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Frau Jenny Treibel

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Frau Jenny Treibel

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Liebesheirat oder gesellschaftlicher Aufstieg? Um diese Frage dreht sich Fontanes Roman, ein amüsantes Porträt des Berliner Bürgertums im späten 19. Jahrhundert.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Realismus

Worum es geht

Liebe im Berliner Bürgertum

Jenny Treibel hat es geschafft: Durch die Heirat mit einem Fabrikanten ist sie aus einfachen Verhältnissen ins Berliner Großbürgertum aufgestiegen. Stolz trägt sie den Pomp ihrer Klasse zur Schau und schwärmt gleichzeitig verklärt von der romantischen Liebe und vom einfachen Leben. Diese Ideale vergisst sie allerdings ganz schnell, als sich die kluge Professorentochter Corinna mit Jennys willenlosem Sohn Leopold verlobt. Die Mutter wirft ihr ganzes Gewicht in die Waagschale, um die nicht standesgemäße Verbindung zu verhindern. Der lebhaften Corinna bleibt trotz ihres Charmes der gesellschaftliche Aufstieg verwehrt, sie muss sich den bürgerlichen Konventionen fügen. Theodor Fontane hat mit Frau Jenny Treibel im Alter von 72 Jahren seine Höchstform erreicht. Voller Humor zeichnet der Meister des poetischen Realismus ein lebendiges Bild der Berliner Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Roman besitzt alle Qualitäten, für die Fontane verehrt wird: Lächelnd und voller Menschenliebe schildert der Autor unterschiedliche Charaktere, deren Gespräche er mit ironischen Seitenhieben auf die konservative Gesellschaft spickt. Die Lektüre von Fontanes witzigstem Werk ist eine Zeitreise in eine andere Welt, in der die Suche nach dem Glück aber offenbar ebenso dramatisch und komisch war wie heute.

Take-aways

  • Frau Jenny Treibel ist einer der bekanntesten Romane von Theodor Fontane.
  • Wie in manchen Werken des Autors (am berühmtesten: Effi Briest) stehen auch hier Frauenfiguren im Mittelpunkt.
  • Das Buch schildert auf vergnügliche Art, wie im späten 19. Jahrhundert die Jugend mit den bürgerlichen Konventionen in Konflikt gerät.
  • Jenny Treibel hat sich durch ihre Heirat mit einem wohlhabenden Fabrikanten im Berliner Großbürgertum etabliert.
  • Sie hält sich selbst für eine sentimentale Idealistin, entpuppt sich aber als Person voller Standesdünkel.
  • Gerne und oft singt sie ein romantisches Liebeslied, mit dem einst ihr Jugendfreund Professor Willibald Schmidt um sie warb.
  • Dessen charmante und kluge Tochter Corinna trifft an einem Diner in der Villa der Treibels auf Jennys langweiligen Sohn Leopold.
  • Corinna setzt es sich in den Kopf, Leopold zu heiraten, um in die großbürgerliche Gesellschaft aufsteigen zu können.
  • Als Jenny Treibel von der heimlichen Verlobung Corinnas mit Leopold erfährt, beschließt sie, gegen diese Verbindung zu kämpfen, und vergisst darüber alle ihre Ideale.
  • Lieber als mit Corinna verheiratet sie den willenlosen Leopold mit der Hamburgerin Hildegard, deren Familie sie bis dahin nicht ausstehen konnte.
  • Corinna erkennt ihre Machtlosigkeit und gibt ihren Plan mit leiser Enttäuschung auf. Standesgemäß heiratet sie ihren Vetter Marcell, der sie schon lange liebt.
  • Fontane erreichte mit diesem Werk im Alter von 72 Jahren seine stilistische Meisterschaft.

