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Der Tod auf dem Nil

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Der Tod auf dem Nil

Ein Fall für Poirot

Atlantik,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das perfekte Alibi? „Nicht mit mir!“, sagt Meisterdetektiv Hercule Poirot.


Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Moderne

Worum es geht

Ein ausgeklügelter Mord vor exotischer Kulisse

Eigentlich will Hercule Poirot nur Urlaub machen. Doch auf dem Nildampfer, mit dem der belgische Meisterdetektiv eine Kreuzfahrt unternimmt, wird eine schöne Millionärserbin ermordet. Fast jeder der Mitreisenden kommt als Täter infrage, auch der Gatte des Opfers und seine Exgeliebte, die allerdings beide ein bombenfestes Alibi haben. Doch Poirot wäre nicht Poirot, wenn er sich dadurch täuschen ließe. Mit der gewohnten Mischung aus Charme und Beharrlichkeit befragt er die Passagiere und kommt nebenbei allerlei verborgenen Süchten und Marotten der britischen Upperclass auf die Spur. Immer wieder lässt er sich auf falsche Fährten lenken, doch am Ende findet er dank seiner brillanten Kombinationsgabe die Lösung. Man kann Agatha Christies klassischem Detektivroman einiges vorwerfen: Die Handlung wirkt bisweilen unglaubwürdig, die Charaktere sind recht einfach gestrickt und am Ende ist die heile Welt wiederhergestellt. Doch dies sind Kleinigkeiten angesichts der Tatsache, dass das Buch von der ersten bis zur letzten Seite einfach ein spannendes Lesevergnügen ist.

Take-aways

  • Agatha Christies Der Tod auf dem Nil ist ein Klassiker der Krimiliteratur und eines der bekanntesten Werke der britischen Autorin.
  • Inhalt: Während einer Kreuzfahrt auf dem Nil wird die schöne und reiche Linnet erschossen. Viele Passagiere haben ein Motiv, allen voran ihr Mann und dessen Exgeliebte – doch die haben ein perfektes Alibi. Meisterdetektiv Hercule Poirot gelingt es dank seiner genialen Kombinationsgabe dennoch, die Täter zu entlarven.
  • Der Tod auf dem Nil ist ein klassischer „Whodunit-Krimi“, bei dem die Lösung eines rätselhaften Mordfalls im Vordergrund steht.
  • Durch viele falsche Fährten wird der Spannungsbogen fast bis zur letzten Seite aufrechterhalten.
  • Die Figuren des Romans sind psychologisch recht einfach gestrickt und entsprechen meist nationalen Klischees.
  • Der Roman lebt von seinen spritzigen, pointenreichen Dialogen.
  • Trotz Mord und Totschlag wird am Ende des Romans die heile Welt wiederhergestellt – ein Zugeständnis Christies an die zeitgenössische Leserschaft.
  • Agatha Christie schrieb den Roman während einer ihrer archäologischen Expeditionen im Orient.
  • Der Tod auf dem Nil wurde 1978 mit Peter Ustinov in der Rolle des Hercule Poirot verfilmt.
  • Zitat: „Hercule Poirot sah zu und registrierte alle Eindrücke in seinem wohlsortierten, aufgeräumten Hirn.“

Zusammenfassung

Liebestragödie und Rachsucht

Die bildschöne, charmante und kluge Linnet Ridgeway ist eines der reichsten Mädchen Englands. Zusammen mit ihrem frisch angetrauten Gatten, dem attraktiven Habenichts Simon Doyle, zieht sie im ägyptischen Assuan alle Blicke auf sich. Und zwar nicht nur wohlwollende, wie der berühmte Detektiv Hercule Poirot, der auch gerade Urlaub in Ägypten macht, feststellen muss. Da ist etwa die verarmte Jacqueline de Bellefort, Linnets älteste Freundin und die Exverlobte von Simon Doyle. Linnet hatte den mittellosen Simon auf Jacquelines Bitte als Gutsverwalter angestellt – und sich dann in ihn verliebt. Aus Rache verfolgt Jacqueline das Paar nun auf Tritt und Schritt. Als Linnet dem Detektiv ihr Leid klagt, weist dieser sie auf ihre eigene Verantwortung hin: Sie hat der besten Freundin den Mann weggenommen und muss nun die Folgen ertragen. Der traurigen Jacqueline rät er, die Vergangenheit ruhen zu lassen, doch sie liebt Simon immer noch. Als sie Poirot eine Pistole zeigt, mit der sie Linnet töten will, warnt er sie, nicht derart ihrem Hass nachzugeben.

