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Danton`s Tod

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Danton`s Tod

Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft

dtv,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
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Was ist drin?

Ein müde gewordener Held der Französischen Revolution schaut tatenlos seiner eigenen Hinrichtung entgegen. Eines der bedeutendsten Theaterstücke der deutschen Literatur.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Vormärz

Worum es geht

Ein müder Held und radikaler Philosoph

Büchners Drama Danton’s Tod ist von überraschender Modernität und gehört heute zum Standardrepertoire sämtlicher großer Bühnen des deutschen Sprachraums. Danton, eine der überragenden Figuren der Französischen Revolution, ist des ungehemmten öffentlichen Mordens überdrüssig, was ihm die Feindschaft seines ehemaligen Kampfgefährten, des mächtigen Robespierre, einträgt. Obwohl Danton fliehen könnte, lässt er den Geschehnissen scheinbar gleichgültig ihren Lauf. Er wird verhaftet, vor Gericht gestellt und schließlich enthauptet. Hinter seiner Apathie verbirgt sich die philosophische Überzeugung, dass der einzelne Mensch den historischen Umwälzungen schutzlos ausgeliefert ist und dass der idealistische Kampf um Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie im Grunde sinnlos ist – genauso sinnlos wie die Schöpfung selbst. Kein Wunder, dass das Revolutionsdrama bei Büchners Zeitgenossen als nihilistisch galt. Aus heutiger Sicht besticht es durch formale Offenheit, sprachlichen Reichtum und philosophische Radikalität. Faszinierend ist auch die komplexe Darstellung der Hauptfiguren, die sich jedem Gut-Böse-Schema entzieht. Sowohl Robespierre als auch Danton bleiben bis zuletzt zutiefst fragwürdig.

Take-aways

  • Georg Büchners Danton’s Tod ist eines der bedeutendsten deutschsprachigen Dramen. Es spielt zur Zeit der Französischen Revolution.
  • Eine Mischung aus Lebensekel und trügerischer Selbstsicherheit verleitet den Revolutionär Danton dazu, seiner drohenden Hinrichtung tatenlos entgegenzusehen.
  • Sein Versuch, den unerbittlichen Robespierre zu einer gemäßigteren, menschlicheren Haltung zu bewegen, scheitert an dessen ideologischer Radikalität.
  • Nach Dantons Verhaftung verraten Robespierre und seine Handlanger ihre angebliche Tugendhaftigkeit und manipulieren die Auswahl der Geschworenen.
  • Vor dem Revolutionstribunal hält Danton zwar eine großartige Verteidigungsrede, die von seinen Gegnern eingefädelten Betrügereien verhindern aber seine Rettung.
  • Zwischen Todesangst und Schicksalsergebenheit hin- und hergerissen, debattieren Danton und seine Freunde im Gefängnis über die Sinnlosigkeit der Schöpfung und die Gleichgültigkeit Gottes.
  • Zur Freude einer manipulierbaren, kurzsichtigen Volksmasse werden Danton und seine Gefährten auf dem Revolutionsplatz guillotiniert.
  • Der historische Danton war eine der faszinierendsten und widersprüchlichsten Figuren in der Geschichte der Französischen Revolution.
  • Büchners Stück erschien im Jahr 1835, wurde jedoch erst kurz nach der Jahrhundertwende in Berlin uraufgeführt.
  • Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde es als nihilistisch und wenig bühnentauglich kritisiert.
  • Der revolutionäre Demokrat Georg Büchner starb mit nur 23 Jahren in Zürich, nachdem er aus Deutschland geflohen war.
  • In Anerkennung von Büchners überragender literarischer Bedeutung trägt heute der wichtigste deutschsprachige Literaturpreis seinen Namen.

