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Der Peloponnesische Krieg

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Der Peloponnesische Krieg

Reclam,

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10 Take-aways
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Was ist drin?

Thukydides’ unerschöpflicher Klassiker – hochspannend und kein bisschen veraltet.


Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Griechische Antike

Worum es geht

Der Beginn der Geschichtsschreibung

Von den großen Köpfen der Geistesgeschichte war kaum einer seiner Zeit so weit voraus wie Thukydides. Fast 2000 Jahre hat es gedauert, bis man seine Bedeutung als Erfinder der modernen Geschichtsschreibung erkannte – ein erstaunliches Versäumnis, denn der Autor selbst benennt in klaren Worten das Revolutionäre an seinem Ansatz: Um „klare Erkenntnis des Vergangenen“ geht es ihm, „und damit auch des Künftigen“. Nicht dem „Bericht des ersten Besten“ sei er in seiner Darstellung gefolgt, vielmehr habe er „selbst Erlebtes und von anderer Seite Berichtetes mit größtmöglicher Genauigkeit (...) erforscht.“ Sein Bemühen um Wahrheit war kein Selbstzweck; in den Geschehnissen des Peloponnesischen Krieges suchte Thukydides nach Mustern und Gesetzmäßigkeiten, unter oberflächlichen Anlässen ergründete er deren Ursachen. So koppelte er die historische Erkenntnis an die Erkenntnis der Natur des Menschen: In Machtstreben und Angst sah er unveränderliche Triebfedern menschlichen Handelns. Um diese Einsicht zu bewahren und damit kommenden Generationen bei der Gestaltung ihres Schicksals zu helfen, schrieb Thukydides eines der spannendsten und unerschöpflichsten Bücher der Literaturgeschichte.

Take-aways

  • Der Peloponnesische Krieg ist eines der Grundlagenwerke der Geschichtsschreibung.
  • Inhalt: Im Griechenland des fünften Jahrhunderts v. Chr. stehen sich zwei mächtige Bündnisse gegenüber: der attische und der peloponnesische Bund – Athen und Sparta. Es kommt zu einem 27 Jahre währenden Krieg um die Vorherrschaft.
  • Das Buch bricht mitten im Satz ab, die Beschreibung der letzten sechs Kriegsjahre fehlt.
  • Über die bloße Schilderung der Kriegsereignisse hinaus bietet Thukydides eine nüchterne Analyse der Ursachen und Zusammenhänge.
  • Laut Thukydides liegt dem Lauf der Geschichte die unwandelbare menschliche Natur als Ursache zugrunde. Darum gilt er als geistiger Vater des politischen Realismus.
  • Unklar ist, ob Thukydides das Buch in einem Arbeitsgang verfasst hat oder ob darin unterschiedlich alte, evtl. gar aus der Rückschau korrigierte Texte versammelt sind.
  • Thukydides war als athenischer Feldherr selbst ins Kriegsgeschehen verwickelt.
  • Da seine Mission, die Sicherung der Stadt Amphipolis, fehlschlug, wurde er aus Athen verbannt und kehrte erst 20 Jahre später in die Heimat zurück.
  • Athen stand damals unter dem Einfluss der „ionischen Aufklärung“, einer geistigen Wende zu Vernunft und Wissenschaftlichkeit.
  • Zitat: „Thukydides aus Athen hat den Krieg zwischen den Peloponnesiern und den Athenern beschrieben, wie sie ihn gegeneinander geführt haben; er hat damit gleich bei seinem Ausbruch begonnen in der Erwartung, er werde bedeutend sein und denkwürdiger als alle vorangegangenen.“

Zusammenfassung

Vorgeschichte

Der 27-jährige Krieg zwischen Athenern und Peloponnesiern war der größte Krieg in der Geschichte Griechenlands. Die Kriegsparteien standen beide auf der Höhe ihrer Macht. Sparta und Athen hatten zahlreiche Kolonien gegründet. Gemeinsam hatten die Hellenen zwei persische Invasionsversuche abgewehrt, wobei den Athenern die Hauptrolle zugefallen war. Solange die äußere Bedrohung anhielt, scharten sich die übrigen Städte um eine der beiden Großmächte, was nach der endgültigen Niederlage der Perser die Grundlage für die Rivalität zwischen Sparta und Athen schuf.