„Hercule Poirot sah zu und registrierte alle Eindrücke in seinem wohlsortierten, aufgeräumten Hirn.“ (S. 19)

Simon erzählt Poirot, er und Linnet planten, heimlich auf einem Nildampfer abzureisen, um Jacqueline zu entkommen. Auf dem Schiff befinden sich schließlich auch noch andere Reisende, mit denen Linnet mehr oder weniger bekannt ist. Da ist Andrew Pennington, ihr amerikanischer Vermögensverwalter, der auf die Nachricht von Linnets Hochzeit aus Amerika herbeigeeilt ist, dabei aber tut, als sei er zufällig da und wisse nichts von der Heirat. Da ist die charmante Mrs Allerton mit ihrem überaus anhänglichen Sohn Tim, dessen guten Kontakt zu seiner Cousine Joanna Southwood sie eifersüchtig beobachtet. Da ist die auf Sexszenen spezialisierte Schriftstellerin Mrs Otterbourne mit ihrer Tochter Rosalie, die neidisch auf die perfekt scheinende Linnet ist. Da ist der italienische Archäologe Guido Richetti in Begleitung von Mr Ferguson, einem jungen Sozialisten. Da ist der schweigsame Anwalt Mr Fanthorp, außerdem die ebenso reiche wie zickige alte Amerikanerin Miss Van Schuyler, begleitet von ihrer Cousine Cornelia Robson und ihrer Pflegerin Miss Bowers. Und da ist schließlich Dr. Ludwig Bessner, ein beleibter deutscher Arzt. Ebenfalls zugegen ist Jacqueline, die im letzten Moment Wind von der Flucht des Brautpaars bekommen hat. Poirot, auch Passagier auf dem Schiff, kommt mit allen Mitreisenden ins Gespräch.

Ein misslungener Mordanschlag

Nach einem Landgang in Ez-Zebua drängt Pennington Linnet, einen Stapel Papiere zu unterschreiben, und versichert ihr, sie müsse nicht alles so gründlich durchlesen. Fanthorp, der zufällig dabeisteht, warnt sie, nichts ungelesen zu unterschreiben. Derweil ärgert sich Ferguson über die reichen Parasiten, die den ganzen Tag nichts tun und auf Kosten der Arbeiter Millionen scheffeln. Man sollte sie alle erschießen, meint er. Im Lauf der Zeit bessert sich die Stimmung an Bord. Linnet und Simon haben sich mit der Situation abgefunden und wirken entspannt. Als sie bei einer Besichtigungstour an Land im Sand liegen, stürzt plötzlich ein Felsbrocken herunter. In letzter Sekunde können die beiden ausweichen. Linnet ist nur knapp dem Tod entronnen, und Simon hat gleich einen Verdacht. Als Jacqueline ihnen bei der Rückkehr zum Schiff auf der Gangway entgegenkommt, ist er erleichtert: Sie war die ganze Zeit auf dem Schiff, kann es also nicht gewesen sein.

„Warum finden Männer Kriminelles eigentlich so toll? Ich hasse Detektivgeschichten, ich lese sie nie.“ (Mrs Allerton, S. 40)

