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Gefahr für unser Geld?

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Gefahr für unser Geld?

Die neuen Propheten des Geldes und die Zukunft unseres Währungssystems

Vahlen,

15 Minuten Lesezeit
6 Take-aways
Audio & Text

Was ist drin?

Weltweit machen Staaten zu viele Schulden und die Zentralbanken lassen sie gewähren. Kann das gut gehen?


Bewertung der Redaktion

9

Qualitäten

  • Kontrovers
  • Meinungsstark
  • Hintergrund

Rezension

Seit der Finanzkrise von 2008 verschulden sich Staaten immer mehr, indem sie die Zentralbanken frisches Geld drucken lassen. Bei vielen Ökonomen schrillen da die Alarmglocken: Inflation! Die Verfechter der Modern Monetary Theory (MMT) wenden dagegen ein: Geld wird nur deshalb als Wert akzeptiert, weil man damit Steuern zahlen kann. Staaten sollen darum ruhig so viel Geld drucken, wie sie brauchen, denn sie garantieren am Ende für dessen Wert. Für Hanno Beck und Aloys Prinz klingt das zu schön, um wahr zu sein. Ihr Buch ist eine lesenswerte Gegenposition zur Modern Monetary Theory.

Take-aways

  • Die Aufgabe der Geldpolitik ist es, den Wert des Geldes stabil zu halten. Dafür darf nicht zu viel Geld im Umlauf sein.
  • Seit 2008 steigt die Schuldenlast vieler Staaten. Die Zentralbanken haben dies zugelassen und an Unabhängigkeit eingebüßt.
  • Gemäß der Modern Monetary Theory sollen Staaten sich nach Gutdünken neues Geld beschaffen und die Geldmenge entsprechend den staatlichen Ausgaben erhöhen.
  • Die Modern Monetary Theory ist blind für politische Realitäten, die ihre Umsetzung deutlich erschweren.
  • Die offizielle Inflationsrate basiert auf Verbraucherpreisen und ignoriert die Vermögenspreisinflation.
  • Die Geldpolitik wird mit zusätzlichen Aufgaben überfrachtet, die nicht im Einklang mit ihrer Kernaufgabe stehen: der Wahrung der Preisniveaustabilität.

Zusammenfassung

Die Aufgabe der Geldpolitik ist es, den Wert des Geldes stabil zu halten. Dafür darf nicht zu viel Geld im Umlauf sein.

Geld ist der Vergleichsmaßstab für alle Werte und Güter. Deshalb ist seine Stabilität so wichtig. Zu hohe Inflation führt dazu, dass das Vermögen von Privatleuten und Unternehmen an Wert verliert, weil sie immer weniger damit kaufen können. Das zerstört Wohlstand und schadet der Stabilität eines Landes.

Damit der Wert des Geldes stabil bleibt, muss es knapp gehalten werden. Die Geldmenge muss groß genug sein, um alle Transaktionen in einer Volkswirtschaft abwickeln zu können. Sie darf aber nicht so groß sein, dass zu viel Geld auf zu wenig Güter trifft. Denn das hätte steigende Preise, also Inflation zur Folge. Die Geldmenge sollte also grob gesagt mit der Wirtschaft mitwachsen. In der Vergangenheit gaben Staaten und Monarchen häufig zu viel Geld aus, überschuldeten sich und gingen bankrott. So entstand die Idee unabhängiger Zentralbanken, die für Geldwertstabilität sorgen sollen – auch gegen die Pläne der Regierenden.

„Eine unabhängige Zentralbank verhindert, dass Politiker die Geldpolitik dazu verwenden, sich die Wiederwahl zu sichern – auf Kosten einer höheren Inflation.“

Staatsschulden können legitim sein: um Krisen zu meistern, um Großprojekte zu finanzieren, deren Nutzen langfristig ihre Kosten übersteigt, oder um die Konjunktur anzukurbeln. Der Staat gibt dann Schuldscheine in Form von Staatsanleihen an die Geschäftsbanken heraus, die diese wiederum bei der Zentralbank hinterlegen können. Sie bekommen dafür Geld, das in diesem Moment neu geschaffen wird: Die Geldmenge steigt. Eine unabhängige Zentralbank kann das Verlangen des Staates nach frischem Geld aber auch ablehnen. Dann muss der Staat zu anderen, fiskalpolitischen Mitteln greifen: Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen.

