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Die Wildente

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Die Wildente

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Unwissenheit kann ein Segen sein – in Ibsens Wildente führt die Wahrheit in die Katastrophe.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Moderne

Worum es geht

Eine Tragödie zweier Familien

Die Lebenswege der Familien Ekdal und Werle sind seit Jahrzehnten eng verflochten. Auf der einen Seite stehen der rücksichtlose Kapitalist Werle und sein ihm entfremdeter Sohn Gregers, auf der anderen der ehemalige Offizier Ekdal und sein Sohn, der erfolglose Fotograf Hjalmar. Geheimnisse, Affären und Verrat prägen die Beziehungen zwischen den Protagonisten und werden im Lauf des Stücks ans Licht gezerrt. Ob die Figuren durch das Aufdecken der Wahrheit glücklicher werden, bleibt mindestens fraglich. Henrik Ibsen spiegelt mit seiner Familientragödie eine Gesellschaft, die zwischen Tradition und Moderne orientierungslos geworden ist und ihre Werte erst noch finden muss. Stilistisch eindrucksvoll und mit einem scharfen Blick für die Untiefen menschlicher Beziehungen zeichnet er ein komplexes Gesellschaftsporträt, das von seiner Wirkmacht nichts verloren hat.

Take-aways

  • Die Wildente zählt zu den bekanntesten Stücken des norwegischen Dichters Henrik Ibsen.
  • Inhalt: Hjalmar Ekdals Leben liegt in Trümmern, nachdem sein alter Freund Gregers ihm eröffnet hat, dass Hjalmars Frau Gina vor der Hochzeit eine Affäre mit Gregersʼ Vater hatte. Hedvig, jetzt 14 Jahre alt, ist womöglich nicht Hjalmars Tochter. Hjalmar sagt sich von ihr los, und das Mädchen nimmt sich das Leben.
  • Im Zentrum der Tragödie steht die Frage, ob die Wahrheit immer das höchste Ziel ist und ob sich moralische Ideale überhaupt befolgen lassen.
  • Die Wildente bleibt eine klare Antwort auf diese Fragen schuldig.
  • Das Drama ist nach dem Schema der klassischen griechischen Tragödie aufgebaut.
  • Motive wie die titelgebende Wildente eröffnen weite Deutungsspielräume, die Regisseure und Literaturwissenschaftler bis heute herausfordern.
  • Das Stück erschien 1884 in Kopenhagen in einer Auflage von stolzen 8000 Exemplaren und wurde 1885 in Bergen uraufgeführt.
  • Das späte 19. Jahrhundert war in Norwegen eine Zeit des Umbruchs. Die Industrialisierung ließ tiefe gesellschaftliche Konflikte aufbrechen.
  • Die Wildente wurde mehrfach verfilmt.
  • Zitat: „Es gibt da gewisse Forderungen. – Wie soll ich sie nennen? Sagen wir: ideale Forderungen – gewisse Erwartungen, die ein Mann nicht zur Seite schieben kann, ohne dass seine Seele Schaden erleidet.“

Zusammenfassung

Eine Tischgesellschaft

Im Arbeitszimmer des Großhändlers und Werkbesitzers Werle bereiten Diener alles für die Gäste vor, die sich nach dem Essen im Speisesaal hier aufhalten werden. Sie unterhalten sich über das Gerücht, dass Werle eine Beziehung mit Frau Sørby habe. Das Essen findet zu Ehren von Werles Sohn Gregers statt, der das Werk außerhalb der Stadt leitet und nur selten nach Hause kommt. Ein alter Mann, Ekdal, kommt hinzu und will Werles Mitarbeiter Gråberg sprechen. Die Diener weisen ihm den Weg und sprechen dann über ihn: Ekdal war einst Leutnant und ist später im Gefängnis gelandet.