Auch Poirot hält Jacqueline für unschuldig: Zu offen hat sie Linnet gedroht, als dass sie ihr wirklich etwas antun würde. Aber wer war es dann? An eine natürliche Ursache glaube er nicht, vertraut er Colonel Race, einem alten Bekannten an, der sich zufällig ebenfalls an Bord befindet. Poirot fürchtet eine Katastrophe und empfiehlt dem Ehepaar, das Schiff zu verlassen – vergebens. Spätabends, Linnet ist wie die meisten anderen Passagiere schon schlafen gegangen, kommt es im Salon zu einem Eklat, als die betrunkene Jacqueline Simon vor Zeugen eine Szene macht. Er gehöre ihr, schreit sie und zieht die Pistole hervor. Ein Schuss geht los und trifft Simon ins Bein, der indes bemüht ist, die Sache herunterzuspielen, und darum bittet, die hysterische Jacqueline in ihre Kabine zu bringen und sie nicht allein zu lassen. Die Pflegerin Miss Bowers kümmert sich um sie und verabreicht ihr Morphium. Der zu Hilfe gerufene Dr. Bessner versorgt zusammen mit Cornelia Robson den Verletzten in seiner eigenen Kabine. Der hat noch eine Bitte: Man soll die Pistole aus dem Salon holen – doch da ist sie nicht mehr.

Ein gelungener Mordanschlag

Am nächsten Morgen ist die Aufregung groß: Linnet ist durch einen Kopfschuss getötet worden. An der Wand ihrer Kabine steht mit ihrem Blut ein J geschrieben. Sollte Jacqueline Linnet erschossen haben, wie sie es angedroht hat? Poirot ist das alles zu einfach. Im Grunde hält er sie eines so kaltblütigen Mordes nicht fähig. Außerdem war ja Miss Bowers die ganze Nacht bei ihr. Auch die Zeugen der Szene im Salon, Cornelia Robson und Fanthorp, entlasten Jacqueline: Simon sei sehr darauf bedacht gewesen, dass sie nicht allein bleibe, da sie aus Verzweiflung über ihre Tat hätte Selbstmord begehen können. Die ganze Zeit über war jemand bei ihr, und die Pistole, so sagen beide übereinstimmend, habe sie nicht wieder an sich genommen. Es muss also jemand anders gewesen sein, der – vielleicht durchs Fenster – gesehen hat, wie die Pistole unter das Sofa gefallen ist.

Wenig Alibis, viele Motive

Poirot nimmt zusammen mit Race die Ermittlungen auf. Als er Simon verhört, erzählt ihm dieser, Linnet habe auf der Passagierliste den Namen von jemandem entdeckt, der früher durch irgendwelche Geldgeschichten ihres Vaters finanzielle Verluste gemacht habe und deshalb Groll gegen ihre Familie hege. Auch Ferguson, der alle Reichen hasst, erscheint verdächtig. Und wie sieht es mit Linnets Dienstmädchen Louise Bourget aus? Louise hat die Tote gefunden. Hatte sie es womöglich auf die wertvollen Perlen ihrer Herrin abgesehen? Die sind nämlich verschwunden. Louise selbst, der die beiden Ermittler nicht ganz trauen, bringt noch einen weiteren Verdächtigen ins Spiel: Fleetwood, einer der Maschinisten auf dem Schiff, war wütend auf Linnet, weil sie seine Heirat mit ihrem vorigen Dienstmädchen vereitelt hatte. Könnte er sie getötet haben? Oder war es doch der Treuhänder Pennington, der ein Interesse daran gehabt haben könnte, die sorgfältige Geschäftsfrau Linnet aus dem Weg zu schaffen, um mit ihrem Witwer Simon einen nachlässigeren Verhandlungspartner zu bekommen? Und dann stellt sich noch die Frage, was das eigentlich für ein merkwürdiges Platschen war, das einige Passagiere in der Nacht gehört haben wollen.

„Es gibt Zeiten, Madame, da gehen Stolz und Würde – über Bord! Da herrschen andere, stärkere Gefühle vor.“ (Poirot zu Jacqueline, S. 57)

