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Der Monddiamant

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Der Monddiamant

dtv,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Das Buch Genesis für alle Krimifans.


Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Ein Klassiker des Detektivromans

Mit dem Monddiamanten hat Wilkie Collins ein neues literarisches Genre, den Detektivroman, nicht nur miterfunden, sondern maßgeblich definiert. Oft wird ein Pionier von seinen Nachfolgern bald in den Schatten gestellt, und was ihm bleibt, ist der Anspruch auf Priorität. Nicht so im Fall von Wilkie Collins. Sein Monddiamant, die kunstvoll verworrene Geschichte um den mehrfachen Diebstahl eines geheimnisvollen Edelsteins, steht bis heute als idealtypisches Muster des Genres da. Damit soll nicht gesagt sein, dass es sich beim Monddiamanten um Hochliteratur, bei der Masse der von ihm beeinflussten Werke aber um Trivialliteratur handle. Collins schrieb von Anfang an mit Blick auf die Marktfähigkeit seiner Schöpfungen. Das Publikum des viktorianischen England wollte vor allem unterhalten werden, und so ist auch Der Monddiamant Entertainment, im besten Sinn. Etliche Merkmale großer Literatur sind ebenso vorhanden – Symbolik, Vielschichtigkeit, Gegenwartskritik, komplexe Figuren –, jedoch nicht bestimmend. Wer will, mag sich an einer tieferen Analyse versuchen. Und wer nicht, überlässt sich einfach dem spannenden Plot voller Intrigen, Humor und unerwarteter Wendungen.

Take-aways

  • Der Monddiamant von Wilkie Collins gilt als einer der ersten Detektivromane der Literaturgeschichte.
  • Inhalt: Ein riesiger Diamant gerät auf dubiosen Pfaden von Indien nach England, wo er der hübschen Rachel Verinder erst geschenkt und dann gestohlen wird. Deren Verehrer, der junge Franklin Blake, findet schließlich den Täter: sich selbst.
  • Die Aufklärung des Falls mithilfe wissenschaftlicher Methodik spiegelt den Siegeszug der Wissenschaften im Zeitalter der industriellen Revolution.
  • Das Motiv des „unbewussten“ Diebstahls, der später auf Umwegen „bewusst gemacht“ wird, weist auf die Freud’sche Psychoanalyse voraus.
  • Zu der Geschichte um ein fluchbeladenes Juwel wurde Collins unter anderem vom Schicksal des berühmten Koh-i-Noor-Diamanten inspiriert.
  • Wie damals üblich erschien Der Monddiamant als Fortsetzungsgeschichte in einem Wochenmagazin.
  • Collins setzt seinen Roman aus Berichten der beteiligten Personen zusammen, wodurch die Anmutung einer gerichtlichen Beweisaufnahme entsteht.
  • Die damals aufkommende Begeisterung für die noch junge Disziplin der Kriminalistik ließ den Roman zum Erfolg werden.
  • Mit dem Monddiamanten beeinflusste Collins Autoren wie Arthur Conan Doyle, Agatha Christie und Raymond Chandler.
  • Zitat: „Der Monddiamant wird sich an dir und den Deinen rächen!“

Zusammenfassung

Die drei Brahmanen

Der 18. Geburtstag von Rachel Verinder steht bevor. Er soll auf dem Landsitz der Familie in Yorkshire gefeiert werden. Rachels Onkel, Oberst Herncastle, ist vor Kurzem verstorben und hat ihr einen riesigen gelben Diamanten vermacht, den er während seiner Militärzeit in Indien unter dubiosen Umständen an sich gebracht hat. Es ist der legendäre Monddiamant. Der Sage nach schmückte er einst die Stirn einer Mondgottstatue. Angeblich sind drei Brahmanen als Wächter über den Monddiamanten eingesetzt, mit dem Auftrag, seiner Spur zu folgen und ihn zurückzubringen. Ein Cousin Rachels, der junge Franklin Blake, ist aus London gekommen, um das Erbstück zu überbringen. Am Strand trifft er auf Gabriel Betteredge, den alten Gutsverwalter, der ihm aus Kindertagen in liebevoller Erinnerung geblieben ist. Franklin berichtet Betteredge von seiner Mission und davon, wie er in London, nachdem er den Monddiamanten in Empfang genommen hatte, von dunkelhäutigen Fremden verfolgt wurde. Auch Betteredge hat etwas von dunkelhäutigen Fremden zu erzählen: Am Vormittag musste er drei indische Gaukler des Grundstücks verweisen, die ihre Kunststücke vorführen wollten. Bei diesen Indern müsse es sich um die Wächter des Monddiamanten handeln, schließt Franklin. Betteredge rät ihm, die ganze Sache vorerst geheim zu halten und den Stein im nahen Frizinghall in einem Banksafe zu deponieren. Franklin befolgt den Rat.

