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Der Steppenwolf

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Der Steppenwolf

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein irres Buch über Lebensüberdruss und Lebensfreude, Klassik und Jazz, Drogen, Halluzinationen, Psychoanalyse ... und vieles mehr.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Roman der Psychoanalyse

Harry Haller ist eine gespaltene Persönlichkeit. Er glaubt aus zwei Naturen zu bestehen, Mensch und Wolf, Kultur- und Triebwesen. In der bürgerlichen Gesellschaft ist er ein Intellektueller und Außenseiter, der zunehmend depressiv wird und an Selbstmord denkt. Doch eines Nachts bekommt er scheinbar zufällig den mysteriösen Text „Tractat vom Steppenwolf“ in die Hände, in dem von ihm selbst die Rede ist. Schonungslos wird Harry auf seine persönlichen Irrtümer hingewiesen und dazu aufgefordert, zu seiner Heilung das „magische Theater“ aufzusuchen. Er macht die Bekanntschaft der Prostituierten Hermine, die sein Triebleben aufblühen lässt, und des Saxofonspielers Pablo, der ihm Drogen verabreicht und ihm eine Art Seelenspiegel vorhält. Harry sieht in sein eigenes Unbewusstes und muss erkennen: Er ist nicht nur Mensch und Wolf, sondern ein noch weit vielfältigeres Wesen. Ihm fehlen nur der Humor und die Gelassenheit, sich als solchermaßen gespalten zu akzeptieren. Hesse zergliedert im Roman die Seele seines Helden, der wohl nicht zufällig die gleichen Initialen hat wie der Autor. Ein vielschichtiges Buch, das Hesses internationalen Ruhm begründete und auch heute noch fasziniert.

Take-aways

  • Der Steppenwolf machte Hermann Hesse in den 1960er Jahren zum Kultautor der Hippiebewegung.
  • Das Werk erschien allerdings bereits 1927 und gehört zu den ersten psychoanalytischen Romanen der deutschen Literatur.
  • Der etwa 50-jährige Harry Haller sieht sich selbst als gespaltene Persönlichkeit: Neben dem Menschen steckt auch noch ein Wolf in ihm.
  • Seelenkrank schwankt Harry zwischen dem Menschlichen und dem Wölfischen, zwischen dem Geistigen und dem Triebhaften in ihm.
  • Er lebt einsam und isoliert von der bürgerlichen Welt, die er einerseits ablehnt, nach der er sich andererseits aber sehnt.
  • Während er nachts grübelnd und schwermütig durch die Gassen streift, wirft ihm ein Jahrmarktverkäufer ein Heftchen mit dem Titel „Tractat vom Steppenwolf“ zu.
  • Darin schildert ein unbekannter Erzähler, scheinbar allwissend, den psychischen Zustand des Steppenwolfs. Harry Haller erkennt sich in der Beschreibung aufs Genaueste wieder.
  • Durch die neu gewonnene Selbsterkenntnis verstärkt sich Harrys Verzweiflung und er gibt sich intensiven Selbstmordgedanken hin.
  • In einem Tanzlokal begegnet er Hermine, einer Prostituierten aus Künstlerkreisen, und Pablo, einem Jazzmusiker.
  • Hermine erweckt Harrys Leidenschaft und lehrt ihn tanzen, während Pablo ihm Drogen gibt und ihn in sein „magisches Theater“ einlädt.
  • Dort bekommt Harry eine Veranschaulichung seines Unbewussten und all der verdrängten Züge seiner Persönlichkeit.
  • Er erkennt, dass er ein vielfältiges Wesen ist, das unglücklich ist, weil es nicht alle seine Seiten anerkennt und das Leben nicht mit Humor nimmt.