Zusammenfassung

Gegner des Terrors unter sich

Georg Danton, französisches Konventsmitglied, sitzt mit seiner Frau Julie, einigen weiteren Damen und politischen Weggefährten zusammen. Die Abgeordneten Hérault-Séchelles und Camille Desmoulins beklagen den Staatsterror und die Hinrichtungswelle, die einfach nicht enden will. Sie fordern Danton auf, dem blutigen Treiben durch einen Vorstoß im Konvent ein Ende zu bereiten, doch der Hoffnungsträger einer gemäßigteren Politik antwortet lediglich mit einem launigen Wortspiel. Er macht aus seinem Ekel an den herrschenden Verhältnissen keinen Hehl und orakelt, sie alle könnten sich an der vermeintlichen Freiheit der Französischen Republik noch die Finger verbrennen.

„Wir Alle sind Narren, und Keiner hat das Recht, einem Andern seine eigenthümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Gesetz daraus zu machen.“ (Hérault, S. 13)

Auf der Straße streiten sich die Bürger derweil über Politik und beklagen die nach wie vor herrschende Armut. Plötzlich wird ein junger Mann herbeigezerrt. Er besitze ein Schnupftuch, heißt es, und sei deshalb ein Aristokrat. Das Volk will ihn an der nächsten Laterne aufhängen, doch es gelingt dem Todeskandidaten, zu entwischen. Robespierre erscheint und lobt das Volk, weil es seine Feinde opfere. Es dürfe aber in seinem Grimm nicht so weit gehen, die eigenen Mitglieder zu töten. Er fordert die Bürger auf, ihn zum Jakobinerklub zu begleiten, wo er kurz darauf eine Rede hält. Zur tobenden Begeisterung seiner Zuhörer rechtfertigt er den Terror als Waffe der Tugend, der Wahrheit und der Republik. Er kündigt an, das Morden werde unvermindert weitergehen.

„Zwischen Thür und Angel will ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir Alle können uns noch die Finger dabei verbrennen.“ (Danton, S. 15)

Danton ist bei einer Prostituierten, als ihm sein Freund Lacroix von Robespierres unheilvoller Ansprache berichtet. Das Volk hasse Danton, weil er sich trotz der allgemeinen Misere dem Genuss hingebe – und man müsse zugeben, daran sei sogar etwas Wahres. „Es hasst die Genießenden wie ein Eunuch die Männer“, antwortet Danton. Als Lacroix zu bedenken gibt, selbst Danton könne zu einem Opfer des Terrors werden, wiegelt dieser ab: Niemals würden es Robespierre und seine Handlanger wagen, gewaltsam gegen ihn vorzugehen. Er verspricht, den gnadenlosen Blutrichter am folgenden Tag aufzusuchen, um ihn von weiteren Hinrichtungen abzubringen.

Robespierre bleibt hart

Das Gespräch zwischen Danton und Robespierre bleibt ergebnislos und endet in Feindseligkeit. Danton betont, weitere Morde seien überflüssig. Die Entgegnung Robespierres: Die Tugend lasse sich nur mit Gewalt durchsetzen und habe das Recht, ihre Gegner zu vernichten. Dieser lebensfeindliche Tugendbegriff sei ein Selbstbetrug, antwortet Danton. Als Robespierre von der unbefleckten Reinheit seines Gewissens redet, bezeichnet Danton dieses Gewissen als einen Spiegel, vor dem sich ein Affe quäle. Solange man ihn, Robespierre, in Ruhe lasse, habe er keinerlei Anlass, irgendjemanden wegen angeblich mangelhafter Tugendhaftigkeit ins Jenseits zu befördern. Schließlich sei er nicht die Polizei des Himmels, und es gebe zwischen Tugend und Laster allenfalls graduelle Unterschiede. Das Laster, entgegnet Robespierre bedrohlich, sei in solchen Zeiten nichts anderes als Hochverrat. Danton verabschiedet sich, und der Blutrichter gerät einen Moment lang ins Zweifeln. Dann jedoch fasst er einen Entschluss: Danton und seine Freunde sollen beseitigt werden. Er fordert seinen ergebenen Gefolgsmann St. Just auf, so schnell wie möglich zu handeln. Robespierre selbst sieht sich als Märtyrer, als jemanden, der die Sünden anderer auf sich nimmt, der sogar selbst die Qualen des Henkers erleidet.

