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Das Käthchen von Heilbronn

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Das Käthchen von Heilbronn

oder Die Feuerprobe. Ein großes historisches Ritterschauspiel

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

„Verfluchte Unnatur“, schimpfte Goethe und warf das Käthchen-Manuskript ins Feuer. Selten hat ein Genie ein anderes so verkannt.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Romantik

Worum es geht

Theater des Unbewussten

Was geht nur in dieser Frau vor: So intelligent und attraktiv, und dennoch lässt sie sich von ihrem Typen alles gefallen. Und weshalb sehen in Hollywood die 50-Jährigen aus wie eingefrorene 30-Jährige? Zwei typische Fragen unserer Zeit, oft diskutiert im Bekanntenkreis oder beim Friseur. Die Auswüchse der Schönheitsindustrie, der traurige Masochismus der besten Freundin – was haben diese Themen mit dem Käthchen von Heilbronn zu tun? Wenn man genauer hinschaut, ziemlich viel. Denn Heinrich von Kleist wagte sich schon vor 200 Jahren an Fragen heran, die erst viel später salonfähig wurden. Kleist sah den Menschen als fremdgesteuert, marionettenhaft und dem Unterbewusstsein schutzlos ausgeliefert. In dem romantischen Ritterschauspiel versteckte er diese verzweifelte Erkenntnis hinter lautem Rüstungsgeklapper und jungfräulichen Augenaufschlägen – schließlich brauchte der erfolglose Dichter nichts dringender als einen Kassenschlager. Und der ist nicht nur bis heute unterhaltsam geblieben, sondern liefert auch Antworten auf aktuelle Fragen.

Take-aways

  • Das Käthchen von Heilbronn gehört zu den beliebtesten Stücken Heinrich von Kleists.
  • Inhalt: Eine Bürgerstochter und ein adliger Ritter fühlen sich wie durch magnetische Kräfte zueinander hingezogen. Sie folgt ihm auf Schritt und Tritt, während er versucht, seine Gefühle zu ignorieren, und beinahe in die Fänge einer falschen Schönheit gerät. Schließlich erfahren die Liebenden, dass sie vom Schicksal füreinander bestimmt sind und dass das Bürgermädchen in Wahrheit eine Kaisertochter ist.
  • Das Drama handelt von der Herrschaft des Unterbewusstseins über den Menschen.
  • Kleist vollendete das Stück 1808, zwei Jahre nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
  • Die romantische Verklärung des Mittelalters spiegelt die Sehnsucht nach einer starken, vereinten Nation wider.
  • Das Publikum liebte das Drama. Die Gegner der Romantik jedoch kritisierten es als sperrig, irrational und krankhaft.
  • Goethe warf das Manuskript ins Feuer und weigerte sich, das Stück in Weimar aufzuführen.
  • Später nahmen Bearbeiter dem Drama seine Schärfe und machten es zu einem der größten Theaterblockbuster des 19. Jahrhunderts.
  • Heute gilt Kleist als verkanntes Genie und Vorläufer der literarischen Moderne.
  • Zitat: „Käthchen, Mädchen, Käthchen! (…) Du Schönere, als ich singen kann, ich will eine eigene Kunst erfinden, und dich weinen.“

Zusammenfassung

Das heimliche Gericht

Ein Waffenschmied aus Heilbronn namens Theobald Friedeborn hat den Grafen Wetter vom Strahl vor einem Femgericht angeklagt. Das heimliche Gericht tagt in einer Höhle. Richter und Häscher sind vermummt, Fackeln erleuchten die Dunkelheit. Theobald beschuldigt den Grafen nicht nur, seine 15-jährige Tochter Käthchen verzaubert und verführt zu haben, sondern auch, mit Satan verbrüdert zu sein. Der Schmied beschreibt seine Tochter als das schönste und fröhlichste Bürgermädchen ganz Schwabens. Die Hochzeit mit ihrem Vetter habe kurz bevorgestanden. Dann sei der Graf in der Werkstatt aufgetaucht, um seine Rüstung reparieren zu lassen. Käthchen sei wie vom Blitz getroffen vor ihm niedergestürzt. Als er später wegging, habe sie sich aus dem Fenster gestürzt, sei auf das Straßenpflaster geprallt und habe sich beide Lenden gebrochen. Kaum geheilt sei sie aufgestanden, habe ihr Bündel geschnürt und sei Richtung Straßburg gegangen, wo der Graf sich gerade aufhielt. Seitdem laufe sie mit nackten Füßen und spärlich bekleidet hinter ihm her.