Das Fest

Rachel und Franklin finden aneinander Gefallen und vertreiben sich die Zeit mit allerlei Belustigungen. So bemalen sie die Tür zu Rachels Wohnzimmer. Auch das bucklige Dienstmädchen Rosanna Spearman scheint ein Auge auf den jungen Mann geworfen zu haben. Endlich ist der Geburtstag da. Franklin holt den Diamanten aus Frizinghall und kehrt in Begleitung weiterer Geburtsgäste, nämlich des jungen Godfrey Ablewhite und seiner beiden fidelen Schwestern, zurück. Godfrey, ebenfalls ein Cousin Rachels, ist in London als engagierter Philanthrop bekannt. Auch er macht Rachel den Hof, wird aber abgewiesen. Der Monddiamant wird von allen bestaunt. Nach dem Dinner, bei dem sich Franklin eine erhitzte Debatte mit dem Arzt Mr Candy über den Nutzen oder eben die Nutzlosigkeit der Heilkunst liefert, staunen die Gäste über die Kunststücke der indischen Gaukler, die überraschend wieder aufgetaucht sind. Der Indienkenner Mr Murthwaite entlarvt die drei als Brahmanen, Angehörige der obersten indischen Kaste. Schließlich ist das Fest zu Ende, die Gäste verabschieden sich. Mr Candy besteht darauf, trotz des Regens in seiner offenen Kutsche nach Hause zu fahren. Rachel legt den Diamanten in ein Schränkchen in ihrem Wohnzimmer und zieht sich in das benachbarte Schlafzimmer zurück.

„Der Monddiamant wird sich an dir und den Deinen rächen!“ (ein Inder zu Oberst Herncastle, S. 11)

Am nächsten Morgen ist der Stein verschwunden. Rachel steht unter Schock, Franklin nimmt die Zügel in die Hand. Er holt die Polizei und sorgt dafür, dass die drei Inder verhaftet werden. Einbruchsspuren sind nicht zu finden, der Dieb muss also unter den Hausbewohnern sein. Doch weder Befragungen des Personals noch die Durchsuchung der Zimmer fördern irgendeinen Hinweis zutage. Auch die Inder kommen als Täter nicht infrage, da sie zur Tatzeit nachweislich in Frizinghall waren. Erst der berühmte Inspektor Cuff, den Franklin aus London kommen lässt, entdeckt ein Indiz: eine verschmierte Stelle auf Rachels frisch bemalter Wohnzimmertür. Der Dieb muss die Tür berührt haben, und es gilt nun, das Kleidungsstück zu finden, an dem der entsprechende Farbfleck haftet. Cuff möchte sämtliche Kleiderschränke durchsuchen lassen, doch das scheitert daran, dass sich Rachel in ihrem Zimmer eingeschlossen hat und den Inspektor nicht mehr sprechen will; warum, wird nicht klar.