Zusammenfassung

Ein Diner in der Villa

Berlin, in einem Frühsommer am Ende des 19. Jahrhunderts: Jenny Treibel , die Frau eines Kommerzienrats und Fabrikanten, fährt in einer Kutsche vor dem Haus von Professor Willibald Schmidt vor. Die korpulente Frau ist Ende 50. Ihr stattliches, großbürgerliches Auftreten lässt nicht vermuten, dass sie als junges Mädchen in just dieser Straße im Materialwarenladen ihres Vaters gearbeitet hat. Frau Schmolke, die Haushälterin des Professors, bittet Frau Treibel herein, und diese wird als Freundin des Hauses von Schmidts Tochter Corinna herzlich begrüßt. Jenny Treibel war in ihrer Jugend mit dem Professor befreundet; er pflegte mit Gedichten um sie zu werben. Der Grund ihres Besuchs ist eine Einladung: Treibels geben am nächsten Tag ein Diner, zu dem auch ein englischer Geschäftsfreund geladen ist. Jenny wünscht sich die Anwesenheit Corinnas, weil diese nicht nur geistreich und charmant ist, sondern auch Englisch spricht. Corinnas Vetter Marcell Wedderkopp, ein Archäologiestudent, hat die Einladung zum Essen bereits angenommen, und auch Corinna freut sich auf den Abend im Haus der reichen Treibels.

„Ach, meine liebe Corinna, glaube mir, kleine Verhältnisse, das ist das, was allein glücklich macht.“ (Jenny Treibel, S. 12)

Am Tag darauf sind in der Treibel’schen Villa in Köpenick, direkt neben der familieneigenen Fabrik an der Spree, die Festvorbereitungen im Gang. Während Frau Treibel in voller Toilette die ankommenden Gäste durchs Fenster ihres Boudoirs beobachtet, widmet sich Kommerzienrat Treibel der Zeitungslektüre und lässt seine Gedanken schweifen. Zuerst trifft Treibels älterer Sohn Otto mit dessen Frau Helene ein. Kurz darauf erscheint Mr. Nelson, der jung aussehende, extravagante Ehrengast aus Liverpool, in einem gelb und braun karierten Anzug. Aus einer zweitklassigen Droschke entsteigt dann der pensionierte Leutnant Vogelsang, eine lächerlich steife Militärperson, die für den alten Treibel Wahlkampf betreibt. Auch Treibels jüngerer Sohn Leopold trifft ein, gefolgt von Corinna und Marcell. Zuletzt werden zwei alte Damen vorgefahren: Majorin von Ziegenhals und Fräulein Edwine von Bomst.

Corinnas Charmeoffensive

Die Gäste wandeln durch den mit einem Springbrunnen dekorierten Hintergarten in den Esssaal, wo der Kronleuchter schon brennt. Der alte Treibel setzt sich zwischen die beiden adligen Damen, vis-à-vis werden Leutnant Vogelsang, die Kommerzienrätin sowie der Hausfreund Adolar Krola platziert – ein ehemaliger Opernsänger, der eine Millionärstochter geheiratet hat. Jenny Treibel quetscht die beiden alten Damen über den neusten Hofklatsch aus, als der alte Treibel ihr zwinkernd zu verstehen gibt, sie solle sich mehr mit Vogelsang beschäftigen. Widerwillig wendet Jenny sich dem Leutnant zu und gerät bald in einen Streit über Poesie versus Prosa. Die Kommerzienrätin tritt dabei für die Gedichte ein, wie man sie in den besseren Klassen lese. Währendessen macht sich die Majorin von Ziegenhals unverhohlen lustig über den sonderbaren Vogelsang und wirft dem Kommerzienrat vor, er sei mit seinen konservativen Ambitionen auf die falsche politische Bahn geraten.

