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Auferstehung

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Auferstehung

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das Schicksal eines jungen Adligen und seiner Jugendliebe in Sibirien: In seinem letzten großen Roman predigt Tolstoi christliche Werte.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Realismus

Worum es geht

Der geläuterte Aristokrat

Tolstoi verdarb es sich auf seine alten Tage gründlich mit der russisch-orthodoxen Kirche: Er lehnte die kirchlichen Rituale ab und glaubte nicht an die mythologische Auferstehung, sondern an die reelle, rein irdische. In Auferstehung geht es deshalb auch nicht um das Leben nach dem Tod, wie der Titel suggeriert, sondern um die Rückkehr auf den rechten Pfad im Diesseits. Fürst Nechliudow ist Geschworener in einem Mordprozess. Dabei stellt er fest, dass es sich bei einer der Angeklagten um Katjuscha, eine Jugendliebe, handelt. Er forscht nach und findet heraus, dass seine Liebelei das damals minderjährige Mädchen auf die schiefe Bahn gebracht hat. Von ihrer Unschuld überzeugt und voller Scham setzt er alle Hebel in Bewegung, um Katjuscha aus den Mühlen der Justiz und vor dem Arbeitslager in Sibirien zu retten. Doch seine Bemühungen sind vergebens: Der Bürokratismus lullt ihn ein und ehe er sich's versieht, begleitet er sie in die Strafkolonie – wo es dann aber doch noch eine Art Happy End für beide gibt. Der Roman trägt Züge eines Lehrstücks, was die Kritik nicht allzu sehr schätzte. Bis heute steht er im Schatten von Tolstois anderen Romanen.

Take-aways

  • Auferstehung ist Leo Tolstois dritter großer Roman neben Krieg und Frieden und Anna Karenina.
  • Er schildert die Läuterung eines russischen Aristokraten und spiegelt die Sinnsuche des Autors wider.
  • Fürst Nechliudow ist Mitglied der Geschworenen im Gericht.
  • Als ein Giftmord verhandelt wird, erkennt er in einer der Angeklagten Katjuscha wieder, ein Mädchen, das er als junger Mann geschwängert und sitzen gelassen hat.
  • Nach der Schwangerschaft geriet Katjuscha ins gesellschaftliche Abseits und landete schließlich im Bordell.
  • Nechliudow hält sie für unschuldig. Voller Scham erkennt er, was er mit seinem damaligen Leichtsinn angerichtet hat.
  • Er versucht seinen Fehler wiedergutzumachen und das Mädchen aus dem Gefängnis zu befreien.
  • Alle Anstrengungen, ein Gnadengesuch durchzusetzen, schlagen fehl.
  • Nechliudow folgt Katjuscha in die Verbannung nach Sibirien und bietet ihr an, sie zu heiraten.
  • Sie will den Fürsten jedoch nicht belasten und ehelicht stattdessen einen Mitgefangenen.
  • Rund um die Haupthandlung greift Tolstoi große Themen auf: die Bodenreform, den Verzicht auf Privateigentum und die Läuterung durch christliche Gebote.
  • Zeitgenossen und Literaturwissenschaftler sparten nicht mit Kritik am missionarischen Stil des Buchs. Der Roman steht bis heute im Schatten anderer Werke Tolstois.