„Und wenn es auch eng und schlicht ist unter unserem Dach, Gina. Es ist doch unser Heim. Und das eine sage ich dir: es ist schön, hier zu sein.“ (Hjalmar, S. 38)

Die Tischgesellschaft kommt aus dem Speisesaal. Gregers und sein alter Freund Hjalmar, der Sohn des alten Ekdal, unterhalten sich. Sie haben sich seit vielen Jahren nicht gesehen. Hjalmar hat schwere Zeiten hinter sich, seitdem sein Vater seine Haftstrafe verbüßt hat. Er ist sich sicher, dass Gregers sich deshalb von ihm ferngehalten hat, schließlich wäre Werle fast in „diese schrecklichen Geschichten“ mit hineingezogen worden. Hjalmar hat sein Studium abgebrochen und ist – mit Werles großzügiger Unterstützung – Fotograf geworden. Gregers wusste von der finanziellen Hilfe nichts. Auch Hjalmars Ehe kam durch Werle und ungefähr zur gleichen Zeit zustande: Er hat das ehemalige Hausmädchen des Großhändlers geheiratet. Gregers ist erstaunt: Es klingt fast, als habe sein Vater das Ganze planvoll eingefädelt. Gråberg und der alte Ekdal durchqueren nun den Raum, und die Gespräche verstummen. Auf die Frage zweier Gäste, wer die beiden seien, gibt Hjalmar vor, seinen Vater nicht zu kennen. Gregers fragt ihn, warum er diesen verleugnet. Hjalmar fühlt sich angegriffen. Er verabschiedet sich und bittet Gregers, seinem Vater Grüße auszurichten.

Offene Worte

Die Gäste gehen in ein anderes Zimmer, und Gregers bleibt mit seinem Vater zurück. Er fragt ihn, ob damals wirklich Hjalmars Vater allein schuld gewesen sei. Ekdal ist verurteilt worden, weil er Holz auf staatlichen Ländereien geschlagen hatte. Werle will nicht darüber sprechen. Er habe für die Familie getan, was er konnte. Gregers will wissen, warum Werle Hjalmar unterstützt hat. In seinen Briefen habe er unerwähnt gelassen, dass es sich bei Hjalmars Braut um das ehemalige Hausmädchen Gina Hansen handelte. Gregers konfrontiert seinen Vater mit dem Verdacht, dieser habe eine Affäre mit Gina gehabt. Das habe ihm seine sterbende Mutter erzählt. Werle wechselt das Thema. Er plant, Frau Sørby zu heiraten, und wünscht sich, sie alle möchten zu diesem Anlass das Bild einer glücklichen Familie abgeben. Gregers will da nicht mitspielen. Sein Vater habe das Leben seiner Mutter zerstört und sei schuld, dass Hjalmars Leben auf einer Lüge gründe. Gregers hat nun, wie er sagt, „eine Aufgabe, für die es sich zu leben lohnt“.

Ein einfaches Zuhause

Gina Ekdal und ihre Tochter Hedvig sitzen daheim im großen Fotoatelier, das zugleich als Wohnraum dient. Hedvig möchte noch lesen, doch Gina verbietet es ihr. Das Mädchen soll seine Augen schonen. Der alte Ekdal kommt zurück. Er hat neue Schreibaufgaben von Gråberg bekommen, mit denen er sich ein kleines Taschengeld verdient. Er zieht sich in sein Zimmer zurück. Dann trifft Hjalmar ein. Ekdal kommt aus seinem Zimmer und will wissen, ob Hjalmar ihn nicht gesehen hat. Der lügt und sagt nein. Dann berichtet er von dem Essen bei Werle und macht sich über die Kammerherren lustig. Hedvig erinnert ihn an sein Versprechen, ihr etwas „Schönes“ mitzubringen. Hjalmar gibt zunächst vor, ihre Bitte ganz vergessen zu haben, und holt dann als Ersatz die Speisekarte vom Gastmahl hervor, damit sie die lesen kann. Hedvig ist enttäuscht, verkneift sich jedoch die Tränen. Ekdal unterhält sich mit Hjalmar über ein Projekt, dass sie am nächsten Tag fortsetzen wollen. Gina erinnert ihren Mann an die Aufträge, die sie beide ebenfalls morgen bearbeiten müssen. Außerdem wollen sie eines der Zimmer vermieten. Hjalmar will morgen auf jeden Fall hart arbeiten.