„Wenn ich mich umsehe, erblick’ ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie.“ (Graf vom Strahl über Käthchen, S. 16)

Der Angeklagte wehrt sich: Es stimme, das Mädchen sei damals in Heilbronn plötzlich vor seinen Füßen gelegen, als sei es vom Himmel herabgefallen. Er habe sofort Käthchens Vater holen lassen. Doch bei dessen Anblick habe das Mädchen ihn angefleht, sie vor ihrem Vater zu beschützen. Nun wird Käthchen vorgeführt. Ihre Augen weiten sich vor Unglauben, als sie erfährt, was ihrem Angebeteten vorgeworfen wird. Graf vom Strahl bittet um die Erlaubnis, sie selbst zu verhören. Um das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen, greift er zu einem Trick: Er sagt zu Käthchen, dass er ihr Zaubertränke eingeflößt und sich nachts im Pferdestall an ihr vergangen habe, worauf sie alles von sich weist: Ja, er habe sie zwar berührt – aber nur, als er sie mit Füßen getreten und aus dem Stall gejagt habe. Das Femgericht spricht den Grafen von aller Schuld frei, und er ringt Käthchen das Versprechen ab, ihn nicht mehr zu verfolgen und mit Theobald nach Hause zu gehen. Das Mädchen fällt in Ohnmacht.

Der Weiberraub

Vor der Höhle wirft der Graf sich hin und weint über die Unmöglichkeit der Liebe. Käthchen ist für ihn das schönste, reinste und tugendhafteste Wesen auf Erden, aber vor seinem geistigen Auge erscheinen seine Vorfahren mit mahnenden Blicken: Eine Ehe mit ihr wäre nicht standesgemäß. Da erscheint Ritter Flammberg und überbringt ihm eine Kriegserklärung des Rheingrafen vom Stein. Dieser fordert im Namen der Kunigunde von Thurneck den Wiederkauf Stauffens, eines Gebiets, das einer ihrer Vorfahren einem Ahnen des Grafen einst auf angeblich unrechtmäßige Weise verkauft habe. Wetter vom Strahl flucht: Zum dritten Mal schon hetze das Fräulein ihm wegen dieser Sache einen Reichsritter auf den Hals. Er schwört Rache.

„Käthchen, Mädchen, Käthchen! (...) Du Schönere, als ich singen kann, ich will eine eigene Kunst erfinden, und dich weinen.“ (Graf vom Strahl, S. 36)

Inzwischen hat der Burggraf von Freiburg, den Kunigunde für den Rheingrafen verlassen hat, seine ehemalige Geliebte entführt. Beim Ritt durch die Berge werden die beiden von einem Unwetter überrascht. In einer Köhlerhütte finden sie Unterschlupf. Da erscheint auch der Graf vom Strahl an der Hütte und verlangt ein Obdach für die Nacht. Doch der Burggraf verwehrt es ihm, da seine Frau krank in der Hütte liege. Als der Graf vom Strahl und sein Knecht Gottschalk draußen ihr Lager herrichten, berichtet der Köhlerjunge ihnen verstohlen von der gefesselten und geknebelten Dame im Haus. Der Graf lässt sie befreien, ohne zu wissen, wer die Frau überhaupt ist. Als der Burggraf die Vorgänge bemerkt, greift er den Grafen mit dem Schwert an. Der streckt ihn nieder. Erst als Freiburg blutend am Boden liegt, erkennt der Graf in ihm den Menschen, mit dem er kurz zuvor Frieden geschlossen hat. Und die Gerettete gibt sich nun auch noch als seine Erzfeindin zu erkennen. Wetter vom Strahl ist schockiert. Aber Kunigunde besänftigt ihn. Sie verspricht ihm ewige Dankbarkeit, schenkt ihm ihren Ring und sagt, sie lege ihr Schicksal in seine Hände und würde gar in seinen Kerker wandern. Gemeinsam reiten sie zu seinem Schloss.