Zusammenfassung

Die morgendliche Post

An einem sonnigen Moskauer Frühlingstag öffnet Fürst Nechliudow seine Post. Vor sieben Jahren ist er aus dem Staatsdienst ausgeschieden, um sich ganz der Malerei zu widmen, doch seit Monaten hat er nichts auf die Leinwand gebracht. Der erste Brief, den er öffnet, ist von einer verheirateten Frau, mit der er ein Verhältnis hat. Mit Unbehagen denkt er darüber nach, wie er es beenden kann, um die Prinzessin Missi Kortschagina zu heiraten. Der zweite Brief ist vom Gutsverwalter. Da Nechliudows Mutter, die Gutsbesitzerin, vor Kurzem verstorben ist, bittet er um einen Besuch, um zu entscheiden, wie das Gut künftig verwaltet werden soll. Er schlägt vor, das Land, das zurzeit an Bauern verpachtet ist, selbst zu bewirtschaften und dadurch einen höheren Gewinn zu erzielen. Nechliudow liest den Brief mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits ist er gern Großgrundbesitzer, andererseits war er als Student ein begeisterter Anhänger jener Wissenschaftler, die den Besitz von Privateigentum für ungerecht hielten. Dieser Maxime folgend verschenkte der Fürst bereist vor zehn Jahren Land: das Erbe seines Vaters. Nun befindet er sich in dem Konflikt, wieder das Gleiche zu tun – oder aber sein Handeln von damals als falsch zu verwerfen.

Der Giftmordprozess

An diesem Vormittag muss Nechliudow ins Gericht, wo er als Geschworener zu einem Prozess berufen ist. Als er dort ankommt, sind im Geschworenenzimmer bereits einige Herren versammelt. Eilig und ehrerbietig stellen sie sich Nechliudow vor, was dieser nur zu gern geschehen lässt. Der Vorsitzende entscheidet, an diesem Tag einen Giftmord zu verhandeln, da er auf ein schnelles Ende hofft, um früher zu seiner Geliebten zu kommen. Der Staatsanwalt ist müde, weil er die ganze Nacht gefeiert hat; zudem hat er die Akten nicht gelesen. Als das Gericht vollzählig eingetroffen ist, werden die Angeklagten vorgeführt. Es sind ein Mann und zwei Frauen, die von Gendarmen mit bloßen Säbeln bewacht werden. Der Mann, Simon Kartinkin, und die ältere Frau, Euphemia Botschkowa, sind Korridordiener im Gasthaus „Mauritania“, die andere Frau, Katharina Maslowa, ist eine Prostituierte. Diese zieht durch ihr hübsches Äußeres sofort die Blicke aller Männer auf sich. Auch Nechliudow kann die Augen nicht von ihr wenden – und weiß plötzlich, wieso: Es ist seine Jugendliebe Katjuscha.

Katjuschas Schicksal

Rückblende: Katjuscha lebte als uneheliches Kind einer Hofmagd in einem Dorf bei zwei unverheirateten Gutsbesitzerinnen, Nechliudows Tanten. Katjuschas Mutter bekam jedes Jahr ein Kind und ließ es nach der Taufe verhungern. So wäre es auch Katjuscha, deren Vater ein Zigeuner auf der Durchreise war, ergangen, wenn nicht eine der Tanten zufällig auf den Hof gekommen wäre und das hübsche Baby gesehen hätte. Die Tanten sorgten für das Kind und nahmen es später ganz zu sich. Während die eine das Mädchen wie eine Tochter behandelte, war es für die andere nur eine Arbeiterin. Daher wuchs es einerseits als Ziehtochter auf, verrichtete aber andererseits die Arbeit eines Stubenmädchens. Mit 16 Jahren war Katjuscha zu einer hübschen und flinken jungen Frau herangewachsen. In diesem Sommer kam der Student Nechliudow auf Besuch zu den Tanten und verliebte sich in das Mädchen. Drei Jahre später kam er erneut und diesmal konnte er sich nicht zurückhalten. Sein Verlangen war so stark, dass er Katjuscha eines Nachts verführte, ihr 100 Rubel gab und kurz darauf abreiste. Katjuscha wurde schwanger. Unglücklich wartete sie auf Nechliudow, doch der kam nicht zu ihr zurück. Da sie launenhaft wurde und schlecht arbeitete, musste sie das Gut verlassen und sich in anderen Haushalten als Stubenmädchen verdingen. Aber wo sie auch arbeitete, jedes Mal wurde der Hausherr zudringlich, und sie musste gehen. Bei einer Hebamme brachte sie ihren Sohn zur Welt, doch das Kind starb in einem Findelhaus an Kindbettfieber. Schließlich landete Katjuscha in einem Bordell, wo sie sich mit Zigaretten und Branntwein tröstete.