Rosanna unter Verdacht

Bald rückt Rosanna in den Fokus der Ermittlungen. Von Betteredge erfährt Cuff, dass Rosanna, die eine kriminelle Vergangenheit hat, unglücklich in Franklin verliebt ist. Er beschattet sie und folgt ihr zu einer Fischerhütte, aus der er sie mit einem Gegenstand unter dem Mantel herauskommen und in Richtung Strand gehen sieht. Mit Betteredge macht er sich auf den Weg zu der Hütte. Dort wohnen Mr und Mrs Yolland mit ihrer Tochter Lucy. Lucy ist Rosannas einzige Freundin. Mrs Yolland berichtet, dass Rosanna ihr eine alte wasserdichte Dose und ein langes Stück Hundekette abgekauft hat. Zurück im Herrenhaus teilt Lady Verinder, Rachels Mutter, dem Inspektor mit, dass Rachel zur Schonung ihrer Nerven nach Frizinghall umziehen und dort bis auf Weiteres bleiben werde. Nachdem Rachel abgefahren ist, hält es auch Franklin nicht mehr. Seine Liebeshoffnungen sind zerstoben, da Rachel ihn zuletzt mit unerklärlicher Verachtung behandelt hat.

„Stimmte es, so war plötzlich ein verderbenbringender indischer Diamant in unser ruhiges Haus gelangt und damit ein Komplott von Schurken, das uns die Rachegedanken eines Toten auf den Hals gehetzt hatten.“ (Betteredge, S. 49)

Auch Franklin selbst ist Gegenstand unglücklicher Liebe: Rosanna versucht mehrfach, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch Franklin will nichts von ihr wissen. Einmal lässt er sich sogar von Cuff dazu provozieren, lautstark jegliches Interesse an Rosanna zu verneinen, während sie mithört. Wenig später meldet einer von Cuffs Agenten, der Rosanna beschatten sollte, er habe das Mädchen aus den Augen verloren. Es stellt sich heraus, dass sie in Richtung Meer gelaufen ist und den Freitod im Treibsand gesucht hat. Lady Verinder ist außer sich und gibt Cuff die Schuld an Rosannas Tod. Doch der kann sie beruhigen und legt ihr seinen bisherigen Ermittlungsstand vor: Er glaubt, Rachel habe Schulden gehabt und deshalb versucht, den Monddiamanten zu Geld zu machen. Rosanna sei ihre Komplizin gewesen. Lady Verinder konfrontiert Rachel mit den Vorwürfen. Die beschwört zwar weiterhin ihre Unschuld, lässt aber durchblicken, dass sie etwas verschweigt. Für Cuff ist der Fall erledigt.

Eine unerwartete Wendung

Lady Verinder siedelt mit Rachel nach London über, wo diese über die jüngsten Schrecknisse hinwegkommen soll. Doch der Fall des Monddiamanten ist auch in London Stadtgespräch. Man munkelt, Godfrey habe den Stein geklaut und ihn bei dem halbseidenen Juwelenhändler Septimus Luker verpfändet. Rachel lässt sich von Godfrey zu einer Verlobung überreden. Zur Ehe kommt es aber nicht, da Rachel von Mr Bruff, dem Anwalt der Familie Verinder, erfährt, dass Godfrey es nur auf ihr Erbe abgesehen hat. Rachel löst die Verlobung auf.

„,Durch den Verlust des Diamanten ist Rachel vollkommen verstört (...) Seltsam, sie weigert sich sogar, mit mir darüber zu sprechen. Vorläufig kann man mit ihr gar nichts anfangen.‘“ (Lady Verinder zu Franklin, S. 103)

