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Jugend ohne Gott
Buch

Jugend ohne Gott

Amsterdam, 1937
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2008 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Politischer Roman
  • Moderne

Worum es geht

Die Generation der Seelenlosen

In seinem 1937 erschienenen Roman Jugend ohne Gott widmet sich Ödön von Horváth der Generation der damals 14-Jährigen. Unter der Diktatur zu Gehorsam, Menschenverachtung und Rassenhass erzogen, sind sie zu seelenlosen Monstern verkommen. Zu jung, um noch die Schrecken des Ersten Weltkrieges erlebt zu haben, träumen sie vom Kriegsheldentum. In einem aufs Äußerste verknappten, dabei doch bildhaften Stil beschreibt Horváth eine Jugend ohne Orientierung, Empathie und Zivilcourage. Auch der Ich-Erzähler, ein Lehrer, ist kein Held, sondern repräsentiert den Typus des Mitläufers. Erst durch einen Mordfall unter seinen Schülern entwickelt er den Mut, die Wahrheit zu sagen, und findet dadurch zu seinem Glauben an Gott zurück. Das zentrale Thema des Romans, der im Gewand eines Krimis daherkommt, ist der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft: Wie kann der Einzelne seine humanistischen Ideale in einer von Opportunismus und Eigennutz beherrschten Welt leben? Horváths mystisch-religiöse Antwort mag nicht jeden überzeugen, dennoch regt das Buch auch heute noch zum Nachdenken an. 

Zusammenfassung

Die Pest der Menschenverachtung

An seinem 34. Geburtstag korrigiert ein Lehrer, der an einem Gymnasium Geschichte und Geografie unterrichtet, Schulaufsätze. Eigentlich könnte er glücklich sein: Er ist gesund und hat eine sichere Stellung mit Aussicht auf eine gute Pension. Und doch ist er unzufrieden. Er ärgert sich über die Aufsätze seiner Schüler zum Thema „Warum müssen wir Kolonien haben?“. Die Schlagworte und rassistischen Äußerungen, die die 14-jährigen Jungen von sich geben, stoßen ihm übel auf, er korrigiert sie aber nicht. Als Beamter kann er sich offene Kritik nicht leisten. Die Schüler plappern ohnehin nur die hohlen Phrasen nach, die ihnen täglich im Radio und in den Zeitungen serviert werden.

Einen Satz, in dem Schüler N den Negern jedes Lebensrecht abspricht, streicht er aber doch an und erklärt ihm vor der Klasse, auch Neger seien Menschen. Prompt taucht Ns Vater in der Sprechstunde auf und bezichtigt den Lehrer des Vaterlandsverrats. Der Lehrer wird zum Direktor zitiert. Der schüttelt zwar auch nur den Kopf über die Zeiten, in denen sie leben, seit die „Plebejer“ die Macht übernommen...

Über den Autor

Ödön von Horváth wird am 9. Dezember 1901 im ungarischen Fiume (dem heute kroatischen Rijeka) als unehelicher Sohn österreichisch-ungarischer Eltern geboren. Sein Vater ist Diplomat, sodass Ödön von klein auf immer wieder umzieht: zunächst nach Belgrad, dann nach Budapest, München, Pressburg und Wien, wo er 1919 sein Abitur macht. Anschließend besucht er an der Münchner Universität theater-, kunst- und literaturwissenschaftliche Seminare. Er verlässt die Universität ohne Abschluss und nimmt sich vor, Schriftsteller zu werden. Ab 1923 wohnt er abwechselnd bei seinen Eltern im oberbayerischen Murnau und in Berlin. 1927 wird sein erstes Theaterstück Revolte auf Côte 3018 uraufgeführt. Im selben Jahr lehnen die bayerischen Behörden seinen Antrag auf Einbürgerung ab. Horváth behält die ungarische Staatsbürgerschaft. Zwei Jahre darauf sichert ihm ein Vertrag mit dem Ullstein Verlag über sein gesamtes schriftstellerisches Werk ein Einkommen. 1931, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, werden die erfolgreichsten Volksstücke Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wiener Wald uraufgeführt. Horváth siedelt nach immer heftigeren Anfeindungen seitens der politischen Rechten 1933 nach Wien über. Seine Stücke dürfen nun in Deutschland nicht mehr gespielt werden. Er heiratet, lässt sich aber wenige Monate darauf wieder scheiden. 1934 wird er auf eigenen Antrag hin in den nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Schriftsteller aufgenommen und führt ein recht unstetes Leben zwischen Wien und Berlin. Unter dem Pseudonym H. W. Becker arbeitet er an einigen trivialen Drehbüchern für die deutsche Filmindustrie mit. Als ihm das Deutsche Reich 1936 die Aufenthaltserlaubnis entzieht, bleibt er ganz in Wien. 1937 erscheint in einem Amsterdamer Exilverlag der Roman Jugend ohne Gott, eine Anklage gegen die Nazidiktatur. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich flieht Horváth über Budapest, Prag, Zürich und Amsterdam nach Paris. Er stirbt am 1. Juni 1938, als er während eines Gewitters auf den Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast getroffen wird.


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