Das kann Miss Van Schuyler klären, die einen leichten Schlaf hat. Sie hat beobachtet, wie nachts, um zehn nach eins, eine sehr aufgewühlte Rosalie Otterbourne etwas über die Reling ins Wasser geworfen hat – offenbar die Pistole, die kurz darauf tatsächlich aus dem Wasser gefischt wird, eingewickelt in ein billiges Herrentaschentuch und in die Samtstola von Miss Van Schuyler. Bei der Befragung bestreitet Rosalie indes, nachts ihre Kabine verlassen zu haben. Es steht Aussage gegen Aussage. Wem sollen die beiden Ermittler glauben? Auch die Vernehmung der übrigen Passagiere bringt sie nicht weiter. Für die Tatzeit – etwa Mitternacht – haben nur Cornelia Robson, Fanthorp, Simon und Jacqueline ein sicheres Alibi. Und Gründe, Linnet umzubringen, gibt es genug – von Fleetwoods Rachsucht über Penningtons Betrügereien und Fergusons Reichenhass bis hin zu Rosalies Neid. Die entscheidende Frage für Poirot ist: Warum wurde die Pistole, die ja den Verdacht auf Jacqueline gelenkt hätte, über Bord geworfen?

Heimliche Süchte, Marotten und Begierden

Auf Simons Wunsch führt Poirot Jacqueline zu ihm. Sie entschuldigt sich tränenreich bei ihrem Exgeliebten und versichert, Linnet nicht umgebracht zu haben. Sie zeigt keine Spur mehr von der Wut, die sie noch einen Tag zuvor auf sie hatte. Derweil konfrontiert Poirot Rosalie Otterbourne, die von der ganzen Sache sehr mitgenommen scheint, mit harten Tatsachen: Ihre Mutter sei eine heimliche Trinkerin, und Rosalie versuche sie zu schützen. Rosalie gibt sofort zu: Am Abend zuvor habe sie wieder einmal einen versteckten Alkoholvorrat gefunden, den sie nachts, als die Mutter schlief, in den Nil entsorgt habe. Spürbar erleichtert erklärt sie, sie habe die Mutter, deren billige Sexbücher schon lange keiner mehr lese, vor weiteren Kränkungen bewahren wollen. Poirot staunt: Dafür hat das Mädchen sogar in Kauf genommen, eines Mordes verdächtigt zu werden.

„Denn – wenn Sie es einladen – dann kommt das Böse … Ja, ganz sicher kommt das Böse dann … Es kommt herein und nistet sich ein, und nach einer Weile lässt es sich nicht mehr vertreiben.“ (Poirot zu Jacqueline, S. 69)

Beim Mittagessen verkündet Race, alle Kabinen und Passagiere würden nach der verschwundenen Perlenkette durchsucht. Darauf bittet Miss Bowers, die beiden Ermittler unter sechs Augen sprechen zu dürfen, und überreicht ihnen zu deren großer Überraschung die Perlenkette. Nicht sie habe die Kette gestohlen, sondern Miss Van Schuyler, die eine krankhafte Kleptomanin sei. Um deren Familie vor der Schande zu schützen, ist die Pflegerin sehr auf Diskretion bedacht. Nachdem sie gegangen ist, inspiziert Poirot die Perlen und ist sich sogleich sicher: Es handelt sich um eine nahezu perfekte Imitation. Doch die Inspektion der Kabinen und Passagiere fördert noch weitere Überraschungen ans Tageslicht: Pennington hat einen Colt dabei, in Rosalies Handtasche findet sich eine Damenpistole und Louise Bourget ist verschwunden. Poirot und Race entdecken sie in ihrer Kabine unter dem Bett, durch einen Stich ins Herz getötet, in der Faust ein abgerissenes Stück eines Geldscheins. Die Sache scheint klar: Louise kannte den Mörder, hat versucht ihn zu erpressen und ist ihrer eigenen Gier zum Opfer gefallen.