Zusammenfassung

Ein merkwürdiger Mieter

Ein anonymer Erzähler schildert in einem Vorwort seine Begegnung mit einem 48-jährigen Fremden, den er den „Steppenwolf“ nennt und der einst zehn Monate lang ein Mansardenzimmer im Mietshaus der Tante des Erzählers bewohnte. Der Erzähler, selbst ein durch und durch bürgerlicher Mensch, beschreibt den Untermieter Harry Haller als faszinierenden Sonderling, als einen hochintelligenten, aber menschenscheuen und vereinsamten Gelehrten. Eines Tages verschwindet Harry Haller auf mysteriöse Weise und hinterlässt ein tagebuchähnliches Manuskript. Dieses wird nun von dem Erzähler veröffentlicht. Dessen persönlicher Eindruck von Harry scheint sich mit den vorgefundenen Aufzeichnungen Hallers zu decken und diese zu ergänzen. In den Augen des Erzählers ist Harry Haller ein gebrochener, seelisch kranker Mann, der für die normale bürgerliche Welt zu viel Geist und Begabung besitzt, um Anschluss in ihr zu finden. Er hält ihn für einen Menschen einer Gelehrtengeneration, die „zwischen die Zeiten geraten ist“ und ein neurotisches Leben voller innerer Widersprüche führt. Dies schließt er aus Beobachtungen und nur wenigen Gesprächen mit ihm. Der einzige Besuch, den Haller manchmal empfängt, ist eine junge, attraktive Frau, die aber sein Zimmer schließlich in lautem Streit verlässt. Auch Haller ist eines Tages nicht mehr da. Der Herausgeber rätselt über den Verbleib des Mannes.

Harry Hallers Aufzeichnungen

Harry Hallers Aufzeichnungen tragen den Titel: „Nur für Verrückte“. Sie schildern die Umstände, die zu seiner persönlichen Tragik geführt haben: den Verlust seines Ansehens, seines Vermögens und seiner Frau, die ihn in geisteskrankem Zustand aus dem Haus vertrieben hat. Seitdem lebt er ein isoliertes, auf sich selbst und die geistige Welt besonnenes, asketisches Leben. Mit diesem Lebensstil glaubt er sich zunächst auf dem Weg der Besserung. Doch seine Gedanken kreisen immer mehr um den Lauf der Welt und den Sinn des Menschenlebens. Er verliert seine Lebensfreude. In der Mansardenwohnung eines bürgerlichen Mietshauses wird ihm sein Dasein immer unerträglicher. Harry verachtet zwar die Durchschnittlichkeit und Enge des Bürgertums, doch bleibt dieses für ihn eine Quelle der Sentimentalität, da er selbst bürgerlich aufgewachsen ist. Als künstlerisch veranlagter Mensch lebt und denkt er nur noch in geistig-emotionalen Sphären fern von der in Tradition und Sittlichkeit festgefahrenen Welt der „Herdenmenschen“, zu denen er nicht gehören will – und ohne die er doch nicht überleben kann. Harry flüchtet sich in die Bücher großer Dichter; von diesen fühlt er sich verstanden. Nur nachts verlässt er sein Zimmer, sitzt in Wirtshäusern und betrinkt sich.

„Ein zu uns, in die Städte und ins Herdenleben verirrter Steppenwolf - schlagender konnte kein andres Bild ihn zeigen, seine scheue Vereinsamung, seine Wildheit, seine Unruhe, sein Heimweh und seine Heimatlosigkeit.“ (Herausgeber, S. 25)

Eines Nachts glaubt er auf einer Mauer plötzlich einen Eingang zu sehen, über dem eine Leuchtreklame flackert mit den Worten: „Magisches Theater – Eintritt nicht für jedermann – Nur für Verrückte!“ Doch im nächsten Augenblick verschwindet die Aufschrift wieder. Verwirrt von seiner eigenen Wahrnehmung geht Harry weiter und trifft auf einen Jahrmarktverkäufer, der ihm unvermittelt ein billiges Heftchen zuwirft, auf dem steht: „Tractat vom Steppenwolf. Nur für Verrückte“.