Die Sache mit Epidamnos

Im Gegensatz zu Sparta betrieb Athen eine aggressive Außenpolitik. Der attische Seebund, ursprünglich ein Schutzbündnis, von dem viele Städte profitierten, nutzte bald nur noch Athen, das seine Bundesgenossen durch Tributforderungen unterwarf. Da sich die so Bedrängten oft an den peloponnesischen Bund um Sparta wandten, wuchsen die Spannungen zwischen den beiden Großmächten. Immer wieder kam es auch zu militärischen Konfrontationen. Ein Friedensvertrag sollte für Ruhe sorgen, erwies sich aber als kurzlebig. Der endgültige Bruch, wie überhaupt der ganze Krieg, folgte aus der geopolitischen Situation: Athen war auf bestem Weg zur Hegemonialmacht – Sparta musste handeln. Zum konkreten Auslöser geriet der Streit um die Stadt Epidamnos, die, nachdem sie von ihrer Mutterstadt Kerkyra abgewiesen worden war, beim peloponnesischen Korinth Schutz vor Barbarenangriffen suchte. Darüber kam es zum Krieg zwischen Korinthern und Kerkyräern. Die Kerkyräer wandten sich hilfesuchend an Athen, ein Schutzbund wurde geschlossen. Die Athener schickten zehn Schiffe nach Kerkyra und beteiligten sich in einer Art und Weise an einer Seeschlacht, die nach Ansicht der Korinther einen Bruch des Friedensvertrags darstellte. Auf beiden Seiten wurde der Krieg beschlossen.

Erste Phase des Krieges

Das reiche Athen unter dem fähigen Staatsmann Perikles suchte sein Heil im Flottenbau und in der Befestigung der Stadt. Das umgebende Attika wurde preisgegeben. Über Jahre hinweg fielen immer wieder peloponnesische Truppen in Attika ein, um das Land zu verheeren und zu plündern, während die Bevölkerung innerhalb der Mauern Schutz suchte. Im Gegenzug machte die Flotte der Athener peloponnesische Gewässer unsicher. Sparta unter König Archidamos gab sich als Befreier des von Athen unterdrückten Hellas und versuchte wiederholt, einzelne Bundesgenossen zum Abfall von Athen zu bewegen. Athen reagierte auf solche Aktionen mit äußerster Strenge. So wurden gegen das abtrünnige Mytilene auf Lesbos 40 Schiffe gesandt, später noch einmal 1000 Hopliten (Fußsoldaten), die Mytilene belagerten. Die Peloponnesier sagten zwar Hilfe zu, diese traf jedoch nie ein. Mytilene musste sich schließlich ergeben. An einem anderen Kriegsschauplatz setzten sich dagegen die Peloponnesier durch: Die böotische Stadt Plataia, deren Einwohner ein Bündnis mit Athen anstrebten, wurde nach langer Belagerung dem Erdboden gleichgemacht.

Erste Wirkungstreffer

Im mit Athen verbündeten Akarnanien wurde eine gewaltige Schlacht geschlagen: Es ging um die Festung Olpai, die von 3000 Hopliten aus dem nahen Amprakia (peloponnesischer Bund) erobert worden war. Der spartanische Feldherr Eurylochos führte aus dem südlichen Aitolien Hilfstruppen heran, und auch die Athener sandten den Akarnaniern ein Heer – unter dem Feldherrn Demosthenes. Es kam zur Schlacht. Durch ein geschicktes Manöver Demosthenes’ trugen die Akarnanier und Athener einen vollständigen Sieg davon. Im Jahr darauf, es war das siebte Kriegsjahr, landete eine Flotte der Athener, durch widrige Winde vom Kurs abgekommen, in Pylos (westlicher Peloponnes). Da Demosthenes dem Ort strategische Bedeutung beimaß, ließ er Befestigungen anlegen. Als die Spartaner, auch Lakedaimonier genannt, davon Wind bekamen, waren sie bald mit Flotte und Heer zur Stelle. Doch das Schlachtenglück war mit den Athenern: Nicht nur besiegten sie die peloponnesische Flotte, die Spartaner ereilte auch noch ein weit schmerzhafteres Unglück: Sie hatten vor Pylos, auf der Insel Sphakteria, 420 Hopliten stationiert, um die Einfahrt ihrer Flotte zu sichern. Diese waren nun isoliert. Die Athener stürmten die Insel, nahmen die überlebenden Spartaner gefangen und brachten sie als Geiseln nach Athen.