Die Schlinge zieht sich zusammen

Camille und Lacroix warnen Danton: Wenn er sich nicht in Sicherheit bringe, werde man ihn unweigerlich hinrichten. Doch der Bedrohte setzt den Sorgen seiner Gefährten eine Mischung aus Gelassenheit, Langeweile und Lebensekel entgegen. Er hat die ewigen Kämpfe satt, und es ist ihm allemal lieber, guillotiniert zu werden, als selber zu guillotinieren. Irgendwann, so Danton, stirbt man ohnehin, ob nun auf dem Schafott oder aus Altersschwäche. Vor allem aber gibt er sich überzeugt, dass es seine Feinde nie und nimmer wagen würden, gewaltsam gegen ihn vorzugehen. Kurz darauf erweist sich diese Zuversicht als Irrtum: Der Wohlfahrtsausschuss hat Dantons Verhaftung beschlossen. Doch der – anstatt zu fliehen – geht spazieren. Camille, ebenfalls bedroht, versucht indes seine Frau Lucile zu beruhigen: Noch am Tag zuvor habe sich Robespierre ihm gegenüber freundlich gezeigt, und schließlich seien sie gemeinsam zur Schule gegangen.

„Der Athemzug eines Aristokraten ist das Röcheln der Freiheit.“ (ein Bürger, S. 25)

In der folgenden Nacht wird Danton von einer Gewissenskrise geschüttelt: Immerhin hat er sich in einer ersten Phase der Französischen Revolution selber die Hände blutig gemacht. Gattin Julie redet besänftigend auf ihn ein: Er habe damals in Notwehr gehandelt und das Vaterland gerettet. Danton stimmt zu. Ohnehin sei der Einzelne nicht Herr über sein Schicksal. Einigermaßen beruhigt gehen die beiden zu Bett. Doch auf der Straße versammeln sich Bürgersoldaten, die sich anschicken, in Dantons Haus einzudringen, um ihn festzunehmen.

Entsetzen im Nationalkonvent

Als die Mitglieder des Nationalkonvents von Dantons Festnahme erfahren, sind sie zunächst entsetzt. Der Abgeordnete Legendre fordert, der Revolutionsheld müsse sich vor dem Konvent verteidigen dürfen – schließlich habe er 1792 das Vaterland gerettet. Legendre ist überzeugt, dass der Verhaftete unschuldig ist, und er zählt darauf, dass er dies kraft seiner Redegewandtheit überzeugend darlegen werde. Robespierre aber will niemandem Privilegien einräumen, auch einem Danton nicht. Die Prinzipien der Tugendhaftigkeit und die nationalen Interessen seien ihm alles, das Schicksal eines Einzelnen wiege dagegen nichts. St. Just doppelt nach, indem er die massenhaften Hinrichtungen mit Naturgesetzen vergleicht: Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, Seuchen und Erdbeben seien natürliche Ereignisse, die Hunderte von Menschen rücksichtslos dahinraffen würden – warum solle dann die ebenso nach Naturgesetzen ablaufende Geschichte auf irgendjemanden Rücksicht nehmen? Bald lässt sich die Mehrheit der Abgeordneten vom wütenden Fanatismus anstecken; der Nationalkonvent lässt Danton fallen. Die Marseillaise wird angestimmt.