Der Tractat vom Steppenwolf

Zurück in seinem Zimmer vertieft sich Harry voller Neugier in die Schrift und liest darin überrascht – über sich selbst! Es geht um einen „Steppenwolf“ namens Harry, einen alternden Mann, der vielseitig begabt, jedoch zutiefst unglücklich ist. Er glaubt sich in zwei Wesen gespalten, nämlich in Mensch und Wolf. Darin erkennt er die Ursache seines Unglücks: dass er zwei Naturen in sich trägt, die nicht in Einklang stehen, sondern gegeneinander leben und seine innere Zerrissenheit bewirken. Er ist ein Doppelwesen, das von zwei Seiten gleichzeitig kontrolliert und gehemmt wird: Das Menschliche in ihm will ihn als Heiligen, als von Tugend gelenktes Wesen; das Wölfische dagegen appelliert allein an sein Triebleben, an das Wilde und Ungezügelte in ihm. Beide Seiten verlangen das Extreme, und Harry kommt dadurch dauernd mit sich und mit der Umwelt in Konflikt. In der bürgerlichen Gesellschaft findet er keinen Platz und so steigert sich sein Drang nach Einsamkeit und Unabhängigkeit wie bei einem Wolf – einem Wolf aber, der auch Mensch ist und eigentlich die Menschen braucht. Harry gehört somit zu den „heimlichen Selbstmördern“, die ständig an den freiwilligen Tod denken, um Kraft zum Weiterleben daraus zu schöpfen. Seinen 50. Geburtstag wählt er sich als den Tag aus, an dem er den „Notausgang“ nehmen könnte. Er gehört zu den Menschen mit Persönlichkeit, mit starkem Schicksal, er ist ein „Nichtbürger“ – gefangen unter lauter mittelmäßigen Bürgern.

„Haller gehört zu denen, die zwischen zwei Zeiten hineingeraten, die aus aller Geborgenheit und Unschuld herausgefallen sind, zu denen, deren Schicksal es ist, alle Fragwürdigkeit des Menschenlebens gesteigert als persönliche Qual und Hölle zu erleben.“ (Herausgeber, S. 31)

Eigentlich sind es die Steppenwölfe, die das Bürgertum am Leben erhalten, nicht die Normalbürger. Sie bekommen aber keine Anerkennung dafür. Der Steppenwolf könnte sich retten und sein Glück im Leben finden, indem er einen Kompromiss schließt und sich den Normalbürgern anpasst oder indem er die totale Erkenntnis seines Andersseins erlangt und dies mit Humor erträgt. Denn in Wahrheit belügt er sich ständig selbst: Er ist gar nicht zwiegespalten, wie er meint, sondern „vielspältig“. Nicht zwei Wesen wohnen in ihm, sondern Hunderte, ja Tausende. So etwas wie eine „Seeleneinheit“ existiert bei keinem Lebewesen. Der Mensch ist ein „Bündel aus vielen Ichs“. Seine Ganzheit zu erkennen, ist eine Forderung des Geistes. Auch der Steppenwolf Harry bleibt unglücklich gebunden an das Bürgertum, weiß aber um sein Potenzial, vom „Scheinmenschen“ endlich zu sich selbst zu finden. Das „magische Theater“, so prophezeit der „Tractat“, bietet ihm die Möglichkeit, in den Spiegel seiner Persönlichkeit zu sehen, um zu den „Unsterblichen“ zu gelangen, die durch den Humor zu vollständiger Selbsterkenntnis gelangt sind und mit allen Wesensteilen zu leben, zu lachen gelernt haben.

Neue Bekanntschaften

Harry Haller ist schwer betroffen von der Diagnose, die der Steppenwolf-Tractat ihm stellt. Er nimmt sich vor, sich gar keine Frist für den Selbstmord zu setzen, sondern sein Leben bei nächster erdrückender Gelegenheit zu beenden. Tage später begegnet er einem jungen Professor, der ihn zu sich nach Hause einlädt. Der Abend in der Stube des Professors und seiner Gattin endet in einer leidenschaftlichen Rede Hallers über Goethe, von dem ein biederes Porträt auf einem Tisch steht. Harry verehrt Goethe und bezieht dessen Faust auf sich selbst. Harry ist angeekelt von der eindimensionalen Wahrnehmung seiner Gastgeber. Der Professor erwähnt spöttisch einen pazifistischen Artikel in einer Militaristenzeitung, den Harry verfasst hat. Tief enttäuscht und niedergeschlagen verlässt er die bürgerliche Welt des Professors. Er nimmt sich fest vor, sich zu Hause umzubringen. Doch dann verirrt er sich auf dem Heimweg in das Tanzlokal „Zum Schwarzen Adler“.

„Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf.“ (Tractat vom Steppenwolf, S. 57)

Dort trifft er auf die attraktive Prostituierte Hermine. Sie scheint das Gegenteil von ihm selbst zu sein, und doch fühlen sich die beiden zueinander hingezogen. Hermine erkennt hinter Harrys Intellektualität das Tierhafte, Wilde in ihm, das er verdrängt. Harry beneidet Hermine um ihr leichtes Leben voll ausgelebter Leidenschaft. Er erkennt in ihr die weibliche Variante seiner selbst. Sie zeigt ganz offen, was in seinem Unterbewusstsein vergraben liegt. Sie freunden sich an und Hermine bringt Harry sogar das Tanzen bei. In seinem Mansardenzimmer empfängt er die Prostituierte und deren Freundin Maria und lässt sich von den beiden in die erotischen Künste einweihen. Sie verlangen kein Geld, doch freuen sie sich über Harrys Geschenke. Zwischen Harry und Maria entwickelt sich eine kurze Romanze. Durch Hermine lernt Harry auch den gut aussehenden Saxofonspieler Pablo kennen, einen Gigolo, der den Anschein von Kleingeistigkeit und Oberflächlichkeit erweckt und den Harry ablehnt. Pablo versteht nichts von Mozart und Händel, die nach Harrys Ansicht wahre Musik machten.

„Bei unsrem Steppenwolfe nun war es so, dass er in seinem Gefühl zwar bald als Wolf, bald als Mensch lebte, wie es bei allen Mischwesen der Fall ist, dass aber, wenn er Wolf war, der Mensch in ihm stets zuschauend, urteilend und richtend auf der Lauer lag - und in den Zeiten, wo er Mensch war, tat der Wolf ebenso.“ (Tractat, S. 58)

Inmitten dieser Kreise von Musikern und Prostituierten muss Harry sich bald eingestehen, dass seine neuen Freunde mehr seinem antibürgerlichen Ideal entsprechen als er selbst: Er, der die Ausbeutung hasst, hat immer noch ein paar Aktien großer Unternehmen auf der Bank liegen. Und er erwischt sich dabei, wie er sich in der eigenen Vergeistigung gefällt, während er – darin auch noch ganz Bürger – das ungeordnete Leben und den wenig verständigen Kunstgeschmack seiner neuen Freunde verachtet.

Ein Maskenball

Nachdem Harry das Tanzen gelernt hat, fordert Hermine ihn auf, zu einem Maskenball mitzukommen. Er hat in der Zwischenzeit begonnen, mit mehr Leidenschaft zu leben, und seine Wahrnehmung wird fantasiereicher. Am Maskenball stößt er wieder auf einige bizarre Zeilen: „Heut Nacht von vier Uhr an magisches Theater – nur für Verrückte – Eintritt kostet den Verstand. Nicht für jedermann. Hermine ist in der Hölle.“ In einem als Hölle dekorierten Keller erkennt Harry Hermine, die sich als Jüngling verkleidet hat und wie sein Jugendfreund Hermann aussieht. Harry verliert sich später im rauschhaften Treiben des Tanzsaals und erlebt, wie es ist, als einzelne Person in einer Menschenmenge unterzugehen. Er tanzt mit allen Frauen, bis er schließlich wieder Hermine erkennt, die diesmal als schwarze Pierrette mit weißem Gesicht verkleidet ist. Als der Maskenball vorbei ist, lädt Pablo Harry zu einer kleinen Unterhaltung in seinem „magischen Theater“ ein. Harry ist verblüfft und voller Erwartungen. Die beiden konsumieren Drogen, und Pablo führt Harry in sein Theater, in dem hinter jeder Logentür das zu finden sei, wonach man gerade suche. Man treffe dort auf einen großen Spiegel, sagt Pablo. Bevor man aber eintrete, müsse man seine starre Persönlichkeit überwinden und über sich selbst lachen lernen.