Das Urteil

Den drei Angeklagten wird zur Last gelegt, den Kaufmann Smelkow vergiftet, ihm 3800 Rubel gestohlen und diese unter sich aufgeteilt zu haben. Der Kaufmann habe die Prostituierte Maslowa mit seinem Kofferschlüssel in sein Zimmer geschickt und ihr aufgetragen, 40 Rubel zu holen, um damit seine Getränke zu bezahlen. Die Maslowa habe von dem Korridorknecht ein Pulver erhalten und den Kaufmann damit vergiftet. Außerdem habe sie dem Reisenden einen kostbaren Brillantring gestohlen. Am Tag nach dem Mord habe die Botschkowa 1800 Rubel auf der Bank eingezahlt. Alle Angeklagten beteuern ihre Unschuld. Die Maslowa sagt, sie habe nicht mehr Geld aus dem Koffer genommen, als ihr aufgetragen worden sei. Das Pulver, das sie von Kartinkin bekommen habe, habe sie dem Kaufmann zwar in seinen Kognak gerührt, sie sei aber davon ausgegangen, dass es lediglich ein Schlafmittel sei. Der Kaufmann sei sehr betrunken und zudringlich gewesen und hätte sie anders nicht gehen lassen. Den Ring habe er ihr selbst geschenkt. Die beiden anderen Angeklagten geben an, sie hätten das Geld im Lauf der Zeit gespart und nur zufällig an jenem Tag auf der Bank eingezahlt. Nachdem sich die Geschworenen beraten haben, ergeht folgendes Urteil: Kartinkin bekommt acht Jahre Zwangsarbeit, die Maslowa vier Jahre, und die Botschkowa soll für drei Jahre ins Gefängnis. Nechliudow ist entsetzt, da er Katjuscha für unschuldig hält. Aufgewühlt sucht er den Vorsitzenden auf, der ihm rät, sich an einen Anwalt zu wenden, um ein Gnadengesuch aufzusetzen.

Wiedersehen im Gefängnis

Einer Einladung von Missi Kortschagina folgend begibt sich der Fürst zu deren Haus zum Mittagessen. Doch das Wiedersehen mit Katjuscha, die Einsicht, dass er sie durch eine Jugendsünde ins Bordell getrieben hat, und das Urteil lasten schwer auf ihm, sodass er die Gesellschaft nicht genießen kann. Missis Vater, ein General mit einem fetten Hals, widert ihn ebenso an wie ihre bettlägerige, scheinheilige Mutter. Auch die schöne Missi selbst gefällt ihm heute nicht. Er stört sich an ihrem toupierten Haar und sieht jede Falte in ihrem Gesicht. Die auf Französisch gehaltene Konversation empfindet er als künstlich und affektiert. Auf dem Nachhauseweg wird ihm klar, dass der Ekel vor den anderen Menschen in Wirklichkeit der Ekel vor sich selbst ist. Nachts fasst er den Entschluss, Katjuscha um Verzeihung zu bitten und ihr anzubieten, sie zu heiraten; gleich am nächsten Morgen will er ein neues Leben beginnen. Er teilt seiner Haushälterin mit, dass er die große Wohnung und all die Möbel darin nicht mehr brauche und in Kürze in eine Pension ziehen wolle. Beim Gericht erkundigt er sich, wohin man die Gefangenen gebracht hat. Mit einem Passierschein vom Staatsanwalt begibt er sich zum Gefängnis. Man führt ihn in das Besuchszimmer für weibliche Gefangene. Doch dort ist es so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Es erscheint Nechliudow unmöglich, in dieser Atmosphäre sein Anliegen vorzutragen. Schließlich ruft ein Aufseher die Maslowa heraus. Sie erkennt Nechliudow zunächst nicht; ihre Vergangenheit hat sie komplett verdrängt. Dann beschimpft sie ihn für seine Reumütigkeit, die ihr heuchlerisch erscheint. Nachts aber reißt die Begegnung mit dem Fürsten alte Wunden wieder auf. Aufgewühlt und voller Schmerz betrinkt sich Katjuscha mit ihren Zellengenossinnen.