Einige Monate später kehrt Franklin, der ziellos im Ausland umhergereist ist, nach London zurück. Bei Bruff erkundigt er sich nach Rachel. Die lebt inzwischen bei einer Tante, da ihre Mutter gestorben ist. Rigoros weist sie Franklins Kontaktversuche zurück – sehr zu dessen Erstaunen. Er sieht nur einen Weg zur Versöhnung: Er muss den Diebstahl des Monddiamanten aufklären. Dazu fährt er wieder nach Yorkshire und sucht mit Betteredge die Yollands auf. Lucy händigt ihm einen Brief aus, den Rosanna kurz vor ihrem Tod an ihn verfasst hat. Darin findet er eine Anleitung, die ihn zu der Kette und der daran hängenden Dose führt, die im Treibsand begraben liegt. In der Dose ist ein mit Farbe verschmiertes Nachthemd – Franklins eigenes! Verwundert lesen Franklin und Betteredge den Brief. Er schildert, wie Rosanna am Morgen nach dem Diebstahl das Nachthemd auf Franklins Bett gefunden und sofort versteckt hat, um den heimlich Geliebten zu decken. Während sie lesen, werden Franklin und Betteredge von Ezra Jennings unterbrochen, Mr. Candys melancholischem Gehilfen, der etwas mit Betteredge zu besprechen hat. Der Arzt Candy ist nach jener Fahrt durch den Regen schwer erkrankt; ein Fieber hat sein Hirn angegriffen. Jennings betreut nun seine Patienten. Am Abend fährt Franklin nach London zurück. Wenig später erhält er Post von Betteredge. Der berichtet, Mr Candy habe von Franklins Besuch erfahren und wolle ihm bei nächster Gelegenheit etwas Wichtiges mitteilen.

„Ich habe nicht nach Ihnen geschickt! Ich brauche Sie nicht! Mein Diamant ist fort und niemand wird ihn finden – weder Sie noch irgendein anderer!“ (Rachel zum Wachtmeister, S. 111)

Mittels einer List gelingt es Franklin, Rachel von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Sie ist hin und her gerissen zwischen Liebe und Empörung. Schließlich konfrontiert sie ihn mit dem Grund für ihr abweisendes Verhalten: Sie hat in jener Nacht mit eigenen Augen gesehen, wie Franklin den Monddiamanten aus dem Schränkchen genommen hat. Wohl, wie sie vermutete, weil ihn Schulden drückten. Aus Liebe hat sie sich vor ihn gestellt, ihn durch ihr Schweigen geschützt. Als sie jedoch am nächsten Morgen sah, wie Franklin selbst die Aufklärung des Falles betrieb, musste sie ihn für einen eiskalten Kriminellen halten. Franklin beteuert, er könne sich an die Tat nicht im Geringsten erinnern. Doch Rachel glaubt ihm nicht.

Das Experiment

Mr Bruff hat einen Plan: In wenigen Wochen, so glaubt er, ende die gesetzliche Pfandfrist für den Stein, von dem er vermutet, dass ihn Septimus Luker in einem Banksafe deponiert hat. Die Person, die den Stein bei Luker verpfändet habe, werde kommen, um ihn auszulösen. Bruff schlägt vor, sich vor der Bank auf die Lauer zu legen. Doch so lange mag Franklin nicht warten. Er besucht Mr Candy in Yorkshire. Der geistig verwirrte Arzt erinnert sich nicht, was er Franklin mitteilen wollte, doch seinem Gehilfen Jennings ist es gelungen, aus den wirren Reden seines Herrn klug zu werden: Offenbar hat Mr Candy am Abend vor dem Diebstahl Franklin, der über Schlaflosigkeit klagte, heimlich eine Opiumtinktur verabreicht, um ihn vom Nutzen der Heilkunst zu überzeugen. Am nächsten Tag wollte er den Streich aufklären, doch dazu kam es wegen des Fiebers nicht. Für Jennings ist die Sache klar: Franklin hat den Monddiamanten in einer durch Opium herbeigeführten Trance entwendet. Um das zu beweisen, schlägt er ein gewagtes Experiment vor: Man müsse jenen Abend in allen Einzelheiten nachinszenieren, Franklin müsse noch einmal in Anwesenheit von Zeugen Opium nehmen. Vielleicht werde man so Aufschluss über den Tathergang erhalten. Gesagt, getan – das Experiment verläuft erfolgreich: Unter dem Einfluss der Droge schlafwandelt Franklin, wie einst, in Rachels Wohnzimmer und nimmt den Diamanten, der durch eine gläserne Attrappe vertreten wird, an sich. Dabei führt er Selbstgespräche, die sein Motiv verraten: Durch die Anwesenheit der Inder alarmiert, sorgte er sich um die Sicherheit des Juwels. Leider schläft er ein, bevor er das Zimmer mit seiner Beute verlassen kann, sodass ungeklärt bleibt, was er an jenem Abend mit dem Stein angestellt hat.