Im magischen Theater

Für Harry Haller beginnt eine von den Drogen beeinflusste Geistesodyssee durch sechs Türen. Hinter der ersten Tür mit der Aufschrift: „Hochjagd auf Automobile“ kommt es zu einer Szene, in der Harry mit seinem Jugendfreund Gustav auf fahrende Autos schießt und die Menschen darin tötet.

„Der Machtmensch geht an der Macht zugrunde, der Geldmensch am Geld, der Unterwürfige am Dienen, der Lustsucher an der Lust. Und so ging der Steppenwolf an seiner Unabhängigkeit zugrunde.“ (Tractat, S. 63)

Dann folgt die Tür mit der Aufschrift „Anleitung zum Aufbau der Persönlichkeit“, hinter der Harry auf einen Schachspieler trifft. Dieser sieht Pablo sehr ähnlich und spielt mit Schachfiguren, die Harrys Einzelpersönlichkeiten symbolisieren und die untereinander Freundschaften schließen oder sich bekämpfen.

„Die Brust, der Leib, ist eben immer eines, der darin wohnenden Seelen aber sind nicht zwei, oder fünf, sondern unzählige; der Mensch ist eine aus hundert Schalen bestehende Zwiebel, ein aus vielen Fäden bestehendes Gewebe.“ (Tractat, S. 80)

Hinter der Tür mit der Aufschrift „Wunder der Steppenwolfdressur“ gelangt Harry in einen Zirkus, wo er auf einen ihm ähnlich sehenden Tierbändiger trifft, der einen halb verhungerten Wolf dazu dressiert, das Lamm vor ihm zu verschonen. Daraufhin tauschen Mann und Tier ihre Rollen, und der Tierbändiger soll dem Wolf gehorchen. Doch im Gegensatz zum Wolf verschont der Mann das Lamm nicht, sondern zerreißt und frisst es.

„Ein Mensch, der fähig ist, Buddha zu begreifen, ein Mensch, der eine Ahnung hat von den Himmeln und Abgründen des Menschentums, sollte nicht in einer Welt leben, in welcher common sense, Demokratie und bürgerliche Bildung herrschen.“ (Tractat, S. 86)

Auf der nächsten Tür heißt es: „Alle Mädchen sind dein“. Hinter ihr wird Harry in seine Jugend zurückversetzt und trifft alle Mädchen und Frauen wieder, die er gekannt hat. Diesmal aber lebt er mit jeder die Liebe aus, was er in der Wirklichkeit verpasst hat.

Als er die Tür „Wie man durch Liebe tötet“ durchschreitet, wird er in seinen alten, depressiven Zustand zurückgeworfen. In seiner Tasche entdeckt er erschrocken ein Messer und plötzlich begegnet er einem irrsinnigen Mozart. Im nächsten Augenblick steht er vor einem großen Wandspiegel, in dem er noch einmal dem Verlauf seines ganzen Lebens zusehen kann. Das meiste, was er sieht, gefällt ihm nicht. Mit dem Messer in der Hand schreitet er ins nächste Zimmer, um sich dort umzubringen, und findet am Boden Hermine und Pablo vor, die erschöpft vom Liebesspiel eingeschlafen sind. Als Hermine aufwacht und verwundert zu Harry aufblickt, ersticht er sie und bereut es sofort. Pablo erwacht gleich darauf und verlässt lächelnd den Raum. Plötzlich erscheint wieder Mozart, diesmal mit einem Radioapparat, aus dem ein Händelkonzert mit grässlichen Störgeräuschen zu hören ist. Harry ist von seinem Idol Mozart schockiert. Dieser jedoch beruhigt ihn und ermahnt ihn, die Dinge mit Humor zu betrachten und endlich das Lachen zu lernen.

„Begreifst du das nicht, du gelehrter Herr: dass ich dir darum gefalle und für dich wichtig bin, weil ich wie eine Art Spiegel für dich bin, weil in mir innen etwas ist, was dir Antwort gibt und dich versteht?“ (Hermine, S. 141)

Die nächste Inschrift lautet: „Harrys Hinrichtung“. Dies bedeutet aber nicht seinen Tod, sondern seine Verurteilung zum ewigen Leben, zur zwölfstündigen Verbannung aus dem magischen Theater und zum Ausgelachtwerden. Das Urteil wird sofort vollzogen.