Der Traum

Während der Morgentoilette schwatzt die Schlosshaushälterin Brigitte mit Kunigunde. Sie möchte wissen, ob das Fräulein eine Tochter des Kaisers sei. Nicht des heutigen Kaisers, antwortet Kunigunde, aber die Urenkelin eines vorigen. Da erzählt Brigitte eine seltsame Geschichte: Der Graf war vor einiger Zeit sehr krank. In der Silvesternacht erhob er sich plötzlich von seinem Krankenlager, verlangte Helm, Harnisch und Schwert und sank dann wie tot auf sein Bett zurück. Eine ganze Weile lag er da, ohne zu atmen. Dann richtete er sich wieder auf und erzählte von seinem Traumerlebnis: Ein Engel habe ihn zu seiner Braut geführt, einer Kaisertochter mit einem Muttermal auf dem Nacken. Brigitte ist überzeugt, dass Kunigunde diese Kaisertochter ist. Als der Graf mit seiner Mutter erscheint, umgarnt Kunigunde beide geschickt. Sie bietet sogar an, den Streit um Stauffen für immer beizulegen. Der Graf lehnt großmütig ab. Wenn es auch nur den geringsten Zweifel an der Sache gebe, solle ein Gericht entscheiden. Da nimmt Kunigunde die Papiere, die ihren Anspruch zu begründen scheinen, und zerreißt sie. Strahl ist von dieser Geste beeindruckt. Als er mit seiner Mutter allein ist, verkündet er, dass er Kunigunde heiraten will.

Der Rächer

Käthchen lässt sich von ihrem Vater zu einem Kloster begleiten, in das sie eintreten will. Doch Theobald ist von ihrer Wahl nicht überzeugt. Er stellt sie auf die Probe: Wenn sie ihr Lager wieder nahe der Strahlburg aufschlagen könnte, würde sie es tun? Nein, antwortet Käthchen, ihr Herr habe es ja verboten. Und wenn Theobald ihn auf Knien bitten würde, es zu erlauben? Wieder verneint das Mädchen. Ins Kloster möchte sie nun aber tatsächlich nicht mehr. Lieber kehrt sie mit ihrem Vater nach Heilbronn zurück, um sich dort von ihm verheiraten zu lassen, ganz egal mit wem.

„Holla! – Wer ruft? – Ich, Gottschalk, bin’s; ich bin’s, du lieber Gottschalk! – Wer? – Ich! – Du? – Ja! – Wer? – Ich! – Die Stimme kenn’ ich!“ (Käthchen, Gottschalk, Graf vom Strahl, S. 73)

Der Rheingraf vom Stein erhält unterdessen von Kunigunde eine Abfuhr: Graf vom Strahl habe ihr Stauffen freiwillig abgetreten, schreibt sie, und er brauche sich nicht mehr um die Sache zu bemühen. Stein ahnt, was dahintersteckt. Als sich die Gerüchte über die bevorstehende Hochzeit zwischen Strahl und Kunigunde verhärten, sagt er der Frau den Kampf an. Er schimpft sie eine bösartige Hure und schwört, seine Kriegskosten wieder hereinzuholen. Dann schickt er zwei Briefe los: Der eine soll an den Dominikanermönch Hatto gehen, dem er ausrichten lässt, dass er um sieben Uhr zur Beichte ins Kloster komme. Der andere ist an den Verwalter der Burg zu Thurneck gerichtet. Um Mitternacht werde er, der Rheingraf, mit seinen Kriegern in das Schloss einbrechen. Einen Moment lang hält er inne: Er hat die Briefe doch nicht verwechselt? Doch weil sie bereits versiegelt sind, schickt er die Boten auf den Weg.