Der Wind dreht

Die Moral der Peloponnesier war geschwächt. Athen hingegen hatte nun Oberwasser und fühlte sich stark genug, die Stadt Megara anzugreifen. Als aber der spartanische Feldherr Brasidas mit einer riesigen Streitmacht eingriff, räumten die Athener das Feld. Während Brasidas gegen Thrakien zog, um die dortigen Bündnisgenossen der Athener zum Abfall zu bewegen, marschierten athenische Truppen ins benachbarte Boiotien ein und besetzten das Apollonheiligtum Delion. Die Boiotier mobilisierten eine Armee und bereiteten den Eindringlingen eine empfindliche Niederlage. Auch in Thrakien wendete sich das Blatt: Brasidas eroberte die athenische Kolonie Amphipolis. Diese Demonstration spartanischer Macht ermutigte weitere Städte auf der Halbinsel Chalkidike, Anschluss an den peloponnesischen Bund zu suchen. Um diese Dynamik aufzuhalten, strebte Athen einen Waffenstillstand an. Die Peloponnesier ließen sich darauf ein.

Erst Waffenstillstand, dann Frieden, dann neuer Streit

Der Pakt war jedoch bald wieder hinfällig: Beide Seiten beschuldigten sich des Vertragsbruchs. Kurz vor Ablauf der vereinbarten Jahresfrist kam es zum großen Knall: Der athenische Heerführer Kleon versuchte, Amphipolis zurückzuerobern, wurde jedoch von Brasidas vernichtend geschlagen. Beide Feldherren kamen in der Schlacht um – mit der Folge, dass sich nun sowohl auf athenischer als auch auf peloponnesischer Seite die auf friedliche Verständigung drängenden Kräfte durchsetzten. Nach zehn Kriegsjahren wurde ein richtiger Friedensvertrag geschlossen; alle Eroberungen und ebenso die Gefangenen sollten zurückgegeben werden. Auf 50 Jahre angelegt, blieb das Bündnis immerhin sechs Jahre und zehn Monate in Kraft. Schon bald kam es zu indirekten Feindseligkeiten. Auch wurden viele Forderungen nicht erfüllt: Athen rückte Pylos nicht heraus und Sparta behielt Amphipolis. Der Schwerpunkt des Geschehens verlagerte sich jetzt auf den Peloponnes, wo die Bundesgenossen Spartas dessen Vorherrschaft herausforderten. So gründeten Argos und Korinth einen Sonderbund, andere Städte folgten dem Beispiel. Athen versuchte, aus dem Machtkampf auf dem Peloponnes einen Vorteil zu ziehen. Besonders der gewiefte Alkibiades ging Bündnisse mit den Gegnern Spartas ein.

Krieg auf Sizilien

Auf Sizilien wollte das mächtige Syrakus, eine korinthische Gründung, die Vorherrschaft an sich reißen. Die Einwohner der Stadt Egesta wandten sich an ihre Schutzmacht Athen. Athen wollte den Vorwand nutzen, um sich, so das strategische Kalkül, erst Sizilien, dann die ganze Region zu unterwerfen. Zwar warnte der besonnene Nikias vor dem riskanten Unternehmen, doch letztlich überredete Alkibiades die Athener zur Fahrt gegen Syrakus. Mit einer gewaltigen Heeresmacht stachen sie in See. Kaum in Sizilien, wurde Alkibiades jedoch wieder abberufen: Er sollte sich daheim den Anklagen seiner politischen Gegner stellen, die ihn blasphemischer Handlungen beschuldigten. Alkibiades witterte Verleumdung und setzte sich nach Sparta ab. Unter Nikias gelang es den Athenern, sich vor Syrakus festzusetzen. Eine erste Feldschlacht gewannen sie, konnten den Vorteil aber nicht in einen vollständigen Sieg ummünzen. Also versuchten sie, die Stadt durch eine Ringmauer einzuschließen. Die Syrakusaner unter Hermokrates baten in Sparta um Unterstützung. Sparta, wo derweil Alkibiades seine Fäden spann, schickte Truppen und den Feldherrn Gylippos, der die Verteidigung der Syrakusaner koordinieren sollte. Jetzt wendete sich das Blatt: Die Syrakusaner konnten einen athenischen Angriff zurückschlagen. Außerdem gelang es ihnen, durch den Bau einer Gegenmauer die Athener an der Vollendung ihres Rings zu hindern.