„Meine Mutter, wofür ich ihr noch im Grabe danke, war immer für die besseren Klassen. Und das sollte jede Mutter, denn es ist bestimmend für unseren Lebensweg.“ (Jenny Treibel zu Vogelsang, S. 34)

Am anderen Ende der Tafel sind die Gespräche heiterer. Dafür verantwortlich ist vor allem Corinna, die zwischen Mr. Nelson und Leopold Treibel sitzt. Gegenüber betrachtet Marcell eifersüchtig, wie Corinna mit Mr. Nelson schäkert. Sie spricht dabei betont lebhaft und sehr laut, damit der neben ihr sitzende Leopold auch bestimmt die ganze Fülle ihres Charmes erfasst. Corinnas Auftritt ist ein voller Erfolg, die männlichen Tischgenossen sind begeistert und verneigen sich bewundernd vor ihr, während Helene Treibel und Marcell die Szene mit Eifersucht und Skepsis betrachten. Leutnant Vogelsang sorgt mit einer pathetischen Lobrede auf die „Royaldemokratie“ für weitere Lacher am Tisch der Jungen, bevor die Gesellschaft sich am Ende des Mahls erhebt.

Gesang und ein Geständnis

Der Kaffee wird im Vorgarten serviert. Die zwei adligen Damen sind schon wieder aufgebrochen. Die Herren unterhalten sich bei Likör und Zigarren. Als der Tenor Adolar Krola sich für einige Lieder ans Klavier setzt, kommen die Leute erneut im Saal zusammen. Bald aber ziehen sich Mr. Nelson und Corinna wieder in den Garten zurück, wo die beiden weiterflirten. Als Krola sein Programm abgespult hat, ergibt sich eine leicht beklemmende Kunstpause, in der Frau Jenny Treibel auf die Bitte wartet, zum Abschluss selbst einige Lieder vorzutragen. Alle Gäste rechnen damit, weil sie dies bei jedem Diner tut – aber nie unaufgefordert. Als sie dann wie immer darum gebeten wird, gibt Jenny Treibel ein im Hause wohlbekanntes Liebeslied zum Besten, das mit der Zeile endet: „Wo sich Herz zum Herzen find’t“. Im rauschenden Beifall geht der spöttische Kommentar Mr. Nelsons zu Corinna unter.

„Vogelsang zog die Augenbrauen zusammen, und jeder, den die Vorstellung von seiner Mephistophelesschaft bis dahin nur gestreift hatte, hätte bei diesem Mienenspiel unwillkürlich nach dem Hinkefuß suchen müssen.“ (S. 34)

Corinna und Marcell verlassen mit den letzten Gästen den Treibel’schen Vorgarten. Marcell konfrontiert seine übermütige Cousine mit seiner Eifersucht. Er wirft ihr vor, sie habe nur mit Nelson geschäkert, um Leopold Treibel den Kopf zu verdrehen. Widerwillig gesteht Corinna ihrem Vetter, dass sie Leopold tatsächlich im Visier hat. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den naiven Fabrikantensohn zu heiraten. Marcell fürchtet, dass sie mit dieser oberflächlichen Ambition ihr Lebensglück aufs Spiel setzt. Corinna aber verteidigt sich. Sie hat es satt, sich ständig einzuschränken, und wünscht sich den gesellschaftlichen Aufstieg.

Schlechte Vorzeichen

Am gleichen Abend findet bei Professor Schmidt, Corinnas Vater, ein Herrenkränzchen statt. Der Klub von Lehrern nennt sich „Die sieben Waisen Griechenlands“ und unterhält sich mit Vorträgen und Debatten. Das Kränzchen ist heute jedoch kleiner als üblich, drei Kollegen haben sich entschuldigt, und zwei treffen verspätet ein. Marcell und Corinna kommen von Treibels Diner nach Hause. Corinna zieht sich zurück und Marcell wartet, bis alle gegangen sind, um dem Professor sein Leid zu klagen. Dieser weiß, dass Marcell für Corinna schwärmt, und unterstützt ihn väterlich. Als Marcell ihm berichtet, Corinna wolle Leopold heiraten, ist Schmidt entsetzt. Er ist überzeugt, dass Corinnas Plan nicht funktionieren kann, da die Kommerzienrätin dieser Ehe nie zustimmen würde. Schmidt gesteht Marcell, dass er einst um Jenny Treibel geworben hat, gar still mit ihr verlobt war. Doch sie suchte nach einer besseren Partie und fand Treibel. Schmidt rät Marcell, den natürlichen Lauf der Dinge abzuwarten. Er werde Corinna eher haben, als er denke.

