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Geschwister Tanner
Buch

Geschwister Tanner

Berlin, 1907
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 1986 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Luftikus und Taugenichts

Robert Walser ist ein Stiefkind unter den bedeutenden deutschsprachigen Autoren der Moderne. Seine Werke sind auch heute hauptsächlich Eingeweihten bekannt, obwohl er als einer der wichtigsten Schweizer Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt. Geschwister Tanner ist sein erster Roman, der mit einer gewissen luftigen Leichtigkeit daherkommt. Das liegt zu einem guten Teil am Protagonisten: Simon Tanner ist ein moderner Taugenichts, der von einer Anstellung zur nächsten eilt, meist nur von der Hand in den Mund lebt und jeder Gelegenheit zu Aufstieg und Karriere konsequent aus dem Weg geht. Er ist ein Schwadroneur, einer, der gern ein Schwätzchen hält, über Gott und die Welt sinniert und am allerliebsten Stegreifreden hält, die gleichzeitig das hervorstechendste Stilmerkmal von Walsers Roman sind. Seine Geschwister säumen Simons Weg, der irgendwo anfängt und nirgendwo endet: Eine Zeit verbringt er mit dem den schönen Künsten zugeneigten Bruder Kaspar, er lebt recht unbefangen mit seiner Schwester Hedwig zusammen und streitet sich mit dem gestrengen Klaus. Geschwister Tanner ist ein Entwicklungsroman - aber ohne allzu viel Entwicklung. Walsers Held ist ein Luftikus, den man zuweilen verurteilt, aber meist ganz sympathisch findet.

Zusammenfassung

Der flatterhafte Simon Tanner

Eines Morgens stellt sich der junge, knabenhafte Simon Tanner bei einem Buchhändler vor. In einer langen Rede versucht er den verdutzten Mann davon zu überzeugen, ihm eine Anstellung zu geben. Auf die Frage, wo er denn Referenzen über ihn einholen könne, reagiert Simon etwas brüskiert: Der Händler solle am besten keine Erkundigungen über ihn einholen, denn das würde ja gar nichts bringen. Er, Simon, habe schließlich bis jetzt recht flatterhaft gelebt und es nirgendwo lange ausgehalten. Über die Offenheit des Bewerbers erstaunt, will ihm der Buchhändler eine Chance geben und ihn zunächst einmal probehalber für eine Woche anstellen. Etwa zur gleichen Zeit macht sich Simons älterer Bruder, der Doktor Klaus, Arzt in einer Residenzstadt, Sorgen um seine jüngeren Brüder, die alle nicht so recht Tritt im Leben gefasst haben. Eben das gelingt Simon auch beim Buchhändler nicht: Nach der vereinbarten Probewoche nimmt er seinen Hut und verabschiedet sich noch recht impertinent, indem er dem Buchhändler vorwirft, dass er sich bei ihm ja nur bei schönstem Wetter in einer dunklen Bude den Rücken krumm gestanden habe. Bei der Arbeitsvermittlung kennt man Simon...

Über den Autor

Robert Walser wird am 15. April 1878 in Biel im Kanton Bern geboren. Hier absolviert er nach der Schulzeit eine Banklehre. In den Jahren 1896-1905 lebt er überwiegend in Zürich, arbeitet dort als Angestellter in Banken und Versicherungen, als Buchhändler und technischer Gehilfe eines Ingenieurs, aber auch - nach einer entsprechenden Ausbildung in Berlin - in Oberschlesien als Diener. Erste Gedichte verschaffen ihm Zugang zu literarischen Kreisen. Nach Erscheinen seines Debüts, Fritz Kochers Aufsätze (1904), folgt Walser 1906 seinem Bruder Karl nach Berlin, der dort als Maler und Bühnenbildner arbeitet und ihn in die Künstlerszene einführt. Walser verfasst in rascher Folge die Romane Geschwister Tanner (1907), Der Gehülfe (1908) und Jakob von Gunten (1909). Trotz beachtlicher Erfolge kehrt Walser Berlin wieder den Rücken. Überzeugt davon, literarisch gescheitert zu sein, reist er 1913 in seine Heimatstadt Biel zurück. Im Hotel "Blaues Kreuz" mietet er eine Mansarde, wo er unter ärmlichsten Bedingungen lebt und schreibt. Hier entstehen eine Sammlung von Kurzprosatexten und die Erzählung Der Spaziergang (1917). Trotz der Präsenz in literarischen Zeitschriften kommt es nur noch zu einer Buchveröffentlichung: Die Rose (1925). Den so genannten Räuber-Roman von 1925 hinterlässt er nur als Entwurf, in mikroskopisch kleiner Schrift (Mikrogramm). Die Entzifferung soll mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Wegen psychischer Labilität lässt sich Walser 1929 in die psychiatrische Klinik Waldau bei Bern einweisen. Bis 1933 schreibt er weiter, danach muss er aufgeben und wird gegen seinen Willen in die Heilanstalt Herisau im Kanton Appenzell überstellt. Dort vegetiert er weitere 23 Jahre dahin, unerkannt und unbeachtet. Auf einem einsamen Spaziergang im Schnee verstirbt er am 25. Dezember 1956.


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