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Dom Karlos

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Dom Karlos

Infant von Spanien

dtv,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
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Was ist drin?

Schillers spanisches Drama ist ein düsteres Manifest gegen die Unterdrückung und ein Bekenntnis zur Freiheit.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Weimarer Klassik

Worum es geht

Das Drama der Freiheit

Kein anderes Werk Schillers hat unter Kritikern solche Kontroversen ausgelöst wie Dom Karlos. Ist es nun eine Familientragödie oder ein revolutionäres Ideendrama? Ein spätes Jugendwerk oder ein früher Klassiker? Die Antwort muss wohl lauten: all das und noch viel mehr. Das Stück spielt im absolutistischen Spanien des 16. Jahrhunderts. Es dreht sich um das gestörte Verhältnis zwischen König Philipp II. und seinem Sohn Karlos, um dessen verzweifelte Liebe zur Stiefmutter, um Eifersucht und höfische Intrigen und um den Freiheitsdrang der Unterdrückten. In der Geschichte der zerrütteten Königsfamilie spiegelt sich zugleich der Zustand eines von innen verfaulenden politischen Systems wider. Denn obwohl der Marquis von Posa mit seinen idealistischen Träumen vom Sieg der Freiheit und der Vernunft am Ende scheitert – bald schon sind diese Ideen nicht mehr aufzuhalten: Zwei Jahre nach Schillers dramatischer Hymne an die Freiheit ereignete sich die Französische Revolution. Heute kann das Stück als Mahnung dienen, die erkämpften Freiheiten nicht als selbstverständlich hinzunehmen.

Take-aways

  • Das Drama Dom Karlos entstand im Übergang vom frühen zum späten Schiller, vom Stürmer und Dränger zum Klassiker.
  • Es spielt im Spanien des Jahres 1568, während der Herrschaft des despotischen Königs Philipp II.
  • Philipps Sohn Karlos ist in seine Stiefmutter Elisabeth verliebt, der Vater ist ihm fremd.
  • Der Marquis von Posa, Karlos’ Freund, will den Königssohn für die Befreiung Flan-derns von der spanischen Krone einspannen.
  • Einige intrigante Höflinge nähren unterdessen im König den Verdacht, dass seine Gemahlin ihn mit seinem Sohn betrügt. Philipp rast vor Eifersucht.
  • Da er des höfischen Opportunismus um ihn herum überdrüssig ist, trägt er dem unabhängigen Marquis von Posa auf, die Wahrheit herauszufinden.
  • Dieser arbeitet jedoch in erster Linie auf sein politisches Ziel hin: die Befreiung Flanderns. Er weiht Karlos nicht in seine Pläne ein und verliert dadurch dessen Vertrauen.
  • Um seinen Freund zu retten, bezichtigt der Marquis sich selbst der Liebe zur Königin und wird in der Folge vom König erschossen.
  • Nun will Karlos dem letzten Willen Posas gehorchen und macht sich zur Abreise in die Niederlande bereit, um dort die Rebellion anzuführen.
  • Doch die Entscheidung kommt zu spät: Der König hat von den Plänen erfahren und übergibt Karlos und Elisabeth der Inquisition.
  • Ursprünglich als fürstliche Familientragödie angelegt, entwickelte sich das Stück während der vierjährigen Schaffensphase zum politischen Ideendrama.
  • Zwei Jahre vor der Französischen Revolution lieferte Schiller darin ein Bekenntnis zu den republikanischen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Zusammenfassung