Frühstück bei Treibels

Am nächsten Morgen unterhalten sich Jenny Treibel und ihr Mann beim Frühstück über ihre Schwiegertochter Helene. Diese schmollt seit Längerem, weil Jenny sich weigert, Helenes Schwester Hildegard einzuladen. Deren Familie in Hamburg bekundet schon seit einiger Zeit Interesse, nach Helene auch Hildegard mit einem Treibel zu verheiraten. Doch für Jenny ist eine Schweigertochter aus diesem Haus genug, sie erhofft sich für ihren Jüngsten Leopold etwas Besseres. Auch die jungen Treibels sprechen über Leopold und Hildegard. Helene ist zu stolz, um ihre Schwester selbst einzuladen, die sie im Übrigen dem faden Leopold für überlegen hält. Auf dessen Beitrag können die zerstrittenen Parteien kaum zählen: Leopold ist für sein junges Alter ausgesprochen antriebslos. Wie jeden Tag reitet er früh am Morgen aus, um in einem Lokal am Fluss ein großes Glas Milch und einen Kaffee zu trinken. Gerne hätte er eine zweite Tasse Kaffee, doch seine Mutter hat dem Kellner verboten, ihm mehr als eine zu servieren. In Selbstmitleid und Einsamkeit schweifen seine träumerischen Gedanken zu Corinna, deren Show am Vorabend ihren Eindruck nicht verfehlt hat.

Verlobung im Schilf

Eine Woche später herrscht sowohl bei Schmidts wie bei Treibels schlechte Laune und gegenseitiger Groll. Die beiden Hausherren allerdings merken wenig von der Verstimmung. Treibel erhält Besorgnis erregende Meldungen über die Wahlkampfaktivitäten von Vogelsang, die seinem Ruf zu schaden scheinen. Außerdem macht er sich Sorgen um die Erziehung seiner Enkelin Lizzi, der Tochter von Otto und Helene. Da kommt die Idee zu einem Ausflug nach Berlin-Halensee gerade recht.

„Geben! nehmen, nehmen! geben, Und dein Haar umspielt der Wind! Ach, nur das, nur das ist Leben, Wo sich Herz zum Herzen find’t“ (Jenny Treibel, S. 60)

Auch die Schmidts sind bei dieser Landpartie am Nachmittag dabei. Die Gesellschaft entschließt sich zu einer Waldpromenade, bei der Professor Schmidt mit seiner Jugendfreundin Jenny geht. Dabei bekräftigt Jenny einmal mehr, dass eine Hochzeit zwischen Leopold und Hildegard nicht infrage komme – Leopold soll höher hinaus. Corinna hat sich unterdessen mit diesem abgesetzt und wickelt ihn mit einer List um den Finger: Sie will ihm die Zukunft voraussagen und schwärmt ihm von seiner Hochzeit mit Hildegard vor. Der Plan klappt: Leopold erkennt die Szene als Scherz, ersetzt „Hildegard“ durch „Corinna“ und macht ihr einen Heiratsantrag. Corinna sagt Ja. Die beiden beteuern sich ihre Liebe und schwören, ihr Glück gegen den zu erwartenden Widerstand von Jenny Treibel zu verteidigen. Versteckt im Schilf, drücken sie sich fest die Hände und verabschieden sich voneinander.

