- Autobiografie
- Nachkriegszeit
Worum es geht
Verdrängte Kindheit im Nationalsozialismus
„Wie sind wir so geworden, wie wir heute sind?“ Diese Frage zieht sich als Leitmotiv durch Christa Wolfs autobiografisches Werk Kindheitsmuster. Auf der Suche nach ihrer Vergangenheit unternimmt die Erzählerin 1971 eine Reise in ihre nunmehr in Polen gelegene Heimatstadt. Sogleich steigen Erinnerungen auf: an alltägliches Kindheitsglück; an das in ihrer Familie herrschende Schweigegebot zu bestimmten Themen wie den Nazis oder den Juden; an die ideologische Indoktrination in der Schule und im Bund Deutscher Mädel; an ihre Zeit als BDM-Führerin; an Lüge, Scham und Verstellung. Schonungslos schildert Wolf die Verstrickungen ihres kindlichen Alter Egos Nelly Jordan im Nationalsozialismus, ihre Hingabe an den Führer, dem sie bis zuletzt die Treue hält, und die Flucht ihrer Familie vor der Sowjetarmee in den Westen im Jahr 1945 – in der DDR, wo das Dogma von den Sowjets als Befreier galt, ein Tabu. Indem die Erzählerin den Erinnerungsstrom immer wieder unterbricht und den Blick auf ihre Gegenwart richtet, macht sie den tieferen Sinn ihres Schreibens deutlich: Solange wir uns nicht erinnern und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wird sich die Geschichte wiederholen.
Zusammenfassung
Über den Autor
Christa Wolf wird am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe geboren. Nach der Vertreibung 1945 lässt sich ihre Familie in Mecklenburg-Vorpommern nieder. Wolf arbeitet zunächst als Schreibkraft und macht 1949 ihr Abitur. Im selben Jahr tritt sie der SED (Sozialistische Einheitspartei) bei. Während des Germanistikstudiums lernt sie ihren späteren Mann, den Schriftsteller Gerhard Wolf, kennen. Nach dem Studium arbeitet Christa Wolf zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Deutschen Schriftstellerverband, dann als Verlagslektorin und als Redakteurin einer Literaturzeitschrift. Ab 1962 ist sie freie Schriftstellerin. Ein Jahr darauf erscheint der Roman Der geteilte Himmel, eine Auseinandersetzung mit dem Mauerbau und mit unterschiedlichen Lebensentwürfen in beiden Teilen Deutschlands. Christa Wolf gilt als Vorzeigeintellektuelle der jungen DDR, doch schon bald gerät sie wegen ihres subjektiven Stils und der Behandlung kontroverser Themen in Konflikt mit dem Machtapparat. Ihr zweiter Roman Nachdenken über Christa T. (1968) erscheint zunächst nur in kleiner Auflage. 1976 unterstützt die Autorin den Protest gegen die Zwangsausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Bei aller Kritik bleibt sie der Idee des Sozialismus dennoch treu. Als sogenannte loyale Dissidentin darf sie reisen, hält Vorträge im Ausland und wird zunehmend als gesamtdeutsche Schriftstellerin anerkannt. 1980 erhält sie den renommierten westdeutschen Georg-Büchner-Preis. 1983 erscheint ihre Erfolgserzählung Kassandra. Nach dem Fall der Mauer setzt Wolf sich für den „dritten Weg“ einer reformierten DDR und gegen die Wiedervereinigung ein. 1993 gibt sie zu, zwischen 1959 und 1962 als IM (inoffizielle Mitarbeiterin) für die Stasi gearbeitet zu haben, weist aber auch darauf hin, dass sie ab 1969 permanent von der Spitzelbehörde überwacht wurde. In den 90er-Jahren diffamieren westliche Kritiker die einst gefeierte Schriftstellerin als „Staatsdichterin der DDR“. Sie stirbt am 1. Dezember 2011 in Berlin.
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