Philosophische Debatten

Im Palais de Luxembourg debattiert derweil eine Gruppe gefangener Abgeordneter über moralisch-philosophische Probleme. Thomas Payne versucht einen Beweis für die Nichtexistenz Gottes: Wenn dieser die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffen habe, dann sei auch er der Kategorie der Zeit unterworfen und nicht allmächtig. Wäre die Schöpfung hingegen ewig, also nicht geschaffen, dann wäre sie eins mit Gott – ihre offensichtliche Unvollkommenheit aber widerspreche der Vorstellung von Gott als vollkommenem Wesen. Das Leiden und der Schmerz beweisen laut Payne, dass es Gott nicht gibt. Hérault-Séchelles ist nicht einverstanden: Wenn Gott alles sei, dann könne er auch sein eigenes Gegenteil enthalten, also zugleich gut und böse, vollkommen und unvollkommen sein. Die Summe davon, räumt er allerdings ein, wäre dann: nichts. Sein Vorredner habe noch nicht den Mut zum Atheismus, stellt Payne fest. In diesem Moment wird Danton mit einigen anderen Verhafteten hereingeführt. Er gibt sich angesichts der drohenden Hinrichtung gelassen. Ist ein schneller Tod nicht besser als eine lange, quälende Krankheit?

„Der Schrecken ist ein Ausfluss der Tugend, er ist nichts anderes als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit.“ (Robespierre, S. 27)

Der öffentliche Ankläger Fouquier-Tinville und Hermann, der Präsident des Revolutionstribunals, sprechen über den bevorstehenden Prozess. Sie befürchten, Danton könne die Geschworenen mit einer Brandrede von seiner Unschuld überzeugen. Um dies zu verhindern, beschließen sie, die Mitglieder der Jury selbst zu ernennen, statt sie ordnungsgemäß auszulosen. Sie einigen sich auf einen Schwerhörigen, einen Säufer und auf einige andere Männer, von denen sie wissen, dass ihr Urteil zwangsläufig „schuldig“ lauten wird.

Dantons große Rede

Dantons Verteidigung vor dem Revolutionstribunal ist so mutig und wortgewaltig wie erwartet. Er weist auf seine Verdienste hin und geißelt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als vollkommen absurd. Seine Ankläger? Erbärmliche Gestalten, die gefälligst persönlich vor Gericht erscheinen und sich seinen Argumenten stellen sollen. St. Just? Ein Elender, der sich vor der Nachwelt verantworten müssen wird. Immer wieder wird Danton vom Applaus des Publikums unterbrochen. Der Gerichtspräsident fordert ihn mehrmals auf, sich zu mäßigen. Danton denkt nicht daran.

„Wo die Nothwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der uns länger zum Tödten zwänge.“ (Danton, S. 43)

Einige der Gefangenen beabsichtigen, sich selbst und ihren Anführer durch Bestechung freizukaufen. Als St. Just und Fouquier davon erfahren, nehmen sie dies zum Vorwand, den Prozess abzukürzen: Jeder Angeklagte, der dem Gericht nicht mit dem gebührenden Respekt begegne, dürfe von den Debatten ausgeschlossen werden.

„Robespierre, du bist empörend rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen, bloss um des elenden Vergnügens willen, Andere schlechter zu finden, als mich. – Ist denn nichts in dir, was dir manchmal ganz leise, heimlich sagte: du lügst, du lügst?!“ (Danton, S. 44)

Die nächste Tribunalsitzung kommt, und Danton dreht den Spieß um: Er klagt seinerseits Robespierre des Hochverrats an. Dieser wolle die Republik im Blut ersticken. Als im Publikum Hochrufe auf den Redner erschallen, werden die Gefangenen mit Gewalt herausgeführt. Vor dem Justizpalast diskutieren die Bürger. Zunächst lassen sie den Angeklagten hochleben, doch in ihrer Wankelmütigkeit ändern sie ihre Meinung schnell. Dantons schöne Kleider, sein schönes Haus, seine schöne Frau, all der Burgunder und all das Wildbret – woher hat er das? Er bereichere sich auf Volkskosten und sei ein Verräter. Robespierre hingegen, der Genügsame, der sei tugendhaft. „Es lebe Robespierre!“, schreit das Volk jetzt plötzlich. Und: „Nieder mit Danton!“

