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Der Staat

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Der Staat

Über das Gerechte

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Platons Entwurf eines gerechten Staates ist eine politische Utopie – mit weitreichenden Einflüssen auf die Geschichte der Staatsphilosophie.


Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Griechische Antike

Worum es geht

Auf der Suche nach dem idealen Staat

„Der Ehrliche ist der Dumme“, heißt ein bekanntes Sprichwort. Diese Vorstellung muss es auch schon gut 350 Jahre v. Chr. gegeben haben, denn sie bildet den Ausgangspunkt für eine der wirkungsreichsten politischen Theorien des Abendlandes: Platons Staat. In seiner unverwechselbaren Dialogtechnik lässt der Philosoph seinen Mentor Sokrates das Wesen der Gerechtigkeit sowie die Eigenschaften des idealen Herrschers und Staates erläutern. Vieles davon muss den Athenern geradezu revolutionär vorgekommen sein: die Dreiteilung der Staatsglieder, Gleichheit von Männern und Frauen, Abschaffung des Privateigentums und gar die Herrschaft von Philosophen. Wer Platons Ideen mit dem weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte vergleicht, wird allerdings unwillkürlich zusammenzucken, wenn er seine Vorschläge zu Euthanasie, Rassenauswahl und strenger Staatsräson liest. Eine kritische Distanz bei der Lektüre ist also angebracht. Davon abgesehen liefert Platon mit diesem Werk einen tiefen Einblick in seine Erkenntnistheorie (u. a. mit dem berühmten Höhlengleichnis) und eine bedeutende Staatsutopie, in der Gerechtigkeit und Moral einen festen Sitz haben und Politik zum Wohle des Volkes gemacht wird - statt für den Geldbeutel der Politiker oder der Reichen. Dies ist auch mehr als 2000 Jahre nach Platon noch ein Thema.

Take-aways

  • Platons Staat ist der Entwurf eines Idealstaates und das wirkungsgeschichtlich bedeutendste Werk der politischen Philosophie im Abendland.
  • Platon verfasste das Buch als Dialog und lässt die eigene Meinung von seinem Mentor Sokrates aussprechen.
  • Das Werk beginnt mit einer Erörterung der Gerechtigkeit und dem Beweis, dass ein Gerechter glücklicher ist als ein Ungerechter.
  • Daraus entwickelt Sokrates die Utopie eines Idealstaates, in dem die Gerechtigkeit regiert.
  • Dieser Staat besteht aus drei Gruppen: den Arbeitern, den Wächtern und den Herrschern.
  • Platon propagiert eine Herrschaft von „Philosophenkönigen„. Denn nur der Philosoph könne die Wahrheit erkennen und ein weiser und gerechter Herrscher sein.
  • Die Ausbildung eines Philosophenkönigs soll 50 Jahre dauern und alle Wissensgebiete umfassen, die zum Bildungskanon des antiken Griechenland gehören.
  • Grundsätzlich haben alle Bevölkerungsmitglieder die gleichen Bildungschancen. Durch Prüfungen wird die Spreu vom Weizen getrennt, um die Bürger den einzelnen Kasten zuzuordnen.
  • Platons Staatsutopie ist eng mit seiner Erkenntnistheorie verquickt. Um diese zu erklären, führt er das berühmte Höhlengleichnis ein und erläutert in ihm die philosophische Erkenntnis der Welt der Ideen.
  • Politische Wirren im Stadtstaat Athen und das Misstrauen Platons gegenüber der Politik haben ihn vermutlich zu seinem Werk angeregt.
  • Platons Staat ist in vielen Einzelheiten totalitär und demokratiefeindlich.
  • Kritiker wie der Philosoph Karl Popper sahen in Platons Staatstheorie eine Vorwegnahme des Faschismus.

Zusammenfassung

Was ist Gerechtigkeit?