Von Belagerern zu Belagerten

Jetzt waren es plötzlich die Athener, die ums Überleben kämpfen mussten. In einem Brandbrief schilderte Nikias den Daheimgebliebenen die Situation: Hunger, Durst und die feindliche Reiterei machten den Truppen das Leben schwer, die Soldaten waren mut- und kraftlos, immer mehr liefen zum Feind über. Nikias riet zum Abzug – Athen schickte Verstärkung. Unter Demosthenes und Eurymedon fuhren 73 Schiffe nach Sizilien. Doch auch dies brachte nur vorübergehend Erleichterung. Inzwischen stand fast ganz Sizilien hinter den Syrakusanern; die konnten in jeder Hinsicht aus dem Vollen schöpfen. Verzweifelt gaben die Athener ihre Stellungen auf festem Boden auf, bemannten die Schiffe und suchten die Entscheidung zur See. Doch die Syrakusaner zeigten auch hier ihre Stärke: Sie drückten die athenischen Schiffe an die Küste, wo die flüchtenden Athener von syrakusanischen Truppen erwartet wurden. Der Einbruch der Nacht rettete sie vorerst, man beschloss die Flucht über Land. Doch unterwegs wurden die Athener immer wieder von der Reiterei der Syrakusaner angegriffen. Sie erlitten schreckliche Verluste und wurden schließlich gestellt. Nun ergaben sie sich auf Gnade und Ungnade dem Feind. Die Feldherren Nikias und Demosthenes wurden getötet, 7000 Soldaten gefangen genommen und die gesamte Flotte beschlagnahmt.

Demokratie in Gefahr

Das einst so stolze Athen war am Boden, dennoch wurde wieder aufgerüstet. Es galt, die Angriffe der Spartaner abzuwehren, die sich in Dekeleia, unmittelbar vor Athen, festgesetzt hatten. Die Bundesgenossen fielen einer nach dem anderen ab und sogar die neutralen Städte bekannten nun Farbe und richteten sich gegen die Athener. Zwar konnte Athen einige der untreuen Genossen wieder unterwerfen, doch für jeden gelöschten Brandherd flammten zwei neue auf. Die Peloponnesier waren den Athenern zur See inzwischen ebenbürtig, zumal sie jetzt mit den Persern im Bund waren. Allerdings beredete Alkibiades diese, nicht ihr volles Gewicht zugunsten Spartas in die Waagschale zu werfen. Athen und Sparta, so sein Argument, sollten sich gegenseitig schwächen, um auf diese Weise leichter beherrschbar zu sein. Mit diesem Schachzug wollte sich Alkibiades in Athen absichern, denn bei den Peloponnesiern war sein Stern im Sinken begriffen. Allerdings wurde er von den Athenern wegen Verrats zum Tod verurteilt, worauf er zu den Persern überlief, mit deren Statthalter Tissaphernes er befreundet war.

„Thukydides aus Athen hat den Krieg zwischen den Peloponnesiern und den Athenern beschrieben, wie sie ihn gegeneinander geführt haben; er hat damit gleich bei seinem Ausbruch begonnen in der Erwartung, er werde bedeutend sein und denkwürdiger als alle vorangegangenen.“ (S. 9)

Alkibiades betrieb nun seine Rückkehr nach Athen. Er nahm Kontakt zu oligarchisch gesinnten Kräften in der Heimat auf und machte ihnen Hoffnung auf Unterstützung durch die Perser. Voraussetzung sei allerdings die Abschaffung der Demokratie. Zwar wurde aus dem Bündnis mit den Persern nichts, dennoch erhielt die oligarchische Bewegung in Athen Aufwind. Es kam zum Staatsstreich, und ein 400-köpfiger Rat wurde in die Regierungsgeschäfte eingesetzt. Eine parallele Aktion auf Samos, wo die athenische Flotte stand, misslang allerdings; Soldaten und Seeleute begehrten gegen das neue Regime auf. Dieses wiederum wandte sich von Alkibiades ab, weil der offenbar das versprochene Bündnis mit den Persern hintertrieben hatte. Alkibiades lief daraufhin flugs zur demokratischen Seite über und ließ sich auf Samos zum Feldherrn wählen.

