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Frühlings Erwachen

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Frühlings Erwachen

Eine Kindertragödie

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein Skandalstück des frühen 20. Jahrhunderts: Frank Wedekinds leidenschaftliche Anklage gegen die Zerstörung der Jugend durch sinnlosen Leistungsdruck und lebensfeindliche Sexualmoral.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Expressionismus

Worum es geht

Eine Kindertragödie

In dem berühmten Stück von Frank Wedekind geht es vordergründig um die Notlage pubertierender Jugendlicher im ausgehenden 19. Jahrhundert, die sich wehrlos der Dressur der Schule ausgesetzt fühlen, während ihre dringendsten Lebensfragen, ausgelöst von ihrer aufkeimenden Sexualität, unbeantwortet bleiben. Da auch im Elternhaus keine Aufklärung stattfindet, weil im wilhelminischen Obrigkeitsstaat das Thema Sexualität ein Tabu ist, sehen sich die Kinder beim schwierigen Übergang zum Erwachsenenalter alleingelassen. Ihre hilflosen Versuche, sich gegenseitig bei ihren Problemen zu helfen und ihre Sexualität in vernünftige Bahnen zu lenken, führen zu tragischen Entwicklungen. Wedekinds Stück prangert die Tendenz von Gesellschaft und Elternhaus an, die Kinder, statt ihnen wirklich auf ihrem Lebensweg zu helfen, lediglich zu instrumentalisieren, sie zum „Funktionieren“ zu bringen. Ihr eigenes Wohl bleibt dabei Nebensache, ihre Probleme, Wünsche und Nöte zählen nicht, und der Lernstoff der Schule bietet ihnen keine Hilfe. Natürlich hat sich die Gesellschaft seit Wedekinds Zeit stark verändert, ist aufgeklärter, liberaler und toleranter geworden. Trotzdem erfreut sich das Stück nach wie vor großer Beliebtheit, da es in vielen Aspekten immer noch erstaunlich aktuell ist.

Take-aways

  • Frühlings Erwachen ist ein Drama über die Unterdrückung pubertierender Jugendlicher durch ein restriktives Erziehungssystem und eine prüde Sexualmoral.
  • Es war das erste Theaterstück, in dem Kinder die Hauptrollen spielen.
  • Die 14-jährige Wendla zeigt ein lebhaftes Interesse an sexuellen Fragen. Ihre Mutter verweigert ihr aber aus Scham und Prüderie die entsprechende Aufklärung.
  • Melchior ist ein von einer liberalen Mutter erzogener, aufgeklärter Jugendlicher, der glaubt, alle Menschen sollten ihren Neigungen freien Lauf lassen.
  • Sein Freund Moritz leidet unter dem enormen Leistungsdruck der Schule und quält sich mit unbeantworteten Fragen über seine erwachende Sexualität.
  • Als er die Versetzung in die nächste Klasse nicht schafft, erschießt er sich.
  • Auf einem Heuboden verführt Melchior Wendla, die daraufhin schwanger wird.
  • Um der Schande der Schwangerschaft Wendlas zu entgehen, lässt ihre Mutter an ihr eine Abtreibung vornehmen, an deren Folgen Wendla stirbt.
  • Melchior wird wegen einer von ihm verfassten Aufklärungsschrift der Schule verwiesen und auf Drängen seines Vaters in eine Besserungsanstalt gesteckt.
  • Bei seiner Flucht aus der Anstalt landet er auf einem Friedhof, wo ihm der tote Moritz erscheint und ihn zum Selbstmord zu überreden versucht.
  • Da tritt ein „vermummter Herr“ mit Frack und Maske auf und überredet Melchior, ihm stattdessen vertrauensvoll ins Leben zu folgen.
  • Frühlings Erwachen wurde erst 15 Jahre nach seiner Entstehung uraufgeführt. Trotz vieler Anfeindungen war das Stück von Anfang an ein großer Bühnenerfolg.