Auf dem Rückweg von einer religiösen Festivität werden Sokrates und Glaukon, ein Bruder Platons, von Polemarchos in das Haus seines Vaters Kephalos eingeladen. Der kleinen, gut gelaunten Gruppe schließen sich auch Adeimantos, ebenfalls ein Bruder Platons, und Nikeratos sowie einige weitere Athener Bürger an. Im Haus des Kephalos kreist das Gespräch zunächst um Kephalos’ Wohlstand und seine glückliche Zeit im hohen Alter. Kephalos führt dies auf sein gerechtes Leben zurück. Hier hakt Sokrates ein: Gerechtigkeit, was ist das eigentlich? „Nach dem Gesetz leben und ehrlich sein“, ist Kephalos’ Antwort. Aber würde man dann etwa gerecht handeln, wenn man einem Wahnsinnigen, von dem man sich eine Waffe geborgt hat, dieselbe zurückgibt - wie es das Gesetz vorschreibt - und er damit Menschen verletzt oder tötet? Nein, wohl kaum. Gerechtigkeit ist also mehr als nur die Beachtung des Gesetzes. Kephalos’ Sohn Polemarchos steuert daraufhin seine Definition der Gerechtigkeit bei: Jedem Menschen das geben, was ihm zusteht, d. h. dem Freund Gutes und dem Feind Böses tun. Sokrates ist auch damit nicht einverstanden: Woher wissen wir denn, wer Freund und wer Feind ist? Könnte es nicht sein, dass wir unwissentlich einem Bösen helfen und einem Freund Schaden zufügen?

Der Gerechte ist der Dumme?

An dieser Stelle ergreift der verärgerte Thrasymachos das Wort. Seiner Meinung nach nützt die Gerechtigkeit immer nur den anderen, aber niemals demjenigen, der sie ausübt. Daher macht sich Ungerechtigkeit vermutlich besser bezahlt. Gerechtigkeit ist demnach der Vorteil des Stärkeren. Sokrates weist Thrasymachos darauf hin, dass er mit einer solchen Erklärung ja die Ungerechtigkeit zur Tugend erheben würde. Doch das ist sie mit Sicherheit nicht. Gerechtigkeit, so Sokrates, ist erstrebenswert, sie tut gut, hat einen höheren Wert und eine hohe Nützlichkeit für den Gerechten, weil er glücklicher ist als der Ungerechte. Glaukon meint, dass Unrecht tun gut sei, Unrecht erdulden aber schlecht. Und weil das Leiden meist schwerer wiege, hätten sich die Menschen darauf geeinigt, weder das eine noch das andere zu tun. Hierdurch hätten sich die Gesetze entwickelt. Dennoch habe immer noch der Ungerechte ein besseres Leben; Ungerechtigkeit entspreche nun einmal dem Wesen des Menschen. Der Ungerechte könne sich Macht und Reichtum erwerben und dann gut oder böse sein - je nachdem, wie es ihm beliebt und was ihm am meisten nützlich ist.

Die drei Klassen des Staates

Glaukons Bruder Adeimantos stimmt zu: Am gerechten Leben liebe der Mensch nicht die Gerechtigkeit an sich, sondern den Heiligenschein, den er sich damit vor den Augen der anderen erwerbe. Das Leben des Tugendhaften sei jedoch schwer und voller Mühsal. Leichter habe es in jedem Fall der Ungerechte. Nun ist es an Sokrates, seine Vorstellung der Gerechtigkeit zu erläutern. Dabei wendet er einen Kunstgriff an: Erst will er die Gerechtigkeit in einem großen Gebilde - dem Staat - untersuchen und sich dann dem einzelnen Menschen nähern. Darum stellt sich zunächst einmal die Frage: Wie entsteht ein Staat? Ganz einfach: aus Zweckmäßigkeit. Das Leben ist leichter, wenn sich verschiedene Menschen zusammenfinden und sich die unterschiedlichsten Arbeiten teilen, als wenn jeder alles allein erledigen muss. Die Spezialisierung schafft einen höheren Wohlstand, bedeutet aber auch, dass die so entstehende Gemeinschaft nach Regeln und Gesetzen zusammenleben muss. In einem solchen Staat bilden sich nach und nach drei verschiedene Klassen heraus: die Arbeiterschaft, die Wächter und die Regierenden.