Im Gefängnis

Julie schickt einen Knaben zu ihrem gefangenen Ehemann, damit er ihm eine ihrer Haarlocken überreiche. Der ebenfalls auf die Hinrichtung wartende Camille denkt an seine Frau Lucile und beklagt das Elend des nahenden Todes. Danton versucht, ihn zu beruhigen, indem er ihn zum Schlafen auffordert. Aber im Zwiegespräch mit sich selbst muss auch er zugeben, dass er sich vor dem Sterben fürchtet. Camille schreckt aus dem Schlaf auf. Er hat geträumt, die Himmelsdecke würde sich auf ihn herabsenken wie eine Eisscholle auf einen Ertrinkenden. Plötzlich erscheint Camilles Gattin Lucile unter dem Gefängnisfenster, singt ein Lied und redet offensichtlich im Wahn daher. Als Camille am Fenster erscheint, eilt sie wieder davon und nimmt die Rufe ihres Mannes nicht mehr wahr. Danton ist überzeugt: Auch Robespierre wird bald hingerichtet werden und sein blutiger Despotismus am Duft der Leichen ersticken. Die Todgeweihten entwerfen die Vision einer Schöpfung, in der die einzelnen Menschen sich zum Vergnügen eines fernen und letztlich gleichgültigen Gottes abstrampeln. Dann werden Danton und die andern zum Ort der Hinrichtung gefahren. Julie trinkt in ihrem einsamen Zimmer eine Phiole mit tödlichem Gift. Sie will ihren Mann keinen einzigen Moment warten lassen.

Die Guillotine ist der beste Arzt

Die Wagen mit den Verurteilten erreichen den Revolutionsplatz, das Volk singt und tanzt, und die Gefangenen stimmen die Marseillaise an. Er könne jetzt die Würmer heiraten, ruft eine Frau Danton höhnisch zu. Sie werde sich aus Héraults hübschen Haaren eine Perücke machen lassen, giftelt eine andere Frau. Lacroix richtet sich an das Volk: Es habe den Verstand verloren. Am Tag jedoch, an dem es ihn wiedererlange, werde es Robespierre und dessen Gefolgsleute töten. Danton macht seinem ebenfalls todgeweihten Freund Fabre Mut: „Die Guillotine ist der beste Arzt.“

„Sterbende werden kindisch.“ (Danton, S. 52)

In einer Nebengasse verzweifelt Camilles Frau Lucile ob der Tatsache, dass das Leben in all seiner banalen Alltäglichkeit weitergeht, während Menschen umgebracht werden. Sie setzt sich nieder, verhüllt die Augen und stößt einen lauten Schrei aus – in der Hoffnung, die Welt werde vor so viel Niedertracht erschrecken und von einer Sekunde zur anderen stillstehen. Nichts geschieht. Stattdessen gehen drei Frauen an ihr vorbei. Sie loben Héraults attraktives Äußeres und finden es toll, dass man den Leuten auch in einer ungewohnten Situation – beim Sterben – zuschauen kann.

„Was ist das, was in uns lügt, stiehlt und mordet? – Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst (…)“ (Danton, S. 73)

Nachdem es dunkel geworden ist, begibt sich Lucile zum Revolutionsplatz, wo zwei Henker singend an der Guillotine herumwerkeln. Lucile setzt sich, ebenfalls singend, auf die Stufen des Schafotts. Eine Patrouille kommt vorbei. „Es lebe der König!“, ruft Lucile – und wird im Namen der Republik abgeführt.