Jennys Kriegserklärung

Die nervöse Corinna schüttet ihr Herz der guten Frau Schmolke aus. Die Dienerin rät zu Bescheidenheit und empfiehlt ihr, Marcell zu heiraten. Doch als ihr Corinna die Verlobung mit Leopold gesteht, schlägt Frau Schmolke vor, daran festzuhalten – und sei es nur, um der eingebildeten Frau Treibel eins auszuwischen. Leopold fasst unterdessen seinen Mut zusammen und gesteht seiner Mutter spätabends die Verlobung. Die Kommerzienrätin fällt in eine gespielte Ohnmacht und lässt, wieder wach, keinen Zweifel daran, dass sie ihr ganzes Gewicht gegen diese Verbindung einsetzen werde. Leopold kann nur kläglich lächeln und bittet hilflos um Schonung. Vater Treibel nimmt die Nachricht gelassener auf und tadelt seine Frau für ihre herzlose Überheblichkeit. Jenny aber besteht auf ihrem Entschluss und will eine öffentliche Verlobung der zwei um jeden Preis verhindern. Schon am nächsten Morgen beginnt Jenny Treibel ihren Krieg: Sie schreibt einen herzlichen Brief an Hildegard, in dem sie diese schmeichelnd zu einem Besuch einlädt, nicht ohne augenzwinkernd auf Leopolds Einsamkeit zu verweisen. Plötzlich versöhnt sich Jenny auch mit ihrer Schwiegertochter Helene, denn nun kämpfen sie für eine gemeinsame Sache. Danach platzt Jenny überfallartig bei den Schmidts herein und stellt Corinna zur Rede. Diese gibt sich allerdings nicht geschlagen und fordert Jennys Arroganz heraus. Professor Schmidts Vorschlag, die Entscheidung den Kindern zu überlassen, lehnt Jenny energisch ab. Sie kündigt an, ihren schwachen Sohn von Corinna abzuschotten. Nach dieser Kriegserklärung lässt sie ihren alten Freund Schmidt zurück. Der tröstet seine Tochter.

Schwächliche Liebe

Leopold suhlt sich unterdessen in Selbstmitleid und liest in seinem Zimmer Goethe. Er unternimmt nichts, außer dass er Corinna täglich in einem kurzen Brief seine unveränderten Gefühle versichert. Artig fährt er zum Bahnhof, um seine schöne Schwägerin Hildegard abzuholen. Diese zieht bei Treibels ein und lobt alles, was sie sieht, in den Himmel. Corinna wird derweil von Zweifeln befallen angesichts Leopolds Passivität. Sie beginnt, sich in der Gesellschaft der Freunde ihres Vaters abzulenken. Mit der Zeit zerreißt sie Leopolds ebenso pünktliche wie öde Morgenbriefe. Frau Schmolke versucht Corinna aufzuheitern und stellt ihr die Frage, ob sie denn Leopold immer noch liebe. Corinna gibt freimütig zu, dass sie keine Gefühle für Leopold habe, worauf die Dienerin ihr rät, ihr Leben nicht auf Hass gegen die Kommerzienrätin aufzubauen.

Ein Happy End

Corinnas Mut ist definitiv gebrochen, und beim Abendessen eröffnet Frau Schmolke Professor Schmidt, dass die Verlobung vorbei sei. Kurzerhand schickt Schmidt eine Einladung an Marcell, der unterdessen eine Stelle bekommen hat. Dieser kommt noch am selben Abend, und im Gespräch mit Schmidt verzeiht er Corinna ihre kurze Abirrung. Er liebt sie noch immer, und der Professor macht ihm Mut, seine Gefühle mitzuteilen. Am nächsten Morgen erhält Corinna einen Brief von Marcell, der ihr gesteht, dass er sie schon immer geliebt habe. Professor Schmidt gratuliert seiner Tochter, die sich mit ihrem ungewollten Glück nur langsam anfreundet. Am Abend treffen sich Marcell und Corinna und finden nach einer Aussprache zusammen. Corinna nimmt endgültig Abschied von der Idee, mit dem trägen Leopold einen lieblosen gesellschaftlichen Aufstieg zu erleben. Zwei Tage später löst die Nachricht über die neue Verlobung im Hause Treibel große Freude aus. Jenny triumphiert und gibt noch am gleichen Tag die Verlobung von Leopold und Hildegard bekannt. An Corinnas und Marcells Hochzeit im Sommer sind die beiden Familien wieder versöhnt. Zwar bleibt Leopold dem Fest fern, doch alle andern Treibels feiern mit, und statt Jenny singt für einmal der Tenor Krola „Wo sich Herz zum Herzen find’t“.