Sex and Crime

Die Sexexpertin Mrs Otterbourne triumphiert: Sie hat es ja gleich gewusst, hinter all dem furchtbaren Geschehen stecken unterdrückte Triebe. Sie hat überdies, sagt sie, den Mörder von Louise gesehen. Doch gerade als sie den beiden Ermittlern seinen Namen nennen will, wird sie von draußen erschossen – mit Penningtons Colt, der vor der Kabinentür gefunden wird. Vom Täter aber fehlt jede Spur. Nebenbei erfahren Poirot und Race nun, dass es Cornelia Robsons Vater war, den Linnets Vater ruiniert hatte. Ferguson bewundert das Mädchen, das frei von jeder Rachsucht ist und Linnets Tod auch noch beklagt. Doch als er bei ihrer Cousine Miss Van Schuyler um Cornelias Hand anhält, erhält er eine Abfuhr: Seine gesellschaftliche Stellung passe nicht zu der Cornelias. Wie überrascht ist Miss Van Schuyler da, als Poirot ihr die wahre Identität Fergusons verrät: Es handelt sich um den exzentrischen Lord Dawlish, der zwar ein Kommunist, aber unermesslich reich ist.

„Mordmotive sind manchmal sehr banal, Madame.“ (Poirot zu Mrs Allerton, S. 86)

Poirot knüpft sich nun Fanthorp vor, der mit der Sprache herausrückt: Sein Onkel, Linnets englischer Anwalt, hat ihn hergeschickt, weil er gehört hatte, dass Pennington, den er verdächtigte, Linnet zu hintergehen, sich auf dem Weg nach Ägypten befand. Tatsächlich gesteht Pennington, dass er keineswegs zufällig in Assuan aufgekreuzt ist, sondern kurz zuvor von Linnets Hochzeit erfahren hatte. Im Fall ihrer Heirat aber, das hatte ihr Vater testamentarisch verfügt, sollte sie selbst die Verfügungsgewalt über die geerbten Millionen erhalten. Als gute Geschäftsfrau hätte sie schnell gemerkt, dass ihr amerikanischer Vermögensverwalter Geld veruntreut hatte. Race freut sich schon über die Lösung des Falls: Pennington muss der Mörder sein. Doch damit gibt sich Poirot nicht zufrieden. Er ruft Tim Allerton herein und konfrontiert ihn mit den Fakten: Im Auftrag seiner Cousine Joanne Southwood, einer gesuchten Juwelendiebin, hat er die Perlen gegen eine Imitation ausgetauscht und gut versteckt. Der Mörder ist aber auch er nicht.

Des Rätsels Lösung

Poirot weiß ohnehin längst, wer die drei Morde begangen hat: Simon und Jacqueline. Minutiös rekonstruiert der Detektiv nun den Tathergang: Der Streit zwischen Simon und Jacqueline im Salon, ausgetragen vor den Zeugen Cornelia und Fanthorp, war gut inszeniert. Der Schuss ging absichtlich daneben. Um eine Verletzung vorzutäuschen, drückte sich Simon ein mit roter Tinte beflecktes Taschentuch ans Bein, während Jacqueline die Pistole unter das Sofa warf. Dann bat Simon Cornelia und Fanthorp, Jacqueline in ihre Kabine zu begleiten und den Arzt zu holen. Ihre fünfminütige Abwesenheit nutzte er, um Linnet in ihrer Kabine zu erschießen. Nach der Tat kehrte er blitzschnell in den Salon zurück, wickelte die Pistole in Miss Van Schuylers Samtstola, um den Knall abzudämpfen, und schoss sich selbst ins Bein. Danach warf er die Tatwaffe über Bord.

„Ich war doch immer nett zu allen Leuten, habe etwas für sie getan, aber sie hassen mich – ganz viele Leute hassen mich.“ (Linnet zu Poirot, S. 92)

Alles deutete auf ein spontan verübtes Verbrechen, in Wirklichkeit aber war es von langer Hand geplant. Simon wollte seine reiche Frau beseitigen, das Geld erben und nach einiger Zeit seine alte Liebe Jacqueline heiraten. Die beiden ergänzten sich perfekt: sie mit ihrem planerischen Kalkül, er mit seiner Tatkraft und seinem körperlichen Geschick. Und sie lieferten sich gegenseitig ein perfektes Alibi. Dass zwei weitere Morde nötig sein würden, konnten sie vorher nicht ahnen. Von Poirot zur Rede gestellt, bricht Simon zusammen und gesteht alles. Beim Verlassen des Schiffs erschießt Jacqueline ihren Geliebten und danach sich selbst. Sie hatte noch eine Pistole in der Tasche der ahnungslosen Rosalie versteckt. Liebe habe meistens etwas Tragisches, lautet der Kommentar von Mrs Allerton.