Die Willkür der Behörden

Einige Tage später fährt Nechliudow mit der nun fertigen Bittschrift wieder ins Gefängnis, wo er sie von Katjuscha unterschreiben lässt. Von den Insassen erfährt er, dass soeben zwei Männer körperlich gezüchtigt worden sind. Im Lauf seiner Besuche wird ihm immer deutlicher bewusst, wie unmenschlich und demütigend man mit den Gefangenen umgeht. Nicht nur, dass hohe Herren der Justiz im Drang, sich zu profilieren, Menschen wegen Bagatellen wie einem abgelaufenen Ausweis einsperren. Es kommt auch vor, dass Leute vollkommen unschuldig einsitzen. Den Gefangenen werden die Haare abrasiert und sie müssen Anstaltskleidung tragen. Einmal steckt ein Aufseher Nechliudow den Brief einer politischen Gefangenen zu, die der Fürst von früher her kennt. Auch viele andere Insassen bitten ihn, sich für sie zu verwenden. Die Maslowa selbst ersucht ihn, sich eines alten Mütterchens anzunehmen, dem gemeinsam mit ihrem Sohn Brandstiftung zur Last gelegt werde, die sie nicht begangen habe. Seine Stellung kommt Nechliudow zugute, denn er kennt zahlreiche einflussreiche Staatsdiener von früher.

Nechliudows Landreform

Katjuscha lehnt Nechliudows Heiratsantrag ab. Doch dieser lässt sich nicht beirren: Er vermittelt ihr eine Stelle in einem Krankenhaus, damit sie bis zur Verschickung nach Sibirien aus dem Gefängnis herauskann. Sie nimmt an und verspricht, keinen Branntwein mehr zu trinken. Nechliudow will die Zeit bis zur zweiten Verhandlung vor dem Senat nutzen, um seine Verhältnisse zu ordnen, damit er Anfang Juni die Zwangsarbeiter nach Sibirien begleiten kann. Zunächst besucht er sein Gut, wo er den Bauern das Land zu einem günstigen Preis zur Pacht anbieten will. Der Verwalter, der sich auch am Gut bereichert, rät ihm davon ab. Doch Nechliudow beruft eine Bauernversammlung ein, um sein Vorhaben mitzuteilen. Zuerst sind die Bauern skeptisch und vermuten Hintergedanken. Am Ende aber bestimmt er einen Preis für die Pacht und setzt einen Vertrag auf. Dennoch bleibt er unzufrieden: Er besitzt das Land ja noch und meint, für die Bauern zu wenig getan zu haben. Anschließend besucht Nechliudow das Gut der inzwischen verstorbenen Tanten und erkundigt sich bei der Landbevölkerung, wie sie lebt. Zum ersten Mal fällt ihm auf, wie elend deren Behausungen, die Kleidung und auch das Essen sind. Ihm geht auf, dass es einen Zusammenhang zwischen Armut und Diebstahl gibt. So ist ein Bauer eingesperrt worden, weil er im Wald des Fürsten zwei Bäume geschlagen hat, um seine Hütte zu heizen. Nechliudow erkennt, dass die ungleiche Verteilung von Eigentum die Ursache vieler Handlungen ist, die von der Gesellschaft als kriminell eingestuft werden. Sein Verdacht, dass die Reichen nur deshalb so gut leben können, weil die Armen gleichzeitig bluten müssen, wird bekräftigt. Erneut beruft er eine Bauernversammlung ein und diskutiert tagelang mit den Abgesandten, wie man das Land am besten verteilen könne. Schließlich werden sich alle einig.

