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Kasimir und Karoline

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Kasimir und Karoline

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Liebe und Enttäuschung auf dem Oktoberfest: ein menschliches Drama vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Ernüchterndes Oktoberfest

Bierlaune und Weltwirtschaftskrise: Das Bild der deutschen Gesellschaft gegen Ende der Weimarer Republik, wie es Ödön von Horváth in Kasimir und Karoline zeichnet, ist äußerst facettenreich. Die einfachen Leute ächzen unter der explosionsartig steigenden Arbeitslosigkeit, die Kluft zwischen den Bevölkerungsschichten wird breiter und breiter. Das Theaterstück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers ist aber auch ein Beziehungsdrama, eine scharfe Analyse der selbstzerstörerischen Illusionen, denen sich die beiden Liebenden immer wieder hingeben. Kasimir und Karoline, beide eigentlich auf Vergnügen aus, lassen sich von Alkohol und Pöbeleien anheizen und verlieren sich allmählich aus den Augen – wörtlich und im übertragenen Sinn. Die Liebe ist ein höchst flüchtiges Gefühl inmitten fest gefügter gesellschaftlicher Verhältnisse und Regeln – diese ernüchternde Erkenntnis bewegt heute wie damals.

Take-aways

  • Kasimir und Karoline ist Beziehungsdrama und Sozialstudie zugleich. Es schildert die harten Lebensbedingungen der Arbeiterschaft während der Weltwirtschaftskrise.
  • Das Stück spielt auf dem Münchner Oktoberfest um 1930. Festzelte, skurrile Schaubuden und die allgegenwärtige Bierlaune prägen das Bild.
  • Im Zentrum der Handlung stehen Kasimir und Karoline, deren Beziehung im Lauf eines Abends in die Brüche geht.
  • Kasimir hat gerade seine Arbeit als Fahrer verloren und ist in gereizter Stimmung.
  • Karoline hingegen will sich amüsieren und lässt sich mit verschiedenen Männern ein.
  • Darauf wendet Kasimir sich angeekelt von ihr ab. Unterstützung findet er bei seinem Freund, dem Kleinkriminellen Merkl Franz, und dessen Frau Erna.
  • Bei einem Einbruch wird Merkl Franz geschnappt. Da er unter Tuberkulose leidet, wird er das Gefängnis wahrscheinlich nicht mehr lebend verlassen.
  • Nachdem er abgeführt wurde, kommen sich Erna und Kasimir näher, während Karoline in den Armen eines anderen landet.
  • Horváth zeigt, wie Verlogenheit und Dummheit Menschen aller Schichten am Glücklichsein hindern.
  • Kasimir und Karoline existiert in zwei Fassungen. Inhaltlich unterscheiden sie sich nur geringfügig.
  • In der zweiten Fassung ist das Stück in 117 kurze Einzelszenen gegliedert, die dem ständigen Kommen und Gehen während des Volksfests entsprechen.
  • Das Drama ist nicht Horváths bekanntestes Stück, wurde aber bereits zweimal verfilmt.

Zusammenfassung

Liebe und Streit beim „Hau den Lukas“

Auf dem Münchner Oktoberfest schauen viele Besucher gebannt einem vorbeifliegenden Zeppelin hinterher. Kasimir testet derweil seine Kraft beim „Hau den Lukas“ und unterhält sich mit seiner Verlobten Karoline. Er ist frustriert, weil er gerade seinen Arbeitsplatz als Fahrer verloren hat, und schimpft auf „die Millionäre“. Karoline versucht ihn zu beruhigen – ohne Erfolg. Im Gegenteil, die beiden geraten in Streit, und Kasimir macht sich wütend davon. Ein gewisser Schürzinger wendet sich an Karoline und kommt rasch mit ihr ins Gespräch. Karoline meint, dass der Mensch im Grunde schlecht sei, Schürzinger widerspricht ihr: Die Menschen seien weder gut noch böse; ihre jeweiligen Umstände würden ihr Handeln bestimmen. Kasimir beobachtet die beiden und stellt Karoline kurz darauf zur Rede, die aber will von seiner Eifersucht nichts wissen und behauptet, Schürzinger sei ein alter Bekannter von ihr. Das Paar streitet sich erneut, Kasimir wirft Karoline vor, dass sie sich von ihm trennen wolle, weil er seine Arbeit verloren habe. Karoline streitet dies ab, worauf Kasimir wieder das Weite sucht.