Wächter und Herrscher

Die Arbeiter sind im Grunde nicht weiter erwähnenswert, sie sind einfach die Masse des Volkes. Die Wächter bilden eine Elite von besonders tapferen und starken Vertretern des Volkes, die den Staat nach außen hin verteidigen und auch dann zum Einsatz kommen, wenn es gilt, das Territorium zu vergrößern. Schon von Kindesbeinen an muss diese Kriegerkaste auf ihren Dienst vorbereitet werden. Körperliche Ertüchtigung, aber auch musische Erziehung sind das A und O. Tapferkeit, Besonnenheit, Frömmigkeit und Edelmut sind die Tugenden, die ihnen durch geeignete Geschichten wie z. B. Heldensagen vermittelt werden sollen. Enthaltsamkeit und körperliche Übungen sorgen für Kraft und frischen Mut. Aus dieser Wächterkaste wird noch einmal eine Auswahl getroffen: die Elite der Elite sozusagen. Deren Mitglieder werden dereinst zu den Herrschern heranwachsen. Ihre weitere Ausbildung muss vor allem philosophisch sein. Denn die beste Regierung für den Staat bilden die Philosophenkönige, da sie in der Lage sind, die Wahrheit zu erkennen.

„Aber was eben diesen Punkt, die Gerechtigkeit nämlich, betrifft, wie sollen wir es damit halten? Sollen wir sie so schlechthin als gleichbedeutend mit der Wahrhaftigkeit setzen und mit dem Zurückgeben dessen, was man von anderen empfangen hat, oder liegt die Möglichkeit vor, eben dabei zuweilen wohl gerecht, zuweilen aber auch ungerecht zu verfahren?“ (Sokrates, S. 7)

Herrscher und Krieger müssen besitzlos leben, damit sie niemals in Verdacht geraten, aus niederen Zielen zu handeln. Einzig die Arbeiterschaft darf Besitz erwerben. Reichtum macht faul, Armut macht unzufrieden. Nur Mäßigung und Harmonie führen dazu, dass der Staat funktioniert: Alle Teile des Staates müssen das erhalten, was sie zum Leben brauchen, dann sind sie glücklich. Die beiden höheren Kasten dürfen keine festen Bindungen eingehen. Grundsätzlich sollte jedem Bürger der Zugang zu jedem Stand möglich sein, je nach seinen Talenten und Stärken. Die drei Tugenden Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit finden sich im Staat und auch in der menschlichen Seele wieder. Die Begierde ist derjenige Teil der Seele, der von Zeit zu Zeit über die Vernunft obsiegt. Nur durch Besonnenheit lässt sich dieses Übel bekämpfen. Diese Tugend sollte darum alle Teile des Staates, vom Herrscher bis zum Arbeiter, leiten. Wenn der Staat als Ganzes glücklich ist, ist es auch der Einzelne.

Frauen und Kinder

Sokrates’ Zuhörer wollen unbedingt etwas über die Stellung der Frau in einem solchen Staat erfahren. Daraufhin führt Sokrates aus, dass die Frauen den Männern - abgesehen von der körperlichen Stärke - ähneln und deswegen grundsätzlich für jeden Stand genauso gut geeignet sind wie die Männer, also auch für die Kriegerkaste. Es erscheint daher notwendig, dass die Frauen die gleiche Erziehung erhalten wie die Männer. Sie leben mit den Männern in einer Gemeinschaft. Kinder sollten jedoch am besten nur zwischen den Tüchtigsten gezeugt werden. Zu diesem Zweck wird der Staat die entsprechenden Hochzeiten zeremoniell begleiten. Sexuelle Beziehungen sind nur während dieser Zeremonien gestattet. Die besonders tüchtigen Kämpfer sollten die Möglichkeit erhalten, besonders häufig Kinder zu zeugen. Die Kinder werden dann von der Gemeinschaft oder von Ammen in speziellen Heimen aufgezogen. Kränkliche oder missgestaltete Kinder werden an abgeschiedenen Orten aufgezogen. Illegitime Kinder sollten am besten gar nicht erst geboren werden, und falls es doch passiert, sollte man ihnen die Nahrung verweigern. Jedes Kind gehört der Gemeinschaft. „Mein“ und „dein“ sollte es nicht geben, sondern nur „unser“. Der Staat ist eine große Familie.