Zum Text

Aufbau und Stil

Agatha Christies Der Tod auf dem Nil ist in 31 etwa gleich lange Kapitel gegliedert. Ohne Umschweife wird der Leser von der ersten Seite an in das Geschehen hineingezogen. Dabei bedient sich Agatha Christie einer klassischen auktorialen Erzählweise. Die Erzählerfigur hält die Handlungsfäden jederzeit in der Hand, kennt die Charaktere genau und weiß, was in ihren Köpfen vorgeht. Auf den ersten Blick noch so unscheinbare Details – ein Drink, eine Stola, der Blick eines Passagiers – bekommen im Rückblick doch noch eine Bedeutung. In der Exposition werden die Hauptfiguren vorgestellt. Nach dem ersten Mord beginnt der Hauptteil des Romans, der in der Befragung der Anwesenden und der peniblen Rekonstruktion des Tathergangs besteht. Wie bei einem Puzzle fügt sich ein Teil ans andere, bis Detektiv Poirot am Ende mit der überraschenden Lösung aufwartet. Es bleibt also bis zum Schluss spannend. Der Roman, der durch den abgeschlossenen Raum – eben den Nildampfer – streckenweise etwas Theaterhaftes hat, lebt vor allem von den Dialogen, die pointenreich und voller Anspielungen sind. Gemordet wird eher nebenbei, die meiste Zeit wird gesprochen.

Interpretationsansätze

  • Agatha Christies Der Tod auf dem Nil ist ein klassischer Whodunit (aus dem Englischen: „Who has done it?“, also: „Wer war es?“) oder auch Rätselroman – in seiner Handlung deutlich überkonstruiert und insgesamt wenig realistisch, dabei aber durchaus packend. Was die Spannung des Buches ausmacht, ist die intellektuelle Herausforderung, vor der Meisterdetektiv Poirot steht: den Mörder trotz mancher falschen Fährte am Ende aufgrund von Indizien zu entlarven und sein perfektes Alibi auseinanderzupflücken.
  • Vergleicht man Der Tod auf dem Nil mit anderen Kriminalromanen aus den 30er-Jahren, etwa denen von Raymond Chandler, fällt der antimodernistische Zug auf. Die Geschlechter- und Klassenrollen sind eindeutig festgelegt, ohne dass wirklich Kritik daran geäußert würde. Frauen wollen eigentlich nur einen Mann abbekommen und beäugen einander eifersüchtig. Die Oberschicht mit ihren Ritualen und Statussymbolen ist nur auf Geld und Image aus, die Mittelschicht eifert ihr kräftig nach und das Personal ist gierig und verschlagen.
  • Dass ein Polizeibeamter, der zu jener Zeit normalerweise noch den unteren Schichten entstammte, einen Angehörigen der Oberschicht des Mordes überführt, war den Lesern im klassenbewussten Großbritannien des frühen 20. Jahrhunderts nicht zumutbar. Mit dem schnauzbärtigen Belgier Poirot machte Agatha Christie bewusst einen Außenseiter zum Detektiv, für den die britischen Klassengrenzen keine Bedeutung hatten und der jenseits solcher gesellschaftlichen Rücksichtnahmen vollkommen frei ermitteln konnte.
  • Agatha Christies Figuren sind psychologisch einfach gestrickt, eher schablonenhaft und stecken voller nationaler und kolonialer Klischees: Neben dem geschwätzigen und gestikulierenden Italiener, dem fetten und hässlichen, aber grundsoliden Deutschen und den blassen, mitunter exzentrischen Briten findet sich auch der tumbe, Augen rollende Schwarze, der seinen weißen Herren stets zu Diensten ist.
  • Die Welt ist schlecht, die Menschen sind gierig, das Böse lauert allerorts, so lautet die Grundbotschaft von Der Tod auf dem Nil, und doch wird am Ende des Romans die heile Welt wiederhergestellt. Damit kam Agatha Christie den Vorstellungen ihrer Leserschaft aus der Mittelschicht nach, die nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs Sehnsucht nach festen Werten und Handlungsnormen verspürte.