Rolle rückwärts

In Athen regte sich Widerstand gegen das neue Regime. Innerhalb der 400 kam es zur Parteibildung, wobei sich eine gemäßigte Fraktion herausbildete, die unter gewissen Bedingungen eine Rückkehr zur Demokratie befürwortete. Als eine peloponnesische Flotte vor Athen auftauchte, eskalierte der Streit zwischen Moderaten und Extremisten: Jene warfen diesen vor, sie planten, den Peloponnesiern die Stadt auszuliefern. Die Schiffe indes segelten wider Erwarten an Athen vorüber; sofort schickten die Athener ihre Flotte hinterher. Vor der Küste Euboias, bei der Stadt Eretria, kam es zur Seeschlacht. Die Peloponnesier siegten. Die fliehenden Athener wurden von den Bewohnern Eretrias niedergemacht. Nun fiel auch noch das strategisch äußerst wichtige, da unmittelbar benachbarte Euboia von Athen ab. Außerdem war der athenische Hafen jetzt ohne wirksamen Schutz. Zum Glück zauderten die Peloponnesier und ergriffen die Chance zur Einnahme des Hafens Piräus nicht. Die 400 wurden abgesetzt. Das neue Regierungssystem war eine ausgewogene Mischung aus Demokratie und Oligarchie.

Zum Text

Aufbau und Stil

Thukydides’ Beschreibung des Peloponnesischen Krieges folgt dem Verlauf der Ereignisse „der Reihe nach, wie es geschehen ist, geordnet nach Sommern und Wintern“, so der Autor. Des Weiteren gibt er an, die Darstellung vollendet zu haben – doch der erhaltene Text bricht aus unbekannten Gründen im Bericht über das 21. Kriegsjahr mitten im Satz ab. Die Einteilung des Werks in acht Bücher wurde nachträglich von unbekannter Hand vorgenommen. Thukydides beginnt mit einem kurzen Vorwort, holt dann zu einer Zusammenfassung der hellenischen Frühgeschichte aus und legt sein methodisches Konzept dar, bevor er zur eigentlichen Schilderung übergeht. Ein zweites Vorwort ist dort eingeschaltet, wo die erste Phase des Krieges durch Abschluss des so genannten Nikias-Friedens ein Ende findet. Auch der Titel Der Peloponnesische Krieg ist eine Zutat der Nachwelt; ein Buch zu betiteln war zur Zeit des Thukydides nicht üblich. Größtenteils berichtet Thukydides in schlichter Form, wobei er um Objektivität bemüht ist und nur in vereinzelten Stellungnahmen als Person hervortritt. Die Vogelperspektive wird jedoch vielfach unterbrochen, indem der Autor öffentlich gehaltene Reden wörtlich wiedergibt. Auch der Dialogform bedient er sich an einer Stelle. Er bekennt, dass es ihm nicht um sprachliche Gefälligkeit geht, was seine Zeitgenossen und spätere Kritiker nicht hinderte, ihm just dies vorzuwerfen: spröden Stil, zu kurze Sätze, mangelnde Ausarbeitung.

Interpretationsansätze

  • Seine Sonderstellung innerhalb der antiken Geschichtsschreibung verdankt Der Peloponnesische Krieg dem Anspruch des Thukydides, keine bloße Chronik zu schreiben, sondern vielmehr aus dem gesammelten Material Erkenntnisse über Ursachen und tiefere Zusammenhänge zu gewinnen. Laut Thukydides liegt dem Lauf der Geschichte die unwandelbare menschliche Natur als Ursache zugrunde.
  • Da Thukydides viele der geschilderten Personen gekannt hat, muss man davon ausgehen, dass ihn hier und da persönliche Motive bei deren Darstellung geleitet haben. So kriegt etwa der athenische Politiker Kleon im Buch sein Fett weg: Er war für die Verbannung des Thukydides mitverantwortlich.
  • Auch seinem Konkurrenten Herodot, dem Autor der Historien, wischt Thukydides eins aus, indem er ihn nicht ein einziges Mal namentlich erwähnt. Einige verdeckte Seitenhiebe auf Herodots methodische Mängel kann er sich jedoch nicht verkneifen.//
  • Der Peloponnesische Krieg// kann als Antikriegsplädoyer gelesen werden: Als Illustration bietet sich die erschütternde Schilderung des durch die Pest verursachten Elends sowie des allmählichen Sittenverfalls im Kriegsverlauf an.
  • Gleichzeitig dient das Buch der Rechtfertigung von Großmachtpolitik: Dies wird durch den berühmten Dialog zwischen Athenern und Meliern nahegelegt, dessen Tenor lautet: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
  • Wenngleich die griechischen Götter im Buch keine Rolle spielen, glaubt Thukydides an ein waltendes und schaltendes Schicksal, wie man anhand der offenbar beabsichtigten formalen Paarung des Melier-Genozids mit dem katastrophalen Scheitern der Sizilien-Expedition erkennen kann: Dieses wäre nach solcher Lesart die Strafe für den Genozid.