Gefangen am königlichen Hof

Der spanische Kronprinz Dom Karlos führt am königlichen Hof in Aranjuez ein armseliges Dasein. Seine Mutter ist kurz nach seiner Geburt gestorben und sein Vater, König Philipp II., behandelt ihn seit jeher wie einen Fremden. Außerdem quält ihn ein schreckliches Geheimnis, das er seinem Freund und einzigen Vertrauten, dem Marquis von Posa, gesteht: Karlos liebt seine Stiefmutter, Elisabeth von Valois, die eigentlich ihm zur Ehe versprochen war. Doch um den Frieden zwischen Frankreich und Spanien zu festigen, wurde sie mit seinem Vater vermählt. Der Marquis von Posa zeigt Verständnis für Karlos. Seine Gedanken kreisen jedoch vor allem um das Schicksal der flandrischen Provinzen, die sich in offener Auflehnung gegen die spanische Herrschaft befinden. Er versucht, den liebeskranken Karlos mit seiner eigenen idealistischen Gesinnung anzustecken, in der Hoffnung, dass der Königssohn den Provinzen Frieden und Freiheit bringen werde. Da Elisabeth Posas politische Ideale teilt, erklärt dieser sich bereit, ein geheimes Treffen zwischen ihr und Karlos zu arrangieren.

Zurückgewiesene Gefühle

Die Königin ist gewöhnlich rund um die Uhr von Hofdamen oder anderen Sittenwächtern umgeben. Doch dank der Vermittlung seines Freundes findet Karlos sich für einige Minuten mit seiner Angebeteten allein. Er gesteht ihr in glühenden Worten seine Liebe. Doch Elisabeth weist ihn erschrocken zurück: Zwar liebe sie ihren Gemahl nicht, doch ehre sie ihn und habe nicht die Absicht, sich in eine tödliche Affäre zu verwickeln. Sie appelliert stattdessen an Karlos’ Pflichten als Thronfolger, bietet ihm mütterliche Freundschaft an und gibt ihm einige Briefe aus den Niederlanden mit, die sie vom Marquis erhalten hat. Als der König auftaucht, verschwindet sein Sohn eiligst.

„Ein schreckliches / Geheimniß brennt auf meiner Brust. Es soll, / es soll heraus. In Deinen blassen Mienen / will ich das Urtheil meines Todes lesen. / Hör’ an - erstarre - doch erwiedre nichts - / Ich liebe meine Mutter.“ (Karlos zum Marquis,“

Philipp ist äußerst ungehalten, als er seine Frau entgegen den höfischen Vorschriften allein im Garten vorfindet, und verstößt zur Strafe eine ihrer Hofdamen aus Spanien. Seine krankhafte Eifersucht betrübt Elisabeth. Sie erinnert sich wehmütig an ihre Heimat Frankreich, wo die Menschen so viel mehr Freiheiten genießen. Der König sinnt unterdessen über die Gefahren nach, die ihm vonseiten seines Sohnes drohen, und kündigt dann seiner entsetzten Gemahlin an, sie am folgenden Tag zu einigen Ketzerverbrennungen in Madrid mitzunehmen.

Gelöbnis und Zerwürfnis

Karlos hat nun alle Hoffnung aufgegeben, dass Elisabeth seine Liebe erwidern könnte. Er erklärt dem Marquis, dass er sich für die Niederlande einsetzen und seinen Vater bit-ten will, ihn selbst anstelle des grausamen Herzogs von Alba mit einem Heer dorthin zu entsenden. Am Ende eines emotionalen Gesprächs schwören sich die beiden feierlich ewige Freundschaft und Brüderlichkeit. Das Bündnis soll auch dann noch gelten, wenn Karlos eines Tages König wird.

„Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, / was würde mir der König sein?“ (Karlos, S. 27)

Die erhoffte Versöhnung mit dem Vater hingegen gelingt nicht. Philipp begegnet Karlos’ Bitte um väterliche Liebe kühl und argwöhnisch. Nur kurz ist ein Anflug von Bedauern zu erkennen, als Karlos das traurige Bild eines alten, einsamen Herrschers heraufbeschwört, der seinen einzigen Sohn verstoßen hat. Doch als Karlos ihn schließlich um die Entsendung nach Flandern bittet, ist Philipp wieder ganz der gefühllose Tyrann: Mit seinen 23 Jahren sei Karlos viel zu jung und unerfahren für diese große Aufgabe, entgegnet er schroff. Mehr noch: Mit der mächtigsten Armee der Spanier im Rücken würde er sogar zum potenziellen Umstürzler und Vatermörder. Karlos weicht bestürzt zurück und verlässt Philipp mit unheilvollen Worten. Rückblickend stimmt die Unterredung den König nachdenklich. Er erklärt dem ers-taunten Herzog von Alba, dass Karlos dem Thron künftig näherstehen solle als bisher.

