Auf Druck seines Vaters nimmt er 1895 eine unbezahlte Stelle als Bibliothekar an, lässt sich aber bald darauf krankschreiben. Sein nach außen hin müßiges Leben, die exzellenten Verbindungen zum Adel sowie die Besuche in den schicksten Pariser Salons verschaffen ihm den Ruf eines Snobs und gesellschaftlichen Emporkömmlings. Der Autor kämpft zeitlebens mit seiner Homosexualität, die sein Vater ihm während seiner Jugend noch durch einen Bordellbesuch hat austreiben wollen. Proust hat zahlreiche Liebhaber, bekennt sich aber nie offen zu seiner sexuellen Orientierung. 1896 erscheint sein erstes Buch, die Kurzgeschichtensammlung Les plaisirs et les jours (Freuden und Tage). Mit einem Kritiker, der sich abschätzig darüber äußert, duelliert er sich. 1903 stirbt sein Vater und zwei Jahre darauf die über alles geliebte Mutter. Proust erbt ein Vermögen, das ihm ein arbeitsfreies Leben im Luxus ermöglicht. Doch seine Gesundheit verschlechtert sich zusehends. Er zieht sich mehr und mehr in das Schlafzimmer seiner Pariser Wohnung zurück und arbeitet an seinem Lebenswerk À la recherche du temps perdu (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit). Den ersten der sieben Bände gibt er 1913 auf eigene Kosten heraus. Die letzten drei veröffentlicht sein Bruder posthum bis 1927. Marcel Proust stirbt am 18. November 1922 an einer Lungenentzündung.


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