Die Feuerprobe

Strahl geht in der Burg zu Thurneck seinen Gedanken nach, als er draußen Käthchen rufen hört. Er weist sie grob von sich und droht mit der Peitsche, wenn sie nicht sofort verschwinde. Käthchen spricht daraufhin mit Gottschalk und teilt ihm mit, dass der Rheingraf einen Anschlag auf die Burg plane. Sie sei zufällig beim Prior Hatto gewesen, als dieser einen rätselhaften Brief mit dieser Nachricht erhalten habe. Jetzt erst wird der Graf, der das Gespräch mitbekommen hat, aufmerksam. Er legt die Peitsche weg und liest den Brief – Käthchen hat ihn mitgebracht – laut vor. Tatsächlich bittet der Rheingraf den Verwalter darin, die Tore offen zu lassen. Käthchen ist keine Minute zu früh gekommen, denn schon läuten die Sturmglocken; die Burg brennt. Kunigunde erscheint wankend und ihr Bräutigam fängt sie auf. Dann schickt sie Käthchen, damit diese ein Bild des Grafen mit einem Futteral aus den Flammen rette. Kunigunde gibt ihr den Schlüssel zum Schreibtisch. Als der Graf versucht, Käthchen zurückzuhalten, fährt Kunigunde ungeduldig dazwischen. Also geht Käthchen ins Haus und erscheint wenig später nach Luft ringend am Fenster. Der Schlüssel passe nicht! Kunigunde lässt sie ungerührt weitersuchen, doch der Graf ist mit seiner Geduld am Ende. Er will selbst hinaufsteigen und Käthchen retten. In dem Moment, als er seinen Fuß auf die Leiter setzt, stürzt das Haus ein. Betroffen starren alle auf die Trümmer und wenden sich dann ab.

„Die Peitsche her! An welchem Nagel hängt sie? / Ich will doch sehn, ob ich, vor losen Mädchen, / In meinem Haus nicht Ruh mir kann verschaffen.“ (Graf vom Strahl, S. 75)

Ungesehen tritt Käthchen durch ein noch stehendes Portal. Hinter ihr steht ein lichtumfluteter, blondlockiger Engel. Käthchen stürzt vor ihm nieder und fragt ihn, was mit ihr geschieht. Der Engel berührt ihren Kopf mit der Spitze eines Palmzweigs und verschwindet. Dann entdeckt Strahl Käthchen, er spricht von einem Wunder Gottes. Die Papierrolle, die Käthchen mitgebracht hat, schlägt Kunigunde ihr um die Ohren. Nicht an dem Bild ist ihr gelegen, sondern an dem Futteral, in dem sich die Schenkungsurkunde für Stauffen befand.

Der Doppeltraum

Vor dem Holunderbusch hat Käthchen wieder ihr Lager aufgeschlagen und schläft. Strahl tritt zu ihr und möchte endlich die Gründe für ihre Ergebenheit erfahren. Gottschalk hat ihm gesagt, dass das Mädchen viel träumt und im Schlaf spricht; diese Eigenschaften will er sich zunutze machen. Er nimmt Käthchen in den Arm und sie erzählt ihm alles, ohne aufzuwachen: Wie ihre Magd Mariane in der Silvesternacht beim Bleigießen sah, dass sie einen großen, schönen Ritter heiraten werde. Und wie er, Strahl, im Traum an ihrem Bett erschienen sei, an seiner Seite ein strahlend weißer Engel. Es dämmert dem Grafen, dass ihr Traum mit seinem eigenen aus der gleichen Nacht übereinstimmt. Und nun entdeckt er auch, dass Käthchen ein Muttermal am Nacken hat. Ein Rätsel aber bleibt ungelöst: Was ist von der Verkündigung zu halten, dass sie die Tochter des Kaisers sei?

Das Gottesurteil

Käthchen geht zur Grotte, um ein Bad zu nehmen. Sie weiß nicht, dass sich auch Kunigunde gerade dort aufhält. Nach einiger Zeit kommt Käthchen zitternd und stammelnd wieder heraus. Offenbar hat sie etwas Grauenvolles gesehen. Als Kunigunde heraustritt, rennt Käthchen wie von Sinnen fort. Kunigunde zischt ihr Verwünschungen nach und trägt ihrer Zofe Rosalie auf, das Mädchen zu vergiften.