Historischer Hintergrund

Die Blütezeit des Detektivromans

Die Zeit zwischen den Weltkriegen war in Großbritannien durch verschiedene, teils widersprüchliche Entwicklungen geprägt. Zwar setzte schon bald nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, bei dem rund 750 000 britische Soldaten ihr Leben verloren hatten, eine Epoche des Aufschwungs ein. Viele junge Menschen erlebten die Goldenen Zwanziger als eine Zeit des Aufbruchs und des Neubeginns. Auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik vollzog sich ein bis dahin ungekannter Fortschritt, große Städte wie London wuchsen explosionsartig, und der Demokratisierungsprozess erreichte mit der Einführung des aktiven Wahlrechts für Frauen 1928 eine neue Stufe. Neben Modernisierungseuphorie und gesteigerter Lebensfreude waren aber auch politischer Pessimismus und Endzeitstimmung ein verbreitetes Phänomen.

Auch in der Literatur spiegelte sich dieser Zwiespalt zwischen Erneuerung und Erhalt wider. Während die experimentelle Literatur mit Autoren wie Virginia Woolf, James Joyce und T. S. Eliot einen Höhepunkt erlebte, gab es zugleich eine nie da gewesene Flut rasch konsumierbarer Unterhaltungsbücher. Insbesondere das Genre des Detektivromans erlebte in der Zwischenkriegszeit in Großbritannien eine goldene Ära. Viele Detektivromane spielten auf dem Land, wo die gute alte viktorianische Zeit mit ihren müßiggängerischen, mitunter etwas exzentrischen Adligen, ihren elitären Klubs und dem dienstfertigen Personal noch lebendig war. Hier herrschten noch die alten Konventionen; Klassenunterschiede und traditionelle Geschlechterrollen waren durchweg intakt. Mit seinen nostalgischen Tendenzen bot der Detektivroman vor allem der Mittelklasse die Möglichkeit, sich vor den Zumutungen der Moderne in eine untergegangene Idylle zu flüchten.

Entstehung

Neben Dorothy L. Sayers, Anthony Berkeley und Freeman Wills Crofts zählte auch Agatha Christie zu den 26 Krimiautoren, die 1930 in London den „Detection Club“ gründeten. Dessen Mitglieder mussten einen Eid auf die „zehn Regeln für einen fairen Kriminalroman“ schwören, die beispielweise untersagten, zur Lösung eines Falls auf übernatürliche Kräfte oder den Zufall zurückzugreifen. Ein anderes Gebot besagte, der Detektiv solle alle Kenntnisse, die er habe, auch dem Leser zur Verfügung stellen, um diesem die Chance zu geben, selbst auf die Lösung des Rätsels zu kommen. Agatha Christie war nicht die einzige im Detection Club, die wiederholt gegen eines der selbst auferlegten Gebote verstieß. Dennoch betrachtete sie sich keinesfalls als dichterisches Genie, das über den Regeln stand, sondern als bodenständige Handwerkerin, die mithilfe erlernter literarischer Techniken Bücher am laufenden Band produzierte. Hatte sie anfangs das Schreiben noch als reinen Zeitvertreib betrachtet, so entwickelte sie sich nach ihrem ersten großen Erfolg Alibi (1926) rasch zur professionellen Schriftstellerin.

Auf Einladung eines befreundeten Ehepaars reiste Agatha Christie 1929/30 zu archäologischen Ausgrabungsstätten im Nahen Osten. Dort lernte sie den jungen Archäologen Max Mallowan kennen, den sie bald heiratete. Ab 1930 begleitete Christie ihren Mann unter anderem nach Syrien und in den Irak, wo sie aktiv an Ausgrabungen teilnahm. Wie die anderen Expeditionsteilnehmer lebte die damals schon berühmte Schriftstellerin in einem Zelt. Sofern die Ausgrabungen ihr Zeit ließen, verfasste sie Romane, wie etwa Mord in Mesopotamien (1936) oder Der Tod wartet (1938), die von ihrer Beschäftigung mit dem Orient zeugten. Zusammen mit ihrem Mann soll sie auch mehrmals im ägyptischen Assuan gewesen sein, wo sie auf der Terrasse des Hotels Old Cataract mit Blick über die Nillandschaft Der Tod auf dem Nil verfasste. Christies 22. Kriminalroman erschien 1937 im Collins Crime Club in London.