„Sie haben doch vorhin gesagt, dass wenn der Mann arbeitslos wird, dass dann hernach auch die Liebe von seiner Frau zu ihm nachlässt – – und zwar automatisch.“ – „Das liegt in unserer Natur. Leider.“ (Karoline und Schürzinger, S. 28)

Karoline schlendert mit Schürzinger zur Achterbahn. Unweit von ihnen steht Kasimir mit seinem Freund Merkl Franz und dessen Frau Erna. Er lässt seine Braut nicht aus den Augen. Karoline fürchtet, dass Kasimir ihr eine Szene machen könnte. Vor allem hat sie Angst vor Kasimirs Freund, der, wie sie Schürzinger erzählt, bereits mehrmals gesessen habe und von dem sie behauptet, dass er seine Frau schlage. Schürzinger argwöhnt, dass es zu einer Prügelei kommen könnte. Tatsächlich schlägt Merkl Franz Kasimir vor, zu den beiden hinzugehen und sie zu verprügeln. Kasimir lehnt ab.

Aufrichtige Liebe?

Während Karoline allein Achterbahn fährt, kreuzen sich die Wege von Schürzinger und Kasimir. Sie kommen ins Gespräch. Kasimir erfährt, dass Karoline Schürzinger erst auf dem Oktoberfest kennen gelernt und ihn also angelogen hat. Merkl Franz kommt hinzu und fordert Kasimir noch einmal auf, Schürzinger zu verprügeln. Aber Kasimir weigert sich. Erna fordert ihren Mann auf, seinen Freund in Ruhe zu lassen, doch er lässt sich nicht von seinen Spötteleien abhalten. Als Karoline sich der Gruppe wieder anschließt, kommt es erneut zu einem Streit mit Kasimir. Er wirft ihr abermals Trennungsabsichten vor und stellt sie zur Rede, weil sie ihn angelogen hat. Sie gibt die Lüge zu, die ihr im Ärger rausgerutscht sei. Kasimir will nicht einlenken. Karolines Bemerkung, dass es sich bei Schürzinger um einen „gebildeten Mann“ handle, erzürnt ihn vollends. Als sich Merkl Franz auf ziemlich unflätige Weise in die Diskussion einmischt, verlässt Karoline zusammen mit Schürzinger den Kreis. Kurz danach gehen auch Kasimir und das Paar Merkl Franz und Erna getrennte Wege.

„Wissens, wenns mir schlecht geht, dann denk ich mir immer, was ist ein Mensch neben einen Stern. Und das gibt mir dann wieder einen Halt.“ (Erna zu Kasimir, S. 21)

An einem der Feststände beobachten die Herren Rauch und Speer, wie die Damen Elli und Maria die Rutschen hinuntersausen und sich anschließend ihre Kleider wieder herrichten. Karoline und Schürzinger nähern sich dem Spielplatz. Sie sind gerade in ein Gespräch über das Verhältnis der Geschlechter vertieft. Rauch sieht das Mädchen und macht anzügliche Bemerkungen über ihren Hintern. Karoline und Schürzinger kommen sich derweil immer näher. Sie ist empört über das Verhalten von Kasimir, der sie aus ihrer Sicht grundlos beschimpft hat. Schürzinger äußert dagegen Verständnis für ihren Freund, immerhin habe er doch gerade seine Arbeit verloren. Dann wechselt er das Thema und gesteht Karoline seine Einsamkeit.

Karoline und Kasimir trennen sich

Nachdem auch Schürzinger und Karoline die Rutsche runter sind, gesellt sich Rauch zu ihnen. Schürzinger stellt Karoline den Kommerzienrat als seinen Chef vor. Rauch, bereits angetrunken und offensichtlich an Karoline interessiert, fragt Schürzinger über sie aus. Er bietet ihm Alkohol an, Schürzinger lehnt erst ab, trinkt dann aber doch. Plötzlich ist Kasimir wieder da und winkt Karoline zu sich. Nach einigem Zögern geht sie zu ihm. Er erkundigt sich nach ihren neuen Begleitern und bittet sie wegen seiner Eifersucht um Verzeihung. Karoline zeigt sich versöhnlich, eröffnet ihm aber bald darauf, dass sie sich von ihm trennen will. Sie möchte neue Bekanntschaften schließen, um eine höhere gesellschaftliche Stufe zu erreichen. Kasimir habe sie immer nur erniedrigt. Der ist empört und macht sich davon.