„Dies Mädchen, bestimmt, den herrlichsten Bürger von Schwaben zu beglücken, wissen will ich, warum ich verdammt bin, sie einer Metze gleich, mit mir herum zu führen (...)“ (Graf vom Strahl über Käthchen, S. 96)

Inzwischen hat der Kaiser den Grafen vom Strahl und Käthchens Vater Theobald zu sich nach Worms gerufen. In seiner Gegenwart streiten sich die beiden schon wieder, diesmal, weil Strahl behauptet, Käthchen sei in Wirklichkeit die Tochter des Kaisers. Er hat nachgeforscht und herausgefunden, dass der Kaiser tatsächlich neun Monate vor Käthchens Geburt in Heilbronn war. Theobald schäumt vor Wut: Er sieht sich sowohl seiner Tochter als auch seiner Ehre beraubt. Ein Gottesurteil in einem Zweikampf soll erweisen, wer die Wahrheit sagt. Strahl aber hat keine Lust, sich mit einem armen, alten Mann zu schlagen. Er setzt seinen Helm ab und streckt Theobald das Haupt entgegen: „Hau!“, sagt er, der Säbel werde bersten, als würde er einen Diamanten treffen. Theobald ist wie gelähmt. Der Graf hat allein mit seinem Blick über ihn gesiegt. Der Kaiser wird blass, denn nun erinnert er sich: In jenem Sommer mischte er sich während eines Festes unerkannt unters Volk und „unterhielt“ sich mit einer gewissen Gertrud – so heißt auch Käthchens Mutter – unter den Linden. Der Stern Jupiter war Zeuge der Empfängnis.

Die Kunstfigur

Ritter Flammberg hat erfahren, dass Kunigunde Käthchen vergiften lassen will, und begreift nicht, warum. Der Burggraf von Freiburg klärt ihn auf: Nichts an dem Fräulein sei echt. Sie sei wie ein Mosaik zusammengesetzt, habe falsche Zähne und Haare, rot geschminkte Wangen und trage ein Eisenkorsett. Strahl solle sein Fräulein einmal früh morgens überraschen, wenn ihre Reize „auf den Stühlen liegen“. Flammberg erzählt es seinem Herrn, dieser tut, wie ihm geraten, und erlebt den Schock seines Lebens. Beinahe erkennt er die schiefe Gestalt nicht, die vor ihm ins Nebenzimmer flüchtet. Nachdem Kunigunde sich zurechtgemacht hat, sagt er ihr, dass für die Hochzeit „bis auf den Hauptpunkt“ alles vorbereitet sei. Kunigunde wird misstrauisch und fragt sich, ob der Graf sie durchschaut hat. Dann lügt Strahl, dass Käthchen gestorben sei. Kunigunde heuchelt Mitgefühl. Baldmöglichst will sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen.

„Verliebt ja, wie ein Käfer, bist du mir.“ (Käthchen zum Grafen vom Strahl, S. 98)