Harry kehrt in die Wirklichkeit zurück, die Wirkung des Rauschmittels lässt nach. Pablo sitzt vor ihm und wiederholt, was Mozart schon gesagt hat. Harry nimmt sich vor, von Neuem hinter alle Türen zu blicken, alles Leid nochmals zu ertragen, bis er sein Leben verstanden und – bis er zu lachen gelernt hat.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Steppenwolf ist in drei Erzählperspektiven gegliedert, so als hätte der Roman selbst drei Verfasser. Der erste Erzähler ist der anonyme Herausgeber, der in seinem Vorwort die Hauptfigur Harry Haller als „Steppenwolf“ beschreibt. Der zweite Erzähler ist Harry Haller selbst. In seine tagebuchartigen Aufzeichnungen wiederum wird ein Essay („Tractat vom Steppenwolf“) eingeschoben, in dem der dritte Erzähler zum Zug kommt. Durch den Einschub des „Tractats“ ist der Roman in vier Teile gegliedert: Vorwort des Herausgebers, Harry Hallers Aufzeichnungen I, „Tractat vom Steppenwolf“ und Harry Hallers Aufzeichnungen II. Eine Einteilung in Kapitel gibt es nicht. Mit dem Vorwort des fiktiven Herausgebers wird dem Leser eine größere Authentizität vorspiegelt. Die persönlichen Aufzeichnungen der Hauptfigur sind in einer teils nüchternen, teils lyrischen Sprache verfasst. Hesse fügt dazwischen mehrere einfache Gedichte ein: „Ich Steppenwolf trabe und trabe, / Die Welt liegt voll Schnee, / Vom Birkenbaum flügelt der Rabe, / Aber nirgends ein Hase, nirgends ein Reh! / In die Rehe bin ich so verliebt, / Wenn ich doch eins fände!“ Die Geschichte selbst ist recht handlungsarm und basiert hauptsächlich auf Gedanken, Anschauungen und Erkenntnissen des Protagonisten Harry Haller.

Interpretationsansätze

  • Harry Haller verkörpert eine gespaltene Persönlichkeit, die sich auch selbst als solche wahrnimmt. Hermann Hesse verwendet hier Erkenntnisse der Psychoanalyse, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Sigmund Freud und C. G. Jung begründet wurde. Hesse selbst befand sich zeitweise in Behandlung eines Schülers von Jung.
  • Harrys Abscheu gegen das Bürgertum ist ein deutliches Indiz für seine Ambivalenz, seinen in zwei Extreme gleichzeitig getriebenen Seelenzustand, da er weder als normaler Bürger noch ohne die bürgerliche Gesellschaft und ihre Werte leben kann.
  • Im magischen Theater, einer Art Seelenspiegel, hat Harry die Möglichkeit, die verschiedenen Facetten seines Wesens zu erkennen und anzunehmen, um von der vereinfachenden Wolf-Mensch-Theorie loszukommen und sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Was er hinter den Türen des magischen Theaters erlebt, spiegelt den inneren Prozess der Selbstfindung und der Selbsterkenntnis wider.
  • Die Pointe der Geschichte liegt in der Bedeutung des Humors. Wer das Leben und sich selbst mit Humor betrachtet, wer über sich selbst lachen kann, der gewinnt jene nahezu göttliche Heiterkeit, die das Leben erträglich macht.
  • Nicht zufällig hat Harry Haller dieselben Initialen wie sein Autor: Der Steppenwolf darf als verschlüsselte Autobiografie Hermann Hesses gelesen werden. Wie Harry Haller litt auch Hesse unter einer Seelenkrise und hegte Selbstmordabsichten.
  • Harry Hallers starker Pessimismus wirkte auf manche Leser verstörend. Hesse setzte dem jedoch entgegen, dass es gerade die Botschaft des Buches sei, den Optimismus wiederzuerlangen.