Im Kabinett der Skurrilitäten

Rauch, Speer, Karoline und Schürzinger sitzen im Zuschauerraum des „Abnormitäten-Kabinetts“. Der Mann mit dem Bulldoggkopf wird auf die Bühne gerufen und bestaunt, dann folgt Juanita, das „Gorillamädchen“, das am ganzen Körper behaart ist. Auf einmal dringt von draußen Geheul und Musik ins Zelt; der Zeppelin ist wieder da. Die Zuschauer laufen ins Freie, und die Bühnendarsteller wollen sich ihnen anschließen. Der Ausrufer verbietet es ihnen jedoch und beschimpft sie als Krüppel. Das Gorillamädchen fängt an zu weinen, lässt sich aber dann vom Direktor, einem Liliputaner, trösten. Kurze Zeit später kommen Karoline und Schürzinger ins Zelt zurück. Beide sind leicht beschwipst, Karoline neckt Schürzinger und küsst ihn schließlich. Das Programm geht weiter, Juanita fängt an zu singen, und Schürzinger legt den Arm um Karoline.

„Sei doch nicht so sentimental. Das Leben ist hart und eine Frau, die wo etwas erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen.“ (Karoline zu Kasimir, S. 32 f.)

Kasimir hat sich wieder Merkl Franz und Erna angeschlossen. Sie sitzen im „Wagnerbräu“ und hören einer Blasmusikkapelle zu. Ganz im Gegensatz zu seiner bierseligen Umgebung ist Kasimir in getrübter Stimmung und will als Einziger nicht mitsingen. Sein Begleiter versucht ihn aufzuheitern – es lebe sich doch besser ohne Karoline –, aber Kasimir geht nicht darauf ein. Schließlich macht er seiner Frustration Luft. Seine Arbeitslosigkeit sei schuld am Auseinanderbrechen der Beziehung, er fühle sich vom Schicksal betrogen. Kasimir trauert über den Verlust seiner Ideale und Wertvorstellungen, und als das nächste Trinklied angestimmt wird, weigert er sich wiederum, mitzusingen. Stattdessen steht er auf, kündigt offensichtlich betrunken an, „ganz ekelhaft“ zu werden, und verlässt das Zelt. Erna sorgt sich, dass Kasimir sich etwas antun könnte, Merkl Franz hingegen widerspricht ihr. Mittlerweile auch ziemlich betrunken, geraten die beiden in Streit. Merkl Franz steckt den Finger in Ernas Bierkrug und weigert sich, ihn wieder herauszunehmen. Die aufgebrachte Erna packt schließlich seine Hand und reißt sie heraus. Er grinst nur.

Kasimir wird frustrierter, Karoline koketter

Kasimir erscheint erneut, diesmal mit Elli und Maria im Arm, die er, wie er behauptet, auf der Toilette kennen gelernt hat. Die drei setzen sich zu Merkl Franz und Erna an den Tisch. Kasimir fühlt sich stärker zu Elli hingezogen, zu ihrer Freundin Maria verhält er sich weniger charmant. Als Elli etwas zu trinken will, ruft Kasimir die Kellnerin herbei, die ihm einen Bierkrug vor die Nase stellt und von ihm verlangt, die Rechnung sofort zu begleichen. Kasimir, angestrengt in seinen Taschen kramend, muss feststellen, dass er all sein Geld bereits ausgegeben hat, worauf die Kellnerin das Bier wieder mitnimmt. Die Stimmung von Elli und Maria verschlechtert sich rapide, sie stehen auf und verlassen die Runde.

„Und die Liebe macht deine Hütte zu einem Goldpalast – – und sie höret nimmer auf, solang dass du nämlich nicht arbeitslos wirst.“ (Kasimir, S. 41)

Kasimirs Frustration wächst immer weiter. Über seine Situation jammernd, gerät er mit Merkl Franz in eine politische Diskussion. Beide misstrauen den Politikern und ihren Parteien und erhoffen sich von ihnen keinerlei Besserung der Verhältnisse. Merkl Franz meint, man müsse sich eben selbst helfen, und wedelt mit Zehnmarkscheinen, aber Kasimir will von solchen „privaten Aktionen“ nichts wissen. Als Merkl Franz nicht nachlässt, Kasimir zu beschwätzen, mischt sich Erna in die Debatte. Wütend greift Merkl Franz nach seinem Krug und schüttet Erna das Bier ins Gesicht. Die ist empört und will weg, aber ihr Mann zwingt sie, bei ihm zu bleiben. Wieder wird ein Lied angestimmt, aber die Heiterkeit ist im Eimer.

