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Der Menschenfeind

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Der Menschenfeind

Komödie in fünf Akten

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Molières berühmte Komödie über einen kauzigen Idealisten und seine unerbittliche Liebe.


Literatur­klassiker

  • Komödie
  • Klassizismus

Worum es geht

Ein tragikomischer Charakter

Der Menschenfeind ist eine aufreizend schlichte Komödie. Nichts mit Sex and Crime, nur ein verständlicher Wunsch eines Verliebten bestimmt die Handlung: der Wunsch nämlich, eine offene Aussprache mit der Geliebten herbeizuführen. Selbst das aber gestaltet sich schwierig. Ständig kommen dem Titelhelden größere und kleinere Heuchler in die Quere, und als die Stunde der Wahrheit endlich schlägt, geht die Beziehung in die Brüche. Der Ehrliche ist der Angeschmierte, der sich nur mit Weltflucht zu helfen weiß. Als Leser bzw. Zuschauer ist man zwischen Mitgefühl und Schadenfreude hin- und hergerissen. Gleich Insekten spießt Molière seine Figuren auf, und wie er sie auch reizt und zappeln lässt, sie zeigen stets denselben Reflex: einen unerschütterlichen Egoismus. Molière tourte 13 Jahre durch die französische Provinz, und diese Lehr- und Wanderzeit machte ihn zum großen Menschenkenner. Sie lieferte den Stoff für seine Komödien, in denen unangenehme Wahrheiten so zugespitzt und offen ausgesprochen werden, dass sie trotz aller Härte zum Lachen sind – beste, intelligente Unterhaltung.

Take-aways

  • Der Menschenfeind ist eine Komödie, in der ein Moralist an seinen zwar berechtigten, aber unrealistischen Anforderungen scheitert.
  • Inhalt: Alceste liebt Célimène, doch die hat viele Verehrer und hält ihn hin. Ihre Heuchelei und einige absurde Gerichtsverfahren veranlassen Alceste zu der Forderung, dass die Menschen jederzeit offen und ehrlich sein sollten. Als sich das Liebespaar nach kurzweiligem Hin und Her endlich ausspricht, zerbricht die Beziehung an Alcestes Ansprüchen.
  • Die Komödie spiegelt die damalige französische Mittelschicht wider, den kleinen Adel und das große Bürgertum.
  • Damals gängige Moralkonzepte werden geprüft und karikiert: Aufrichtigkeit, Prestigestreben, Selbstgefälligkeit, Opportunismus.
  • Der Titelheld fällt mit seiner Rechtschaffenheit aus dem Rahmen und endet tragisch.
  • Das Stück wurde 1666 in Paris mit Molière in der Hauptrolle uraufgeführt.
  • Es ist in Versen geschrieben und besticht durch Pointen und Wortwitz.
  • Molière war ein erfolgreicher, vom König selbst unterstützter Theatermann, der aber auch vielen Anfeindungen ausgesetzt war.
  • Der Menschenfeind ist bis heute eines seiner erfolgreichsten Stücke.
  • Zitat: „Ich will nicht sein wie alle, mein Herr, ich warne Sie, / Denn aller Menschen Freund zu sein, war nie mein Ehrgeiz, nie!“ (Alceste)

Zusammenfassung

Melancholiker und Phlegmatiker

Alceste liebt Célimène, doch die umworbene junge Witwe hält ihn hin. Ungeduldig begibt er sich in ihr Palais und will von ihr ein klares Bekenntnis hören. Im Vorzimmer trifft er seinen Freund Philinte, auf den er wütend ist. Denn am Vortag hat er beobachtet, wie Philinte einen Unbekannten umarmte, als wäre er mit diesem dick befreundet. Alceste schimpft: Das sei verlogen und kriecherisch. Eine Freundschaft brauche Zeit, um zu wachsen, vor allem aber Offenheit. Ein Ehrenmann sollte das wissen und immer aufrichtig sein. Philinte fechten die Vorwürfe nicht an. Er gibt sich als Realist und behauptet, wer höflich sein wolle, müsse lügen. Dem eigenen Herz zu folgen und es überall auszuschütten, damit mache man sich nur lächerlich. Die Menschen seien von Natur aus schlecht und ließen sich nicht ändern.