Schicksalhaftes Stelldichein

Ein geheimnisvoller Brief stellt Karlos’ Welt erneut auf den Kopf: Er wird zum Rendezvous in das Vorzimmer der Königin gebeten. Unterzeichnet ist die Notiz mit dem Buchstaben E. Elisabeth? Als der verliebte Prinz eintritt, glaubt er, sich im Zimmer geirrt zu haben, denn statt der Königin erblickt er die Prinzessin von Eboli, eine von Elisabeths Hofdamen. Sie hat Karlos zum romantischen Stelldichein geladen, weil sie seine schmachtenden Blicke fälschlicherweise auf sich statt auf die Königin bezogen hat. In dem verzweifelten Versuch, Karlos für sich zu gewinnen, zeigt die Prinzessin ihm einen Brief des Königs. Aus diesem geht hervor, dass Philipp sie zu seiner Mätresse machen will. Nach langem Hin und Her erkennen beide, dass ein Missverständnis vorliegt. Die Eboli verlangt den Brief des Königs zurück, doch Karlos rückt ihn nicht heraus und verlässt triumphierend die Kammer. Erst jetzt wird der Prinzessin schmerzhaft bewusst, dass Karlos in Wahrheit seine Stiefmutter liebt. Sie schwört Rache für die Zurückweisung.

Das Komplott

Der Herzog von Alba und Domingo, der Beichtvater des Königs, spinnen unterdessen ein Netz, in dem sich Karlos und die Königin verfangen sollen. Sie halten beide für gefährliche Anhänger neuer, freiheitlicher Ideen und daher für Feinde der katholischen Kirche und der spanischen Krone. Ihr Plan sieht vor, den König mit geschickt gestreuten Andeutungen in seinem Verdacht zu bestärken, dass Elisabeth ihn mit Karlos betrügt. Noch während sie ihre Strategien erörtern, erscheint die Prinzessin von Eboli und lässt Domingo, der sich offenbar als Kuppler betätigt, wissen, dass sie den König entgegen ihrer früheren Absicht empfangen wolle. In ihrem verletzten Stolz nennt sie als Grund für den Sinneswandel, sie habe Beweise für den Treuebruch der Königin und sei deshalb nicht mehr durch moralische Bedenken gebunden. Der Herzog und Domingo sind begeistert. Sie überreden die Prinzessin, die Beweise dem König während ihres Schäferstündchens selbst zu unterbreiten. Schließlich sei sie um vieles glaubwürdiger als sie beide, die Philipp als Feinde des Prinzen kenne.

„Elisabeth / war Ihre erste Liebe. Ihre zwote / sei Spanien. Wie gerne, guter Karl, / will ich der besseren Geliebten weichen!“ (Elisabeth zu Karlos, S. 57 f.)

Karlos trifft den Marquis von Posa in einem Kartäuserkloster und teilt ihm mit, dass er nicht nach Flandern gehen werde, da es der König nicht erlaube. Viel wichtiger erscheint Karlos aber die Nachricht vom Treuebruch Philipps an seiner Frau. Denn diese, so frohlockt er, sei nun frei! Posa kann die Freude seines Freundes nicht teilen. Er glaubt nicht an die Tugendhaftigkeit der Prinzessin von Eboli und warnt Karlos vor der Rache enttäuschter Liebe. Außerdem missfällt ihm die Tatsache, dass die politischen Ideale des Prinzen sich angesichts seiner romantischen Fantasien innerhalb weniger Stunden in nichts aufgelöst haben. Schließlich zerreißt er den verräterischen Brief Philipps an die Prinzessin von Eboli, den Karlos seiner Stiefmutter zeigen wollte. Die Gefühle Elisabeths wolle er verletzen, tadelt der Marquis, und nenne das auch noch Liebe? Er verspricht seinem Freund beim Abschied, erneut ein Treffen zwischen ihm und der Königin zu arrangieren, damit diese Karlos ins politische Gewissen redet.