Später Besuch

Wie angekündigt, kommt Gregers zu Besuch. Er hat sein Elternhaus verlassen und ist in ein Hotel gezogen. Hjalmar erklärt ihm seine Wohnverhältnisse und weist auch auf das freie Zimmer hin. Dann stellt er ihm seine Tochter vor, die in der Küche etwas zu essen für den Gast vorbereitet. Hjalmar erzählt Gregers von seiner Sorge, dass Hedvig bald erblinden könnte. Wahrscheinlich ist ihre Krankheit angeboren. Gina und er haben Hedvig noch nichts von der Gefahr gesagt. Sie ist jetzt 13 und hat am nächsten Tag Geburtstag. Gregers fragt, wann Gina und Hjalmar geheiratet haben. Die Hochzeit ist fast 15 Jahre her.

„Wenn ich wählen könnte, wäre ich am liebsten ein kluger Hund. (…) Ja, so ein wirklich außergewöhnlich kluger Hund, so einer, der bis auf den Grund taucht, wenn Wildenten untergehen und sich unten im Schlick in Tang und Algen festbeißen.“ (Gregers, S. 48)

Der alte Ekdal kommt aus seinem Zimmer und ist überrascht, Gregers zu sehen. Der richtet ihm Grüße von den Wäldern rund um das Werk aus, in denen Ekdal früher gern gejagt hat, und fragt, ob er den Wald nicht vermisst. Ekdal und Hjalmar öffnen eine Schiebetür, hinter der sich der Dachboden befindet. Gregers sieht, dass Ekdal dort Hühner, Tauben und Kaninchen hält, und sogar eine Wildente. Hedvig kommt dazu und erklärt, dass es ihre Wildente sei. Die Ente haben sie Werle zu verdanken. Der hat sie auf der Jagd angeschossen. Sie fiel ins Wasser und tauchte zum Grund, wo Werles Hund sie fand und zum Ufer brachte. Der Diener hat die Ente Ekdal gegeben, der sie gemeinsam mit Hedvig aufgepäppelt hat.

„Ich habe mir geschworen, dass ich dieses Handwerk zu einer Kunst und zu einer Wissenschaft erheben werde, wenn meine Kräfte es erlauben. (…) Und deshalb habe ich beschlossen, eine besondere Erfindung zu machen.“ (Hjalmar, S. 63)

Gregers fragt nach dem freien Zimmer und ob er es mieten könne. Hjalmar ist einverstanden, doch Gina warnt vor den lauten Nachbarn, dem Arzt Relling und dem ehemaligen Hauslehrer Molvik, die gern einen trinken gehen und erst spät nach Hause kommen. Gregers hat nichts dagegen, er möchte nur nicht mehr Gregers Werle sein. Viel lieber wäre er ein kluger Hund – wie der aus der Geschichte über die Wildente. Am nächsten Morgen will er einziehen. Hjalmar freut sich, doch Gina fürchtet, dass das dem Großhändler nicht gefallen wird. Hjalmar will sich davon nicht abhalten lassen, er ist es leid, von Werle abhängig zu sein. Gina gibt zu bedenken, dass auch Ekdal darunter leiden könnte.

Der neue Untermieter

Am nächsten Morgen unterhalten sich Hjalmar und Gina über Gregers, der sich gerade einrichtet. Hjalmar hat ihn zum Frühstück eingeladen, zusammen mit Relling und Molvik. Während Gina etwas zu essen vorbereitet, bittet sie ihren Mann, die Zeit zum Arbeiten zu nutzen. Der beschwert sich, dass er ohnehin die ganze Zeit arbeite. Er geht ins Atelier. Ekdal kommt dazu, auch er hätte eigentlich etwas zu tun. Doch die beiden beschließen, dass ihre Aufgaben nicht besonders eilig sind, und gehen auf den Dachboden.