In Petersburg

Wieder in Moskau bemerkt Nechliudow neben den prächtigen Geschäften viele elende Arbeiter und Bettler vom Land, die hier ihr Glück suchen. Er fährt zum Krankenhaus, wo Katjuscha inzwischen arbeitet, und übergibt ihr ein Foto, das er vom Landgut der Tanten mitgebracht hat. Es zeigt sie als junges Mädchen. Das Bild ruft in Katjuscha viele Erinnerungen wach. Nechliudow fährt derweil nach Petersburg, wo der Senat sein Gnadengesuch verhandeln soll. Dort will er sich auch für einige andere Gefangene verwenden, u. a. für ein Mädchen, das unschuldig einsitzt. Durch Beziehungen bekommt er sie frei und erfährt, dass man sie nur festgenommen hat, um Informationen zu erpressen. Aufs Neue entsetzt ihn die Willkür der Justiz. Die selbstgefälligen Staatsbeamten, die er einen nach dem anderen aufsuchen muss, widern ihn an. Schließlich erfährt er zu allem Unglück auch noch, dass das Bittgesuch der Maslowa abgelehnt worden ist.

Die politischen Gefangenen

Nechliudow lässt die Maslowa ein Bittgesuch an die allerhöchste Stelle unterschreiben. Als er hört, dass sie wegen eines angeblichen Liebeshandels mit einem Pfleger nicht mehr im Krankenhaus arbeitet, beginnt er sie zu hassen, doch sie rechtfertigt sich: Der „Liebeshandel“ war nur ein Vorwand für die Kündigung; in Wahrheit hat der Pfleger sie bedrängt. Am 5. Juli sollen die Verurteilten nach Sibirien aufbrechen. Kurz vorher kommt Nechliudows Schwester Natalia Iwanowna mit ihrem Mann zu Besuch. Der Fürst überlässt ihr den ganzen Hausrat. Natalia versucht ihn von der Heirat mit Katjuscha abzubringen, kann aber nichts ausrichten. Als die Gefangenen in langen Zügen zum Bahnhof marschieren, fährt Nechliudow mit einer Kutsche hinterher. Unterwegs wird er Zeuge, wie zwei Männer mit Sonnenstich zusammenbrechen: Ihre Körper vertragen die plötzliche Hitze nach dem kalten Gefängnis nicht. Die Gefangenen werden in vergitterte Waggons gesperrt. Nechliudow nimmt den nächsten Zug und fährt dritter Klasse hinterher. In Perm gelingt es ihm, die Maslowa zu den politischen Gefangenen zu verlegen, sodass sie eine bessere Behandlung erfährt. Sie freundet sich mit den Agitatoren an, und auch Nechliudow kommt bei verschiedenen Gelegenheiten mit ihnen ins Gespräch. Er erfährt, aus welchen Gründen sie zu Revolutionären geworden sind. Manche sind Kinder von Großgrundbesitzern, die gegen die Ausbeutung der Bauern revoltiert haben.

„Würde man ihn gefragt haben, warum er sich für höher als die meisten Leute hielt, so hätte er nicht antworten können, weil sein ganzes Leben keine besonderen Verdienste aufwies.“ (über Nechliudow, S. 35)

Als der Gefangene Simonsohn der Maslowa einen Heiratsantrag macht, nimmt sie ihn an. Nechliudow fühlt, dass sie in Wirklichkeit ihn liebt und dieses Opfer bringt, damit er ein freies Leben führen kann. Sie wird von höchster Stelle begnadigt, folgt aber Simonsohn in die Zwangsarbeit. Nechliudow, der beim Chef der Provinz für sie vorgesprochen hat, ist erleichtert: Nun kann er selbst standesgemäß heiraten. Eine Zeit lang quälen ihn noch die Erinnerungen, doch schließlich findet er Trost im Neuen Testament.