Zusammenfassung

Das Kleid der Unschuld

Wendla Bergmann will ein Kleid, das ihre Mutter, Frau Bergmann, für ihren 14. Geburtstag genäht hat, nicht anziehen. Es ist ihr zu lang und erinnert sie an ein Bußgewand. Stattdessen möchte sie noch ein Jahr lang das kürzere Kleidchen ihrer Kindheit tragen. Am Ende lässt ihr die Mutter fürs Erste das alte, kurze Kleidchen. Sie möchte ja auch, dass Wendla ihre kindliche Unschuld bewahrt.

Zwei Freunde

Die beiden Freunde Melchior Gabor und Moritz Stiefel unterhalten sich über Fragen der Sexualität. Moritz hat bisher keinerlei sexuelle Aufklärung erfahren, während Melchior bereits über den Geschlechtsakt informiert ist. Moritz will aber an diesem Abend gar nicht aufgeklärt werden, weil er noch umfangreiche Hausaufgaben zu erledigen hat und er es sich nicht leisten kann, abgelenkt zu werden. Die beiden Freunde einigen sich darauf, dass Melchior eine schriftliche Unterweisung über Sexualität und Fortpflanzung für Moritz verfassen und diese ihm während der Turnstunde heimlich zwischen die Bücher stecken wird.

Drei Freundinnen

Wendla und ihre Freundinnen Thea und Martha unterhalten sich über das Kinderkriegen. Sie alle haben keine Ahnung, wie eine Schwangerschaft wirklich zustande kommt. Auch das mitunter seltsame Verhalten ihrer Eltern wird thematisiert. So darf Martha beispielsweise ihre Haare weder kurz noch offen tragen. Sie gesteht, dass sie zu Hause von den Eltern des Öfteren geschlagen wird. Wendla, die so etwas nie erlebt hat, zeigt reges Interesse an diesen Schilderungen. Melchior grüßt die Mädchen im Vorbeigehen. Sie finden ihn attraktiv. Martha schwärmt aber auch von Moritz’ „seelenvollem Blick“.

Provisorische Versetzung

In der Parkanlage vor dem Gymnasium steht eine Gruppe von Jungen zusammen. Das Gespräch der Schüler dreht sich vor allem um Moritz, dessen Versetzung gefährdet ist. Daraufhin tritt Moritz auf und berichtet, er habe sich heimlich ins Lehrerkonferenzzimmer geschlichen und dort aus den Akten ersehen hat, dass er nun doch vorläufig in die nächste Jahrgangsstufe versetzt werde. Er ist vor Freude ganz aus dem Häuschen, weil er damit nicht gerechnet hat.

Das erste Treffen

Wendla, die sich auf der Suche nach Waldmeister für ihre Mutter im Wald verirrt hat, trifft zufällig auf Melchior. Die beiden lassen sich unter einer Eiche nieder und unterhalten sich über verschiedene Themen. Melchior will wissen, ob Wendla Freude dabei verspürt, den Armen im Auftrag ihrer Familie zu helfen. Als sie das bejaht, bekennt Melchior, dass er Atheist sei und glaube, jeder Mensch würde nur das tun, was ihm selbst Freude bereite. Selbstlosigkeit gebe es nicht, und deshalb könne man auch den Geizigen nicht verurteilen. Plötzlich bittet Wendla Melchior, sie zu schlagen, da sie das Geschlagenwerden nur aus den Erzählungen anderer kenne und es einmal gerne selbst erleben würde. Anfangs weigert sich Melchior entrüstet, aber als Wendla ihn inbrünstig darum bittet, schlägt er sie: erst zögerlich, dann immer heftiger. Entsetzt über seine eigene Reaktion, flieht er die Szene.

Im Studierzimmer

Moritz befindet sich abends mit Melchior in dessen Studierzimmer. Er beklagt sich über den ungeheuren Druck in der Schule, der für ihn eine unerträgliche Belastung ist. Als Melchiors Mutter den Jungen Tee bringt, sieht sie, dass Melchior Goethes Faust liest. Sie hält die Lektüre ihres Sohnes eigentlich für verfrüht, drückt aber ihr Vertrauen darin aus, dass Melchior verantwortlich damit umgehen wird. Über das Schicksal von Gretchen im Faust meint Melchior, er wolle nicht die opferbereite Hingabe der Frau, für ihn zähle nur, was er sich habe erkämpfen müssen.