Königliche Eifersucht

Die Prinzessin von Eboli entwendet aus der Schatulle der Königin alte Briefe von Karlos an Elisabeth sowie ein Medaillon und überreicht die Objekte dem König. Dieser ruft Alba und Domingo zu sich, um sie über den möglichen Treuebruch seiner Gattin auszuhorchen. Die beiden versuchen, seinen Verdacht zu verschärfen, ohne selbst als Anschwärzer dazustehen. Doch Philipp durchschaut ihr Spiel und schickt sie verärgert fort. Zernagt von Zweifeln geht er auf der Suche nach uneigennütziger Hilfe eine Namensliste von Edelmännern durch. Dabei fällt ihm auf, dass der Marquis von Posa als Einziger in seinem gesamten Hofstaat noch nie als Bittsteller vor ihn getreten ist. Kurz entschlossen schickt er Alba mit der Nachricht zum Marquis, dieser möge ihn so schnell wie möglich aufsuchen.

Wind der Veränderung

Der König ist vom Marquis beeindruckt, obwohl sich dieser offen als Anhänger freiheitlicher Ideen, als Freund der Menschheit und als Gegner von Absolutismus und Inquisition zu erkennen gibt. Er erwähnt die nach Freiheit strebenden Provinzen in Flan-dern und bezeichnet den in Spanien herrschenden Frieden als die „Ruhe eines Kirchhofs“. Philipp verunsichert diese flammende Rede. Doch gleichzeitig empfindet er es als erfrischend, nach Jahren der Schmeichelei und des Opportunismus dieser entwaffnenden Ehrlichkeit zu begegnen. Er warnt den Marquis vor der Inquisition, gibt ihm jedoch gleichzeitig den Auftrag, die Wahrheit über seine Frau und seinen Sohn herauszufinden. Schließlich lässt er alle Höflinge wissen, dass der Marquis von Posa in Zukunft unangemeldet vorgelassen werden soll.

„Dem menschlichen Geschlechte Menschen opfern, / ist höhere Barmherzigkeit, mein Prinz, / als auf Gefahr der Menschheit Menschen lieben.“ (Alba, S. 104)

Der Marquis möchte die Gunst der Stunde nicht ungenutzt lassen. Ohne es den König wissen zu lassen, will er Karlos nach Flandern schicken, damit dieser dort die Rebellion anführe. Elisabeth ist begeistert und sichert ihm ihre Hilfe zu. Doch in Karlos beginnen sich böse Zweifel an seinem Freund zu regen: Der Graf von Lerma flüstert ihm zu, dass der Marquis ein langes Gespräch mit seinem Vater geführt habe und nun in dessen Diensten stehe. Kurz darauf bittet ihn der Marquis, ihm vorsichtshalber seine Mappe mit wichtigen Briefen und Dokumenten zu überlassen. Schweren Herzens trennt Karlos sich von den Schriftstücken – noch überwiegt das Vertrauen zu dem Freund.

Verdacht folgt auf Verdacht

Die Königin meldet ihrem Gemahl, dass Briefe und ein Medaillon aus ihrer Schatulle gestohlen wurden. Sie antwortet offenherzig auf die misstrauischen Fragen ihres Mannes: Ja, die Briefe stammten von Karlos. Er habe sie vor ihrer Hochzeit mit Philipp geschrieben. Als Elisabeth ihre Tochter mit dem vermissten Medaillon spielen sieht, wird ihr klar, dass ihr Mann hinter dem Diebstahl steckt. Mutig bietet sie dem König die Stirn. Sie besteht auf ihrer Unschuld und ihrem Recht, unverfänglichen Umgang mit dem Stiefsohn zu pflegen. Doch Philipp macht weiter böse Andeutungen, sodass sie schließlich in Ohnmacht fällt und sich dabei eine Wunde zuzieht. Der Marquis deckt anschließend das Komplott auf: Er zeigt dem König den Brief der Prinzessin von Eboli an Karlos und entlarvt die Intriganten Alba und Domingo. Philipp sieht sein Unrecht ein.