In Wahrheit hat der Graf Käthchen in eine Höhle gebracht, um sie vor ihrer Nebenbuhlerin zu schützen. Dort besuchen sie Theobald und der Kaiser, der sie als seine Tochter anerkennt. Fortan soll sie Katharina von Schwaben heißen. Strahl kommt hinzu und bittet den Kaiser um Käthchens Hand. Diese begreift überhaupt nicht, wie ihr geschieht, auch nicht, als der Graf sich unter Tränen bei ihr entschuldigt und verspricht, ihr die schönsten Gemächer zu bauen. Strahl bittet sie, sich für die Hochzeit am kommenden Tag schön herauszuputzen. Er muss ihr die Tränen aus den Augen küssen. Am nächsten Morgen hat sich Kunigundes gesamte Sippe zur Hochzeit eingefunden. Ihre Angehörigen halten die Ereignisse selbst dann noch für ein Missverständnis, als der Herold die Vermählung des Grafen vom Strahl mit Katharina, der Prinzessin von Schwaben, bekannt gibt. Dann erscheint Käthchen im kaiserlichen Brautschmuck. Strahl fragt, ob sie ihn heiraten wolle. Statt zu antworten fällt sie in Ohnmacht. Ihr Bräutigam trägt sie zur Kirche, vorbei an Kunigunde, die Rache schwört.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Käthchen von Heilbronn ist in fünf Akte unterteilt und folgt damit dem klassischen Aufbau. Im dritten Akt erreicht die Handlung mit dem Schlossbrand und Käthchens Feuerprobe den Höhepunkt, am Ende des vierten verzögert die angedrohte Vergiftung Käthchens den Fortgang der Handlung. Während Kleist mit diesen Kniffen dem gängigen Muster folgt, ist das Besondere am fünften Akt, dass die Verwicklungen sich nicht auflösen: Kunigunde schwört Rache, alles bleibt offen, und die märchenhafte Hochzeit könnte der Beginn eines schrecklichen Albtraums sein. Kleist nannte sein Drama im Untertitel „Ein großes historisches Ritterschauspiel“ und überzeichnete dessen romantische und märchenhafte Elemente ironisch. Käthchen ist eine Spur zu unschuldig, Kunigunde allzu böse und die Verstrickungen der Handlung zu fantastisch. Oberflächlich betrachtet erscheint das Stück wie ein pompös inszenierter Groschenroman. Unter der dünnen Schicht mittelalterlichen Kitschs hat Kleist jedoch ein komplexes Mosaik aus subtilen Andeutungen versteckt, die sich auf die Bibel, die griechische Mythologie und die gesamte abendländische Literaturgeschichte beziehen. Auch stilistisch setzte Kleist sich über die Regeln seiner Zeit hinweg, indem er den reimlosen Blankvers mit Prosapassagen mischte. Seine Sprache ist sehr kraftvoll und oft erotisch aufgeladen.

Interpretationsansätze

  • Das Käthchen von Heilbronn thematisiert die Fremdbestimmung des Menschen: Keine der Figuren handelt vollkommen frei, wie es das Ideal der Aufklärung vorsah. Traum, Entrückung, Hypnose, Hysterie – all das sind Zustände, in denen die Figuren unerklärlichen Trieben ausgeliefert sind. Sie hängen wie Marionetten an Fäden, die vom Unterbewusstsein gezogen werden. Dies ist aber nicht nur negativ zu sehen: Die Figur des Käthchens etwa entspricht geradezu idealtypisch Kleists Vorstellung eines unschuldigen, unbewussten, im Zustand der Grazie befindlichen Menschen.
  • Ein wichtiges Thema ist die Begrenztheit der menschlichen Sprache. Bezeichnend ist, dass Käthchen immer dann in Ohnmacht fällt, wenn Wort und Wirklichkeit einander widersprechen. Mitunter bildet die Sprache die Wirklichkeit nicht ab, sondern erschafft sie erst: Der Kaiser hat Käthchen während einer „Unterhaltung“ gezeugt und macht sie später kraft seiner Worte zur Tochter. Kleist nahm hiermit den Sprachskeptizismus der literarischen Moderne vorweg.
  • Durch das Stück zieht sich eine unterschwellige Erotik, die immer auch mit Gewalt und Machtausübung verbunden ist: Gerade weil Strahl Käthchen begehrt, unterzieht er sie einem sadistischen Kreuzverhör und tritt sie wie einen Hund. Die „Unterhaltung“ des Kaisers mit Gertrud kann als Euphemismus für eine Vergewaltigung gedeutet werden.
  • Typisch für das 19. Jahrhundert war die Aufspaltung der Frau in Heilige und Hure: hier das keusche, unterwürfige Käthchen, dort die männermordende, in eine schöne Hülle verpackte Hexe Kunigunde. Letztere ist ein reines Kunstprodukt, eine Ansammlung von Zeichen, die sich bei näherem Hinsehen als bedeutungslos entpuppen. Kleist kritisierte damit auch die Kunstproduktion seiner Zeit.
  • Der Text steckt voller Symbole, Metaphern und Allegorien. Das beginnt schon bei den Namen: „Wetterstrahl“, wie der Graf sich auch nennt, ist ein anderes Wort für Blitz; er steht damit für den Blitz, der auf Käthchen niederfährt und die Energie zwischen beiden zum Strömen bringt. Das Leitmotiv des Holunderbusches versinnbildlicht die romantische Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies.