Zum Text

Aufbau und Stil

Zwischen Tolstois Anna Karenina und seinem letzten großen Roman Auferstehung liegen über 20 Jahre. In dieser Zeit beschäftigte sich der Autor intensiv mit Religion, Philosophie und der Frage, wie der Mensch leben soll. Heraus kamen Essays und kleinere Texte, aber kein großer Roman – bis zu Auferstehung. Das Buch hat einen klaren didaktischen Kern und mutet stellenweise wie ein Gleichnis oder Lehrstück an. Tolstoi erzählt nicht nur, er predigt auch. Dieser Stil wird vor allem am viel gescholtenen Schluss deutlich, der als Auslegung des Evangeliums gelesen werden kann. Auch erscheint das Ende des Romans (ein vormals kaum erwähnter Sträfling heiratet Katjuscha und befreit Nechliudow so von seiner Verpflichtung) arg konstruiert. Der erhobene Zeigefinger ist in diesem Buch ein herausragendes Merkmal des allwissendenden Erzählers, der nach Belieben zwischen den beiden Hauptfiguren Nechliudow und Katjuscha hin- und herwandert. Der Leser muss sich an vielen Stellen fragen, ob er den leidenschaftlichen Plädoyers des Erzählers zustimmen soll oder – was angesichts der fast aufdringlichen Erzählhaltung schwierig ist – in Opposition dazu geht. Die einzige Rückblende, die gleich am Anfang des Romans vorgenommen wird, ist die Erzählung von Katjuschas Leben vor ihrem Prozess. Danach entwickelt sich die Handlung geradlinig und ohne größere Sprünge. Eingestreute Episoden und Reflexionen erweitern den Blick und unterstreichen Tolstois Ziel, das russische Justizsystem als willkürlich und unmenschlich zu geißeln.

Interpretationsansätze

  • Tolstoi glaubte nicht an die Auferstehung der Toten und zweifelte sie auch in Bezug auf Jesus Christus immer an. Wohl aber glaubte er an die humanistische Botschaft des Neuen Testaments. So gestaltet er die Läuterung Nechliudows als symbolische Auferstehung: vom gedankenlosen Aristokraten zum Wohltäter der Justizopfer.
  • Nechliudow erwähnt an einer Stelle, dass seine Anschauungen von der frühen Lektüre Herbert Spencers herrühren, insbesondere von dessen Aussage, dass Gerechtigkeit und Privatbesitz nicht miteinander in Einklang zu bringen seien. Dass der Verzicht auf Privateigentum im Roman als Voraussetzung für Gerechtigkeit propagiert wird, entspricht der Überzeugung des alten Tolstoi, der die Erlöse seiner Schriftstellerei nicht für sich behielt, sondern spendete.
  • Tolstoi übt mit seinem Roman Kritik am russischen Justizsystem. Während Nechliudow zwischen Kerker und Justizbehörden hin- und herpendelt, bemerkt er, dass das gesamte System korrupt und von menschlicher Willkür geprägt ist. Implizit stellt Tolstoi immer wieder die Frage: Darf dieses oder überhaupt irgendein Justizsystem über andere Menschen richten?
  • Der Roman spiegelt Tolstois Sinnsuche wider: Ähnlich wie Nechliudow, der unzählige Bücher durchforstet, um herauszufinden, warum Menschen anderen Menschen schaden, widmete sich Tolstoi der Philosophie. Dort wurde er jedoch nicht fündig, sodass er schließlich sein Heil in der Religion suchte.

Historischer Hintergrund

Russland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Im Jahr 1861 hob Zar Alexander II. die Leibeigenschaft in Russland auf. Seit dem 16. Jahrhundert waren die russischen Bauern unfrei gewesen und hatten mitsamt dem Grund und Boden, auf dem sie lebten, verkauft werden können. Jetzt wurde ihnen erlaubt, selbst Boden zu erwerben und auf eigene Rechnung zu bebauen, Vermögen zu erwerben und Arbeitskräfte einzustellen. Alexander modernisierte zudem die Verwaltung, führte Bezirksversammlungen mit Vertretern aus Adel, Land- und Stadtbevölkerung ein, lockerte die Zensur und die Universitätsaufsicht und vereinfachte das Justizsystem. Sein Sohn und Nachfolger Alexander III. allerdings machte einige Reformen seines Vaters wieder rückgängig: Er verschärfte die Zensur, verstärkte die Polizeiüberwachung, beschnitt die Mitbestimmung des Volkes und ging scharf gegen Minderheiten in Russland vor. Juden wurden in Ghettos verbannt, diskriminiert oder ermordet. Mit der Industrialisierung veränderte sich Russland noch auf andere Weise: Die feudalen Strukturen weichten auf und die miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen in den Fabriken führten zu großer Verelendung in den Städten. Das wiederum bereitete den Boden für die soziale Revolution: 1898 wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) gegründet, die spätere Kommunistische Partei.