„Zahlen bitte – – o du mein armer Kasimir! Ohne Geld bist halt der letzte Hund!“ (Kasimir, S. 44)

Karoline, Schürzinger, Rauch und Speer sind mittlerweile im Hippodrom. Unter schlüpfrigen Bemerkungen der Männer geht Karoline in Richtung Manege, um einen Ritt zu wagen. Ihre drei Begleiter schauen zu, wobei Rauch und Speer beim Anblick des Pferdes in Erinnerungen schwelgen. Wie lange er nicht mehr geritten sei!, jammert Speer; jetzt sei er ja nur noch ein armer Richter und längst ein alter Mann. Karoline kehrt zu den Männern zurück und Schürzinger, der glaubt, wieder etwas nüchterner geworden zu sein, nimmt sie beiseite. Er warnt sie vor Rauch und Speer, die übel über sie reden, und fordert sie auf, nicht weiterzutrinken, da die beiden älteren Herren die Absicht hätten, sie abzufüllen und ins Bett zu kriegen. Er schlägt Karoline stattdessen vor, auf einen Tee zu ihm zu gehen. Sie unterstellt ihm darauf die gleichen unlauteren Absichten. Schürzinger reagiert enttäuscht und gesteht ihr, bereits von einer gemeinsamen Zukunft mit ihr geträumt zu haben. Karoline aber weist ihn ab und gesellt sich wieder zu Rauch und Speer.

„Menschen ohne Gefühl haben es viel leichter im Leben.“ (Karoline, S. 49)

Rauch macht Karoline den Vorschlag, in seinem Cabriolet nach Altötting zu fahren. Sie willigt ein. Darauf wendet sich Rauch noch einmal an Schürzinger und erzählt ihm eine Anekdote: Ein Leutnant im Regiment des französischen Königs habe dem Monarchen seine Braut zur Verfügung gestellt, nachdem er bemerkt habe, wie gut sie jenem gefiel. Schürzinger versteht – und ergänzt, dass dieser Leutnant bald darauf zum Oberleutnant befördert worden sei ... Inzwischen ist Speer so betrunken, dass er sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten kann. Rauch macht ihn lächerlich, worauf Speer mit Fäusten und Füßen auf seinen Kumpanen losgeht. Er fühlt sich derart gekränkt, dass er Rauch die Freundschaft aufkündigt und davontorkelt.

Kriminelle Absichten

Merkl Franz, Erna und Kasimir stehen auf dem Parkplatz. Franz lästert über die teuren Limousinen und bemerkt, wie schlecht sie bewacht seien. Er plant einen Einbruch und fordert seine Begleiter auf, für ihn Schmiere zu stehen. Während er zwischen den Wagen verschwindet, unterhalten sich Kasimir und Erna. Sie erzählt, dass sie es mag, sich eine Revolution auszumalen, bei der sie „mit der Fahne in der Hand“ stirbt. Sie glaubt fest, dass sich Menschen unter besseren Umständen auch besser verhalten würden. Dann kehrt Merkl Franz zurück. Er hat den Wagen von Rauch aufgespürt und dessen Aktentasche entwendet, darin findet er einen Briefumschlag und eine Reihe pornografischer Schriften.

„Zukunft ist eine Beziehungsfrage – – und Kommerzienrat Konrad Rauch ist eine Beziehung. Auf nach Altötting!“ (Rauch zu Karoline, S. 53)

Speer, mittlerweile etwas nüchterner, hat nun Elli und Maria untergehakt; er nähert sich dem Parkplatz, als Elli plötzlich zurückbleibt. Maria geht zu ihrer Freundin. Mit dem Hinweis auf das Geld, das Speer ihnen versprochen habe und mit dem Elli ihr Kind weiter durchfüttern könne, überredet sie ihre Freundin, mitzukommen.