Das zentrale Steuerungsmittel der Geldpolitik ist der Zinssatz, zu dem die Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld leihen können. Ist er tief, senkt dies das Risiko für die Banken, Zentralbankgeld aufzunehmen und in Form von Krediten an Unternehmen und Haushalte weiterzugeben. Ist die Wirtschaft überhitzt, kann die Zentralbank mit einem hohen Zinssatz Kredite unattraktiv machen, damit nicht noch mehr Geld die Preise weiter nach oben treibt.

Seit 2008 steigt die Schuldenlast vieler Staaten. Die Zentralbanken haben dies zugelassen und an Unabhängigkeit eingebüßt.

Nachdem mehrere Banken der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 zum Opfer gefallen waren, war das Vertrauen der Banken untereinander zerstört. Sie liehen sich gegenseitig kaum noch Geld und vergaben auch viel weniger Kredite an Privatleute und Unternehmen. Das löste rund um den Globus eine Rezession und bei den Zentralbanken eine geldpolitische Trendwende aus.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verstärkte mit Niedrigzinsen die Anreize zur Kreditvergabe, verschaffte den Geschäftsbanken zusätzliche Liquidität, lockerte die Anforderungen für Garantien, die Banken hinterlegen müssen, um Zentralbankgeld zu erhalten, und kaufte aktiv Wertpapiere auf – auch zweifelhafte. Die Zentralbankgeldmenge stieg deutlich.

Als Reaktion auf die Krise war diese Strategie verständlich. Aber auch nach der Bewältigung der Finanzkrise blieben die Zentralbanken mehr als zehn Jahre bei ihrer expansiven Politik. Und die Staaten nutzten dies gern, um neue Schulden mit frischem Zentralbankgeld zu finanzieren. Mittlerweile hält die EZB mehr als 35 Prozent der deutschen Staatsschulden, in den meisten Staaten gab es eine vergleichbare Entwicklung. 

„Zentralbanken geraten zunehmend in den Sog der Fiskalpolitik, Staatsschulden werden mit der Schaffung neuen Geldes finanziert. Gedacht war das anders.“

Warum hat die EZB so lange nicht gegengesteuert, wenn doch eine zu große Geldmenge auf Dauer ein Inflationstreiber ist? Zentralbanken sind zwar formal unabhängig, aber natürlich wird ihre Arbeit von äußeren Faktoren und staatlichem Handeln beeinflusst. Wer im Zusammenspiel zwischen Staat und Zentralbank die Oberhand behält, ist ein ständiger Aushandlungsprozess. Offenbar hat die Finanzkrise von 2008 eine lange Phase der monetären Dominanz beendet, in der die Zentralbanken der staatlichen Fiskalpolitik erfolgreich Grenzen setzen konnten. Stattdessen wurde eine Phase der fiskalischen Dominanz eingeläutet, in der es den Staaten gelungen ist, die Zentralbanken mit politischem Druck dazu zu bringen, ihre Wünsche zu erfüllen.

Gemäß der Modern Monetary Theory sollen Staaten sich nach Gutdünken neues Geld beschaffen und die Geldmenge entsprechend den staatlichen Ausgaben erhöhen.

Einige Ökonomen und Politiker rechtfertigen diese expansive Geldpolitik mit Bezug auf die Modern Monetary Theory, kurz MMT. In einem Punkt überschneidet sich die MMT mit anderen Geldtheorien: Geld hat keinen eigenständigen Wert. Nach der Modern Monetary Theory entsteht der dem Geld zugeschriebene Wert einzig und allein daraus, dass der Staat es als Zahlungsmittel für Steuern akzeptiert. Geldscheine sind so gesehen Forderungen gegen den Staat, dieser haftet dafür mit seinen zukünftigen Steuereinnahmen. Die MMT leitet daraus ab, dass neu geschaffenes Geld nicht als Schuld gesehen werden sollte. Sie argumentiert, dass der Staat, der ohnehin der Garant für den Wert des Geldes ist, die Geldmenge frei nach der Höhe seiner Ausgaben ausrichten kann – zum Beispiel mit dem Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen. So kann der Staat alle Güter beschaffen, die er will, und kann nie pleitegehen: Er druckt einfach neues Geld.

„In der MMT sind Geldscheine nichts anderes als unverzinste Kredite, mit denen sich der Staat bei den Bürgern einen Vorschuss auf die späteren Steuereinnahmen leiht.“

Steuern erhebt der Staat zwar auch in diesem System, aber nicht zur Finanzierung seiner Ausgaben, sondern zur Inflationsbekämpfung, wenn gemessen an der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu viel Geld im Umlauf ist. Inflation kann also auch im MMT-Modell entstehen, doch der Staat senkt die in Umlauf gebrachte Geldmenge mittels Steuererhöhungen einfach wieder.