Zum Text

Aufbau und Stil

Auf knapp 250 Seiten und in 16 Kapiteln schildert Fontane die bewegte Beziehung zweier Berliner Familien in einem Frühsommer am Ende des 19. Jahrhunderts. Damit gelingt ihm ein Meisterwerk des poetischen Realismus: In dem Bestreben, ein ebenso getreues wie schönes Abbild der bürgerlichen Welt zu schaffen, werden die negativen Aspekte der Handlung mit Humor und feiner Ironie abgemildert. Ein allwissender Erzähler schildert die Figuren in alltäglichen Szenen, während sie sich selbst in ihren Gedanken und Gesprächen charakterisieren. Einen Großteil des Romans machen denn auch Diskussionen und Streitereien in direkter Rede aus, doch lässt der Erzähler immer wieder ironische Kommentare auf das Zeitgeschehen einfließen. Frau Jenny Treibel gilt als Fontanes witzigstes Werk. Die stets liebevoll und präzise gezeichneten Figuren geben sich durch ihre absurden Handlungen und Ansichten dem Spott preis, ohne jedoch völlig an Liebenswürdigkeit einzubüßen; die Dialoge sind bei aller Lebensechtheit oft bühnenreif komisch. Bei alledem geizt Fontane nicht mit zeitgenössischen Ausdrücken aus dem Berliner Bürgeralltag. Auch die vielen französischen Lehnwörter sind für das deutsche Bildungsbürgertum Ende des 19. Jahrhunderts typisch, können heutige Leser aber vor gewisse Verständnisschwierigkeiten stellen.

Interpretationsansätze

  • Mit Corinna Schmidt und Jenny Treibel stehen wie in anderen Fontane-Romanen (am bekanntesten: Effi Briest) Frauengestalten im Zentrum, die durch die gesellschaftlichen Konventionen gefangen sind.
  • Die Titelfigur Jenny Treibel verkörpert den Standesdünkel der Berliner Bourgeoisie. Obwohl sie selbst durch Heirat den Klassenaufstieg geschafft hat, gönnt sie der geistreichen Corinna den gleichen Erfolg nicht.
  • Geld oder Liebe? Ein klassisches Thema des Gesellschaftsromans ist die Suche nach dem Eheglück gegen den Widerstand der Umwelt. Die kluge Professorentochter Corinna schwankt zwischen ihren Gefühlen und den materiellen Wünschen nach Sicherheit und Ansehen. Ihr berechnender Plan für die Geldheirat geht nicht auf, Corinna wird von der Gesellschaft zu ihrem Glück, einer romantischen Liebesheirat, gezwungen.
  • Mit Ironie und Spott übt Fontane Kritik an der verlogenen Scheinwelt der besseren Berliner Gesellschaft. Dort wird zwar in romantischer Verklärtheit Idealismus gepredigt, aber das Gegenteil der hehren Ansprüche gelebt.
  • Großbürger versus Bildungsbürger: Als Gegensatz zu den eingebildeten, abgehobenen Treibels stellt Fontane die Professorenfamilie Schmidt in ein besseres Licht. Trotz seiner Macken ist Willibald Schmidt ein Humanist, der das Leben mit Witz, Verstand und Herz meistert.
  • Das Werk ist ein Höhepunkt des Realismus. Fontane bringt es in der eleganten Darstellung der Wirklichkeit zur Meisterschaft, ohne wie spätere Realisten in ausufernde Detailbeschreibungen zu verfallen. Die stilistische Souveränität des stets erhabenen und gutmütigen Menschenfreunds Fontane ist legendär und war ein prägendes Vorbild für viele Autoren des 20. Jahrhunderts.
  • In Fontanes Ton schwingt eine nostalgische Sicht auf eine zu Ende gehende Epoche mit. Der Autor zeichnet ein genaues Bild der Stadt Berlin im Zeitalter der letzten Kutschen und bürgerlichen Posen, bevor diese von der Moderne des 20. Jahrhunderts weggeschwemmt wurden.