Bildung neuer Pärchen

Karoline ist inzwischen mit Rauch zu dessen Auto gelangt. Der Wagen erinnert sie an Kasimir, der als Chauffeur ein ähnliches Modell gefahren hat. Kurze Zeit später kommt Kasimir mit Erna am Wagen vorbei. Karoline erklärt, sie gehe mit Rauch nach Altötting. Und tatsächlich steigen die beiden ein und fahren los. Erna versucht Kasimir zu trösten und ihm begreiflich zu machen, dass Karoline sowieso nicht die richtige Frau für ihn gewesen wäre. Dann ist es plötzlich Erna selbst, die lamentiert: Aus der Ferne sieht sie, wie Merkl Franz abgeführt wird. Sie glaubt, dass sie ihn nun nicht mehr wiedersehen wird, und bricht in Tränen aus; im Gefängnis werde er an seiner Tuberkulose sterben. Kasimir tröstet sie. Er fühlt sich darin bestätigt, dass Verstöße gegen das Gesetz keinen Ausweg aus der Armut bieten. Kasimir und Erna, nun beide von ihren Partnern verlassen, nähern sich einander rasch an. Er erkundigt sich bei ihr, ob sie gesund sei oder ob sie sich etwa bei ihrem kranken Freund angesteckt habe. Dann umarmen sie sich.

„Heute parken ja da allerhand hochkapitalistische Limousinen. Lauter Steuerhinterzieher – –“ (Merkl Franz, S. 54)

Später kehrt Karoline von ihrem Ausflug zurück. Ernüchtert spottet sie über ihre eigene Naivität. Rauch hatte offensichtlich gar nicht vor, mit ihr nach Hause zu fahren, sondern wurde bereits im Wagen zudringlich. Kasimir reagiert abweisend, er will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Karoline gibt ihm einen Kuss, er wendet sich angewidert ab. Das macht sie wütend: Sie wirft ihm vor, dass er sich nicht nur sofort eine Neue gesucht habe, sondern mit Erna auch noch seinen Freund betrüge. Dann kommt Schürzinger vorbei. Er begrüßt Karoline überschwänglich und sagt, er verdanke ihr seine Beförderung. Zuerst glaubt sie, seine Herzlichkeit sei gespielt, aber Schürzinger scheint es ernst zu meinen. Die beiden küssen sich innig und lassen Kasimir und Erna zurück.

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Aufbau und Stil

Das Volksstück Kasimir und Karoline existiert in zwei Fassungen, die aber nahezu identisch sind, bis auf geringe inhaltliche Abweichungen gegen Ende der Handlung. Die erste umfasst sieben Bilder, die wiederum in eine Vielzahl kleiner Szenen aufgeteilt sind; die zweite beläuft sich auf 117 Szenen, was bei der Kürze des Dramas, das alles in allem kaum mehr als 50 Seiten umfasst, zu einer enormen Kleinteiligkeit führt. Die kurzen Szenen und Bilder entsprechen dem ununterbrochenen Kommen und Gehen, dem Streiten und Sich-wieder-Zusammenfinden der Festbesucher anlässlich der vielen Attraktionen, bei denen sich auf dem Oktoberfest verweilen lässt. Es gehört zu den Stärken des Stücks, dass die Fäden trotzdem an keiner Stelle auseinanderlaufen. Die Volksfeststimmung ist ständig präsent und kontrastiert in ihrer Bierseligkeit mit der eigentlichen Handlung. Diese hat zwar eine Reihe komischer Momente und komödienhafter Wendungen, ist aber ihrem Wesen nach tragisch. Der Sprachstil entspricht dem proletarischen Milieu, in dem das Stück spielt: Horváths Figuren reden derb, grobschlächtig und stark dialektgefärbt. Ausnahmen sind Rauch und Speer, die im Jargon der höheren Gesellschaftsschicht sprechen, der sie angehören.