Die Modern Monetary Theory ist blind für politische Realitäten, die ihre Umsetzung deutlich erschweren.

In einem System, wie es die Modern Monetary Theory beschreibt, würde die Zentralbank praktisch mit dem Finanzministerium verschmelzen. Geld würde nach den Bedürfnissen des Staates gedruckt, eine eigenständige Geldpolitik gäbe es nicht mehr. Damit der Staat die Geldmenge unter Kontrolle behalten kann, müsste er es den Geschäftsbanken verunmöglichen, durch Kreditvergabe eigenes Geld zu schaffen. Dafür müsste der Staat den Banken vorschreiben, ihre gesamten Einlagen bei der Zentralbank zu hinterlegen. Geschäftsbanken wären in diesem Modell nichts weiter als Filialen der Zentralbank. Und Geld würde nur noch durch die Zentralbank geschaffen.

Von diesem „Vollgeld-Ansatz“ versprechen sich Verfechter der MMT mehrere Vorteile: 

  • bessere Kontrolle des Konjunkturzyklus, weil die Zentralbank die Kreditvergabe selbst steuert;
  • geringeres Risiko großflächiger Kreditausfälle;
  • keine Bankenpleiten in Krisenzeiten, weil alles Geld durch die Zentralbank gesichert wird;
  • geringeres Risiko von Staatsschulden dank zinsloser Geldschöpfung.

Diese erhofften Effekte sind durchaus realistisch. Doch die Opportunitätskosten wären aus mehreren Gründen zu hoch:

  • Der Wegfall etablierter Strukturen und Prozesse könnte unvorhergesehene Probleme hervorrufen und die Volkswirtschaft destabilisieren.
  • Die vom Staat kontrollierte Zentralbank hätte zu viel Macht und Verantwortung. 
  • Privatleute und Unternehmen würden auf Kredite bei ausländischen Banken ausweichen. Das wiederum würde die Ausfallrisiken der Kontrolle der Geldpolitik entziehen. Strenge Kapitalverkehrskontrollen könnten dies verhindern, würden aber eine erhebliche Freiheitsbeschränkung bedeuten.
  • Der Staat würde zu höheren Ausgaben verleitet, weil diese ihn scheinbar nichts kosten. Doch neu geschaffenes Geld kann kein Nettovermögen darstellen, es handelt sich um aufgeschobene Steuerschulden.

Es stimmt im Übrigen nicht, dass der Staat sich in diesem System nicht mehr über Steuern finanziert. Wenn eine Steuererhöhung nötig wird, um Inflation einzudämmen, heißt das, dass Staat, Privatleute und Unternehmen mit zu viel Geld um zu wenige Güter konkurrieren. Der Staat verdrängt das private Geld von den Gütermärkten, indem er es einfach einzieht, und kauft sich dann, was er braucht. Das ist nichts anderes als Staatsfinanzierung durch Steuern.

Die offizielle Inflationsrate basiert auf Verbraucherpreisen und ignoriert die Vermögenspreisinflation.

Obwohl die Zentralbanken seit 2008 enorm viel Geld in die Wirtschaft gepumpt haben, kam es erst im Zuge der Coronakrise und des Ukrainekriegs zu einem Anstieg der Inflationsrate. Davor blieben die Preise über Jahre stabil. Es schien, als ob die expansive Geldpolitik entgegen der ökonomischen Theorie nicht inflationsfördernd wirkte. Das ist jedoch ein Irrtum. 

Das Problem: Die Inflationsrate beruht auf Verbraucherpreisen. Sie steigt, wenn die meisten oder alle Produkte im Warenkorb eines Durchschnittsbürgers deutlich teurer werden. Dieses Verständnis von Inflation ist unzureichend. Konsumgüter sind im Durchschnitt in der Tat preisstabil geblieben, weil Waren aus Fernost, der technische Fortschritt und Deregulierung viele davon billiger gemacht haben. Ganz anders sah die Entwicklung aber bei Vermögensgegenständen wie Immobilien und Aktien aus: Deren Preise gingen förmlich durch die Decke, losgelöst von den erzielbaren Mieten und den erwirtschafteten Unternehmensgewinnen. Diese Entwicklung heißt Vermögenspreisinflation. Zu einem vollständigen Bild würde auch sie gehören.