Die Aufgabe des Philosophenkönigs

Warum sollen die Herrscher Philosophen sein? Weil nur sie durch den Schein der Dinge hindurch die Wahrheit sehen können. Alle anderen sind nichts als Schaulustige, die zwar Farben, Klänge und schöne Dinge wahrnehmen aber niemals den Ursprung der Schönheit und somit auch nicht den Ursprung der Weisheit erkennen. Das können nur die Philosophen, diejenigen also, die die „Weisheit lieben“. Philosophen haben die Aufgabe, das „Gute an sich“ zu suchen. Sie müssen die Welt der Ideen - von denen alle Dinge in der sichtbaren Welt nur blasse Abbilder sind - erkennen, damit sie auch das wahre Sein erkennen können. Sokrates erklärt die verschiedenen Erkenntnisformen anhand von drei Gleichnissen:

  • Das Sonnengleichnis: Der Ursprung des Lichts in der sichtbaren Welt ist die Sonne. Ähnlich verhält es sich in der Welt der Ideen, jener Ursprungsformen, die hinter allem Sichtbaren stehen. Die Sonne dieses Universums der Ideen ist „das Gute“. Wer das Gute nicht schaut und nicht versteht, kann weder die Ideen noch das Sein verstehen.
  • Das Liniengleichnis: Man denke sich eine vertikale Linie, die vier Abschnitte aufweist. Diese vier Abschnitte symbolisieren die vier Stufen der Erkenntnis. Die beiden ersten umfassen den Bereich des Meinens, die beiden letzten den Bereich des Denkbaren. Auf der untersten Ebene befindet sich die Vermutung, darüber der Glaube, darüber der Verstand, und die höchste Ebene der Erkenntnis ist die Vernunft. Die Erkenntnisstufe des Verstandes erreichen die Naturwissenschaftler, die der Vernunft nur die Philosophen.
  • Das Höhlengleichnis ist ein Gleichnis für die Erziehung, Bildung und Vervollkommnung des Menschen. Eine Gruppe von Menschen sitzt gefesselt in einer Höhle. Ihre Fesseln erlauben es ihnen nicht, den Kopf zu wenden. Darum sind sie dazu verurteilt, auf eine Höhlenwand zu starren. Auf der Wand zeichnen sich Schatten ab, Schatten von Menschen und Objekten, die sich hinter dem Rücken der Gefesselten am Höhleneingang vorbeibewegen. Diese Schatten müssen die Gefesselten notwendigerweise für die einzige Realität halten, da sie nichts anderes zu sehen bekommen. Bis sich schließlich einer der Angeketteten befreit: Er stolpert durchs Dunkel, erreicht den Höhleneingang und sieht zum ersten Mal in seinem Leben die Sonne. Er ist zuerst geblendet und hält sie für ein künstliches Objekt (denn er kennt ja nur Schatten), bis er endlich begreift, dass dies die richtige Welt ist. Er ist wie ein Philosoph, der sich von den Schatten der sichtbaren Welt befreit hat und zur Sonne der Erkenntnis, zur Welt der Ideen, vorgestoßen ist. Kehrt er in die Höhle zurück, wird er versuchen, seine ehemaligen Mitgefangenen davon zu überzeugen, dass sie Trugbildern aufgesessen sind. Nicht auszuschließen ist, dass sie ihn dafür hassen und ihn totschlügen, wenn sie könnten.