Entstehung

Auferstehung ist Tolstois letzter großer Roman. Für dessen Niederschrift brauchte er zehn Jahre. Den Ausgangspunkt für den Roman stellte die so genannte „Koni-Erzählung“ dar. Ein guter Bekannter Tolstois, der Anwalt A. F. Koni, hatte ihm einen interessanten Fall aus seiner juristischen Praxis erzählt, der den Autor nicht mehr losließ. Koni war in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts Staatsanwalt am Petersburger Kreisgericht gewesen. Damals beschwerte sich ein junger Adliger bei ihm darüber, dass die Gefängniswärter darauf bestanden, einen Brief zu lesen, den er einer Verurteilten ins Gefängnis bringen wollte. Es stellte sich heraus, dass der Besucher nicht ganz unschuldig an der Verurteilung des jungen Mädchens war. Sie war mit 16 Jahren während ihrer Tätigkeit als Dienstmädchen vom Sohn ihrer Gutsherrin verführt und geschwängert worden. Die Schwangere wurde vom Hof gejagt, geriet auf die schiefe Bahn und landete schließlich im Bordell. Vor Gericht kam sie, weil einer ihrer Freier sie des Diebstahls bezichtigte. Wie der Zufall es wollte, war ihr Liebhaber von einst bei der Gerichtsverhandlung anwesend. Voller Mitleid wollte er der Frau helfen und sie noch im Gefängnis heiraten. Sie starb jedoch kurz nach ihrer Verurteilung an Typhus.

Tolstoi war von diesem Stoff sehr angetan und bat Koni, darüber ein Buch zu schreiben, was dieser aber nicht tat – stattdessen überließ er Tolstoi den Stoff zur Ausformung. Aus der ursprünglich kleinen Erzählung wurde ein umfangreicher Roman. Am 5. November 1895 schrieb Tolstoi in sein Tagebuch: „Bin jetzt spazieren gewesen und habe ganz klar begriffen, warum es bei mir mit der Auferstehung nicht vorangeht. Ich habe es falsch angepackt ...“. Er überarbeitete die Geschichte zu einer symbolischen Auferstehung des Fürsten Nechliudow und verarbeitete damit sein eigenes Glaubensbekenntnis, das er sich seit seiner Sinnkrise und der Hinwendung zur Religion zurechtgelegt hatte. Kritiker sprechen davon, dass er seinen Protagonisten zum „Tolstoianer“ gemacht habe. Ab Juli 1898 nahm der Autor die Arbeit ein drittes Mal neu in Angriff und gab dem Roman seine endgültige Gestalt. Der Erstabdruck erfolgte in der russischen Wochenzeitschrift Niva. Wie bei Tolstoi üblich, erschienen schon vor der Fertigstellung des Werks Teile davon. Der Roman wurde zensiert und etliche Passagen über Religion, Politik, Landbesitz und Armee wurden gestrichen.

Wirkungsgeschichte

Etwa zeitgleich mit der Erstveröffentlichung in Russland erschien eine unzensierte Fassung in England. Übersetzungen in Frankreich, Deutschland und den USA folgten. Tolstoi spendete die Einnahmen aus der Veröffentlichung von Auferstehung den Duchoborzen, einer christlichen Sekte. Mit ihnen sympathisierte er, da er sich eine ganz eigene Religiosität aufgebaut hatte, die weitgehend auf kirchliche Riten verzichtete.