Historischer Hintergrund

Sehnsucht nach alter Größe

Das Käthchen von Heilbronn spielt im mittelalterlichen Schwaben. „Historisch“ ist in dem Drama allerdings nur wenig, denn Kleist jongliert recht freizügig mit den verschiedensten Epochen. Die romantisierte Kulisse des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation war zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als das Drama entstand, ein Symbol für verflossene Größe: Napoleon hatte halb Europa erobert. 1806 gründete er den Rheinbund, eine Konföderation und Militärallianz, der sich die Staaten Süd- und Westdeutschlands anschlossen. Kaiser Franz II. musste die deutsche Kaiserkrone niederlegen, und das alte Deutsche Reich hörte auf zu bestehen. Wenig später erklärte Preußen Frankreich den Krieg und wurde im Oktober bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Friedrich Wilhelm III. floh nach Königsberg, und Napoleon marschierte in Berlin ein. Die politische Gegenwart bot also wenig Stoff für stolze deutsche Heldengeschichten; umso eifriger suchten die Romantiker diese in der Vergangenheit. Sie forderten eine Rückbesinnung auf die altdeutsche Sprache und Literatur, auf Märchen, Sagen und Volkslieder. Vor allem das Mittelalter wurde verklärt. Es diente als Projektionsfläche für eine Literatur, in der die Menschen nach romantischer Vorstellung im Einklang mit der Natur lebten, an Wunder und Vorbestimmung glaubten und noch nicht im Würgegriff der reinen Vernunft steckten. Die Romantiker sehnten sich nach einem vereinten Deutschland, in dem die ihrer Ansicht nach verratenen revolutionären Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklicht würden.

Entstehung

Heinrich von Kleist sah sich nicht als typischen Romantiker. Das Käthchen aber schlage „mehr in die romantische Gattung“ als seine anderen Werke, schrieb er dem Verleger Johann Friedrich Cotta. Kleist begann im Spätsommer 1807 mit der Arbeit daran, kurz nach seiner Freilassung aus französischer Kriegsgefangenschaft. Über ein mögliches Vorbild für die keusche Bürgerstochter wurde viel spekuliert: Einige vermuten das Ur-Käthchen in der Dresdnerin Julie Kunze, in die Kleist verliebt war. Andere tippen auf die schlafwandelnde Heilbronnerin Lisette Kornacher, die mithilfe einer Hypnosetherapie geheilt worden sein soll. Kleist könnte von ihrer Krankengeschichte gehört haben, als er die Vorlesungen des Naturphilosophen Gotthilf Heinrich von Schubert über die „Nachtseiten der Naturwissenschaft“ besuchte. Wieder andere sind der Meinung, dass der Autor sich von einer auf Flugblättern verbreiteten schwäbischen Volkssage inspirieren ließ. Kleist betonte immer Käthchens fiktiven Charakter und nannte sie seine „ganz treffliche Erfindung“. Er beendete die erste Fassung des Stücks im Sommer 1808 und veröffentlichte einzelne Szenen in der literarischen Zeitschrift Phöbus. Dann versuchte er, den Stoff an eine Bühne zu verkaufen. Der Berliner Theaterdirekter August Wilhelm Iffland lehnte zu Kleists großen Ärger ab. Aus Wien kam eine Zusage, aber dann brach der Krieg zwischen Österreich und Frankreich aus. Schließlich schickte Kleist das mehrfach abgeänderte Manuskript Anfang 1810 an Cotta, der sich aber weigerte, es zu verlegen. Nachdem sich Kleists Drama Penthesilea als Fiasko erwiesen hatte, wollte Cotta offenbar kein weiteres Risiko eingehen.