Das Ausbildungssystem des Staates

Wie sollen nun die Philosophenkönige ausgebildet werden? Dies ist ein langer Prozess. Alle Kinder des Volkes erhalten die gleichen Chancen auf dieses Amt. Ihre Ausbildung umfasst Gymnastik, Musik, Mathematik, Geometrie, Astronomie, Dialektik und akustische Harmonik. Mit 20 Jahren müssen sich die Kinder der ersten Prüfung stellen: Wer durchfällt, wird Arbeiter, die anderen werden Wächter. Mit 30 Jahren werden durch eine weitere Prüfung die künftigen Philosophenkönige von den Wächtern geschieden. Sie erhalten eine fünfjährige Ausbildung und ein 15-jähriges „Praktikum“ in führenden Positionen. Erst wenn sie 50 Jahre alt sind, können in einer letzten Prüfung die künftigen Herrscher ermittelt werden.

Die möglichen Staatsformen

Der ideale Staat ist die Herrschaft einer Aristokratie von Philosophen. Zerfällt diese Herrschaftsform, so entwickeln sich der Reihe nach vier Verfallsformen des Staates:

  1. In der Timokratie regiert das Geld. Wächter und Herrscher, die das Privateigentum wieder einführen, teilen unter sich den ganzen Besitz des Volkes auf.
  2. Dieser Zustand verschärft sich in der Oligarchie: Hier herrscht eine kleine Gruppe von Besitzenden. Das Volk spaltet sich in Reiche und Arme. Bildung und Wissen spielen keine Rolle mehr, nur noch der Reichtum zählt.
  3. Die Demokratie entsteht, wenn sich die Armen gegen die Reichen auflehnen: Sie stürzen sie und verteilen die Ämter unter sich. Plötzlich sind alle gleich, Freiheit regiert, aber auch das Lustprinzip der menschlichen Seele. Chaos und Anarchie sind die Folgen.
  4. In der Tyrannis erscheint ein starker Mann, der das Chaos beendet und das Volk nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche führt. Dieser Führer hat jedoch keine Ahnung von Weisheit, er kümmert sich auch nicht um Philosophie. Er wird zwangläufig zum Verbrecher, weil er als Tyrann stets seine Ermordung fürchten muss.

Vom Unglück des Ungerechten und Glück des Gerechten

Der Tyrann ist ein Mensch, der jeder seiner Leidenschaften nachgibt: Er wird fortgerissen von sexuellen Ausschweifungen, Verbrechen und Gesetzlosigkeit. Er ist darum der Inbegriff des Ungerechten. Sokrates kommt nun auf die Eingangsfrage zurück. Warum ist es erstrebenswert, gerecht zu sein? Es gibt drei gute Gründe. Erstens: Der Ungerechte lebt in fortwährender Angst, dass seine schlimmen Taten einmal ihn selbst treffen, dass etwa seine Untertanen ihn ermorden könnten. Zweitens: Der Gerechte (und das ist niemand anders als der Philosoph) kann das Vergnügen der Weisheitsliebe erfahren. Nur sie kann wirklich eine erfüllte Liebe sein. Jedes andere Vergnügen ist lediglich eine vorübergehende Linderung von Schmerz (z. B. Geld als Linderung des Mangels). Drittens: Der gerechte Mensch lebt in innerer Balance mit sich. Jede Seele besteht zu Teilen aus einem Löwen, einem vielköpfigen Ungeheuer und einem Menschen. In der Seele des Ungerechten haben das Ungeheuer und der Löwe das Sagen, beim Gerechten dagegen sind sie lammfromm und die Verbündeten des menschlichen Teils. Aus alldem folgt: Der Gerechte ist erheblich glücklicher als der Ungerechte.