Vom Schicksal eingeholt

Franklin fährt mit Mr Bruff nach London. Es ist der Tag, an dem der Pfandschein fällig ist. Bruffs Späher berichten, Luker befinde sich seit einer halben Stunde im Büro der Bank. Bruff und Franklin beziehen Posten in der Schalterhalle. Endlich kommt Luker heraus. Scheinbar übergibt er etwas an einen Komplizen. Franklin und Bruff heften sich diesem Mann an die Fersen, müssen aber bald einsehen, dass sie einer falschen Fährte gefolgt sind. Vom Diamanten keine Spur. Am nächsten Tag erhält Franklin Besuch von Inspektor Cuff und setzt ihn ins Bild. Kurz darauf taucht einer von Bruffs Spähern auf und berichtet, er habe in der Bank einen verdächtigen Matrosen beobachtet und verfolgt. Am Hafen habe sich der Matrose nach Rotterdam einschiffen wollen, sei aber auf den nächsten Morgen vertröstet worden, da das Schiff noch nicht bereit war. Anschließend habe der Matrose sich in einem Wirtshaus einquartiert. Sofort machen sich Cuff und Franklin auf den Weg dorthin. Zu spät – der Matrose liegt tot auf seinem Bett, ein Kopfkissen über dem Gesicht. Die Untersuchung zeigt: Es handelt sich um Godfrey. Auf einem Tisch liegt ein leeres Schmucketui.

Aufklärung

Cuff folgert: Die Inder sind durch eine Dachluke in das Zimmer eingedrungen, haben Godfrey mit einem Kissen erstickt und den Diamanten an sich gebracht. Weitere Ermittlungen ergeben Erstaunliches: Der angeblich so tugendhafte Godfrey hat ein Doppelleben geführt, mit Luxusvilla und Mätresse, und war außerdem hoch verschuldet. Deshalb versuchte er, sich durch eine Heirat mit Rachel zu sanieren. Nachdem der erste Antrag erfolglos geblieben war, sah er sich schon ruiniert. Da spielte ihm der Zufall den Monddiamanten in die Hände: Er war nämlich in jener Nacht seinem schlafwandelnden Cousin heimlich gefolgt, um mögliches Unheil abzuwenden. So wurde er Zeuge des „Diebstahls“. Als Franklin, noch immer in Trance, Godfrey entdeckte, drückte er ihm den Stein in die Hand, mit dem Auftrag, diesen zurück in den Banksafe zu bringen. Am nächsten Morgen zeigte sich, dass Franklin keinerlei Erinnerung an die nächtlichen Ereignisse hatte. Godfrey nutzte den Glücksfall und behielt den Diamanten, um ihn zu verpfänden. Das Darlehen reichte aber vorne und hinten nicht. Als sich die Hoffnung auf eine Heirat mit Rachel endgültig zerschlug, wusste er nicht mehr weiter. Eine Geldzuwendung durch eine Verehrerin rettete ihn zunächst. Er löste den Stein aus und hatte schon die Schiffspassage nach Rotterdam in der Tasche, wo er ihn zu verkaufen gedachte – als ihn der Fluch des Monddiamanten ereilte.

„Verzeihen Sie, Mylady, ich sage nicht: Der Diamant ist gestohlen. Ich sage vorläufig nur: Er ist verschwunden. So man dieses Kleidungsstück entdeckt, könnte dies dazu führen, dass man auch den Diamanten findet.“ (Inspektor Cuff zu Lady Verinder, S. 134)

In einem Brief an Mr Bruff berichtet Mr Murthwaite einige Zeit später, er habe in Indien einer Zeremonie zu Ehren des Mondgottes beigewohnt. Dabei habe er die drei Inder wiedergesehen. Die Statue des Mondgottes trug auf ihrer Stirn – den Monddiamanten. Auch in England haben sich die Wogen wieder geglättet. Inspektor Cuff hat sein Altenteil angetreten und widmet sich der Rosenzucht. Franklin hat Rachel geheiratet und kündigt schon ein Jahr darauf dem guten alten Betteredge ein freudiges Ereignis an.