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Aufbau und Stil

Danton’s Tod ist ein Drama in vier Akten. Es schildert die letzten zwei Wochen im Leben der Titelfigur. Die Vorgeschichte erschließt sich aus Dantons Erinnerungen. Allerdings strebt Büchner keine faktentreue Dokumentation an. Er erlaubt sich einen relativ freien Umgang mit seinen Quellen, sodass die Ereignisse mehrmals von der historischen Chronologie abweichen und Danton zu einer eigenständigen, von seinem historischen Vorbild klar zu unterscheidenden literarischen Figur wird. Einen dramatischen Höhepunkt erreicht das Stück, als der Held im dritten Akt vor dem Revolutionstribunal verhört wird und es ihm dank seiner rhetorischen Brillanz kurzfristig gelingt, das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Die Modernität von Büchners Drama besteht darin, dass es im Unterschied zu vielen romantischen und klassischen Stücken keine geschlossene Handlung mit einer eindeutig erkennbaren Intrige und einem symmetrischen Spannungsbogen präsentiert. Vielmehr rücken die abstrakten Gedankengänge sowie die politischen und philosophischen Diskussionen der Akteure in den Vordergrund. Sprachlich hat Danton’s Tod viel zu bieten: von der Alltags- und Vulgärsprache bis zur pathetisch aufgeladenen Reflexion, vom populären Kalauer bis zur punktgenau formulierten Sentenz. Immer wieder erweist sich Büchner als Meister des schnellen, geistreichen Dialogs, der inszenierten Schlagfertigkeit und des Sprachwitzes.

Interpretationsansätze

  • Danton ist alles andere als ein klassischer Dramenheld: Er ist eine zutiefst widersprüchliche Figur, hin- und hergerissen zwischen Genusssucht, politischem Engagement, Fatalismus und Lebensekel.
  • Robespierre verfügt im Gegensatz zu Danton über ein gefestigtes Weltbild. Gerade durch seine bedingungslos verfochtenen Überzeugungen wird er zu einem Vertreter des Terrors, der Gewalt und der Unmenschlichkeit.
  • Die Geschichte erweist sich als chaotische Abfolge von Willkür und Zufall, die den Menschen unweigerlich in den Abgrund reißt. Das Individuum ist den historischen Prozessen schutzlos ausgeliefert und muss erkennen, dass sich jedes politische Ideal als Illusion erweist.
  • Der durch die historischen Ereignisse bedingte Pessimismus weitet sich auf die Schöpfung und die Welt schlechthin aus. Diese erscheint als derart zufällig, grausam und sinnlos, dass der Glaube an einen tröstenden und lenkenden Gott zur Absurdität wird.
  • Mit einer zuvor nie gesehenen Radikalität führt Danton’s Tod ein politisches System vor, dass sich auf totalitäre Willkür und die gewalttätige Vernichtung Andersdenkender stützt. Aus der Sicht des 20. Jahrhunderts enthält das Stück deshalb geradezu prophetische Züge.
  • Die in Armut darbende Mehrheit der Bevölkerung erscheint nicht als positive Gegenspielerin der gewalttätigen Machthaber, sondern als ebenfalls nach Blut dürstende, wankelmütige, manipulierbare Masse. Das Volk ist genauso ein willenloser Spielball unvorhersehbarer Ereignisse wie der Einzelne.
  • Genuss und eine jenseits gesellschaftlicher Vorurteile ausgelebte Sexualität verschaffen inmitten des weltumspannenden Chaos zwar vordergründig Trost und Ablenkung, verstärken aber auch das Gefühl von Lebensekel und existenzieller Sinnlosigkeit.