Zum Text

Aufbau und Stil

Platons Staat besteht aus insgesamt zehn Büchern. Das erste kann man als Einleitung, das letzte als Nachspiel bezeichnen. Der Mittelteil folgt einer Dreiteilung: Es geht zunächst um die Gerechtigkeit im Allgemeinen und um einen guten und gerechten Staat (Buch 2-4). Die Bücher 5-7 behandeln die drei Stände im Staat und die Ausbildung derselben. Das achte Buch widmet sich en détail den Verfallsformen des Staates, wozu auch die Demokratie gehört. Platon verwendet einen besonderen literarischen Kunstgriff: Die Bücher sind im Dialogstil verfasst, wobei sein Lehrer Sokrates die Rolle des Mentors und Lehrmeisters spielt, der eine Gruppe von Athener Bürgern unterrichtet. Das tut er auf eine sehr subtile Weise mithilfe von „sokratischen Fragen“: Er stellt sich dumm und überhäuft seinen Gesprächspartner fortwährend mit Fragen (meist Suggestivfragen), die diese fast zwangsläufig bejahen oder verneinen müssen. Auf diese Weise kreist er das Problem und seine Lösung (über die er sich natürlich längst im Klaren ist) so ein, dass seine Gesprächspartner den Eindruck haben, sie selbst seien zu diesem Ergebnis gekommen. Die Dialogform macht die Lektüre einerseits unterhaltsam und leicht lesbar, bläht den Text aber auch auf: Man nähert sich den Kernfragen oft im Schneckentempo.

Interpretationsansätze

  • Obwohl Platon seinen Staat als Staat der Gerechtigkeit propagiert, hat dieser doch stark totalitäre Züge. Letztendlich bestimmen Menschen von seinem Schlage (nämlich Philosophen), was für das Volk gut oder schlecht ist. Zwar werden diese Philosophenkönige nicht einfach eingesetzt, sondern durchlaufen einen langen Bildungsprozess, aber schon dieser Bildungsprozess kann als eine Form von Indoktrination betrachtet werden.
  • Platons Staatsutopie besitzt Elemente, die in der moderneren Geschichte von realen politischen Systemen aufgenommen wurden: Die strenge rassische Auswahl und die Reglementierung von Hochzeiten und Geburten (Euthanasie) erinnern an die Zwangsmaßnahmen der Nationalsozialisten, während die Vorschrift der Besitzlosigkeit und der Unterordnung persönlicher Beziehungen unter die Gemeinschaft Züge des Kommunismus aufweisen.
  • Platon unterschätzt das Streben der Menschen nach Besitz. Ihm wurde Naivität vorgeworfen, weil er glaubte, politische und wirtschaftliche Macht ließen sich trennen. In der Geschichte der Menschheit hat sich aber immer wieder gezeigt, dass wirtschaftliche und politische Macht eng zusammenhängen.
  • Ausgerechnet seine Liebe zur Weisheit und zur Erziehung der Menschen machen aus Platon einen Verfechter der Zensur. Um seine Bildungsziele zu erreichen, möchte er am liebsten jede ihm nicht genehme Form von Literatur (darunter auch die Schriften Homers) aus dem Staat verbannen. Soll Dichtung überhaupt erlaubt sein, so muss sie laut Platon bestimmten Zielen dienen, z. B. der Erziehung zu Edelmut und Stärke.
  • Einige von Platons Herleitungen und Beweisen erscheinen dem modernen Leser nicht unbedingt als plausibel. Das liegt daran, dass Platon bestimmte, in seiner Zeit anerkannte Grundannahmen voraussetzt, die wir heute kaum noch nachvollziehen können. So ist es für ihn z. B. vollkommen normal, dass sein Staat Sklaverei betreibt - bei den Griechen war das allgemein üblich. Manchmal führt er auch Scheinargumente ins Feld, die er als bewiesen deklariert, bei denen es sich aber in Wirklichkeit nur um Hypothesen handelt.