„Ich will nicht sein wie alle, mein Herr, ich warne Sie, / Denn aller Menschen Freund zu sein, war nie mein Ehrgeiz, nie!“ (Alceste zu Philinte, S. 13)

Alceste erwähnt das Gerichtsverfahren, in das er verwickelt ist. Jeder kenne seinen Gegner sowie dessen falsches Wesen und die faulen Tricks, mit denen er Karriere gemacht habe – aber alle Welt beklatsche und bewundere ihn. Solche Heuchelei gehöre unverzüglich abgeschafft, meint Alceste. Notfalls müsse man der ganzen Menschheit den Kampf ansagen. Philinte mahnt zur Mäßigung: Nur wer Nachsicht übe und sich anzupassen verstehe, komme gut durchs Leben. Alceste solle seinen Zorn bremsen und die eigene Haut retten, indem er den Prozess gewinne. Doch Alceste ist anderer Ansicht: Eine Niederlage käme ihm sehr gelegen. Dann könnte jeder sehen, wie korrupt und verdorben die heutige Gesellschaft sei. Philinte fragt listig, warum Alceste denn in der Liebe seine Prinzipien fahren lasse. Er hätte sich die prüde Arsinoé oder die ehrliche Eliante aussuchen können. Stattdessen habe er sich in die kokette Célimène verliebt. Es sei doch bekannt, was die vor allem gut könne: lästern. Philintes Kritik lässt Alceste nicht gelten. Célimènes Schwächen kenne er sehr genau, seine Liebe habe ihn nicht blind gemacht. Aber er hoffe, die Geliebte bessern zu können. Sollte er mit seiner Erziehung scheitern, will er in eine menschenleere Wüste fliehen.

Der lächerliche Poet

Da stürmt Oronte herein und bietet Alceste, den er gar nicht kennt, sogleich die Freundschaft an. Alceste lehnt höflich ab: Man müsse sich erst einmal kennen lernen. Oronte übergeht den Einwand, zückt ein selbst verfasstes Sonett und bittet Alceste, es wohlgefällig zu prüfen. Zum Dank verspricht er, sich bei Hof für ihn zu verwenden. Schon wirft er sich in Pose, ziert sich ein wenig und trägt schließlich sein Liebesgedicht vor. Philinte spendet regen Beifall, und Oronte verlangt unnachgiebig auch von Alceste ein Urteil. Dieser zögert erst, dann spricht er es offen aus: Die Verse würden künstlich wirken, selbstgefällig und steif. Oronte möge sie mit einem kleinen Lied vergleichen, das Alceste für vorbildlich hält und gleich zweimal rezitiert. Darin schlägt ein Liebender sogar Paris als Geschenk des Königs aus, weil er seine Geliebte für das größere Glück erachtet. Eingeschnappt verlässt Oronte die Szene.

Die lästerliche Witwe

Endlich schafft es Alceste, mit Célimène allein zu sprechen. Sogleich platzt es aus ihm heraus: Ihre Beziehung drohe an den vielen Verehrern der Witwe zu zerbrechen. Célimène wiegelt ab: Sie könne auf keinen verzichten, alle seien ihr bei Hof von Nutzen. Wenn sie begehrlich bleiben wolle, müsse sie bei allen den Anschein der Verliebtheit wahren. Alceste aber will Célimène mit keinem teilen. Jedoch muss er gestehen, dass alle Versuche, sie nicht mehr zu lieben, an ihrem Charme gescheitert seien.