Falsche Aufklärung

Wendla drängt ihre Mutter, ihr das Kinderkriegen zu erklären. Immerhin hat ihre Schwester gerade erneut ein Kind bekommen, und Wendla weiß zumindest, dass Kinder nicht wirklich vom Storch gebracht werden. Die Mutter reagiert auf die Bitte um Aufklärung mit großer Verunsicherung und Aufgeregtheit. Sie will nicht mit der Sprache herausrücken und versichert Wendla lediglich, dass zum Kinderkriegen eine große Liebe zum Mann notwendig sei und man verheiratet sein müsse. Dann fügt sie an, sie müsse nun wirklich unten an Wendlas kurzes Röckchen einen Stoffstreifen annähen.

Die Versuchung

Hänschen Rilow verschließt die Toilettentür hinter sich in der Absicht, sich unter Zuhilfenahme einer Reproduktion der Venus von Palma Vecchio selbst zu befriedigen. Weil er sich Sorgen um die gesundheitlichen Folgen macht, zerstört er anschließend das Bild, wie er es zuvor schon mit anderen Aktbildern getan hat.

Die Verführung

Auf einem Heuboden trifft Wendla Melchior an. Dieser versucht sie zuerst wegzuschicken. Als sie sich aber weigert, verführt er sie, während sie sich nur schwach gegen seine Annäherungsversuche wehrt.

Der ablehnende Bescheid

Melchiors Mutter, Frau Gabor, beantwortet einen Brief, den sie vom jungen Moritz erhalten hat. Darin bittet er sie um Geld für eine Flucht nach Amerika, da er die Versetzung in der Schule nun doch nicht geschafft hat. Sie schreibt ihm, dass sie die nötigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung habe und ihm die Summe sowieso nicht geben würde, weil sie seinen Fluchtplan für falsch halte. Sie äußert Unverständnis für seine Selbstmordgedanken und versucht, ihm Mut zuzusprechen.

Am Morgen danach

Am nächsten Morgen ist Wendla fröhlich und wohlgemut und wünscht sich, sie hätte jemandem, dem sie alles erzählen könnte. Die Mutter kommt dafür nicht infrage, ihr geht sie aus dem Weg.

Moritz verzweifelt

Nachdem er das ablehnende Antwortschreiben von Melchiors Mutter erhalten hat, beschließt Moritz, seine Selbstmordabsicht zu verwirklichen. Aufgewühlt durchstreift er das Gebüsch in der Nähe des Flusses. Zur Tat entschlossen, bedauert er an seinem Leben vor allem, dass er ein Mensch gewesen ist, der das Menschlichste, die Liebe nämlich, nie erfahren hat. Plötzlich trifft er auf Ilse, ein junges Künstlermodell, die ihre Sinnlichkeit unbedenklich mit unterschiedlichen Künstlern auslebt. Sie lädt ihn ein, mit ihr mitzukommen. Er lehnt dies aber ab. Wieder allein, holt er den Brief von Melchiors Mutter hervor und verbrennt ihn. Inzwischen ist es dunkel geworden, und Moritz beschließt, nicht mehr nach Hause zurückzukehren.

Die Lehrerkonferenz

Die Lehrer von Moritz’ Gymnasium haben sich zur Konferenz versammelt. An der Wand hängen Bildnisse der großen Pädagogen Rousseau und Pestalozzi. Rektor Sonnenstich erklärt den versammelten Professoren, dass Moritz Stiefels Freitod die Schule in eine prekäre Lage gebracht habe. Das Kultusministerium könnte den Selbstmord den Lehrern zur Last legen. Die anwesenden Lehrer sind aber weniger an diesem Thema interessiert als vielmehr daran, ob ein bestimmtes Fenster geöffnet werden soll oder nicht. Melchiors bebilderte Anleitung „Der Beischlaf“ wurde in Moritz’ Hinterlassenschaft gefunden. Melchior wird vom Hausmeister vorgeführt und beschuldigt, mit dieser Schrift zum Selbstmord seines Freundes beigetragen zu haben. Er erhält keine Gelegenheit, sich zu rechtfertigen, und wird der Schule verwiesen.