„Wir haben auf die falschen Preise geschaut.“

Der Verdacht liegt nahe, dass die Zentralbanken ihre Augen bewusst vor der Vermögenspreisinflation verschließen. Würden sie diese als Gefährdung der Preisniveaustabilität anerkennen, müssten sie sie auch bekämpfen. Doch höhere Zinsen könnten Banken mit hohen Kreditvolumina ebenso wie überschuldete Staaten gefährden. Der Zielkonflikt zwischen stabilen Preisen und einem stabilen Finanzsystem träte offen zutage. Richtig ist aber auch: Wenn Blasenbildungen einfach hingenommen oder gar angeheizt werden, vergrößert das langfristig die daraus entstehenden Gefahren.

Die Geldpolitik wird mit zusätzlichen Aufgaben überfrachtet, die nicht im Einklang mit ihrer Kernaufgabe stehen: der Wahrung der Preisniveaustabilität.

Es ist unstrittig, dass sich geldpolitische Maßnahmen weit über das Preisniveau hinaus auswirken. In diesem Sinn ist Geldpolitik ein mächtiges Instrument. Ihre Steuerungsmöglichkeiten sollten aber auch nicht überschätzt werden: Zum einen gibt es keine einheitliche Definition dessen, was mit Geldmenge genau gemeint ist. Zum anderen kann die Geldpolitik nur die Zentralbankgeldmenge beeinflussen, nicht aber die Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken, die durch Kreditvergabe entsteht.

In den letzten Jahren ist der Eindruck entstanden, die Geldpolitik könne als Allheilmittel für politische Herausforderungen aller Art herangezogen werden:

  • Finanzstabilität: In der Krise von 2008 und in der darauf folgenden EU-Staatsschuldenkrise reifte die Erkenntnis, dass ein stabiles Finanzsystem ein eigenständiges Ziel neben stabilen Preisen darstellt. Dass hierfür auch die Zentralbanken eingespannt wurden, brachte jedoch Zielkonflikte mit sich, die sich etwa in der Vermögenspreisinflation zeigten. 
  • Klimaneutralität: Zum Gelingen des Green New Deal in den USA und des European Green Deal in der EU sollen auch geldpolitische Instrumente beitragen. Diskutiert wird etwa, dass die EZB im Rahmen der Bereitstellung von Zentralbankgeld nur noch „grüne“ Wertpapiere akzeptiert.
  • Vollbeschäftigung: Dass mit geldpolitischen Maßnahmen auch Beschäftigungspolitik betrieben wird, ist nicht neu. In den USA wird „maximale Beschäftigung“ sogar explizit als Ziel der Geldpolitik genannt. Die grobe Idee: Der Staat bekämpft Arbeitslosigkeit mit höheren Ausgaben, bis Vollbeschäftigung erreicht ist, die Zentralbank alimentiert das mit neuem Geld.

Die Europäische Zentralbank hat einen vertraglich festgehaltenen Auftrag: Preisniveaustabilität. Sie darf daneben die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen, sofern dies ihr Hauptziel nicht gefährdet. Doch genau das droht durch diese Verzettelung.

„Für jedes Ziel, das die Wirtschaftspolitik verfolgt, wird ein eigenes Instrument benötigt – für zwei Ziele benötigen Sie zwei Pfeile im Köcher. Besitzt die Geldpolitik nur ein Instrument, kann sie auch nur ein Ziel verfolgen.“

Dies lässt sich am Beispiel der Klimapolitik verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, ein Staat verschuldet sich hoch, um ambitionierte Klimaziele zu erreichen. In der Folge werden klimafreundliche Energieträger stärker nachgefragt, die Preise dafür steigen, und weil Energie fast alle Wirtschaftsprozesse befeuert, greift die Inflation auf andere Güter über. Die Zentralbank steht dann vor einem Zielkonflikt: Wenn sie die Inflation mit höheren Zinsen bekämpft, erschwert sie dem Staat die Rückzahlung der aufgenommenen Schulden.

Da der Geldpolitik im Wesentlichen nur ein Hebel zur Verfügung steht, nämlich die Höhe des Zinssatzes, kommt es unausweichlich immer wieder zu solchen Zielkonflikten. Dass zwei oder mehr Ziele miteinander harmonieren, kann vorübergehend vorkommen, doch insgesamt wird von der Geldpolitik Unrealistisches erwartet. Es wäre besser, wenn sie sich ganz auf die Preisniveaustabilität konzentrieren könnte – die Aufgabe ist schwierig genug.

Über die Autoren

Hanno Beck ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim. Aloys Prinz ist Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft II an der Universität Münster.

Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.

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