„Die wahrhafte Vernunft wird das Extreme lassen, / Um der Gegebenheit sich nüchtern anzupassen. / Das strenge Ideal der guten alten Zeiten / Verursacht heutzutage mit Recht nur Schwierigkeiten (...)“ (Philinte, S. 16)

Kaum begonnen, wird das Gespräch schon wieder unterbrochen. Die Herren Acaste und Clitandre sowie die Dame Eliante werden angekündigt. Alceste bestürmt Célimène, die Verehrer abzuwimmeln, doch diese stellt sich taub: Der drohende Nachteil bei Hof wäre unermesslich. Dann empfängt sie die Herren sehr charmant und belustigt sie mit Lästerreden über gemeinsame Bekannte. Ihre bösen Porträts finden regen Beifall, sehr zum Entsetzen von Alceste. Dieser weist die Herren streng zurecht: Sie sollten aufhören, Célimène zur üblen Nachrede anzustiften. Darauf verspottet ihn Célimène als notorischen Nörgler, der allem widersprechen müsse, sogar der eigenen Meinung. Das Gelächter ist groß und kaum verklungen, als ein Streit über die wahre Liebe entbrennt. Alceste plädiert für schonungslose Offenheit, die alle Fehler der Geliebten beim Namen nennt. Célimène fragt scherzend, ob die Liebe also darin ihre höchste Lust finde, die Geliebte zu kränken. Nein, empört sich da Eliante, ein Liebender suche sogar alles schönzufärben: Die Dicke lobe er als mager, die Geschwätzige als munter, die Boshafte als klug. Alceste will protestieren, da wird ihm eine Nachricht überbracht: Er soll vor Gericht erscheinen. Oronte hat Anklage erhoben. Mürrisch und von Célimène gedrängt geht er ab.

Zwei Schürzenjäger verbünden sich

Acaste und Clitandre haben sich für eine Aussprache zusammengefunden. Clitandre stichelt, Acaste färbe sein Leben schöner, als es die Situation erlaube. So viele Frauen er auch erobert habe – die eine gebe sich kühl. Das müsse ihn doch kränken. Doch Acaste lässt sich nicht beirren: Reich, angesehen und attraktiv, wie er nun mal sei, werde er Célimène schon rumkriegen. Das sei er seinem Ruf als Frauenheld schuldig. Darauf schlägt ihm Clitandre ein Bündnis vor: Wer Célimène zuerst erobere, solle darauf vertrauen können, vom anderen als Sieger anerkannt zu werden. Kaum ist der Pakt geschlossen, tritt die Umworbene selber herein. Sofort werfen sich die Herren in Pose, doch ihr Werben wird abrupt unterbrochen: Arsinoé hat sich angekündigt. Célimène zieht eilig über sie her: Arsinoé verteufele das Laster und gebe sich tugendhaft, weil sie selbst keine Männer abbekomme.

Zwei Frauen bekriegen sich

Célimène empfängt Arsinoé betont herzlich. Diese kommt gleich zur Sache und behauptet, ihre Freundin vor bösen Gerüchten warnen zu wollen. Als sie zu Gast bei sittenstrengen Leuten gewesen sei, sei das Gespräch auf Célimène gekommen, und man habe sich sogleich über ihre vielen Verehrer beschwert. Arsinoé habe Célimène nach Kräften verteidigt, aber vergeblich. Man habe sie bedrängt, den liederlichen Lebenswandel ebenfalls zu tadeln. Sie habe sich stattdessen überzeugt gezeigt, dass Célimène sich dem Rat einer Freundin nicht verschließen und auf gesittete Bahnen führen lassen werde.

„Wenn ich auch Fehler sah und böse Reden hörte, / Hab’ ich sie trotzdem lieb, die holde Hassenswerte: / Ihr Zauber triumphiert, mein Umgang wird der Schönen / Die Laster dieser Zeit, so hoff’ ich, abgewöhnen.“ (Alceste über Célimène, S. 20)

Nun hält Célimène dagegen, dass auch sie Arsinoé vor bösen Gerüchten warnen wolle. Als sie zu Gast bei angesehenen Leuten gewesen sei, sei das Gespräch auf Arsinoé gekommen, und alle hätten sich über ihre aufgesetzte Würde, ihre falsche Sittenstrenge beklagt. Nach außen gebe sie sich anständig und fromm, doch zu Hause schlage sie das Personal, anstatt es zu bezahlen. Sie, Célimène, habe widersprochen, doch zuletzt seien sich alle einig gewesen: Arsinoé solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, statt ihre Nase in Dinge zu stecken, die sie nichts angingen. Das sei auch ihre, Célimènes Meinung: Arsinoé solle es gefälligst unterlassen, ihr aus Neid und verletzter Eitelkeit übel nachzureden.