Historischer Hintergrund

Das antike Griechenland

Platon gilt als einer der größten, wenn nicht gar als der größte Philosoph der Antike. Diese geschichtliche Epoche reicht von etwa 1100 v. Chr. bis ins Jahr 476 n. Chr., das Jahr der Absetzung des letzten römischen Kaisers durch einen Germanen. Die so genannte „klassische“ Blütezeit der Antike erlebte Griechenland im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Auf den Gebieten der Kunst, Literatur (zu den wichtigsten Dichtern gehören: Aischylos, Sophokles, Euripides), Geschichtsschreibung (u. a. Herodot), Wissenschaft und Philosophie (neben Platon sind vor allem noch sein Lehrmeister Sokrates und sein Schüler Aristoteles zu nennen) war Griechenland tonangebend. Unter Alexander dem Großen breitete sich die griechische Vormachtstellung auf den gesamten Mittelmeerraum aus, und die griechische Kultur vermischte sich vielfach mit anderen Kulturen.

Die Lage Griechenlands am Mittelmeer war äußerst günstig für Handel und Schifffahrt. Die Griechen entwickelten sich zu einer Seefahrernation, die einen prosperierenden Handel mit ihren Kolonien und anderen Völkern trieb - Sklavenhandel inbegriffen. Griechische Kolonien entstanden in Italien, Sizilien, Spanien und Frankreich ebenso wie rund um das Schwarze Meer. Athen, das neben dem militaristischen Rivalen Sparta das Zentrum Griechenlands bildete, verfügte über die Staatsform der Polis (Stadtstaat). Unter der Führung des Perikles erlangte Athen eine Vormachtstellung. Bereits Jahre zuvor, nämlich 508 v. Chr., hatte Kleistenes nach der Zerschlagung der letzten Tyrannenherrschaft die antike Form der Demokratie eingeführt. Die Niederlage im Krieg mit Sparta führte dazu, dass Athen unter die oligarchische „Herrschaft der 30 Tyrannen“ gestellt wurde. Mit all diesen Staatsformen setzte sich Platon im Staat auseinander.

Entstehung

Die genaue Entstehungsgeschichte von Platons Staat ist nicht bekannt. Unter Philologen ist jedoch unstrittig, dass das erste Buch früher entstand als der Rest der Schrift. Will man die Beweggründe für Platons Staatsutopie erforschen, ist man zwangsläufig auf Spekulationen angewiesen. Man nimmt an, dass der Peloponnesische Krieg und die damit einhergehenden instabilen politischen Zustände in Athen Platon zu einer eigenen Staatslehre motivierten. Die siegreichen Spartaner, die selbst eine Oligarchie (Herrschaft einer Minderheit) bevorzugten und als Kriegernation wenig mit den kulturellen Errungenschaften Athens anfangen konnten, setzten in Athen ebenfalls eine oligarchische Herrschaft durch. Diese hielt sich jedoch nicht lange: Die Herrscher wurden schon nach acht Monaten von den Athenern davongejagt. Die anschließende radikale demokratische Regierung schien vielen aber auch nicht besser zu sein. Vor allem Platon erkannte in ihr eine korrupte Bande, die seinen Lehrmeister Sokrates aus fadenscheinigen Gründen zum Tod verurteilte. Der Staat kann als Platons Antwort auf die Politik seiner Zeit und als Entwurf eines Neuanfangs gewertet werden.

Wirkungsgeschichte

Platons Einfluss auf die Geschichte der Philosophie und auf die Staatstheorie lässt sich kaum ermessen. Im 3. Jahrhundert n. Chr. griff der Philosoph Plotin auf Platons Ideenlehre zurück und rief den Neuplatonismus ins Leben. Dass wir heute noch Platons Werke lesen können, verdanken wir dem Umstand, dass er auch im christlich geprägten Mittelalter immer wieder rezipiert wurde. Wichtige Theologen und Kirchenväter wie Augustinus und Klemens von Alexandria versuchten, die platonische Philosophie mit den Lehren des Christentums zu verknüpfen. Im 15. Jahrhundert, während der Renaissance, wurde in Florenz eine Academia Platonica gegründet in Erinnerung an die platonische Akademie, die 529 vom Kaiser Justinian I. geschlossen wurde.