Historischer Hintergrund

Die kulturelle Blüte Athens

Wenn von Griechenland als Wiege der abendländischen Kultur die Rede ist, denken die meisten zuerst an Athen. Dabei war das Athen des Platon und des Sokrates, des Aischylos, Sophokles und Euripides in mancherlei Hinsicht ein Schnittpunkt verschiedener geistiger Strömungen, deren Ursprünge u. a. in Ionien zu suchen sind, den hellenischen Kolonien an der Westküste Kleinasiens. Ionische Städte, allen voran Milet, wurden zum Schauplatz einer tief greifenden geistig-kulturellen Wende. Im Zuge der „ionischen Aufklärung“ begannen Philosophen wie Thales, Anaximander und Anaximenes die Welt anhand des logischen Zusammenhangs ihrer Erscheinungen zu erklären. Ihre Theorien verzichteten erstmals auf göttliches Walten, Schicksal und Zufall und beruhten stattdessen auf einem kritischen, systematischen Wahrheitsbegriff.

Im Jahr 500 v. Chr. erhoben sich die Ionier gegen die persische Fremdherrschaft. Der Aufstand scheiterte. Wenig später jedoch, als Reaktion auf die Versuche der Perser, sich ganz Griechenland zu unterwerfen, eroberte Athen die ionischen Gebiete von den Hellenen zurück. Das brachte den Athenern Ansehen, Macht und Reichtum. Unter der Herrschaft des Perikles kam Athen dann zur vollen Blüte und entwickelte jenen kulturellen Magnetismus, der Philosophen, Handwerker und Künstler aus ganz Hellas anzog – und nicht zuletzt die Sophisten, wandernde Rhetoriklehrer, die der ionischen Aufklärung eine pragmatische Wendung gaben: Nicht die Gewinnung neuer Erkenntnisse war ihr Ziel, sondern deren nutzbringende Anwendung durch den Einzelnen in einem von Diskussion und öffentlicher Debatte geprägten gesellschaftlichen Klima.

Entstehung

Wie um Thukydides’ Leben ranken sich auch um die Entstehungsgeschichte seines einzigen Werks allerlei Spekulationen. Der Autor selbst gibt nur spärliche Hinweise: Er habe mit der Beschreibung des Krieges „gleich nach seinem Ausbruch begonnen“. Wie Thukydides aber weiter vorgegangen ist, ob er schreibend den Ereignissen folgte oder seine Berichte aus der Rückschau verfasste, ist nicht bekannt. Ebenso wenig weiß man, ob Der Peloponnesische Krieg als literarische Einheit zu betrachten ist oder als komplexes Stückwerk, bei dem der Autor ältere Abschnitte im Licht späterer Erkenntnisse überarbeitet oder ergänzt hat.

Thukydides konnte sich keinerlei historiografischer Konventionen bedienen: Was er mit der Schilderung des Peloponnesischen Krieges unternahm, war ohne Vorläufer und sowohl konzeptuell als auch hinsichtlich der Ausführung in höchstem Grad innovativ. Allenfalls ließe sich ein Zusammenhang zwischen seiner faktenorientierten Vorgehensweise und den Lehren der Sophisten herstellen. Thukydides war stets um die Verlässlichkeit seiner Informationsquellen bemüht, wobei ihm zugutekam, dass er als athenischer Feldherr aktiv in das Kriegsgeschehen verwickelt war und auch sonst, dank seiner privilegierten gesellschaftlichen Position, viele Vorgänge aus unmittelbarer Nähe beobachten konnte. Rätsel gibt das abrupte Ende der Chronik auf: Sie bricht mitten im Satz ab, die letzten sieben Jahre bis Kriegsende fehlen. Ob ein Teil des Manuskripts verloren gegangen ist, ob der Autor am Schreibpult gestorben, gar ermordet wurde, darüber gibt es nur Mutmaßungen.