Interpretationsansätze

  • Kasimir und Karoline ist in erster Linie ein Beziehungsdrama. Ein zutiefst pessimistisches Wechselspiel der Liebe, das vom Anfang bis zum Schluss von der Notwendigkeit des Scheiterns durchdrungen ist. Wahre Liebe erscheint als Illusion, die beiden zentralen Beziehungen (Kasimir und Karoline, Merkl Franz und Erna) gehen in die Brüche, und auch bei den neu gebildeten Verbindungen besteht Grund, an einem Gelingen zu zweifeln.
  • Die Amoralität und der Egoismus der Protagonisten machen das Stück zu einem moralischen Drama. Lüge und Dummheit spielen dabei eine zentrale Rolle, ebenso der Hang zur Illusion, mit deren Hilfe man sich selbst und schließlich auch andere betrügt.
  • Die Figuren des Stücks geben sich allesamt mit einem Ausschnitt der Wirklichkeit zufrieden. Sie sind nicht wirklich lernfähig, weil sie im Grunde nicht lernwillig sind. Folglich bleiben sie in ihrem Leidenskreis gefangen. Das Drama wirft damit die Frage nach der persönlichen Verantwortung des Einzelnen auf – und jene nach dem sozialen Druck, unter dem das Individuum steht. Einerseits scheint es, als begreife Horváth die Figuren als Marionetten eines vorherbestimmten Schicksals, andererseits gibt es auch Anzeichen für die gegenteilige Ansicht: Immerhin wagen die Figuren zum Schluss des Stücks einen Neuanfang, d. h. die völlige Hoffnungslosigkeit stellt sich nicht ein – zumindest noch nicht hier.
  • Mitentscheidend für das Elend der Figuren sind die sozialen Verhältnisse, das Milieu, aus dem sie kommen. Der Aufstieg in eine höhere Schicht scheint nahezu aussichtslos. Karoline und Erna, Maria und Elli bleibt als Frauen zu dieser Zeit nur die Möglichkeit, sich gegen den Tauschwert „weiblicher Attraktivität“ nach oben zu schlafen. Der anständige Kasimir verliert ohne eigenes Verschulden seine Arbeit, der unanständige Merkl Franz endet als Delinquent im Gefängnis.

Historischer Hintergrund

Abenddämmerung einer Kultur

Die jahrhundertealte habsburgische k. u. k. Monarchie und das Deutsche Reich standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Zeichen fortschreitender Auflösung. Vor allem die 1867 entstandene österreichisch-ungarische Doppelmonarchie erwies sich auf die Dauer als nicht haltbarer Zusammenschluss widerstrebender Kräfte. Der Vielvölkerstaat, der zu jener Zeit noch weite Teile des Balkans umfasste, sah sich von innen wie von außen durch kriegerische Auseinandersetzungen in seiner Existenz bedroht. Das nationale Säbelrasseln war in Europa allgegenwärtig, und nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers 1914 in Sarajevo und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das Schicksal des Vielvölkerstaats besiegelt. Die Kapitulation von 1918 beendete nicht nur den Krieg, sondern auch eine ganze Epoche. Deutschland und Österreich wurden zu Demokratien, der Adel mitsamt seiner Vorrechte wurde per Verfassung in beiden Nationen abgeschafft.

Aber auch die neue Volksherrschaft erwies sich – gerade in der Weimarer Republik – als sehr instabil. Politisch radikale, insbesondere faschistische und kommunistische Kräfte gewannen in den 20er und zu Beginn der 30er Jahre mehr und mehr Gewicht. Ihnen spielte die Weltwirtschaftskrise in die Hände, ausgelöst durch die massiven Einbrüche des Aktienmarkts an den amerikanischen und später auch an den europäischen Märkten.

1933 kam es in Deutschland zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. Innerhalb kurzer Zeit besetzte die NSDAP sämtliche Schaltstellen der Macht und drängte alle Kräfte beiseite, die nicht in ihre ideologische Stoßrichtung passten. Die Folge war ein beispielloser kultureller Exodus. Tausende Künstler und Wissenschaftler – ein Großteil von ihnen jüdischer Abstammung – flohen ins europäische Ausland, viele anschließend in die Vereinigten Staaten. Die brutale Expansionspolitik der Nazis führte schließlich 1939 zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Entstehung

Der Beginn der Arbeit an Kasimir und Karoline lässt sich nicht genau datieren. Wahrscheinlich hat Ödön von Horváth im Winter 1931/32 mit dem Schreiben des Stücks begonnen. Erste Entwürfe deuten auf eine gemeinsame Ideengrundlage mit dem Drama Glaube Liebe Hoffnung hin. Die Uraufführung von Kasimir und Karoline wurde zunächst für den Oktober 1932 in Berlin angekündigt, fand aber tatsächlich am 18. November im Leipziger Schauspielhaus statt. In Berlin feierte das Werk eine Woche später Premiere, in Österreich kam es zwei Jahre danach zur Erstaufführung. Dort wurde Kasimir und Karoline zum durchschlagenden Erfolg, mehrere Theater nahmen es ins Repertoire auf.