Die Beerdigung

Moritz wird im strömenden Regen auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt. Unter der Anwesenden sind seine Familie sowie Lehrer und Mitschüler. Wegen seines Selbstmords wird Moritz von den Erwachsenen scharf verurteilt. Moritz’ Vater, Herr Stiefel, geht sogar so weit zu behaupten, er habe schon immer geahnt, dass Moritz nicht sein Sohn sein könne. Die Knaben spekulieren derweil über die Umstände des Selbstmords. Anschließend dreht sich ihr Gespräch wieder um die allgegenwärtigen Sorgen wegen der vielen Schularbeiten. Am Ende stehen Martha und Ilse, die Moritz am Tag nach seinem Selbstmord am Flussufer gefunden hat, am offenen Grab und nehmen Abschied. Ilse hat auch die Pistole gefunden und will sie als Andenken behalten.

Der Streit der Eltern

Melchiors Eltern geraten in Streit über die angebliche Verantwortung ihres Sohnes für den Selbstmord seines Freundes. Herr Gabor beschuldigt seine Frau, dass ihre liberalen Erziehungsmethoden zu Melchiors angeblicher Fehlentwicklung geführt hätten. Als der Vater den Jungen deshalb in eine Besserungsanstalt stecken will, ergreift die Mutter für ihren Sohn Partei. Sie fürchtet, dass Melchior dort zugrunde gehen würde. Dann aber informiert sie der Vater, dass Wendlas Mutter einen Brief Melchiors an Wendla abgefangen habe, in dem er Reue für die Verführung Wendlas zum Ausdruck bringe und die Verantwortung für ihre Schwangerschaft übernehme. Nun ist auch die Mutter schockiert. Die Eltern beschließen gemeinsam, Melchior in die „Korrektionsanstalt“ einzuweisen.

Die Besserungsanstalt

In der Besserungsanstalt trifft Melchior auf mehrere andere Jungen, die sich mit Gruppenmasturbationen und Raufereien Luft verschaffen. Melchior denkt über sein Verschulden an Wendla nach und beschließt, der Anstalt zu entfliehen.

Die Abtreibung

Wendla liegt krank im Bett. Der Arzt Dr. von Brausepulver verheimlicht ihr, dass sie schwanger ist. Ihre Mutter erklärt ihr die „Krankheit“ zuerst als Bleichsucht, gibt dann aber zu, dass Wendla ein Kind erwartet. Wendla macht ihr Vorwürfe, weil sie ihr nicht die Wahrheit über das Kinderkriegen gesagt hat. Die Mutter verteidigt sich damit, dass ihre eigene Mutter sie auch nicht aufgeklärt habe. Um die Schande einer unehelichen Schwangerschaft zu vermeiden, lässt die Mutter an Wendla eine Abtreibung durch eine Kurpfuscherin vornehmen.

Homoerotische Neigungen

Hänschen Rilow und Ernst Röbel liegen nach getaner Arbeit im Weinberg im Gras und genießen den gemeinsamen Abend. Sie schmieden zuversichtliche Zukunftspläne, küssen sich und genießen die romantische Atmosphäre des Abends.

Auf dem Friedhof

Melchior ist die Flucht gelungen, nachts kommt er auf einen Friedhof. Dort trifft er auf das Grab Wendlas, die bei dem Abtreibungsversuch ums Leben gekommen ist. Bei diesem Anblick wird er von Schuldgefühlen geplagt. Kurz darauf erscheint ihm sein toter Freund Moritz, den Kopf unter dem Arm, und behauptet, die Toten hätten eine erhabene Existenz jenseits der Bedrängnisse und Sorgen des Irdischen. Er will Melchior dazu überreden, seinem Beispiel zu folgen und sich umzubringen. Gerade als Melchior auf das Angebot seines toten Freundes eingehen will, tritt ein vermummter Herr in Frack und Maske auf, der nicht sagen will, wer er ist, der Moritz aber als Lügner bezeichnet, der sich nur davor fürchte, allein in sein schauriges Grab zurückzukehren. Anstelle des Selbstmords bietet der vermummte Herr Melchior an, ihm bei der Bewältigung des Lebens zu helfen. Melchior entschließt sich, dem Herrn ins Leben zu folgen. Sein toter Freund Moritz bleibt allein auf dem Friedhof zurück.