„Weißt du, im Grunde genommen bist du ein glücklicher Mensch, Ekdal, du hast diese schöne Lebensaufgabe, an der du arbeiten kannst … (…) Und dazu hast du eine tüchtige Frau, die so gemütlich auf ihren Filzschuhen ein und aus schleicht (…)“ (Relling zu Hjalmar, S. 70)

Hedvig kommt, sie möchte Hjalmar helfen und Bilder retuschieren. Hjalmar ist dagegen, weil sie sich die Augen verderben könnte, lenkt dann aber ein. Gregers kommt dazu und beginnt ein Gespräch mit Hedvig. Er erfährt, dass sie nicht zur Schule geht, weil Hjalmar Angst hat, der Unterricht könnte ihren Augen schaden. Wenn er Zeit findet, will er seine Tochter selbst unterrichten. Hedvig erzählt Gregers von Büchern, die sie auf dem Dachboden gefunden hat. Sie wurden von einem Kapitän zurückgelassen, der früher hier gewohnt hat. Sie möchte am liebsten später Bilder gravieren, doch Hjalmar hat ihr geraten, Körbe flechten zu lernen. Sie sprechen über die Wildente. Die sei ganz allein und von vielen Rätseln umgeben, meint Hedvig. Niemand weiß genau, woher sie kommt. Gregers sagt, außerdem sei sie „auf dem Grunde des Meeres“ gewesen, eine Formulierung, die Hedvig merkwürdig findet.

„Du hast mein ganzes Leben verdorben. Ich denke dabei gar nicht an meine Mutter … Aber bei dir darf ich mich dafür bedanken, dass ich von einem schuldbeladenen schlechten Gewissen verfolgt und gequält werde.“ (Gregers zu Werle, S. 73)

Gina kommt dazu. Gregers fragt sie nach ihrer Arbeit und findet heraus, dass sie sowohl fotografieren als auch retuschieren kann. Gina übernimmt das Tagesgeschäft, weil Hjalmar nicht „jeden Erstbesten“ fotografiert. Plötzlich ist vom Dachboden ein Schuss zu hören. Hjalmar kommt heraus und berichtet, dass er und sein Vater auf dem Dachboden jagen. Sie zeigen Gregers die Wildente, deren einer Flügel noch immer lahm ist. Hjalmar erzählt Gregers, dass er schon bald eine Erfindung machen wird, die den Namen seines Vaters wieder in Ehren setzen wird. Der alte Ekdal war nämlich nach dem Prozess kurz davor, sich das Leben zu nehmen, und auch Hjalmar hat mit dem Gedanken gespielt. Doch mit seiner Erfindung will er sich selbst und Ekdal den Lebensmut zurückgeben. Details nennt er noch nicht, aber es ist ihm ernst und er denkt jeden Tag darüber nach. Gregers vermutet, dass sich der schwermütige Hjalmar mit seinen Aktivitäten auf dem Dachboden von den wichtigen Dingen ablenkt. Er schwört sich, seinen Freund „zurück an die Oberfläche“ zu bringen – wie der Hund, der die Wildente aus dem Wasser gezogen hat.

Die „ideale Forderung“

Relling kommt hinzu und begrüßt Gregers. Er kennt ihn noch von früher aus dem Høydalswerk, als Gregers an die Arbeiter die „ideale Forderung“ richtete. Gregers bestätigt, dass er diese immer noch unterstützt. Relling erklärt Hjalmar, dass er es gut hat mit seiner fleißigen Frau, seiner Lebensaufgabe und seiner Tochter. Gregers widerspricht. Bevor es zum Streit kommen kann, tritt Werle ein. Er will unter vier Augen mit seinem Sohn sprechen. Als die beiden allein sind, will Werle wissen, was Gregers vorhat. Der erklärt, dass er Hjalmar die Augen öffnen und endlich seinem Gewissen folgen will. Er wird nicht ins Unternehmen zurückkehren. Als Werle gegangen ist, bittet Gregers Hjalmar, mit ihm spazieren zu gehen.