Historischer Hintergrund

Danton und Robespierre

Georges Jacques Danton (1759–1794) war eine der schillerndsten, charismatischsten und redegewandtesten Figuren der Französischen Revolution. Im August 1792 war er als Organisator entscheidend am Sturm auf die Tuillerien und am Sturz der Monarchie beteiligt. Er wurde Justizminister und später Vorsitzender des ersten Wohlfahrtsausschusses; dieser hatte die Exekutivgewalt inne und entwickelte sich schnell zur mächtigsten Institution der Republik. Danton war für den Terror und die blutigen Hinrichtungsorgien auf der Guillotine mitverantwortlich, die sich gegen politische Gegner ebenso wie gegen tatsächliche und angebliche Verräter der Revolution richteten. Wegen seiner Versuche, mit feindlichen Monarchien zu verhandeln, wurde er als Chef des Wohlfahrtsausschusses durch Maximilien de Robespierre (1758–1794) abgelöst. Dieser spielte die führende Rolle in einem radikalen politischen Klub, dessen Mitglieder man als Jakobiner bezeichnete. Er vertrat die Meinung, die Tugendhaftigkeit der Französischen Revolution könne einzig durch schrankenlosen Terror verteidigt werden – in Paris fielen allein zwischen Juni 1793 und Juli 1794 mehr als 15 000 Menschen einer Hinrichtungswelle zum Opfer. Als sich Danton der Willkürherrschaft Robespierres widersetzte und ein Ende der blutigen Säuberungen forderte, ließ ihn der Leiter des Wohlfahrtsauschusses verhaften und am 5. April 1794 nach einem kurzen Prozess auf der Guillotine enthaupten.

Schon kurz darauf verschlang der Terror allerdings seinen eigenen Schöpfer: Robespierre verlor den Rückhalt im Parlament, dessen Mitglieder sich durch seinen blindwütigen Radikalismus zunehmend selber bedroht sahen. Als sich der große Blutrichter der Französischen Revolution verteidigen wollte, gingen seine Worte in einem gewaltigen Tumult unter. Fast einstimmig beschlossen die Abgeordneten, Robespierre zu verhaften. Nach einem dramatischen Flucht- und Selbstmordversuch starb er am 28. Juli 1794 mit 36 Jahren auf dem Schafott. Mit seinem Tod fand die Gewaltherrschaft der Jakobiner ein Ende. Der Klub wurde aufgelöst, die politische Macht ging in die Hände gemäßigter Kräfte über. Der von Robespierre heraufbeschworene Terror hatte das Bürgertum allerdings dermaßen schockiert, dass es sich 1799 auf die Seite Napoleon Bonapartes schlug und ihm die Wiedereinführung der Erbmonarchie und die Errichtung eines Kaiserreiches ermöglichte.

Entstehung

Danton’s Tod erschien im Jahr 1835, wurde allerdings erst 1902, lange nach Büchners Tod, in Berlin uraufgeführt. Der Autor schrieb das Stück während seines Medizinstudiums in Gießen, laut eigenen Angaben benötigte er dazu lediglich fünf Wochen. Als Quelle benutzte er vor allem die Histoire de la Révolution Française, ein zwischen 1823 und 1827 erschienenes Werk des französischen Historikers Adolphe Thiers. Literarisch ist das Stück von Christian Dietrich Grabbe und William Shakespeare beeinflusst. Der Schriftsteller und Herausgeber Karl Gutzkow erkannte die Genialität des Manuskripts und setzte sich vehement für dessen Veröffentlichung ein – aus Zensurgründen musste er allerdings zu seinem eigenen Leidwesen zahlreiche Stellen entschärfen. Dies betraf weniger Passagen mit politischem Inhalt als vielmehr Büchners oft drastische Schilderungen der Sexualität. Das Stück erschien zunächst in der belletristischen Publikation Phönix und im Juli 1835 als Buch. Den vom Verlag hinzugefügten Untertitel „Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ bezeichnete Büchner als „abgeschmackt“. Die Originalhandschrift befindet sich heute im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv. Danton’s Tod ist das einzige Werk, das zu Lebzeiten Büchners veröffentlicht wurde.