Historischer Hintergrund

Psychoanalyse und Literatur

Das Aufkommen der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs Anfang des 20. Jahrhunderts hatte starken Einfluss auf die Literatur jener Zeit. Die oberflächliche Betrachtungsweise der Naturalisten geriet ins Wanken, und es entwickelte sich eine Gegenströmung zum Naturalismus, der sich viele Schriftsteller anschlossen. Nicht nur die so genannte Wiener Moderne ist ohne die Psychoanalyse undenkbar: So gut wie jeder bedeutende deutschsprachige Autor jener Zeit setzte sich mit den Ergebnissen der neuen Wissenschaft auseinander – kein Wunder, denn schließlich nahm die Literatur ja schon lange vor Freud für sich in Anspruch, das Seelenleben des Menschen zu erkunden und darzustellen. Man kann sagen, dass die Psychoanalyse und die literarische Moderne sowohl kooperierten als auch konkurrierten. Beide reagierten gleichermaßen auf die Identitätsprobleme des modernen Menschen in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft. Im Steppenwolf veranschaulicht Hesse Freuds These, dass der Mensch aus den Trieben („Es“), dem Bewusstsein („Ich“) und dem Gewissen („Über-Ich“) besteht. Auch C. G. Jungs Thesen von der „Individuation“ (Selbstwerdung) und dem „Schatten“ (der dunklen Seite der Persönlichkeit) werden im Steppenwolf reflektiert. Schon mit seinem früheren Werk Demian (1919) bekannte sich Hesse als einer der ersten deutschen Schriftsteller zu Freud und Jung sowie zu deren Vorläufer Friedrich Nietzsche, der schrieb: „Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch – ein Seil über einem Abgrunde.“

Entstehung

Am Anfang von Hermann Hesses Steppenwolf-Projekt standen einige Gedichte, die er 1925/26 unter dem Titel Der Steppenwolf – Ein Stück Tagebuch in Versen in der Neuen Rundschau veröffentlichte. Ende 1926 begann er dann, an dem Prosatext zu arbeiten. Der eingefügte Essay Tractat vom Steppenwolf erschien 1927 als Vorabdruck, bevor noch im gleichen Jahr – dem Jahr übrigens, in dem Hesse 50 Jahre alt wurde – der ganze Roman herauskam. Mit Der Steppenwolf schrieb Hesse eine seelische Beichte, eine verschlüsselte Autobiografie. Die Figur Harry Haller trägt unverkennbar Züge des Autors. Wie Haller schrieb Hesse sein Manuskript in einer Mansardenwohnung in Basel und lebte in Einsamkeit und Verzweiflung; auch Selbstmordgedanken waren ihm nicht fremd. Während der Niederschrift notierte er in seinem Tagebuch: „Auf Eure Welt anders zu reagieren als durch Krepieren oder durch den Steppenwolf, wäre für mich Verrat an allem, was heilig ist.“ Hesse wurde zum Patienten eines Schülers des Psychoanalytikers C. G. Jung. Im Steppenwolf veranschaulicht er den eigenen psychoanalytischen Heilungsprozess anhand von Harry Hallers Erlebnissen. Noch vor Arbeitsbeginn an dem Roman schrieb Hermann Hesse in einem Brief an seinen Freund Georg Reinhardt: „Es ist die Geschichte eines Menschen, welcher komischerweise darunter leidet, dass er zur Hälfte ein Mensch, zur anderen Hälfte ein Wolf ist. Die eine Hälfte will fressen, saufen, morden und dergleichen einfache Dinge, die andere will denken, Mozart hören und so weiter, dadurch entstehen Störungen, und es geht dem Mann nicht gut, bis er entdeckt, dass es zwei Auswege aus seiner Lage gibt, entweder sich aufzuhängen oder aber sich zum Humor zu bekehren.“