Wirkungsgeschichte

Das Käthchen von Heilbronn wurde im März 1810 in Wien uraufgeführt. Der Beifall sei „sehr geteilt“ gewesen, schrieben die Zeitungen. Dennoch wurde das Stück an drei Abenden hintereinander gespielt. Das Echo unter den Romantikern war überwiegend positiv. Für die Gegner der Bewegung war das Stück jedoch nur ein weiterer Beweis für die Verkommenheit der romantischen Schule, als deren „berüchtigster Jünger“ Kleist bezeichnet wurde. Im Morgenblatt für gebildete Stände hieß es nach Kleists Selbstmord 1811, die gesamte romantische Literatur sei ein „verpesteter Sumpf“, bevölkert von einer „Rotte unwissender, selbstsüchtiger und wahnsinniger Knaben“. Einer Anekdote zufolge soll Johann Wolfgang von Goethe das Käthchen als „Gemisch von Sinn und Unsinn“ und Kleist als „verfluchte Unnatur“ verunglimpft haben. Dann soll er das Manuskript ins Feuer geworfen haben, mit den Worten: „Das führe ich nicht auf, wenn es auch halb Weimar verlangt.“

Und verlangt wurde es tatsächlich. Im 19. Jahrhundert wurde allein die vom Bamberger Theaterdirekter Franz von Holbein bearbeitete Fassung 1200 Mal aufgeführt. Acht verschiedene Komponisten schrieben Käthchen-Opern, die Geschichte wurde auf Sammelbildchen und in Kolportageromanen nacherzählt. Zum Massenphänomen wurde das Stück auch deshalb, weil die Bearbeiter es den Sitten der Zeit anpassten: Theobald etwa mutierte vom gehörnten Ehemann zum Großvater oder Onkel Käthchens. Und weil Hässlichkeit im Theater nicht erwünscht war, strich man die Rolle Kunigundes vielfach ersatzlos. In Heilbronn lässt der Käthchen-Kult bis heute die Kassen klingeln: Ob aus Stoff, Glas oder Schokolade, es gibt nichts, was nicht mit ihrem Namen vermarktet wird. Und alle zwei Jahre wählen die Bürger ein Käthchen, das im himmelblauen Kleid Weinfeste eröffnen darf. Von so einem Goldregen wagte der arme Kleist nicht einmal zu träumen. Ihm bleibt nur der Nachruhm, als einer der Ersten das Unterbewusstsein thematisiert zu haben.

Über den Autor

Heinrich von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geboren, er stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie. Als junger Gefreiter-Korporal nimmt er im ersten Koalitionskrieg gegen Napoleon an der Belagerung von Mainz und am Rheinfeldzug (1793 bis 1795) teil. Bald fühlt er sich vom Offiziersberuf abgestoßen und wendet sich der Wissenschaft zu. Durch seine Kant-Lektüre verliert er jedoch den Glauben an einen objektiven Wahrheitsbegriff und erkennt, dass er nicht zum Gelehrten geschaffen ist. Ebenso wenig fühlt sich der enthusiastische Kleist zum Staatsdiener berufen. 1801 bricht er aus seiner bürgerlichen Existenz aus, reist nach Paris und später in die Schweiz, wo er als Bauer leben will. Doch auch daraus wird nichts. Schon während seiner Zeit in Paris beginnt Kleist zu dichten. Seine Theaterstücke, die heute weltberühmt sind, bleiben zunächst erfolglos. Von 1801 bis 1811 entstehen unter anderem die Tragödien Die Familie Schroffenstein (1803), Robert Guiskard und Penthesilea (beide 1808), außerdem Das Käthchen von Heilbronn (1808), Die Hermannsschlacht (1821 postum erschienen), die Komödien Amphitryon (1807) und Der zerbrochne Krug (1808) sowie die Erzählungen Die Marquise von O.... (1808), Das Bettelweib von Locarno (1810) und Die Verlobung in St. Domingo (1811). 1810 verweigert der preußische Staat Kleist, der nach Stationen in Königsberg und Dresden wieder in Berlin lebt, eine Pension. Auch aus dem Königshaus erhält er keine Anerkennung, obwohl er der Schwägerin des Königs das patriotische Stück Prinz Friedrich von Homburg widmet. Dennoch ist es wohl weniger äußere Bedrängnis als innere Seelennot, die Kleist schließlich in den Freitod treibt. Am 21. November 1811 erschießt er zunächst seine unheilbar kranke Freundin Henriette Vogel und danach sich selbst am Kleinen Wannsee in Berlin.

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