Die wahre Ehe

Hjalmar kommt zurück, niedergeschlagen und wortkarg. Er will sich an die Arbeit machen und vom Dachboden nichts mehr wissen. Er erklärt, dass gewisse Forderungen nicht ignoriert werden können. Er will das Haushaltsbuch ab sofort selbst führen und kein Geld mehr von Werle annehmen. Gina will wissen, was Gregers ihm gesagt hat. Er berichtet von dem Gespräch und der Vermutung, dass sie, Gina, eine Affäre mit Werle gehabt habe. Gina bestätigt das. Sie habe es geheim gehalten, weil Hjalmar sie sonst nicht geheiratet hätte. Sie habe das Ganze hinter sich gelassen und bereue nichts. Und Hjalmar könne sich nicht beschweren, denn sie sei ihm immer eine gute Frau gewesen. Hjalmar ist fassungslos: Wenn er seine Erfindung nun nicht mehr machen könne, dann sei ihre Vergangenheit daran schuld. Gregers kommt dazu, froh, dass endlich Klarheit zwischen den Eheleuten herrscht. Er ist aber enttäuscht, als Hjalmar Gina nicht verzeihen will. Relling kommt ins Zimmer und stellt Gregers zur Rede, der sich keiner Schuld bewusst ist. Er habe den Ekdals nur zu einer „wahren Ehe“ verhelfen wollen. Die hält Relling für ein Hirngespinst – zu hohe moralische Forderungen müsse am Ende das Kind bezahlen.

„Er leidet an einem akuten Gerechtigkeitsfieber.“ (Relling über Gregers, S. 76)

Frau Sørby tritt auf. Sie berichtet, Werle sei schon nach Høydal abgereist, sie werde ihm bald folgen. Sie will Werle heiraten und erklärt den Anwesenden, ihr Zukünftiger wisse alles über ihre Vergangenheit. Sie werde sich gut um ihn kümmern, wenn er bald vollständig blind sei. Hjalmar bittet sie, seinem Vater auszurichten, er werde das Geld zurückzahlen, mit dem dieser ihn unterstützt hat. Auf dem Weg hinaus begegnet Frau Sørby Hedvig und steckt ihr einen Brief zu. Diesen zeigt Hedvig ihren Eltern. Hjalmar öffnet ihn und findet eine Schenkungsurkunde: Ekdal erhält eine monatliche Rente von 100 Kronen. Nach seinem Tod geht das Geschenk auf Hedvig über. Gregers warnt ihn, das Geschenk sei eine Falle, ein Versuch, ihn zu kaufen. Hjalmar zerreißt die Urkunde. In ihm keimt ein Verdacht: Ist Hedvig vielleicht gar nicht sein Kind? Gina kann es ihm nicht sagen – sie weiß es selbst nicht. Hjalmar will die Familie verlassen. Hedvig ist für ihn nicht mehr seine Tochter. Als das Mädchen das hört, ist es verzweifelt. Das hat Gregers nicht gewollt – er versucht, seinen Freund zu beruhigen, doch vergeblich. Hjalmar geht.

Das Opfer

Gregers spricht mit Hedvig. Er rät ihr dazu, die Wildente, die Hjalmar nicht mag, zu opfern, um ihm ihre Liebe zu beweisen. Sie erklärt sich dazu bereit. Hjalmar ist mit Relling losgezogen und bleibt in dessen Wohnung. Relling kommt herauf und erklärt Gregers, dass Hjalmar keine eigene Persönlichkeit habe und immer überschätzt wurde. Das habe ihn krank gemacht. Auch bei Gregers diagnostiziert er ein Leiden – „Gerechtigkeitsfieber“. Leider sei Gregers mit seiner „idealen Forderung“ an die falsche Adresse geraten. Um Hjalmar zu heilen, habe Relling ihn darin bestärkt, an der Erfindung weiterzuarbeiten. Die Lebenslüge tue ihm gut, genau wie Ekdal das Jagen auf dem Dachboden glücklich mache.

„Es gibt da gewisse Forderungen. – Wie soll ich sie nennen? Sagen wir: ideale Forderungen – gewisse Erwartungen, die ein Mann nicht zur Seite schieben kann, ohne dass seine Seele Schaden erleidet.“ (Hjalmar, S. 79)

Hjalmar kommt zurück und will seine Sachen packen, um auszuziehen. Gina kann ihn umstimmen und überzeugt ihn, dass es falsch wäre, die Schenkung abzulehnen. Sie kleben das Blatt wieder zusammen. Gregers fragt ihn, ob er es sich nicht noch einmal anders überlegen will, doch Hjalmar bleibt dabei, dass Hedvig sein Leben verdüstert. Er unterstellt ihr, alle Zuneigung nur gespielt zu haben. Da hören sie einen Schuss vom Dachboden. Sie finden Hedvig mit einer tödlichen Wunde. Relling sieht Hinweise darauf, dass sie sich mit Absicht erschossen hat. Gregers glaubt, der Verlust werde Hjalmar wachsen lassen. Relling bezweifelt das und hofft, dass Menschen wie Gregers irgendwann von ihrer „idealen Forderung“ Abstand nehmen und die anderen in Ruhe lassen werden.