Historischer Hintergrund

Konservative Gesellschaft, technische Revolutionen

Im europäischen Vergleich sprang Deutschland eher spät auf den rasch anfahrenden Zug der Moderne auf; das ausklingende 19. Jahrhundert war geprägt von einem konservativen politischen Umfeld. Erst seit 1870 war die zuvor zersplitterte Nation in einem Kaiserreich vereint, und die aristokratischen Strukturen der Gesellschaft blieben bis zum Ende der Monarchie 1918 erhalten. So beschränkt die Demokratie also war, so zügellos entwickelte sich die neue Hauptstadt Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Metropole. Gleichzeitig mit der industriellen Aufholjagd kämpfte das Land mit der Lösung der sozialen Fragen. Wirtschaftsliberale, Konservative und die Arbeiterbewegung stritten um die richtigen Mittel für das nationale Wohl.

Bis zu seiner Entlassung im Jahr 1890 prägte der Staatsmann Otto von Bismarck als erster Kanzler des Deutschen Reiches die Politik. Bismarcks zunehmend autoritäre Innenpolitik festigte die konservative Staatsidee. Insbesondere die sozialdemokratische Bewegung wurde energisch bekämpft und 1878 in den von Bismarck initiierten Sozialistengesetzen sogar verboten. Immerhin: Als Antwort auf die sozialdemokratischen Anliegen erfand Bismarck ab 1881 ein staatliches Sozialversicherungssystem. In der Zeit des Wilhelminismus nach Bismarcks Sturz dominierten weiterhin die konservativen Kräfte, hinzu kam eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft. Die Rückwärtsgewandtheit in der Politik kontrastierte mit einer enormen Fortschrittsgläubigkeit. Ab 1881 verkehrten in Berlin die ersten elektrischen Straßenbahnen, doch der Stadtverkehr blieb noch lange von Pferdekutschen und Dampfbahnen geprägt. Ein Kuriosum aus dieser Zeit der technischen Revolutionen war die Rohrpost: Seit 1876 bestand in Berlin ein fixes Rohrpostnetz, das im Stadtgebiet den schnellen Versand von Briefen über Leitungen ermöglichte.

Entstehung

Nach einigen poetischen Gehversuchen mit Balladen lief Theodor Fontane erst im Alter zu seiner literarischen Hochform auf. Jahrzehntelang hatte er als Kriegsberichterstatter, Presseattaché und Theaterkritiker Brotberufe ausgeübt, bevor er 1889 als 70-Jähriger so unabhängig und bekannt war, dass er nur noch schriftstellerisch arbeiten konnte. Fontane arbeitete stets an mehreren Büchern gleichzeitig. Als er 1888 mit Frau Jenny Treibel begann, waren soeben Irrungen, Wirrungen und Fünf Schlösser, der letzte Band seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg, erschienen. Gleichzeitig schrieb Fontane an den Romanen Quitt und Stine und steckte in Vorarbeiten für sein später bekanntestes Werk Effi Briest. Der Roman Frau Jenny Treibel erschien im Jahr 1893. Kurz danach erkrankte Fontane schwer an einer Blutleere im Gehirn. Die Ärzte befürchteten eine bleibende geistige Behinderung und rieten dem Dichter, sich durch das Schreiben von Kindheitserinnerungen abzulenken. Fontane wurde wieder gesund und publizierte im folgenden Jahr Meine Kinderjahre. Wie in vielen Romanen Fontanes finden sich auch in Frau Jenny Treibel bei einigen Figuren Gemeinsamkeiten zu Bekannten des Autors. So trägt die Hauptfigur wohl nicht zufällig den gleichen Vornamen wie Fontanes Schwester Jenny Sommerfeld, die im Hause des Berliner Unternehmers Hugo Kunheim ein- und ausging. Während die Familie Kunheim eine Vorlage für das Haus Treibel war, spiegelt sich im Milieu von Professor Schmidt Fontanes eigene Umgebung: In den Personen von Willibald und Corinna Schmidt erkennt man Züge des Autors und seiner Tochter.