Wirkungsgeschichte

Die große Bedeutung des Steppenwolfs liegt darin, dass psychologisch-existenzielle Konflikte in den Vordergrund gestellt werden. Anfangs war die Reaktion auf Hesses schonungslose Abrechnung mit dem Bürgertum und das offen dargelegte eigene Krankheitsbild zwiespältig. Die einen lehnten den Kulturpessimismus in Hesses Roman ab, da der Autor zuvor immer als Neuromantiker wahrgenommen worden war und nun plötzlich ganz neue Töne anschlug. Die anderen, insbesondere viele Literaturkritiker und Dichterkollegen, bekundeten begeistert ihre Zustimmung. Hesse selbst fand sein Buch wie kein anderes zuvor missverstanden. Es gehe darin zwar auch um Seelenkrisen und düstere Erkenntnisse, aber vor allem um die Befreiung davon, im Zentrum stehe die Heilung, nicht der Tod. Bereits 1927 erschienen, löste das Buch in den 60er Jahren, in der Flower-Power-Zeit, einen regelrechten Hesse-Boom aus – zunächst in den USA und dann weltweit. Von den Hippies wurde es als Ermunterung zum Drogenkonsum verstanden. Hermann Hesse gehört seit dem Steppenwolf zu den auf der ganzen Welt meistgelesenen deutschen Schriftstellern. Über sein Gesamtwerk sagte Hesse, dass es immer ein einziges Thema in verschiedenen Varianten behandle: „die Verteidigung der individuellen Persönlichkeit“. Der aufgrund seiner mehrfach wechselnden Erzählperspektiven als unverfilmbar geltende Roman wurde dennoch 1974 von Fred Haines verfilmt. Außerdem benannte sich die US-Rockband Steppenwolf nach dem Roman, die mit ihrem Song Born to be Wild im Hippiefilm Easy Rider 1969 berühmt wurde.

Über den Autor

Hermann Hesse wird am 2. Juli 1877 im Schwarzwaldstädtchen Calw als Sohn des Missionars Johannes Hesse und der ebenfalls missionarisch tätigen Marie Gundert geboren. 1881 zieht die Familie nach Basel, wo der Vater die Schweizer Staatsangehörigkeit annimmt. Nach der Rückkehr nach Calw im Jahr 1883 besucht Hesse die Lateinschule in Göppingen. 1891 tritt er in das evangelische Klosterseminar in Maulbronn ein. Ein Jahr später flüchtet er jedoch von dort, um Dichter zu werden. Nach einem Selbstmordversuch besteht er 1893 das Einjährig-Freiwilligen-Examen (mittlere Reife) am Gymnasium in Cannstatt. Im gleichen Jahr beginnt er eine Buchhändlerlehre, die er jedoch nach nur drei Tagen hinwirft. Nach einer Ausbildung zum Mechaniker fühlt er sich wieder bereit für Geistiges und beendet die zweite begonnene Buchhändlerlehre erfolgreich. Nach den Gedichtsammlungen Das deutsche Dichterheim und Romantische Lieder bringt der Roman Peter Camenzind (1904) Hesse den Durchbruch als Autor. In diesem Werk und im zwei Jahre später fertiggestellten Unterm Rad (1906) verarbeitet er seine schlechten Erfahrungen aus der Schulzeit. 1911 unternimmt er die einzige große Reise seines Lebens, die ihn nach Ceylon und Sumatra führt. Die dort empfangenen Eindrücke werden für sein weiteres Werk sehr wichtig. 1916 erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Der Grund ist der Tod seines Vaters und die voranschreitende Schizophrenie seiner Frau Maria Bernoulli. Hesse begibt sich in die psychotherapeutische Behandlung eines Schülers von C. G. Jung. Die Beschäftigung mit der Jung’schen Archetypenlehre findet ihren literarischen Niederschlag in der 1919 veröffentlichten Erzählung Demian und im Roman Narziß und Goldmund (1929/30). Hesses Bücher bekommen einen fernöstlich beeinflussten, meditativen Charakter, besonders Siddhartha (1922). 1927, zwischen seiner zweiten und seiner dritten Heirat, erscheint der Roman Der Steppenwolf. Während der NS-Herrschaft werden viele Bücher Hermann Hesses in Deutschland verboten. In dieser Zeit schreibt er sehr lange (1930–1943) an seinem großen Spätwerk Das Glasperlenspiel. 1946 erhält Hesse den Nobelpreis für Literatur, 1955 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am 9. August 1962 stirbt Hermann Hesse in Montagnola in seiner Wahlheimat, der Schweiz.

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