Zum Text

Aufbau und Stil

In fünf Akten entfaltet Henrik Ibsen die Geschichte der Familien Ekdal und Werle – vom Festessen und den nachfolgenden Gesprächen im ersten und zweiten Akt über die Offenbarungen im dritten und vierten Akt bis zum Höhepunkt, dem Selbstmord Hedvigs, im fünften Akt. Das Stück folgt damit dem klassischen Aufbau der Tragödie mit Exposition, erregendem Moment (Gregers zieht um), Wendepunkt (Hjalmar erfährt von Ginas Affäre), fallender Handlung (die ganze Wahrheit kommt ans Licht) und Katastrophe (Hedvigs Tod). Die aristotelische Einheit von Ort und Zeit bleibt indes nicht gewahrt: Der erste Akt spielt im Haus des Großhändlers Werle, die weiteren im Haus von Hjalmar Ekdal. Die Geschehnisse spielen sich binnen drei Tagen ab. Wie viele von Ibsens Stücken ist auch Die Wildente ein sogenanntes analytisches Drama: Nach und nach enthüllt es, wie es zu der Situation gekommen ist, mit der der erste Akt beginnt. Ibsens Sprache ist einfach und doch höchst geschliffen. Jedes Wort ist am rechten Platz und das Ganze schillert vieldeutig. Das Symbol der Wildente steht in einem weitreichenden Geflecht von Bedeutungen und Anspielungen, die sich durch das ganze Stück ziehen.

Interpretationsansätze

  • Im Mittelpunkt des Stücks steht die Familientragödie der Werles und der Ekdals. Sie beginnt mit dem – im Text lediglich angedeuteten – Verrat des alten Werle, der seinen Komplizen Ekdal ins Gefängnis bringt. Die Geheimnisse kommen nach und nach ans Licht – der Zuschauer erfährt sie zusammen mit den Protagonisten.
  • Der Aufbruch in die Moderne ist eines der Grundmotive des Stücks. Weder die alte noch die neue Ordnung erscheinen dabei in positivem Licht. Die Kammerherren schmarotzen beim Kapitalisten Werle, der aus Eigennutz das Leben seines Kompagnons Leutnant Ekdal zerstört hat. Hjalmar als Fotograf könnte den technischen Fortschritt, die Aufbruchstimmung der Mittelschicht repräsentieren, doch er ist bequem, launisch und apathisch. Er bleibt vom reichen Herrn abhängig und richtet seine Wut gegen die eigene Familie, anstatt sich aufzulehnen. Allein die abgeklärte Tatkraft der Frauen, Gina und Frau Sørby, hält die Geschäfte am Laufen und lässt die Männer im Glauben, sie seien Herr des Geschehens.
  • Das Stück konfrontiert Ideal und Wirklichkeit. Moralischer Rigorismus trifft auf menschliche Fehler. Gregers stellt seine „ideale Forderung“ auf, der die Realität nicht genügen kann. Die von ihm postulierte „wahre Ehe“ ohne Geheimnisse wird von Werle und Frau Sørby praktiziert, Gina und Hjalmar dagegen scheitern. Gregersʼ Einflüsterungen und Hjalmars Weigerung, die Vergangenheit ruhen zu lassen, kosten Hedvig das Leben.
  • Gregersʼ „Gerechtigkeitsfieber“ trägt religiöse Züge, auch wenn sein Idealismus nicht religiös fundiert ist. Seinen moralischen Forderungen, die eigentlich ein projiziertes Aufbegehren gegen seinen Vater sind, steht Rellings empathische Resignation gegenüber: Die Menschen sind voller Makel und brauchen oft eine Lebenslüge, um glücklich zu sein.
  • Die Figur des erfolglosen Tüftlers, im Stück repräsentiert durch Hjalmar, war unter zeitgenössischen Autoren beliebt und zeigt viele Parallelen zum romantischen Dichtergenie, das auf Inspiration wartet. Der Dachboden wird zur Persiflage des „locus amoenus“, des antiken Idylls, in das sich der Dichter von der Welt zurückzieht.