Der Roman wurde angefeindet – sogar von den amerikanischen Quäkern, die für die Verteilung der Einnahmen an die Duchoborzen zuständig waren. Sie mokierten sich beispielsweise über die Darstellung der Sexualität in der Verführungsszene im Buch. Ebenso ereiferte sich die Kritik in Russland. Die Ausweglosigkeit, die Tolstoi im Roman darstellt, bewog einen der ersten russischen Rezensenten zu einem scharfzüngigen Tadel: „Nicht mit ‚Auferstehung‘ sondern mit ‚Beerdigung‘ müsste man diesen Roman betiteln. Tolstoi hat uns in einen Sarg gelegt, den Deckel zugenagelt, den Sarg ins Grab hinabgelassen und in den Grabhügel kräftig einen Espenpfahl hineingerammt.“ Die Literaturwissenschaft strafte Tolstois Altersroman lange Zeit mit Nichtbeachtung. Wenn er in Gesamtdarstellungen des Autors auftauchte, dann wurde er oft nur mit wenigen Zeilen bedacht, ganz im Gegensatz zu Tolstois Hauptwerken Krieg und Frieden und Anna Karenina. Insbesondere die schulmeisterliche Art des Erzählers und der konstruiert wirkende Schluss wurden kritisiert. Bis heute gilt der Roman als schwierig und führt ein Schattendasein neben Tolstois anderen Werken. Gleichwohl wurde er mehrfach verfilmt.

Über den Autor

Leo Nikolajewitsch Tolstoi wird am 9. September 1828 in Jasnaja Poljana in eine russische Adelsfamilie hineingeboren. Weil er früh seine Eltern verliert, wird er von einer Tante erzogen. Zwischen 1844 und 1847 besucht er die Universität von Kasan, doch das Studium der Orientalistik und Rechtswissenschaft bricht er ohne Examen ab. Auch den ursprünglichen Plan, in den diplomatischen Dienst einzutreten, verwirft er. Von den Ideen Rousseaus beflügelt, versucht er das System der Leibeigenschaft auf seinen Gütern abzuschaffen, was ihm jedoch nicht gelingt. Nach Jahren des Nichtstuns und angesichts angehäufter Spielschulden meldet er sich 1851 freiwillig zum Militärdienst. Er nimmt an den Kämpfen im Kaukasus und am Krimkrieg teil. Ab 1856 geht er auf zwei größere Europareisen. Nach seiner Hochzeit mit der erst 18-jährigen Sofia Andrejewna Bers, mit der er 13 Kinder haben wird, lässt er sich 1862 an seinem Geburtsort nieder und verzeichnet erste kleine schriftstellerische Erfolge. Ab 1869 erleidet Tolstoi eine tiefe Sinnkrise, nicht zuletzt, weil ihm die Widersprüche zwischen seinem eigenen Leben im Wohlstand und seinen politischen Überzeugungen unauflösbar erscheinen. Er liest Schopenhauer, was seine pessimistische Grundeinstellung noch weiter vertieft. Seine Arbeit wird zunehmend von ethischen und religiösen Themen bestimmt. Unter diesen Vorzeichen entstehen auch seine großen Romane Krieg und Frieden (1868/69) und Anna Karenina (1875–1877). 1901 lehnt er den Nobelpreis für Literatur ab, weil ihm inzwischen jede Art von Organisation – sogar soziale und kulturelle – suspekt ist; auch die Exkommunikation aus der russisch-orthodoxen Kirche (er weigert sich u. a., die Dreieinigkeit Gottes anzuerkennen) im selben Jahr nimmt er gelassen hin. Im November 1910 versucht er seiner zunehmend zerrütteten Ehe durch eine heimliche Flucht zu entkommen und will künftig besitzlos und einsam leben. Auf der Bahnstation von Astapowo stirbt er noch im gleichen Monat, am 20. November 1910, an einer Lungenentzündung.

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