Wirkungsgeschichte

Theodor Fontane gilt neben Gottfried Keller als der bedeutendste Romancier des 19. Jahrhunderts, und dies, obwohl er erst als 60-Jähriger mit dem Schreiben von Romanen begann. Nach Ansicht vieler Kritiker erreichte er den Höhepunkt seines Schaffens etwa nach einem weiteren Jahrzehnt, mit der Vollendung von Frau Jenny Treibel. So wurde der Roman beispielsweise auch in den „Kanon“ des deutschen Kritikerpapstes Marcel Reich-Ranicki aufgenommen. Das Buch zählt bis heute zu den drei bekanntesten Romanen Fontanes, neben Effi Briest (1894/95) und seinem letzten Werk Der Stechlin (1897). Schon zu Lebzeiten war Fontane ein geachteter und beliebter Autor, über den sein österreichischer Zeitgenosse und Berufskollege Karl Emil Franzos schrieb: „Er war der einzige Dichter der Gegenwart, den die Alten liebten, die Mittleren schätzten, die Jungen ehrten.“ Zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Frau Jenny Treibel wurde Fontane die Ehrendoktorwürde der Berliner Universität verliehen. Das Interesse der Literaturwissenschaft an seinem Werk ist bis heute ungebrochen, wobei die Forscher aus dem umfangreichen Fundus seiner Korrespondenz schöpfen können: Fontane schrieb in seinem Leben mehr als 10 000 Briefe. Wie fast alle seiner Romane wurde Frau Jenny Treibel mehrmals verfilmt. Zwischen 1951 und 1982 entstanden in der DDR und in der BRD je zwei Filmproduktionen des Stoffs. Auch für die Bühne wurde der Roman adaptiert, beispielsweise 2005 in einer Dramatisierung von Anne-Sylvie König, die im Palais Lichtenau in Potsdam aufgeführt wurde.

Über den Autor

Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin als Sohn einer hugenottischen Apothekerfamilie geboren. Mit 16 Jahren tritt er eine Apothekerlehre an. Er leidet darunter, dass er nur eine kümmerliche Schulbildung genossen hat. Als Apothekergehilfe arbeitet er in Leipzig, Dresden und Berlin, wo er sein Staatsexamen als Apotheker ablegt und Diakonissinnen unterrichtet. 1844 schließt er sich dem Berliner Dichterverein „Tunnel über der Spree“ an. Fontanes Balladen treffen den Geschmack seiner Zeit und in dem Verein findet er die literarische Anerkennung, die er braucht. 1849 gibt er seinen ungeliebten Beruf auf und heiratet ein Jahr später Emilie Rouanet-Kummer. Das Paar bekommt sieben Kinder, von denen drei noch im Säuglingsalter sterben. Als freier Schriftsteller und Journalist kann Fontane seine Familie kaum ernähren. Unterstützt vom Vater, geht er 1852 als Korrespondent der Preußischen Zeitung nach London. 1855–1858 folgt ein zweiter Aufenthalt, bei dem er für die preußische Regierung und für mehrere deutsche Zeitungen arbeitet. Nach seiner Rückkehr wird er Redakteur der Kreuzzeitung; aufgrund seiner selbstständigen Arbeit können in dieser Zeit die Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862–1888) entstehen. Als Kriegsberichterstatter nimmt er an den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 teil, später schreibt er Theaterkritiken für die Vossische Zeitung. Seiner Frau zuliebe versucht er 1876 ein letztes Mal, eine feste Stelle anzutreten. Er wird Sekretär der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin, kündigt jedoch bald wieder. Fontane ist ein schreibwütiger Autor, dessen Korrespondenz rund 10 000 Briefe umfasst. Bekannt wird er durch Balladen wie Die Brück’ am Tay (1880), John Maynard (1886) oder Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland (1889). Fontanes berühmte Romane entstehen erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt: Vor dem Sturm (1887), Irrungen, Wirrungen (1888), Frau Jenny Treibel (1893), Effi Briest (1894/95) und Der Stechlin (1897). Er stirbt am 20. September 1898 in Berlin.

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