„O Karl, / wie arm bist Du, wie bettelarm geworden, / seitdem Du niemand liebst als Dich!“ (Marquis zu Karlos, S. 173)

Karlos, von dem Aufruhr herbeigerufen, erfährt von Lerma, dass der Marquis dem König Briefe aus seiner Mappe gezeigt hat und außerdem zum Minister ernannt wurde. Karlos glaubt sich verraten. In seiner Not läuft er zur Prinzessin von Eboli und bittet sie auf Knien, ihn zu Elisabeth vorzulassen. Genau in diesem Moment kommt der Marquis ins Zimmer. Er nimmt fälschlicherweise an, dass Karlos ihr alles gestanden hat, und lässt ihn festnehmen – zu seinem eigenen Schutz. Um ein Haar erdolcht der Marquis die Prinzessin, aus Angst, sie könnte Karlos’ Geständnis verraten. In hysterischer Verzweiflung eilt die Prinzessin zur Königin und beichtet ihr die Intrige und den Ehebruch mit dem König. Sie wird in ein Kloster verbannt.

Opfer und Verderben

Der Marquis bittet nun die Königin, Karlos mit ein paar Zeilen in seiner politischen Mission zu bestärken. Sie verspricht es ihm. Posa verschweigt ihr dabei sein eigenes Opfer: Wohl wissend, dass sämtliche Post nach Flandern vom König abgefangen wird, hat er einen Brief nach Brüssel geschickt, in dem er sich selbst der Liebe zur Königin bezichtigt. Er besucht Karlos im Gefängnis und eröffnet ihm die ganze Wahrheit. Sein einziger Fehler sei es gewesen, ihn nicht früher ins Vertrauen gezogen zu haben. Plötzlich fällt ein Schuss – der Marquis von Posa wurde durch die Gittertür erschossen. Triumphierend erscheint der König und möchte seinen Sohn in die Arme schließen. Doch dieser weicht entsetzt zurück. Er erklärt dem Vater, dass der Marquis sich für ihn geopfert habe, und enthüllt ihm die List mit dem Brief. Gleichzeitig ist vor den Toren des Palastes eine Rebellion ausgebrochen: Das Volk verlangt seinen Kronprinzen zurück.

„Ich liebe / die Menschheit und in Monarchien darf / ich niemand lieben als mich selbst.“ (Marquis zum König, S. 217)

Der Opfertod seines Freundes hat Karlos gebrochen. Doch als er hört, dass die Königin ihn sehen will, kehrt Leben in ihn zurück. Um Mitternacht geht er zu ihr. Er verkleidet sich als Mönch, um die Wachen zu täuschen, denn diese hängen dem Volksglauben an, dass der Geist seines Großvaters, Kaiser Karls V., nachts in einer Mönchskutte durch das Schloss streife. Was Karlos nicht weiß: Der Marquis hat vor seinem letzten Gang einen Brief an ihn geschrieben. Darin schildert er haargenau jede Phase des Unabhängigkeitskrieges, der die Niederlande mit Karlos’ Hilfe von der spanischen Schreckensherrschaft befreien soll. Doch auch dieser Brief wird abgefangen und gerät in die Hände des Königs. Außerdem erfährt Philipp, dass Elisabeth an der Verschwörung beteiligt ist. Der König lässt nach dem greisen und blinden Großinquisitor schicken, der ihn aufs Schärfste zurechtweist: Niemals hätte sich der spanische König mit einem Ketzer wie dem Marquis von Posa abgeben dürfen. Gemeinsam gehen sie zur Kammer der Königin, wo Karlos gerade eingetroffen ist, um vor seiner Abreise nach Flandern Abschied von ihr zu nehmen. Kalt und beherrscht übergibt der König Ehefrau und Sohn dem Großinquisitor.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Fünfakter Dom Karlos hält sich streng an die Regeln der klassischen Dramentheorie: Um die darin geforderte Einheit von Ort, Zeit und Handlung zu wahren, begegnet Schiller der historischen Chronologie der Ereignisse mit großer dichterischer Freiheit. Im Drama passiert innerhalb von fünf Tagen, was sich in Wahrheit über 20 Jahre hinzog. Der erste Akt stellt die Figuren und die Ausgangssituation vor (Exposition), im zweiten spitzt sich die Handlung durch das Missverständnis mit der Prinzessin von Eboli zu, und im dritten wird der Höhepunkt (Klimax) mit der weltverbesserischen Rede des Marquis an den König erreicht. Im vierten Akt kommt es durch die Intrige der Höflinge zum Umschwung (Peripetie), um im fünften schließlich in die Katastrophe zu münden, den Untergang von Posa, Karlos und Elisabeth. Schiller folgt im Dom Karlos auch der so genannten Ständeklausel, nach der alle zentralen Figuren eines Dramas adliger Herkunft sein müssen. Die realistische Prosa seiner frühen Werke gibt er hier zugunsten des reimlosen Blankverses mit seinen fünf Jamben auf (ein Jambus ist eine Kombination aus einer unbetonten und einer betonten Silbe, wie z. B. im Wort „Verrat“). Die dramatische Spannung steigert Schiller auf eine Weise, die an Kriminalromane erinnert: Mithilfe vager Andeutungen und Vermutungen wirft er Rätsel auf, die sich erst nach einigen Verzögerungen auflösen. Das führt zwar einerseits zu Überraschungen, trägt andererseits aber auch zur Verwirrung bei. Bei den verwickelten Intrigen und Gegenintrigen kann man so schon mal den Überblick verlieren.