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Aufbau und Stil

Wie zuvor bereits Die Frau in Weiß (eine ebenfalls mysteriöse Geschichte, die aber noch ohne Detektive auskam) konstruierte Collins auch den Monddiamanten als Sammlung fiktiver Berichte, in denen die handelnden Personen selbst zu Wort kommen. Der Effekt ist der einer gerichtlichen Beweisaufnahme, in der verschiedene Zeugen ihre Sicht der Dinge darlegen.

Der Roman ist aufgeteilt in vier Abschnitte: Im Prolog „Die Erstürmung von Srinrangapattam“ wird in Briefform erzählt, wie der Diamant nach England kam. In „Der Verlust des Diamanten“ berichtet der alte Majordomus der Familie Verinder, Gabriel Betteredge, vom den Umständen des Diebstahls. „Die Entdeckung der Wahrheit“ ist aus acht Zeugenaussagen aufgebaut; die Autoren sind die unsympathische Frömmlerin Miss Clack, der Familienanwalt Mr Bruff, die männliche Hauptfigur Franklin Blake, der Arztgehilfe Ezra Jennings, Inspektor Cuff, der Arzt Mr Candy sowie Gabriel Betteredge. Im Epilog „Das Auftauchen des Diamanten“ klären Berichte eines Polizeiagenten, eines Schiffskapitäns sowie der Brief des Reisenden Mr Murthwaite die Heimkehr des Juwels nach Indien.

Da Der Monddiamant als Fortsetzungsgeschichte in einem Wochenmagazin erschien, gliederte Collins die Berichte noch einmal in Kapitel, um die Aufteilung in gleichmäßige Portionen zu ermöglichen. Die einzelnen Erzähler unterscheiden sich nicht nur stilistisch, sondern auch in ihrer Glaubwürdigkeit. Ihre Berichte lesen sich sehr natürlich und lassen einen oft schmunzeln – Collins’ feiner Humor erinnert an Dickens. ** Interpretationsansätze**

  • Collins nutzt die von ihm erfundene Form des Kriminalromans bei allem Fokus auf Spannung auch dafür, die Ungerechtigkeit der viktorianischen Gesellschaft aufzuzeigen. Ohne eine direkte, ausgesprochene Sozialkritik zu üben, bringt er seine Sympathie für die „Verlierer“ des Klassensystems klar zum Ausdruck: Frauen, Bedienstete, einfache Leute.
  • Ebenso ergreift Collins Partei gegen antiindische Ressentiments, wie sie sich in England seit dem Sepoy-Aufstand 1857 verbreiteten. Viele Briten waren von der eigenen Überlegenheit so überzeugt, dass ihnen die Auflehnung ihrer kolonialen Untertanen als krasse Undankbarkeit erschien. Collins lässt die indische Kultur zu ihrem Recht kommen.
  • Gleichzeitig bleibt er jedoch kolonialen Denkschablonen verhaftet: Das Motiv des fremdländischen Edelsteins, in dessen Schlepptau Verschwörung und Mord nach England kommen, bedient das Gefühl der „Splendid Isolation“, der Angst der Briten vor dem Verlust der Sonderrolle ihres Inselkönigreichs.
  • Die Anwendung logisch-wissenschaftlicher Methodik zur Rekonstruktion eines Verbrechens spiegelt den damaligen Trend zur Verwissenschaftlichung immer weiterer Lebensbereiche.
  • Die Verlässlichkeit menschlichen Bewusstseins zieht Collins mit dem Motiv des unbewussten Diebstahls in Zweifel und weist damit auf die moderne Psychologie, vor allem auf die Psychoanalyse Sigmund Freuds, voraus.
  • Einige Motive lassen eine sexuelle Deutung zu, etwa der Diamant als Symbol der Jungfräulichkeit Rachels, oder das befleckte Nachthemd Franklin Blakes.