Wirkungsgeschichte

Die am Beispiel des Konflikts zwischen Sparta und Athen entwickelten Einsichten in die Gesetzmäßigkeit geschichtlichen Waltens waren ausdrücklich als Lehrstück für spätere Generationen gedacht. Das war ein völlig neuer Ansatz. Wohl auch deshalb konnte die Antike mit Thukydides nicht viel anfangen; man maß ihn an seinem Zeitgenossen Herodot, der sein Publikum mit allerlei historischem Klatsch und Tratsch lieber unterhielt als aufklärte. Noch Cicero fiel zu Thukydides nichts Besseres ein, als ihn wegen seines Stils zu kritisieren. Einzig der Historiker Polybios erkannte die Größe des Atheners und nahm ihn sich zum Vorbild. Gewisse Einflüsse finden sich auch bei Sallust und später Tacitus. Während des Mittelalters verschwand Thukydides ganz von der Bildfläche und wurde erst mit Einbruch der Renaissance aus dem oströmischen Byzanz reimportiert.

Die erste lateinische Übersetzung schrieb 1452 der italienische Humanist Lorenzo Valla. Von nun an zeigte sich Thukydides’ Einfluss in der Methodik und im Selbstverständnis der Geschichtswissenschaften: „Das erste Blatt des Thukydides ist der einzige Anfang aller wahren Geschichte“, schrieb, sehr enthusiastisch, David Hume. Thukydides schuf die Grundlagen, auf denen die moderne, kritische Geschichtswissenschaft aufbaut. Leopold von Rankes Maxime – „zeigen, wie es eigentlich gewesen“ – ist durch und durch thukydideisch. Außerdem kann der nüchterne Athener als Stammvater des politischen Realismus gelten; Machiavelli, Hobbes, Nietzsche sind seine Kinder im Geiste. Noch heute fällt immer wieder sein Name, wo immer der Zynismus der Macht zur Debatte steht, etwa zu Themen wie Kalter Krieg, Globalisierung oder US-Außenpolitik.

Über den Autor

Thukydides’ Leben liegt weitgehend im Dunkeln, die wenigen Quellen sind großenteils unzuverlässig. Selbst über Geburts- und Todesdatum kann nur spekuliert werden. Indizien legen nahe, dass Thukydides um 454 v. Chr. geboren wird und um 396 v. Chr. stirbt. Seine Familie hat, wie es scheint, Wurzeln in Thrakien. Thukydides besitzt dort Goldbergwerke, wie er selbst im Peloponnesischen Krieg berichtet. Sein Lebensmittelpunkt ist jedoch in jeder Hinsicht die Polis Athen. Hier gehört er zur aristokratischen Elite. Im Jahr 424 v. Chr. wählen ihn die Athener zu einem von zehn so genannten Strategen – Heerführern, denen auch Verwaltungsaufgaben und militärische Rechtsprechung obliegen. Das Amt ist angesehen und dient manchem als Sprungbrett für eine politische Karriere. Auch Thukydides erhält seine Chance, sich zu bewähren: Er soll verhindern, dass die thrakische Stadt Amphipolis dem spartanischen Feldherrn Brasidas in die Hände fällt. Doch die sieben Schiffe unter Thukydides kommen zu spät, Amphipolis hat sich Brasidas bereits ergeben. Die Athener strafen ihren glücklosen Strategen mit Verbannung, 20 Jahre lang. Bis zum Ausgang des Peloponnesischen Krieges, dessen Beschreibung er sich zur Lebensaufgabe macht, bleibt er der Heimat fern. Nach eigenen Angaben nutzt er die Zeit, um Nachforschungen zu seinem Geschichtswerk anzustellen. Ob er tatsächlich zu diesem Zweck Hellas, Sizilien und den Peloponnes bereist, wie der dubiose Thukydides-Biograf Markellinos schreibt, ist nicht gewiss. Wie und wo Thukydides starb, ist unbekannt. Es wird aber angenommen, dass er in Athen begraben liegt.

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