Zum Text

Aufbau und Stil

Wedekinds Drama Frühlings Erwachen (der Titel ist eine Anspielung auf die aufkeimende Sexualität bei Jugendlichen) ist in drei Akten angelegt. Innerhalb der Akte findet sich eine lockere Szenenfolge mit unterschiedlichen Thematiken und wechselnden Figuren, sodass insgesamt ein mosaikartiger Eindruck entsteht. Fast wie im Zirkus oder im Varieté folgen auf den ersten Blick unzusammenhängende Szenen aufeinander, die sich aber nach und nach in einen großen Zusammenhang fügen. Das Stück ist kaum durch die Einteilung in drei Akte, dafür vielmehr durch die Reihenfolge der atmosphärisch stark unterschiedlichen Szenen charakterisiert. Jede Szene steht stilistisch für sich. Wedekinds Stilmittel sind vor allem Satire und Groteske. So werden die Lehrer schon durch Namen wie Knüppeldick oder Fliegentod als halbgebildete Befehlsempfänger entlarvt. Sprechende Namen tragen auch der Rektor Sonnenstich, der Arzt von Brausepulver oder der Pastor Kahlbauch. Es gibt eine Reihe von Monologen, während die Dialoge sich oft dadurch auszeichnen, dass die Personen aneinander vorbeireden. Wedekind trifft dabei gut die jeweiligen Sprechstile der Jugendlichen und Erwachsenen. So zeichnen sich die Schüler durch eine für ihr Alter hochgestochene, der Situation unangemessene Sprache aus, ein Zeichen der Sinnlosigkeit ihrer schulischen Ausbildung.

Interpretationsansätze

  • Frühlings Erwachen ist eine Tragödie der Pubertät. Das Stück zeigt Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden als Opfer einer verfehlten Erziehung und einer falschen Sexualmoral. Die Wertmaßstäbe der Eltern zerstören die Kinder.
  • Die Kinder werden vor allem von der Heuchelei der Erwachsenen beeinträchtigt, denen die eigenen Ziele wichtiger sind als das Wohl ihrer Kinder. Moritz’ Eltern akzeptieren kein Schulversagen, und Wendlas Mutter setzt, allen Liebesbeteuerungen zum Trotz, das Leben ihrer Tochter aufs Spiel, um einer öffentlichen Schande zu entgehen.
  • Das Werk enthält einige Tabubrüche. Themen wie Sadismus und Masochismus, Masturbation und homosexuelle Neigungen werden offen angesprochen und z. T. auf der Bühne dargestellt.
  • Das Stück ist auch ein bissige Satire auf das Erziehungssystem der Wilhelminischen Zeit. Die Lehrer tragen sprechende Namen wie Affenschmalz, Knüppeldick, Hungergurt, Knochenbruch, Zungenschlag und Fliegentod.
  • Auch die anderen Autoritätsfiguren werden als halbgebildete Philister entlarvt: Pastor Kahlbauch zitiert seine Bibelstellen falsch und der Medizinalrat Brausepulver hält eine Schwangerschaft für Bleichsucht und verschreibt seit Jahren immer die gleichen Pülverchen.
  • Das Drama kann als ein Plädoyer für das Leben, ungeachtet aller Schwierigkeiten, verstanden werden. Dies wird besonders in der Schlussszene deutlich, in der Melchior von dem rätselhaften vermummten Herrn ins Leben geleitet wird.
  • In Aufbau, Stil und Inhalt des Stücks brach Wedekind mit der Tradition des klassischen Theaters wie auch mit dem damals vorherrschenden Naturalismus, wie er vor allem von Gerhart Hauptmann vertreten wurde. Wedekind wurde so zu einem Wegbereiter des Expressionismus.