Historischer Hintergrund

Viktorianische Sensationslust

Nachdem 1815 die napoleonische Ära zu Ende ging, folgte ein Jahrhundert britischer Dominanz. Europa erlebte eine Epoche des Friedens, die, mit vereinzelten Unterbrechungen, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs dauerte. Liberalismus und Rohstoffreichtum machten England zur Lokomotive der industriellen Revolution. Mit seiner überlegenen Flotte beherrschte das Königreich die Weltmeere und damit den Überseehandel. Unter Königin Viktoria stieg es zu einer der größten Imperialmächte aller Zeiten auf. Die Viktorianische Ära wurde zum Goldenen Zeitalter Englands: Es herrschte Frieden, die Wirtschaft boomte, Wissenschaft und Technologie machten unvorstellbare Fortschritte, der Lebensstandard der Bevölkerung stieg auf breiter Basis, auch die allgemeine Lesefähigkeit nahm zu.

Ein Zusammenspiel dieser Faktoren löste gegen Mitte des 19. Jahrhunderts eine Revolution des Buchmarkts aus: Preiswerte Ausgaben, die sogenannten Yellowbacks, wurden zu begehrten Konsumartikeln. Sie wurden vor allem an Bahnhofsbuchständen feilgeboten. Die Leser wollten Nervenkitzel, Geschichten aus der Halb- und Unterwelt, exotische Schauplätze und dunkle Geheimnisse. In den 1860er-Jahren entstand so das Genre der „Sensation Novel“, die Wilkie Collins wenig später zur Detektivliteratur weiterentwickelte. Kriminalistik – die methodische Aufklärung und Bekämpfung von Verbrechen – war eine noch junge Disziplin: Erst 1842 wurde innerhalb der London Metropolitan Police eine Ermittlungsabteilung gegründet. Doch das Wirken von Detektiven – ein neuer Beruf – in teils spektakulären Fällen wurde bald legendär.

Entstehung

Mit dem Monddiamanten schuf Wilkie Collins auf Anhieb einen Klassiker – und ein neues Genre. Das war kein Zufall. Collins, als scharfer Beobachter des Literaturbetriebs, hatte die Zeichen der Zeit erkannt: Ein immer größeres Lesepublikum gierte nach scharfsinnigen Ermittlern, raffinierten Intrigen und tödlichen Geheimnissen. Bediente Collins’ erster großer Erfolg, Die Frau in Weiß, noch einen gehobenen Geschmack, wandte sich Der Monddiamant gezielt an ein Massenpublikum. Das hieß jedoch keineswegs, dass der Autor es sich leicht machen konnte: Die teils exotischen Schauplätze, die juristischen Verwicklungen sowie der Bezug auf aktuelle wissenschaftliche Theorien bedurften ausführlicher Recherchen. Dabei stieß Collins auf die Geschichte des sagenhaften Diamanten Koh-i-Noor, der einst die Stirn einer indischen Götterstatue geziert hatte, bevor er schließlich Teil der britischen Kronjuwelen wurde. Hieraus gestaltete Collins die Legende vom Monddiamanten.

Der Roman erschien als Fortsetzungsgeschichte in dem Wochenmagazin All the Year Round, das von Charles Dickens herausgegeben wurde. Die ersten drei Folgen hatte Collins im Sommer 1867 fertig. Zwischen Januar und August 1868 erschien der Roman in 32 Episoden. Dabei hatte der Autor zunehmend Schwierigkeiten, mit dem Schreiben nachzukommen. Der Tod seiner Mutter im März 1868 sowie eine schwere Krankheit hemmten den Fortgang der Arbeit. Teile des Romans musste Collins im Bett liegend diktieren. Seine Schmerzen linderte er dabei mit einer Opiumtinktur. Die Erfahrungen mit der Droge flossen unmittelbar in das Werk ein. Eine Buchversion in drei Bänden erschien bereits im Juli 1868.