Wirkungsgeschichte

Danton’s Tod blieb zunächst beinahe unbeachtet und wirkungslos. Das zeitgenössische Lesepublikum fühlte sich vor allem durch die drastischen Darstellungen revolutionärer Gewaltexzesse und durch die – trotz Gutzkows Eingriffen – zahlreichen sexuellen Anspielungen schockiert. Publikum und Kritiker verkannten die Modernität des Stücks, die aus heutiger Sicht geradezu sensationell anmutet. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert war Danton’s Tod als antiidealistisch und pessimistisch verpönt. Man warf dem Autor ein dem Nihilismus oder der politischen Resignation verpflichtetes Weltbild vor und identifizierte ihn fälschlicherweise mit Danton oder Robespierre. Außerdem wurde die Bühnentauglichkeit des Stücks bezweifelt, man hielt es für ein unspielbares Lesedrama.

Selbst nach der Uraufführung 1902 in Berlin dauerte es noch 14 Jahre, ehe Büchners Stück dank der großartigen, durch überwältigende Massenszenen geprägten Inszenierung des Regisseurs Max Reinhardt den Durchbruch schaffte. Danton’s Tod durfte selbst während der Nazizeit gespielt werden – der bekannte Schauspieler, Regisseur und Intendant Gustav Gründgens brachte es kurz nach Kriegsbeginn in Berlin auf die Bühne. Heute gilt das Werk als Klassiker und gehört zum festen Repertoire jedes größeren deutschsprachigen Theaters. Es diente als Vorlage einer 1947 in Salzburg uraufgeführten Oper und mehrerer Verfilmungen. Außerdem beeinflusste es die meisten später entstandenen dramatischen Gestaltungen der Französischen Revolution entscheidend – etwa Romain Rollands Stücke Danton und Robespierre aus den Jahren 1899 bzw. 1939. Die renommierteste deutsche Literaturauszeichnung, der Georg-Büchner-Preis, ist nach dem jung verstorbenen Dichter benannt.

Über den Autor

Georg Büchner wird am 17. Oktober 1813 in Goddelau bei Darmstadt geboren. Sein Vater ist Arzt und seine Mutter eine sehr belesene, am geistigen Klima der Zeit interessierte Frau. Büchner nimmt 1831 in Straßburg ein Medizinstudium auf. Das Kleinstadtklima behagt ihm überhaupt nicht. Er wird melancholisch und erkrankt häufig. Erst die Beschäftigung mit der Geschichte der Französischen Revolution holt ihn aus seiner Lethargie heraus. 1832 verlobt er sich in Straßburg heimlich mit Wilhelmine (Minna) Jaeglé, der Tochter seines Vermieters. Im gleichen Jahr nimmt er am Hambacher Fest teil, dem Höhepunkt bürgerlich-liberaler Opposition gegen die Restauration. 1834 setzt er in Gießen sein Medizinstudium fort, gründet die „Gießener Gesellschaft der Menschenrechte“ und schart Gleichgesinnte um sich mit dem Ziel, die reaktionäre Strömung im Großherzogtum Hessen zu bekämpfen. Nachdem seine sozialrevolutionäre Flugschrift Der hessische Landbote in mehreren Hundert Exemplaren verteilt worden ist, wird seine Wohnung auf den Kopf gestellt und er wird bald sogar steckbrieflich gesucht. Büchner flieht nach Straßburg. 1836 siedelt er nach Zürich über, wo er sein Studium beendet und Privatdozent für Anatomie wird. Im Juli 1835 erscheint die Buchausgabe von Büchners Drama über die Französische Revolution, Danton’s Tod. Drei Monate später beginnt er die Niederschrift der Erzählung Lenz, die der Dichter Karl Gutzkow, Büchners langjähriger Freund und politischer Mitstreiter, 1839 publizieren wird. Erst 1878 erscheint hingegen das Fragment gebliebene Theaterstück Woyzeck, das Büchner Ende 1836 beginnt, wegen einer Erkrankung aber nicht fortsetzen kann. Als der Arzt Typhus diagnostiziert, eilt Büchners Verlobte von Straßburg nach Zürich. Zwei Tage nach ihrem Eintreffen, am 19. Februar 1837, stirbt Büchner im Alter von nur 23 Jahren.

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