Historischer Hintergrund

Norwegen im 19. Jahrhundert

Nach den Napoleonischen Kriegen wurde Norwegen, das vorher zu Dänemark gehört hatte, ein autonomer Staat unter schwedischer Oberherrschaft. Das Königreich bekam eine liberale Verfassung: Das Parlament erhielt Mitspracherecht, war aber dem König unterstellt. Ein Beamtenkabinett führte die Staatsgeschäfte. In den 1870er-Jahren brach der Konflikt zwischen den bisherigen Machthabern im Staat und demokratischen, reformerischen Kräften aus. Während die Konservativen, die sich vornehmlich aus den Reihen der Bürokraten rekrutierten, den Status quo beibehalten wollten, fanden sich in den Reihen der Progressiven vor allem Bauern, Lehrer, Anwälte und Intellektuelle. Diese Gruppierung setzte sich bei den Parlamentswahlen von 1882 mit überragender Mehrheit durch. Als sich das bestehende Kabinett weigerte, zurückzutreten, wurde es entmachtet, und 1884 wurde erstmals ein Progressiver mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Regierung war nun dem Parlament verantwortlich.

Der politische Umschwung war ein direktes Resultat der tiefgreifenden wirtschaftlichen Umbrüche, die das Land seit Mitte des 19. Jahrhunderts durchmachte. Bis 1840 war Norwegen eine Selbstversorgerwirtschaft mit fast mittelalterlichen Strukturen gewesen. Dank rasanter Industrialisierung schloss es in wenigen Jahrzehnten zum übrigen Europa auf. Die Gesellschaft war hinsichtlich religiöser wie sozialer Fragen quer durch alle Schichten in ein konservatives und ein revolutionäres Lager gespalten. Diese Spannung schlug sich auch in Kunst und Literatur nieder, unter anderem in den Romanen Arne Garborgs und den Stücken Henrik Ibsens. In der Malerei bereitete Edvard Munch den Weg für den Expressionismus.

Entstehung

Die Wildente entstand in der Spätphase von Henrik Ibsens literarischem Schaffen, das rund 50 Jahre und mehr als 25 Werke umfasst. Schon in seinen Stücken Die Stützen der Gesellschaft (1877) und Nora oder Ein Puppenheim (1879) hatte Ibsen die Familie als Spiegelbild der Gesellschaft gezeichnet. Als er im Winter 1882 mit der Arbeit an der Wildente begann, war gerade sein Stück Ein Volksfeind erschienen. Im August 1884 stellte Ibsen Die Wildente fertig und war mit dem Ergebnis zufrieden. An seine Frau schrieb er: „(…) ich glaube, es hätte nicht leicht besser gemacht werden können“. Mit dem Stück reagierte er auf gesellschaftliche Entwicklungen: Der Übergang von der alten politischen Struktur, wie sie die Kammerherren repräsentieren, zum neuen Kapitalismus, durch Werle personifiziert, ist überall im Stück spürbar. Auch neue Entwicklungen wie die Fotografie werden aufgegriffen – erst ab 1866 gab es überhaupt die Möglichkeit, sich in dem Handwerk ausbilden zu lassen.

1883 war Max Nordaus Die conventionellen Lügen der Kulturmenschheit erschienen, das die zerstörerische Kraft der Zweckehe beklagte. Die Schrift hat wohl Einfluss auf Ibsens Stück ausgeübt; vor allem für Gregersʼ missionarischen Anspruch finden sich darin Parallelen. Eifernde Figuren, die das Leben ihrer Mitmenschen mit ihren unerbittlichen Idealen zerstören, waren auch in anderen Stücken Ibsens zentral, etwa in Brand (1866).