Historischer Hintergrund

Kindererziehung im Wilhelminischen Zeitalter

Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten die Erziehungsmethoden nicht selten einen schädlichen Einfluss auf die pubertierenden Jugendlichen. Die Erziehung war von Autoritätshörigkeit, Unterordnung und dem Verbot kritischen Denkens geprägt. Der Lehrstoff war oft von erdrückendem Umfang, aber gleichzeitig weltfremd und tabubesetzt. Vor allem sexuelle Themen wurden grundsätzlich ausgeklammert. Zucht und Ordnung, wenn nötig mit drastischen Strafen durchgesetzt, waren die prägenden Erziehungsprinzipien. Insgesamt war die Erziehung darauf ausgerichtet, perfekt funktionierende Untertanen für den wilhelminischen Obrigkeitsstaat zu schaffen. Widerspruch und Kritik wurden im System des Kaisers Wilhelm II. nicht geduldet, schon gar nicht bei den Kindern und Jugendlichen. Im Deutschen Kaiserreich wurden von der obrigkeitstreuen Justiz vor dem Ersten Weltkrieg jährlich um die 600 Haftstrafen allein wegen Majestätsbeleidigung verhängt. Der Lernstoff in der Schule war in der Regel von enormem Umfang, den Schülern blieb angesichts der Hausaufgaben kaum Freizeit. Auch in der häuslichen Erziehung erlebten sie sich vor allem als Opfer elterlicher Willkür und Dominanz. Disziplin, Fleiß, Selbstkontrolle, pedantische Ordnungsliebe und tadelloses Benehmen in der Öffentlichkeit waren die herausragenden Erziehungsziele. Für viele Eltern waren die Kinder in erster Linie Prestigeobjekte, die den sozialen Aufstieg der bürgerlichen Familien sichern sollten. Den Schlüssel zum Lebenserfolg sah man in der schulischen Leistung. Entsprechend unterstützten die Eltern die Dressur der Schule meist rückhaltlos. Die Eltern hatten oft eine große emotionale Distanz zu ihren Kindern und vermieden bewusst jegliche Form der Sexualaufklärung. Die pubertierenden Jugendlichen waren so mit ihren Problemen des Heranwachsens auf sich allein gestellt.

Entstehung

Frank Wedekind wollte mit seinem Drama, das er im Alter von 26 Jahren verfasste, diese Missstände anprangern und Abhilfe fordern. Seinen eigenen Aussagen zufolge entsprechen fast alle im Stück dargestellten Situationen der Realität: „Der Plan entstand nach der dritten Szene und setzte sich aus persönlichen Erlebnissen oder Erlebnissen meiner Schulkameraden zusammen. Fast jede Szene entspricht einem wirklichen Vorgang.“ So hatte Wedekind z. B. tatsächlich den Selbstmord eines Freundes und Mitschülers miterlebt. Er selbst war einmal in der Schule nur provisorisch versetzt und dann zurückgestuft worden. Literarisch steht das Stück unter dem Einfluss von J. M. R. Lenz, Christian Grabbe und Georg Büchner. Bewusst wandte sich Wedekind gegen den Naturalismus und dessen führenden Vertreter Gerhart Hauptmann. Das Stück wurde zwischen Herbst 1890 und Ostern 1891 verfasst und war das erste Werk Wedekinds, das gedruckt wurde. Aufgrund der strengen Zensur und bühnentechnischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung wurde es aber erst am 20. November 1906 in einer weiterhin zensierten Form unter der Regie von Max Reinhardt bei den Berliner Kammerspielen uraufgeführt. Wedekind sah die Zielsetzung von Frühlings Erwachen vor allem in dem Versuch, „die Erscheinungen der Pubertät bei der heranwachsenden Jugend poetisch zu gestalten, um denselben wenn möglich bei Erziehern, Eltern und Lehrern zu einer humaneren rationelleren Beurteilung zu verhelfen“.