Viele Philosophen fühlten sich von Platons Ideen angeregt und wirkten mit diesem Gedankengut auch auf andere ein. Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau fand bei Platon bereits eine antike Pädagogik vor: „Um eine Vorstellung von der öffentlichen Erziehung zu bekommen, muss man Platons Staat lesen. Das ist kein politisches Werk, wie die Leute behaupten, die die Bücher nur nach dem Titel beurteilen: Es ist die schönste Abhandlung über die Erziehung, die jemals geschrieben wurde.“ Friedrich Nietzsche fand rund 100 Jahre später in seiner Götzen-Dämmerung (1889) hingegen keine guten Worte für den in seinen Augen moralisierenden antiken Philosophen: „Ich finde ihn so abgeirrt von allen Grundinstinkten der Hellenen, so vermoralisiert, so präexistent-christlich - er hat bereits den Begriff ‚gut’ als obersten Begriff -, dass ich von dem ganzen Phänomen Plato eher das harte Wort ‚höherer Schwindel’ oder, wenn man’s lieber hört, Idealismus - als irgend ein andres gebrauchen möchte.“ Auf den Philosophen Alfred N. Whitehead geht die Bemerkung zurück, die Philosophiegeschichte seit der Antike habe nichts weiter geliefert als „bloße Fußnoten zum Werk Platons“. Der englische Wissenschaftstheoretiker Sir Karl Popper wetterte gegen Platons Staatstheorie und sah in ihr die erste gedankliche Grundsteinlegung des modernen Faschismus. In seinem 1954 erschienenen Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde ging Popper sogar so weit, eine direkte Verbindung zwischen den Nazis und Platon zu ziehen: „So ging ich auf Spurensuche in der Geschichte; von Hitler zurück zu Platon: dem ersten großen politischen Ideologen, der in Klassen und Rassen dachte und Konzentrationslager vorschlug.“

Über den Autor

Platon gilt als einer der größten philosophischen Denker aller Zeiten. Zusammen mit seinem Lehrer Sokrates und seinem Schüler Aristoteles bildet er das Dreigestirn am Morgenhimmel der westlichen Philosophie. Platon wird 427 v. Chr. in Athen geboren, als Sohn des Ariston, eines Nachfahren des letzten Königs von Athen. Da Platon aus aristokratischen Kreisen stammt, scheint eine politische Laufbahn vorgezeichnet. Doch die Politik verliert für ihn schnell an Reiz, als er sieht, wie die oligarchische Herrschaft der Dreißig im Jahr 404 v. Chr. Athen unterjocht. Platon betrachtet die Politik von nun an mit einem gewissen Abscheu, sie lässt ihn aber nie ganz los. Er wird ein Schüler des Sokrates, dessen ungerechte Hinrichtung im Jahr 399 v. Chr. ihn stark prägen wird. Fortan tritt Sokrates als Hauptdarsteller seiner philosophischen Schriften auf: 13 Briefe und 41 philosophische Dialoge sind überliefert. Nach der Verurteilung des Sokrates flüchtet Platon zu Euklid nach Megara (30 Kilometer westlich von Athen). Er reist weiter in die griechischen Kolonien von Kyrene (im heutigen Libyen), nach Ägypten und Italien. 387 v. Chr. kehrt er nach Athen zurück und gründet hier eine Schule: die Akademie. Deren Studienplan umfasst die Wissensgebiete Astronomie, Biologie, Mathematik, politische Theorie und Philosophie. Ihr berühmtester Schüler wird Aristoteles. 367 v. Chr. ergibt sich für Platon die einmalige Möglichkeit, sein in seinem Hauptwerk Der Staat entworfenes Politikideal in die Praxis umzusetzen: Er wird als politischer Berater an den Hof von Dionysios II., dem Herrscher von Syrakus, gerufen. Seine Hoffnungen, diesen in der Kunst des Regierens zu unterweisen, zerschlagen sich jedoch. Platon stirbt um 347 v. Chr. in Athen.

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