Interpretationsansätze

  • Dom Karlos ist Familientragödie und politisches Ideendrama zugleich. Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen Vater und Sohn. Der scheinbar private Widerstreit ist aber auch eine Spiegelung des Aufeinanderprallens von Epochen und Wertvorstellungen: Absolutismus vs. Aufklärung.
  • Der Marquis von Posa dient als Sprachrohr Schillers, indem er dessen freiheitliche Ideen verkündet. Gleichzeitig klingt in dieser Figur aber auch schon die Dialektik der Aufklärung an: Im Namen des Menschheitsfortschritts opfert der Marquis die Freiheit des Einzelnen, indem er Karlos für seine Ziele instrumentalisiert. Er verstößt damit gegen die eigenen Prinzipien und muss deshalb scheitern.
  • Die Figur des Dom Karlos steht für die Zerrissenheit zwischen egoistischem Glücksstreben und dem uneigennützigen Einsatz für die Menschheit. Er besinnt sich erst auf seine Verantwortung, als es zu spät ist. Sein ewiges Zaudern wird ihm zum Verhängnis.
  • Mit der Königin Elisabeth schuf Schiller einen für seine Zeit ungewöhnlich starken Frauencharakter: Sie teilt zwar die politischen Ideale des Marquis, glaubt aber nicht daran, dass der Zweck die Mittel heiligt.
  • Die intriganten Höflinge Alba, Domingo und Eboli bekämpfen die neuen Ideen nur aus persönlichen Motiven: um sich zu rächen oder um ihre Macht aufrechtzuerhalten. Der wahre Feind der Aufklärung ist die Inquisition, die mit grausamen Methoden die Vormachtstellung der Kirche zu bewahren versucht. Ihr Sieg belegt am Ende die Ahnung des Marquis, seiner Zeit voraus gewesen zu sein.
  • Zwei Jahre vor der Französischen Revolution formuliert Schiller in Dom Karlos die republikanischen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Indem er diese am Ende scheitern lässt, bringt er bereits erste Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Ideale zum Ausdruck, Zweifel, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch zunehmen werden.