Wirkungsgeschichte

Nach der Veröffentlichung von Frühling Erwachen, das in kleiner Auflage erschien, blieb das Werk weitgehend unbeachtet. Wegen der schnellen Szenenfolge stellte das Stück zudem hohe bühnentechnische Anforderungen, was einer Aufführung im Weg stand. Allein die Zensur zeigte reges Interesse an dem Drama: Wedekind wurde beschuldigt, vor allem Abarten der jugendlichen Sexualität dargestellt zu haben. Unter anderem Sigmund Freund bescheinigte dem Autor aber, dass er die Psychodynamik der Pubertät korrekt wiedergegeben habe. Erst nach dem sensationellen Erfolg der späten Uraufführung trat das Stück seinen Siegeszug auf den Bühnen der Welt an. Erst nach dem sensationellen Erfolg der späten Uraufführung trat das Stück seinen Siegeszug auf die Bühnen der Welt an. In den USA, in Frankreich und Russland wurde es gespielt. 1920 war es eines der ersten deutschen Stücke, die nach dem Krieg in London inszeniert wurden. Unter der Leitung von Max Reinhardt wurde 1912 und 1914 ein ganzer Zyklus von Wedekind-Werken mit großem Erfolg am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Heute ist das Stück eine oft gelesene Schullektüre und hat allein in Deutschland Tausende von Aufführungen erlebt. 1929 wurde es vom Aufklärungsspezialisten Richard Oswald zu einem Stummfilm verarbeitet.

Mit seinen Dramen gilt Frank Wedekind als Vorläufer und Mitbegründer des expressionistischen Theaters. Er hatte starken Einfluss auf Carl Sternheim, aber auch auf den jungen Bertolt Brecht und Friedrich Dürrenmatt. Nachdem Frank Wedekind den Mut gehabt hatte, die Probleme Jugendlicher offen anzusprechen, folgten ähnlich geartete Theaterstücke von Autoren wie Max Halbe, Henrik Ibsen und Georg Kaiser. Ebenso entstanden schulkritische Romane von Emil Strauß und Hermann Hesse unter Wedekinds Einfluss.

Über den Autor

Frank Wedekind wird am 24. Juli 1864 in Hannover geboren. Aus Gegnerschaft zum Wilhelminischen Kaiserreich verlässt die Familie 1871 Deutschland und zieht nach Lenzburg in die Schweiz. Wegen Schwierigkeiten in der Schule erhält Frank Wedekind Privatunterricht. Nach dem Abitur 1884 studiert er ein Semester deutsche und französische Literatur in Lausanne, dann auf Wunsch seines Vaters Jura in München. 1886 kommt es zum Bruch mit dem Vater, der ihm wegen schlechter Studienleistungen jegliche finanzielle Unterstützung entzieht. Kurze Zeit arbeitet Wedekind u. a. als Reklame- und Pressechef der Suppenwürfelfirma Maggi. 1888 stirbt sein Vater. 1891 vollendet er das Stück Frühlings Erwachen. Sein Drama Der Erdgeist erscheint 1895. Ein Jahr später wird Wedekind zum Mitbegründer der Zeitschrift Simplicissimus und veröffentlicht dort pseudonym Beiträge. Er beginnt eine Beziehung mit Frida Strindberg-Uhl, die vorher mit August Strindberg verheiratet war. 1897 wird ihr gemeinsamer Sohn Friedrich geboren. 1898 erfolgt in Leipzig die Uraufführung von Der Erdgeist. Im selben Jahr flieht Frank Wedekind in die Schweiz, weil er nach einer im Simplicissimus erschienenen Satire auf Wilhelm II. in Deutschland wegen Majestätsbeleidigung gesucht wird. 1899 kehrt er nach Deutschland zurück und wird zu einer mehrmonatigen Haftstrafe auf der Festung Königstein verurteilt. 1901 geht aus einer Affäre mit seinem Hausmädchen Hildegard Zellner ein Sohn namens Frank hervor. Von 1902 bis 1908 wirkt Wedekind vor allem als Kabarettist und Schauspieler in seinen eigenen Stücken. 1904 wird Die Büchse der Pandora uraufgeführt. 1906 heiratet Wedekind die Schauspielerin Tilly Newes, mit der er zwei Töchter hat. Im gleichen Jahr findet die Uraufführung von Frühlings Erwachen in Berlin statt. Danach wird Wedekind zu einem der meistgespielten Dramatiker seiner Zeit. Er stirbt am 9. März 1918 in München.

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