„Man darf nicht blind und wahllos in eine Freundschaft rennen, / Man muss einander suchen, einander lange kennen, / Vielleicht sind wir im Grunde des Wesens sehr verschieden, / Wären mit dem jähen Schritt in Kürze unzufrieden.“ (Alceste zu Oronte, S. 22)

Arsinoé verteidigt sich: Verehrer zu haben, sei kein Verdienst. Männer könne jede haben, wenn sie nur wolle. Darauf nagelt Célimène ihre Freundin fest: Arsinoé könne ihren Liebreiz sogleich beweisen. Dort komme auch schon die Versuchsperson: Alceste. Célimène lässt Arsinoé allein. Sie habe, behauptet sie, noch einen wichtigen Brief zu schreiben.

Die Prüde und ihre tumbe Hinterlist

Arsinoé überschüttet Alceste mit Lob, rühmt seinen Edelmut und Zauber und bietet ihm an, sich bei Hof für ihn zu verwenden. So werde er das hohe Ansehen erlangen, das er verdiene. Doch Alceste bremst sie aus: Der Hof sei ihm ein Gräuel, dessen Meinung unerheblich. Ohnehin fehle ihm das Talent, den Leuten nach dem Mund zu reden. Arsinoé ist verletzt und sinnt auf Rache: Célimène, diese liederliche Frau, sei seiner nicht würdig. Diese Liederlichkeit, entgegnet Alceste, solle sie ihm erst beweisen. Die ständigen Verdächtigungen sei er leid. Arsinoé behauptet, sie werde ihm schon die Beweise liefern. Sollte er dann Trost brauchen, könne er auf sie zählen.

Die Ehrliche und ihr Liebeshandel

Philinte berichtet Eliante von der Streitsache zwischen Alceste und Oronte. Alceste habe zwar auf seinem Urteil, dass das Sonett grottenschlecht sei, beharrt, doch gleichzeitig eingeräumt, schlechte Verse könnten Orontes hohes Ansehen nicht schmälern. Darauf ließ er noch einige Nettigkeiten folgen, ehe er ihn umarmt habe und das Verfahren für beendet erklärt worden sei. Eliante zeigt sich beeindruckt davon, wie unerschrocken Alceste gehandelt hat. Philinte äußert Zweifel, ob Célimène für Alceste die Richtige sei. In dieser Beziehung passe das eine Herz nicht zum anderen. Eliante gibt sich optimistisch: Das Paar werde sich schon finden – wenn nicht, stünde sie für Alceste bereit. Woraufhin wiederum Philinte ihr anbietet, sie zu nehmen, falls Alceste doch seine Célimène erringe.

Der gekränkte Liebhaber

Alceste stürzt in den Salon. Man hat ihm einen Brief zugespielt, den Célimène an Oronte geschrieben haben soll. Ihre Untreue sei bewiesen und er tief verletzt. Er schwört Rache – und Eliante seine Liebe. Die jedoch weist ihn höflich ab. Denn sobald sein Zorn verflogen sei, werde er allen Rachedurst verlieren und sie sitzen lassen. Alceste protestiert, diese Kränkung sei viel zu stark, sein Rachedurst werde sich durch nichts stillen lassen.

„Wenn mir der König schenken wollt’ / Die große Stadt Paris, / Von mir dafür verlangen sollt’, / Dass ich die Liebste ließ’, / Dann sag’ ich: Liebster König, nein, / Bei mir habt Ihr kein Glück, / Ich will bei meinem Mädel sein, / Nehmt Eure Stadt zurück.“ (Alceste, S. 26 f.)