Wirkungsgeschichte

Die Wildente erschien 1884 im dänischen Gyldendal-Verlag in einer Auflage von 8000 Stück – eine enorm hohe Zahl für ein noch unaufgeführtes Stück. Andere Ibsen-Stücke waren sogar mit 10 000 Exemplaren erschienen. Die Uraufführung fand im Januar 1885 im norwegischen Bergen statt.

In gleich zwei Romanen spielt das Stück eine tragende Rolle: In Holzfällen (1984) von Thomas Bernhard tritt ein eitler Burgschauspieler auf, der zuvor den Ekdal gespielt hat, und in Scham und Würde (1994) von Dag Solstad wird das Stück im Schulunterricht diskutiert.

1976 wurde das Stück mit Bruno Ganz in der Hauptrolle von Hans Geißendörfer verfilmt. Die Kritik reagierte verhalten – zu wenig sei das Potenzial der Tragödie ausgeschöpft worden. 2016 verfilmte Simon Stone die Geschichte in einer recht freien Adaption. In The Daughter mit Sam Neill und Geoffrey Rush in den Rollen der beiden älteren Hauptfiguren wird Hedvigs Geschichte in den Mittelpunkt gestellt.

Die Literaturwissenschaft setzte sich vor allem mit Ibsens Frauenbild und seinem Einsatz für die Emanzipation sowie mit den psychoanalytischen Lesarten seiner Werke auseinander. Hinsichtlich der Wildente wurden und werden vor allem die literarischen Tricks und Stilmittel diskutiert, mit denen Ibsen Sympathie und Aufmerksamkeit des Lesers lenkt. Die Wildente wird weiterhin regelmäßig und international gespielt. Die vielschichtige Symbolik und gesellschaftskritischen Aussagen des Stücks lassen Raum für immer neue Interpretationen und Inszenierungen.

Über den Autor

Henrik Ibsen wird am 20. März 1828 als ältestes von fünf Geschwistern im norwegischen Skien geboren. Sein Vater ist ein erfolgreicher, aber auch risikofreudiger Geschäftsmann: 1835 geht er in Konkurs, die Familie muss den Ort verlassen. 1844 beginnt der Sohn eine Lehre als Apothekergehilfe in der Küstenstadt Grimstad. Er schreibt Gedichte sowie das Theaterstück Catilina und bereitet sich im Selbststudium auf das Abitur vor, um Medizin studieren zu können. 1850 zieht Ibsen in die Hauptstadt Kristiania (heute Oslo), kommt in Kontakt mit der revolutionären Arbeiterbewegung und schreibt Satiren. Catilina wird gedruckt, 1852 wird Ibsen Hausautor und Regisseur des Norwegischen Theaters in Bergen. 1856 spielt man dort sein nationalromantisches Stück Das Fest auf Solhaug (Gildet paa Solhoug). Ein Jahr später wechselt Ibsen zum Norwegischen Theater nach Kristiania. 1858 heiratet er Suzannah Thoresen, im folgenden Jahr wird Sohn Sigurd geboren. Ibsen engagiert sich für die norwegische Sprache und Kultur, hat aber wenig Erfolg; das Theater macht Bankrott und er gerät in Geldnöte. Ibsen wendet sich von der Nationalromantik ab, sucht sein Glück im Ausland und zieht mit der Familie 1864 nach Rom. Das Drama Peer Gynt von 1867 ist eine kritische Auseinandersetzung mit nationalromantischen Ideen und wird 1876 mit Edvard Griegs Musik am Kristiania-Theater uraufgeführt. 1868 zieht Ibsen mit seiner Familie nach Dresden. 1874 besucht er für einige Wochen sein Heimatland Norwegen und wird dort enthusiastisch begrüßt. Die Familie zieht nach München, dann wieder nach Rom. 1879 vollendet er das Schauspiel Nora oder Ein Puppenheim (Et Dukkehjem), das als Kampfschrift der Frauenemanzipation gelesen wird; zwei Jahre später folgt Gespenster (Gengangere), das wegen seiner provokanten Themen zunächst in Europa nicht aufgeführt wird. 1891 kehrt Ibsen nach Norwegen zurück. Er stirbt am 23. Mai 1906 nach einer Reihe von Schlaganfällen in Kristiania und erhält ein Staatsbegräbnis.

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