Historischer Hintergrund

Zwischen Sturm und Drang und Weimarer Klassik

Schillers Dom Karlos wurde 1787, zwei Jahre vor der Französischen Revolution, uraufgeführt. Die Handlung spielt 1568, während der Regentschaft des als „düsterer König“ in die Geschichte eingegangenen Philipp II., im Zeitalter des Absolutismus und der spanischen Inquisition. Historische Quellen geben zwar Auskunft über das schwierige Verhältnis zwischen Philipp und seinem Sohn Carlos, der von seinem Vater des Verrats beschuldigt wurde und 1568 im Gefängnis starb – von einer Liebesbeziehung zu seiner Stiefmutter ist jedoch nichts Gesichertes bekannt. Wie Schiller selbst feststellte, prallten in seiner Version des historischen Geschehens „zwei höchst verschiedene Jahrhunderte“ aufeinander. Die Geschichte des Abfalls der Niederlande von der spanischen Krone interpretierte Schiller ganz im Sinne der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die von dem Philosophen Immanuel Kant 1784 als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ definiert wurde. Im Mittelpunkt des aufklärerischen Denkens stand nicht mehr Gott, sondern der Mensch. „Geben Sie Gedankenfreiheit“ – diese oft zitierte Forderung des Marquis von Posa an den König war deshalb auch ein Appell Schillers an die Despoten seiner eigenen Epoche, die in den feudal-absolutistischen Kleinstaaten Deutschlands herrschten. Inhaltlich legt die revolutionäre und antiklerikale Grundhaltung des Dom Karlos eine Einordnung in die Reihe der so genannten Jugenddramen (Die Räuber, Kabale und Liebe) aus Schillers Sturm-und-Drang-Zeit nahe. Formal bewegte er sich aber bereits auf die Prinzipien der Weimarer Klassik zu: Der Glaube an die schöpferische, ungebändigte Kraft des Genies wich der Überzeugung, dass ein Künstler vielmehr nach objektiven und zeitlosen Idealen des Guten, Schönen und Wahren zu streben habe. Daher gilt Dom Karlos auch als „Scharnierstück“ zwischen Schillers Sturm-und-Drang-Werken und den späteren klassischen Geschichtsdramen (Wallenstein, Maria Stuart).

Entstehung

Von keinem anderen Drama Schillers gibt es so viele unterschiedliche Fassungen wie von Dom Karlos, das in den Jahren 1782–1787 entstand. Freiherr von Dalberg, der Intendant des Mannheimer Nationaltheaters, wies Schiller kurz nach der Uraufführung von dessen Erstling Die Räuber auf die Histoire de Dom Carlos, fils de Philippe II. des Abbés de Saint-Réal aus dem Jahr 1672 hin. Bereits Saint-Réal hatte, von historischen Quellen abweichend, die Figur des Königssohns auf Kosten des Vaters stark glorifiziert. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – schrieb Schiller im Juli 1782 an Dalberg, dass die Geschichte „allerdings den Pinsel eines Dramatikers“ verdiene. Seine ursprüngliche Idee war, ein „Familiengemälde in einem fürstlichen Hause“ zu zeichnen. Als Vorbild hierzu diente ihm Shakespeares Hamlet, mit dessen Titelfigur er seinen Karlos verglich. Ab 1785 begann Schiller, die ersten Fragmente des Dramas in der von ihm gegründeten Zeitschrift Rheinische Thalia abzudrucken. Er glaubte, dass die Reaktionen und Kritiken der Leser für den Schaffensprozess von Nutzen sein könnten. Offenbar überkamen ihn nämlich immer wieder Zweifel an seinem Werk. Noch 1786 schrieb er in der Thalia: „Es wird kaum mehr nötig sein zu bemerken, dass der Dom Karlos kein Theaterstück werden kann.“ Im Herbst desselben Jahres entschloss er sich dann doch, den Druck für die erste Buchausgabe vorzubereiten. Das halb fertige Stück weitete er nun von der Familientragödie zum politischen Ideendrama aus, indem er der Figur des Marquis von Posa mehr Bedeutung zuwies. Eine rückwirkende Bearbeitung der ersten Akte war aufgrund des Vorabdrucks jedoch nicht mehr möglich. Als das Werk im Juni 1787 erschien, war Schiller sehr unzufrieden damit. Im Laufe der Jahre bearbeitete er es im-mer wieder neu, zuletzt in seinem Todesjahr 1805, nun mit dem Titel Don Karlos. Schockiert von den Schrecken der Französischen Revolution, milderte er den Text ab und nahm ihm damit etwas von dem revolutionären Pathos der ersten Ausgabe.