Darauf stellt er Célimène zur Rede. Nun könne sie ihre Untreue nicht mehr leugnen. Er will wissen, wieso sie ihn nicht gleich abgewiesen habe, statt ihm echte Gefühle vorzuspielen. So wäre ihm die Kränkung und ihr seine Rache erspart geblieben. Célimène wiegelt scherzend ab: Der Brief sei nicht für Oronte, sondern für eine Frau bestimmt. Als Alceste beharrlich bleibt und endlich Klarheit fordert, lenkt sie ein und erklärt Oronte doch zum Adressaten. Alceste klagt: Wie grausam, so mit den Gefühlen eines Verliebten zu spielen! Weil er aber nicht von ihr lassen könne, möge sie doch wenigstens so tun, als wäre sie treu. Célimène erwidert keck, ob er sie am Ende zur Heuchelei anstiften wolle. Schließlich bekennt sie sich, wenn auch verblümt, zu ihrer Liebe und hofft, seinen Argwohn zerstreut zu haben. Alceste zeigt sich versöhnlich. Da kommt Alcestes Diener Du Bois und stört die Aussprache: Alceste solle sofort abreisen, seine Verhaftung stehe unmittelbar bevor. Ein Bekannter habe diese Warnung ausgesprochen, aber keine genauen Angaben gemacht. Zwar habe er einen Brief hinterlassen, doch den habe der Diener in der Eile vergessen. Célimène redet auf Alceste ein, den Vorfall ernst zu nehmen, und so bricht er auf.

Ein Fluch auf die Menschen

Alceste hat seinen Prozess verloren. Er klagt die Menschen an: Die Niederlage beweise, dass die Welt nur von verlogenen, bestechlichen Intriganten bevölkert sei. Der Sieger habe ihn sogar bezichtigt, ein übles, anonym veröffentlichtes Buch verfasst zu haben. Überdies habe Oronte zu seiner Niederlage beigetragen. Jetzt bleibe ihm nur noch, sich in die tiefste Einsamkeit zurückzuziehen. Philinte hält dieses Vorhaben für übereilt. Eine Verhaftung stehe nicht zu befürchten, dafür sei die Streitsache zu unbedeutend. Das falsche Urteil werde sich ausräumen lassen, Alceste solle in die Berufung gehen. Doch dieser bleibt hart und erklärt, nur eines hindere ihn an der sofortigen Abreise: Célimène solle seinem Plan zustimmen und ihm so ihre Liebe beweisen.

Die tragikomische Wende

Oronte redet auf Célimène ein, er will sie ganz für sich gewinnen. Da kommt Alceste und fordert seinerseits ein Zeichen ihrer Liebe. Célimène wird verlegen: Sie habe sich schon für einen von ihnen entschieden, wolle aber den anderen nicht verletzen. Oronte und Alceste werden ungehalten; da stürmen Eliante, Arsinoé, Acaste und Clitandre in den Salon. Zwei Briefe werden präsentiert. Célimène hat sie geschrieben, den einen für Acaste, den anderen für Clitandre. In ihnen erklärt sie beiden ihre Liebe und macht sich über den jeweils anderen lustig. Auch Alceste und Oronte bedeckt sie darin mit Spott. Die Betroffenen sind gekränkt. Die Empfänger der Briefe erklären, mit Célimène nichts mehr zu tun haben zu wollen. Arsinoé setzt zu einer Strafpredigt an, doch Alceste würgt sie ab: Sie soll sich keine falsche Hoffnung machen, er werde sie nicht zu seiner Geliebten machen. Gekränkt geht sie ab.

„Sie lieben, um zu quälen, / Der Sitz der Liebe scheint die Galle, nicht das Herz – Wer liebte je wie Sie voll Zorn und Wut und Schmerz?“ (Célimène zu Alceste, S. 33)

Alceste bleibt. Seine Liebe, erklärt er, hindere ihn an Zorn oder Rache. Vielmehr sei er bereit, Célimène zu verzeihen, doch nur unter einer Bedingung: Sie solle der verdorbenen Welt entsagen und mit ihm in der Einsamkeit leben. Ohne zu zögern lehnt sie ab: Als junge Frau könne sie ohne das Verführen und Brillieren nicht leben. Damit ist die Beziehung zerbrochen, doch ein neues Paar ist schnell gefunden: Eliante will nun Philinte heiraten, und dieser hofft, den Freund von seinen Fluchtplänen abbringen zu können.