Wirkungsgeschichte

Bereits mit der Frau in Weiß hatte Collins auch den US-amerikanischen Markt erschlossen. Der Monddiamant erschien denn auch als Fortsetzungsgeschichte im amerikanischen Harper’s Weekly, und auch die Buchversion wurde zeitgleich mit der britischen auf dem amerikanischen Markt lanciert. Der Roman verkaufte sich hüben wie drüben blendend. Noch im gleichen Jahr folgten Übersetzungen ins Deutsche und Russische, wenig später ins Französische und Italienische. Collins selbst übernahm 1877 die Adaption für die Bühne, allerdings konnte das Theaterstück nicht mit dem Erfolg des Romans mithalten.

Der Monddiamant etablierte sich als Prototyp des Detektivgenres. T. S. Elliotts Urteil, der Roman sei „der erste, längste und beste moderne englische Detektivroman“, ist dennoch mit Vorsicht zu genießen. Ganz im Alleingang erfunden hat Collins das Genre nicht, vielmehr hat er die Ansätze seiner Vorgänger aufgegriffen, perfektioniert und zu einer Schablone verarbeitet, die sich halten sollte. Noch vor Collins, 1841, war Edgar Allan Poes Kurzgeschichte Der Doppelmord in der Rue Morgue wohl die eigentliche Initialzündung des literarischen Detektivfiebers gewesen, und auch in Charles Dickens’ Roman Bleak House von 1852 nahm die Detektivarbeit eine – wenn auch untergeordnete – Rolle ein. Mit Collins’ Monddiamant fand das Genre gewissermaßen zu sich selbst. Der Roman lieferte Generationen von Kriminalautoren das Urbild für ihre Schöpfungen, von Arthur Conan Doyle, G. K. Chesterton und Agatha Christie bis zu Raymond Chandler, George Simenon, Umberto Eco, Henning Mankell oder Dan Brown ist sein Einfluss unübersehbar.

Über den Autor

Wilkie Collins wird am 8. Januar 1824 in London geboren. Sein Vater ist ein anerkannter Landschaftsmaler. Einen Teil seiner Jugend verbringt Collins mit seinen Eltern in Italien. Im Alter von 17 Jahren beginnt er auf Wunsch des Vaters eine kaufmännische Ausbildung in einer Teehandelsfirma, darauf folgen ein Jurastudium und die Zulassung zum Anwalt. Lange schwankt der ausgesprochen intelligente und vielseitig begabte Collins zwischen einer Berufung zum Maler oder zum Schriftsteller, bis er sich 1850 mit der Veröffentlichung seines ersten Romans Antonia endgültig für das Schreiben entscheidet. Seinen für ihn fortan sehr wichtigen literarischen Mentor Charles Dickens lernt Collins 1851 kennen. Die beiden werden Freunde und schriftstellerische Kollegen, die eng zusammenarbeiten. Collins ist als Autor sehr produktiv: Er verfasst 25 Romane und 50 Erzählungen, die allerdings nicht alle das gleiche Echo beim Publikum finden. 1860 und 1868 gelingen ihm mit The Woman in White (Die Frau in Weiß) und The Moonstone (Der Monddiamant) zwei Meisterwerke, die von den Zeitgenossen sofort anerkannt werden und Collins’ Marktwert als Autor in die Höhe treiben. Der etwas verwachsene Collins leidet zeitlebens an Rheumatismus. Als Schmerzmittel nimmt er das im 19. Jahrhundert allgegenwärtige Laudanum, eine Opiumtinktur, regelmäßig zu sich. Die Rauschgiftsucht verstärkt sich nach Dickens’ Tod. Halluzinatorische Effekte bleiben nicht aus, die geistigen Kräfte schwinden. Collins bleibt zeit seines Lebens unverheiratet, unterhält aber ab den 1860er-Jahren gleichzeitig Beziehungen zu zwei Frauen. Mit der 20 Jahre jüngeren Martha Rudd hat er drei Kinder. Die ältere Caroline Graves heiratet zwar einen anderen Mann, kehrt jedoch nach dessen Tod zu Wilkie Collins zurück. Die Dreiecksbeziehung bleibt bis zu seinem Lebensende bestehen. Wilkie Collins stirbt nach einem Herzinfarkt am 23. September 1889 und wird auf dem Friedhof Kensal Green in London begraben.

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