Wirkungsgeschichte

Dom Karlos wurde am 29. August 1787 mit großem Erfolg in Hamburg uraufgeführt. Noch im selben Jahr folgten Leipzig und Riga und 1788 Frankfurt, Mannheim und Berlin. Das Drama ist mit 6282 Versen in der Erstausgabe – und immer noch 5370 Versen in der von Schiller gekürzten letzten Fassung – eines der längsten der deutschen Bühnengeschichte. Dennoch hat es sich beim Publikum durchgesetzt. Ein ständiger Begleiter des Stücks war die Zensur: Vor allem die kritische Darstellung des katholischen Klerus und der Auftritt des Marquis mit dem König am Ende des dritten Aktes („Geben Sie Gedankenfreiheit“) fielen immer wieder dem Rotstift zum Opfer. Umgekehrt bot sich das Stück gerade wegen dieser Brisanz für Aktualisierungen an. Je nach politischer Großwetterlage und nach individuellem Schillerverständnis inszenierten es die Regisseure als Liebes- oder Ideendrama, politisches Tendenz- oder Historienstück, bürgerliches Trauerspiel oder Läuterungsdrama. Anlässlich der Weltausstellung 1867 vertonte Guiseppe Verdi Don Carlos für die Pariser Oper, und seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Stoff mehrfach für Kino und Fernsehen verfilmt. 1990 lieferte der Dramatiker Tankred Dorst mit Karlos eine Adaption, die in engerer Anlehnung an historische Quellen den von Schiller idealisierten Helden in eine Art modernen Antihelden umdeutet.

Über den Autor

Friedrich Schiller wird am 10. November 1759 in Marbach am Neckar als Sohn eines Offiziers geboren. Auf Befehl des württembergischen Landesherrn Karl Eugen wird er in dessen Eliteschule in Stuttgart aufgenommen. Schiller behagt der militärische Drill in diesem Internat überhaupt nicht, wenngleich die Lehrkräfte und die Ausbildung hervorragend sind. Er studiert zunächst Jura und dann Medizin. Viel stärker lockt den jungen Mann aber die Schriftstellerei. Mehr oder weniger heimlich schreibt er sein erstes Drama Die Räuber, das 1782 in Mannheim uraufgeführt wird. Als er gegen den Willen Karl Eugens die Landesgrenzen überschreitet, wird er mit Haft und Schreibverbot bestraft. Schiller entzieht sich dem Zwang durch neuerliche Flucht und setzt seine schriftstellerische Arbeit fort. Die frühen Dramen erscheinen: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (1783) und Kabale und Liebe (1784). Unter ständiger Geldnot leidend, zieht er 1785 zu seinem Freund und Gönner Christian Gottfried Körner nach Sachsen, wo er u. a. die durch Beethovens Vertonung bekannt gewordene Ode An die Freude sowie den Dom Karlos (1787) schreibt. Aufgrund seiner viel beachteten Studie Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande schlägt Goethe ihn 1788 für den Lehrstuhl für Geschichte in Jena vor. Hier verfasst Schiller seine ästhetischen und historischen Schriften und heiratet 1790 Charlotte von Lengefeld. Nach seinem Umzug nach Weimar im Jahr 1799 schließt Schiller Freundschaft mit Goethe. Daraus ergibt sich eine der fruchtbarsten Dichterbekanntschaften aller Zeiten: In der Nähe Goethes beendet Schiller sein erstes klassisches Geschichtsdrama, die Wallenstein-Trilogie. Es folgen Maria Stuart und Die Jungfrau von Orleans (beide 1801), Die Braut von Messina (1803) und Wilhelm Tell (1804), aber auch ein umfangreiches lyrisches Werk. 1802 erhält er den Adelstitel. Seine schlechte körperliche Konstitution zwingt ihn immer wieder aufs Krankenlager. Am 9. Mai 1805 stirbt Schiller in Weimar.

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