Zum Text

Aufbau und Stil

Molières Komödie besticht durch ihre schlichte, regelkonforme Struktur: Sie besteht aus fünf Akten und wahrt streng die Einheit von Raum, Zeit und Handlung, womit sie das oberste Gebot der klassischen Dramentheorie erfüllt. Die Handlung spielt durchweg im großbürgerlichen Salon von Célimène, sie erstreckt sich über einen Tag und ist scharf auf ihr Ziel zugeschnitten: die offene Aussprache zwischen Alceste und Célimène. Auch sprachlich hält sich Molière an die klassische Form und wählt den dafür typischen Vers, den Alexandriner. Er besteht aus sechs Jamben, wobei auf die dritte Hebung meist eine Zäsur folgt. Das Versmaß und der Paarreim verleihen den Dialogen einen mechanischen, vorantreibenden Charakter. Als Beispiel möge der Beginn des Stücks dienen, der erste Dialog zwischen Philinte und Alceste: „Was haben Sie? Was gibt’s? / Man lasse mich allein! / Wie können Sie so schroff, so übertrieben sein? / So lassen Sie mich doch, begeben Sie sich fort! / Was bringt Sie so in Wut – und gleich beim ersten Wort?“ Die Gleichförmigkeit von Reim und Rhythmus wird jedoch immer wieder von spitzen Pointen und Wortwitzen durchbrochen.

Interpretationsansätze

  • Die Komödie ist an einer gesellschaftlichen Schnittstelle angesiedelt: In Célimènes Salon versammeln sich typische Vertreter der Mittelschicht, des kleinen Adels und des großen Bürgertums. Der Menschenfeind bietet ein satirisches Bild dieser Gesellschaft in der Mitte des 17. Jahrhunderts.
  • Molière spielt mit einem Modewort seiner Zeit: dem Ehrenmann. Dieser gehörte zu den damaligen Leitbildern und hatte eine Fülle positiver Werte zu tragen. Er sollte galant, anpassungsfreudig, ehrlich, genügsam usw. sein. Der hohe Anspruch ließ ihn schnell zum hohlen Ideal verkommen. Molière reagierte darauf, indem der die Tugenden auf drei Männer verteilte: die Ehrlichkeit auf Alceste, die Anpassungsfreude auf Philinte, die Galanterie auf Oronte. Keiner von ihnen vermag das Ideal auszufüllen. Den einen macht das Streben danach fanatisch, den anderen opportunistisch, den dritten selbstgefällig.
  • Alcestes und Philintes Charaktere sind der antiken Typenlehre entlehnt. Diese begreift den Menschen als Gemisch seiner Körpersäfte (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle). Daraus werden vier Temperamente abgeleitet. Zwei davon stehen einander im Menschenfeind gegenüber: Alceste übernimmt die Rolle des Melancholikers, Philinte die des Phlegmatikers. Doch trotz ihrer Typik wirken die Figuren quicklebendig. Ihre individuellen Bedürfnisse sind scharf gezeichnet, ebenso die Schwierigkeiten, sie mit dem gesellschaftlichen Alltag und seinen Normen auszusöhnen.
  • Das Stück gilt offiziell als Komödie, kann aber auch als Tragikomödie gesehen werden: Der komische Held endet tragisch. Seine Gesellschaftskritik und das vorgeschlagene Heilmittel, die Wahrheitsliebe, erscheinen zwar vollauf berechtigt. Er scheitert jedoch an dem Eifer, mit dem er seine Sache vertritt, und macht seine hehre Moral damit lächerlich. Mit Alcestes Weltflucht setzt Molière eine triste Schlusspointe. Aufrichtigkeit scheint nur dort möglich, wo sie nicht gefragt ist und sich nicht bewähren kann: fernab der Menschen, in der Isolation.