Wirkungsgeschichte

Der Tod auf dem Nil ist eines der bekanntesten Werke von Agatha Christie und zählt wie viele andere ihrer Romane zu den Langzeitbestsellern der Weltliteratur. Die Auflagen ihrer Bücher haben nach Schätzungen längst die 2-Milliarden-Grenze überschritten und wurden in über 100 Sprachen übersetzt. In den 50er-Jahren adaptierte Agatha Christie einige ihrer Romane für das Theater und schuf auch eine Bühnenfassung von Der Tod auf dem Nil, die 1946 im Londoner West End Theatre uraufgeführt wurde. 1978 verfilmte der britische Regisseur John Guillermin den Roman in prominenter Besetzung mit Peter Ustinov in der Rolle des Hercule Poirot. 2004 drehte Andy Wilson für das britische Fernsehen eine Serie nach dem Roman. 1996 fertigte François Rivière einen gleichnamigen Comic von Der Tod auf dem Nil an.

Über die Autorin

Agatha Christie wird am 15. September 1890 im britischen Torquay als jüngstes Kind einer wohlhabenden Familie geboren. Da sie Privatunterricht erhält, hat sie wenig Kontakt zu anderen Kindern. Sie flüchtet sich in imaginäre Rollenspiele und beginnt zu schreiben. Während des Ersten Weltkriegs arbeitet sie als Krankenschwester und Apothekenhelferin, eine Stellung, die sie später zu vielen fiktiven Giftmorden inspirieren wird. 1914 heiratet sie den Leutnant Archibald Christie; fünf Jahre später kommt Tochter Rosalind zur Welt. 1920 folgt das literarische Debüt: Hercule Poirot hat in Das fehlende Glied in der Kette (The Mysterious Affair at Styles) seinen ersten Fall. Ihren Durchbruch als Kriminalautorin erlebt sie mit dem 1926 veröffentlichten Alibi (The Murder of Roger Ackroyd). Es ist ein Jahr der privaten Tragödien: Zuerst stirbt die geliebte Mutter, dann gesteht ihr Mann ihr seine Affäre mit einer anderen. Christie erleidet einen Nervenzusammenbruch. Sie trägt sich in einem Hotel unter dem Namen der Geliebten ihres Mannes ein und verschwindet für elf Tage von der Bildfläche. 1930, auf einer Reise in den Nahen Osten, verliebt sich die nunmehr Geschiedene in den 14 Jahre jüngeren Archäologen Max Mallowan. Die beiden heiraten, und noch im selben Jahr beweist die alte Jungfer Miss Marple in Mord im Pfarrhaus (The Murder at the Vicarage) erstmals ihre Schnüfflerqualitäten. In den Folgejahren begleitet Christie ihren Mann bei Ausgrabungen im Irak und in Syrien, eine Erfahrung, die sie in Mord in Mesopotamien (Murder in Mesopotamia, 1936) und Der Tod auf dem Nil (Death on the Nile, 1937) verarbeitet. Neben 66 Kriminalromanen, zahllosen Kurzgeschichten und Gedichten schreibt sie unter dem Pseudonym Mary Westmacott sechs autobiografisch geprägte Liebesromane. Die öffentlichkeitsscheue „Queen of Crime“ bricht alle Rekorde: Mit über 2 Milliarden verkauften Büchern ist sie die kommerziell erfolgreichste und meistübersetzte Schriftstellerin der Welt. Ihr Bühnenstück Die Mausefalle (The Mousetrap, 1954) läuft seit 1952 täglich in einem Londoner Theater. 1971 adelt Königin Elisabeth sie zur „Dame of the British Empire“. Agatha Christie stirbt 85-jährig am 12. Januar 1976.

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