Erstaunlicherweise erschien das Stück erst 1961 in Buchform, 23 Jahre nach Horváths Tod. Die Presse der 30er Jahre fasste das Beziehungsdrama als Satire auf die Münchner Gesellschaft und das Oktoberfest auf, was Horváth als „völlige Verkennung meiner Absichten“ bezeichnete. Er hielt sein Stück für eine „Ballade voll stiller Trauer, gemildert durch Humor, das heißt durch die alltägliche Erkenntnis: ‚Sterben müssen wir alle!‘“

Wirkungsgeschichte

Die Wirkungsgeschichte von Horváths Werk ist typisch für einen Teil der deutschsprachigen Literatur aus den 20er und 30er Jahren. Horváth war bereits in jungen Jahren ein durchaus erfolgreicher, vor allem als Verfasser von Bühnenstücken bekannter Autor, der seine stärkste Rezeption 1931 erlebte, in dem Jahr, als er den Kleist-Preis erhielt. Kurz darauf erlitt er einen schweren Rückschlag: Seine Prosa und seine Dramen wurden 1933 von den Nationalsozialisten in Deutschland verboten; lediglich an einigen Filmprojekten war er, durch Pseudonyme geschützt, beteiligt.

Nachdem er in den 40er und 50er Jahren in Vergessenheit zu geraten drohte, setzte mit der Einrichtung des Berliner Horváth-Archivs in den 60er Jahren eine Phase der Wiederentdeckung seiner Werke ein. Mittlerweile zählen Horváths Stücke zum festen Repertoire deutschsprachiger Theaterbühnen und der Autor ist als Vertreter der klassischen Moderne Teil des literarischen Kanons. Kasimir und Karoline gehört, etwa im Unterschied zu Geschichten aus dem Wienerwald oder Glaube Liebe Hoffnung, nicht zu seinen bekanntesten Stücken. Immerhin wurde das Werk bereits 1959 unter der Regie von Michael Kehlmann verfilmt. Eine weitere Verfilmung des Stoffs lieferte 1991 Henri Herré.

Über den Autor

Ödön von Horváth wird am 9. Dezember 1901 im ungarischen Fiume (dem heute kroatischen Rijeka) als unehelicher Sohn österreichisch-ungarischer Eltern geboren. Sein Vater ist Diplomat, sodass Ödön von klein auf immer wieder umzieht: zunächst nach Belgrad, dann nach Budapest, München, Pressburg und Wien, wo er 1919 sein Abitur macht. Anschließend besucht er an der Münchner Universität theater-, kunst- und literaturwissenschaftliche Seminare. Er verlässt die Universität ohne Abschluss und nimmt sich vor, Schriftsteller zu werden. Ab 1923 wohnt er abwechselnd bei seinen Eltern im oberbayerischen Murnau und in Berlin. 1927 wird sein erstes Theaterstück Revolte auf Côte 3018 uraufgeführt. Im selben Jahr lehnen die bayerischen Behörden seinen Antrag auf Einbürgerung ab. Horváth behält die ungarische Staatsbürgerschaft. Zwei Jahre darauf sichert ihm ein Vertrag mit dem Ullstein Verlag über sein gesamtes schriftstellerisches Werk ein Einkommen. 1931, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, werden die erfolgreichsten Volksstücke Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wiener Wald uraufgeführt. Horváth siedelt nach immer heftigeren Anfeindungen seitens der politischen Rechten 1933 nach Wien über. Seine Stücke dürfen nun in Deutschland nicht mehr gespielt werden. Er heiratet, lässt sich aber wenige Monate darauf wieder scheiden. 1934 wird er auf eigenen Antrag hin in den nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Schriftsteller aufgenommen und führt ein recht unstetes Leben zwischen Wien und Berlin. Unter dem Pseudonym H. W. Becker arbeitet er an einigen trivialen Drehbüchern für die deutsche Filmindustrie mit. Als ihm das Deutsche Reich 1936 die Aufenthaltserlaubnis entzieht, bleibt er ganz in Wien. 1937 erscheint in einem Amsterdamer Exilverlag der Roman Jugend ohne Gott, eine Anklage gegen die Nazidiktatur. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich flieht Horváth über Budapest, Prag, Zürich und Amsterdam nach Paris. Er stirbt am 1. Juni 1938, als er während eines Gewitters auf den Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast getroffen wird.

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