Historischer Hintergrund

Die höfische Gesellschaft des Sonnenkönigs

Auch wenn ihm der berühmte Satz „L’État, c’est moi!“ („Der Staat bin ich!“) nur in den Mund gelegt wurde: Unter Ludwig XIV. erreichte die absolute Monarchie in Frankreich ihren Höhepunkt. Nachdem 1661 der einflussreiche Kardinal und regierende Minister Jules Mazarin gestorben und Finanzminister Nicolas Fouquet 1664 auf Lebenszeit ins Gefängnis gesperrt worden war, hatte der Sonnenkönig politisch freie Hand. Er reagierte auf die gescheiterte Revolte des Adels in den 1650er Jahren, die „Fronde des Princes“, indem er dessen Macht gezielt beschnitt und ein zentralistisches, ganz auf ihn als König zugeschnittenes Staatswesen aufbaute. Gleichzeitig überhäufte er den Hofadel mit luxuriösem Pomp, um ihn einzulullen und ihn so in einen goldenen Käfig zu sperren. Alle Möglichkeiten, sich politisch oder sozial zu engagieren, fielen weg. So blieb dem Adel kaum mehr als dekadenter Müßiggang auf den wenigen verbliebenen Spielfedern: Liebe, Literatur und Konversation.

Zur gleichen Zeit vollzog sich der Aufstieg des Bürgertums. Es profitierte vom ökonomischen Aufschwung, den der Merkantilismus befördert hatte, und durfte fortan sogar Staatsämter bekleiden. Der Tuchhändlersohn Jean-Baptiste Colbert etwa wurde Nachfolger des verhafteten Finanzministers Fouquet. Doch die neue Schicht des so genannten Geld- und Robenadels blieb von adligen Privilegien ausgeschlossen. Der Hofadel grenzte sich durch einen strengen Verhaltenskodex gegen alle Emporkömmlinge ab. Wer seine Regeln missachtete, wurde schnell als lächerlich diffamiert und nicht selten vor Gericht gestellt.

Die französische Kultur profitierte vom Mäzenatentum des Königs. Dank seiner Geldmittel erreichten Kunst und Wissenschaft eine hohe Blüte, die heute als französische Klassik bezeichnet wird.

Entstehung

Der Menschenfeind gilt als die autobiografischste von Molières Komödien. Bereits 1664 las er den ersten Akt einigen Freunden vor, in einer für ihn turbulenten Zeit. Der Dichter und seine Familie wurden mehrfach öffentlich angegriffen und verleumdet. Eine Parodie Molières nahm man zum Anlass, ihn anzuzeigen, und man warf ihm vor, mit Armande Béjart seine eigene Tochter geheiratet zu haben; Armande war die jüngere Schwester oder aber die Tochter seiner langjährigen Lebensgefährtin Madeleine Béjart.

Überdies schwelte immer noch der Streit um Molières Komödie Tartuffe. Ein Geheimbund, die „cabale des dévots“ (Klüngel der Frommen), spann Intrigen und verhinderte über Jahre hinweg die Aufführung des Stücks über einen religiösen Heuchler. Der Bischof von Paris drohte allen, die die Komödie öffentlich präsentieren würden, mit Exkommunikation.

Auch der große Altersunterschied des Ehepaars Molière scheint die Komödie Der Menschenfeind beeinflusst zu haben. Immerhin war Molière fast 20 Jahre älter als seine Frau. Die daraus ableitbaren privaten und sozialen Konflikte – das Ehepaar lebte sogar vorübergehend getrennt – prägten die Konzeption des fiktiven Liebespaars Alceste und Célimène.

Wirkungsgeschichte

Der Menschenfeind wurde am 4. Juni 1666 in Paris mit Molière in der Hauptrolle uraufgeführt. Bereits nach der zweiten Vorstellung gingen die Einnahmen stark zurück und man entschloss sich, die erfolgreiche Farce Der Arzt wider Willen mit ins Programm zu nehmen. In dieser Kombination wurde Der Menschenfeind 63 Mal gespielt – ein mittelgroßer Erfolg. Eine Aufführung bei Hof wurde von Ludwig XIV. nicht gestattet. Als Buch erschien Der Menschenfeind erstmals 1667. Nachhaltig populär wurde das im Stück von Alceste vorgetragene kleine Lied über den Liebenden und das ausgeschlagene Geschenk des Königs. Es hat sich einen festen Platz im französischen Liedgut erobern können.

Nach Molières Tod wurde Der Menschenfeind kontrovers rezipiert und aufgeführt. Je selbstbewusster das Bürgertum wurde, desto stärker hob man die tragischen Züge des Titelhelden hervor; allerdings hielt sich lange der Vorbehalt, Molières Witz habe sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt. 1790, im zweiten Jahr der Französischen Revolution, dichtete Fabre d’Églantine die Komödie um. Er gab Philinte einen extrem negativen Charakter, um Alceste als integre Person deutlich hervortreten zu lassen.

In neuerer Zeit übersetzten namhafte Autoren wie Hans-Magnus Enzensberger oder Botho Strauß die Komödie ins Deutsche. Sie betonten die nach wie vor gültige Darstellung des großbürgerlichen Milieus. Der Menschenfeind gehört heute zu den am häufigsten gespielten Komödien. Bis 1972, so hat man errechnet, soll er an der Comédie Française fast 2000 Mal aufgeführt worden sein.

Über den Autor

Molière wird um den 15. Januar 1622 in Paris als Jean-Baptiste Poquelin geboren. Er ist der erste Sohn des königlichen Tapissiers und Dekorateurs Jean Poquelin. Seine Mutter verliert er mit zehn Jahren. Als er mit 20 den Handwerksbetrieb des Vaters übernehmen soll, lehnt er ab, lässt sich das mütterliche Erbe ausbezahlen und gründet 1642 mit der Schauspielerin Madeleine Béjart das Illustre Théâtre in Paris. Nach drei Jahren macht das Theater Bankrott, und Molière – wie er sich mittlerweile nennt – muss für ein paar Tage ins Gefängnis. Wieder auf freiem Fuß, schließt er sich mit Madeleine einer Wandertruppe von Schauspielern an. Mit ihr touren sie von 1645 bis 1658 quer durch Frankreich. Dank guter Kontakte zum jüngeren Bruder von König Ludwig XIV. darf Molière in Paris seine ersten Komödien spielen: Le Médecin amoureux (Der verliebte Arzt, 1658) und Les Précieuses ridicules (Die lächerlichen Preziösen, 1659). Beide werden große Erfolge, ebenso das Stück L’École des femmes (Die Schule der Frauen), das 1662 folgt. Im selben Jahr heiratet Molière Armande Béjart – Madeleines Schwester oder Tochter, das ist unbekannt –, mit der er etwa sieben Jahre zusammenbleibt. Was Molière schreibt, gefällt dem König so sehr, dass er den Dichter mit einer Pension von 1000 Livres jährlich belohnt, Taufpate von dessen erstem Kind wird und Molières Truppe am Hof und im Palais Royal spielen lässt. Im Mai 1664 darf Molière im Schlossgarten von Versailles ein mehrtägiges Fest organisieren, an dem er u. a. eigene Komödien wie Le Mariage forcé (Die erzwungene Heirat) präsentiert. In diesem Rahmen wird auch der Tartuffe uraufgeführt – eine offene Attacke gegen die Frömmlerei –, der für einen Skandal sorgt und mit einem fünfjährigen Aufführungsverbot belegt wird. Ab 1668 folgen Komödien im Jahresrhythmus, so 1668 L’Avare (Der Geizige), 1670 Le Bourgeois gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) oder 1672 Les Femmes savantes (Die gelehrten Frauen). In Le Malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) spielt Molière seine letzte Rolle: Am 17. Februar 1673 bricht er während der vierten Aufführung zusammen und stirbt wenig später.

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