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Die Meistersinger von Nürnberg

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Die Meistersinger von Nürnberg

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Wagners heitere Oper über die Frage nach der wahren Kunst.


Literatur­klassiker


Worum es geht

Eine Allegorie der Kunst

Das Hauptthema in den Meistersingern von Nürnberg ist die Kunst: Was ist Kunst, was darf Kunst genannt werden und was unterscheidet sie von Handwerk oder Unterhaltung? Wagner hatte in dieser Hinsicht klar umrissene Vorstellungen und Kriterien, die viele heutige Autoren, bildende Künstler oder Filmregisseure wohl mit ihm teilen würden. Darin liegt Wagners Modernität. Leider wird sie wegen der bisweilen altertümelnd wirkenden Bühne und Handlung gerade von seinen glühendsten Verehrern oft übersehen. Um sein Thema des Gegensatzes von Kunstanmaßung und echter Kunst bühnenwirksam spielbar machen zu können, ist die Geschichte in eine klassische Komödiensituation eingebettet: Eine Frau steht zwischen zwei Männern. Nur scheinbar beiläufig zeigt Wagner anhand dieser übersichtlichen Personenkonstellation, wie das junge und vitale Neue ein altes und erstarrtes System ablöst. Im Leben wie in der Kunst.

Take-aways

  • Wagners heitere Oper Die Meistersinger von Nürnberg gehört zu seinen beliebtesten Werken.
  • Inhalt: Eva, die hübsche Tochter des Meistersingers Pogner, soll mit demjenigen verheiratet werden, der beim alljährlichen Singwettbewerb den Preis gewinnt. Sie liebt den jungen Ritter Stolzing, der talentiert ist, jedoch die Gesangsregeln nicht beherrscht. Evas heimlicher Verehrer, der Meister Hans Sachs, lenkt den Wettbewerb so, dass sich der von ihr verschmähte Brautwerber Beckmesser lächerlich macht und Stolzing als Meistersinger Anerkennung findet.
  • Unter der Oberfläche einer klassischen Lustspielhandlung wird die Frage nach dem Wesen der Kunst und des wahren Künstlertums behandelt.
  • Der regelhaften und handwerklichen Kunstproduktion der Meistersinger steht Stolzings intuitive und ungebundene Ausübung der Kunst gegenüber.
  • Die Meistersinger von Nürnberg waren von Anfang an als populäre Volksoper konzipiert und gelten in der Tat als deutsche Fest- und Nationaloper.
  • Wagner bediente sich einiger romantischer Motive, die sich wiederum ans Mittelalter anlehnen, erfand die Handlung aber selbst.
  • Das zentrale Motiv des Dichter- bzw. Sängerwettstreits stammt aus der Antike.
  • Wagner ging mit dem Stoff über 20 Jahre lang schwanger.
  • Im Dritten Reich wurde die Oper für die Naziideologie missbraucht und entsprechend interpretiert.
  • Zitat: „Drum sag’ ich Euch: / ehrt Eure deutschen Meister, / dann bannt ihr gute Geister!“

Zusammenfassung

Auftakt in der Katharinenkirche

Nürnberg, Mitte des 16. Jahrhunderts: Nachdem mit einem Choral über die Taufe Jesu am Jordan durch Johannes eine Nachmittagsandacht in der Nürnberger Katharinenkirche zu Ende gegangen ist, wechseln der junge Ritter Walther von Stolzing und die Goldschmiedstochter Eva Pogner erstmals schüchterne Worte. Bereits während der Andacht haben sie sich im rückwärtigen Teil des Kirchenschiffs Blicke zugeworfen. Eva ist in Begleitung ihrer Amme Magdalene, die sich ebenfalls in die Unterhaltung einmischt. Aus dieser geht rasch hervor, dass Eva beim jährlichen Meistersingen am folgenden Tag als Braut ausgelobt werden soll. Gleichzeitig macht sie selbst klar, dass sie nur Walther als Bräutigam haben möchte.

Die Meistersinger treffen ein

Nachdem die Frauen gegangen sind, räumt der Schusterlehrjunge David gemeinsam mit anderen Lehrbuben die Bänke in der Kirche für die „Freiung“, eine Sitzung der Meistersinger, um. Auch ein Podium wird aufgebaut; darauf werden ein Katheder, ein Singstuhl und eine Schiefertafel gestellt. Währenddessen erklärt David dem ahnungslosen Stolzing den Ablauf und die Inhalte der Meistersingerprüfung. Nach und nach treten die Meistersinger aus der Sakristei. Einer von ihnen ist der Stadtschreiber Sixtus Beckmesser. Er bittet den Goldschmied Veit Pogner, Evas Vater, ein gutes Wort bei seiner Tochter für ihn einzulegen, damit Eva ihn nicht womöglich noch zurückweist, wenn er den Preis gewinnt. Er möchte Eva unbedingt heiraten.

„Den Bräut’gam wohl noch niemand kennt, / bis morgen ihn das Gericht ernennt, / das dem Meistersinger erteilt den Preis –“ (Magdalene zu Walther, S. 11 f.)

Nun tritt Stolzing auf Pogner zu und bittet darum, in die Meistersingerzunft aufgenommen zu werden. Pogner signalisiert Zustimmung. Zuletzt erscheint der Schuster Hans Sachs. Die Freiung beginnt mit dem Aufruf aller Namen. Pogner verkündet offiziell, dass seine einzige Tochter – die ihn, einen der wohlhabendsten Meister, eines Tages beerben werde – den Gewinner des Singwettbewerbs heiraten soll. Dieser Wettbewerb wird traditionell am Johannistag vor großem Publikum auf der Festwiese vor der Stadt ausgetragen. Pogner betont allerdings, dass Eva das letzte Wort haben soll, was den Heiratskandidaten betrifft. Dagegen erheben einige Meister Einspruch, weil sie damit ihre Kompetenz, den Richtigen für die Braut zu bestimmen, infrage gestellt sehen: Wenn Eva das letzte Wort behielte, wäre der Rat der Meister praktisch gegenstandslos. Hans Sachs schlägt vor, das auf der Festwiese anwesende Volk mit abstimmen zu lassen. Hiergegen erhebt sich jedoch der Einwand, das Urteil der Meister könnte dadurch unziemlich beeinflusst werden.

Stolzings Bewerbung

Die Meister kehren zur Tagesordnung zurück; Pogner stellt den fränkischen Adelsspross Stolzing als Kandidaten zur Aufnahme in die Zunft vor und bürgt für ihn. Er merkt auch an, dass Stolzing sich um das Nürnberger Bürgerrecht bemüht. Im Übrigen komme es für die Aufnahme in die Zunft nicht auf den Stand an, sondern allein auf die Kunst. Auf die Frage, von welchem Meister Stolzing der Geselle sei, antwortet dieser, der Minnesänger Walther von der Vogelweide sei sein Dichtervorbild; den Gesang selbst habe er von den Vögeln auf der Weide gelernt. Das ist nicht die Antwort, die die Handwerksmeister erwartet haben. Leicht irritiert gestatten sie Stolzing dennoch, eine Probe seiner Dicht- und Sangeskunst abzulegen. Sixtus Beckmesser soll als unabhängiger, objektiver „Merker“ hinter einem Vorhang auf dem Podium allfällige Fehler auf der Tafel festhalten. Auf die Frage, welches Thema er wähle, antwortet Stolzing: die Liebe.

„Eines nur weiß ich, / Eines begreif’ ich: / mit allen Sinnen / Euch zu gewinnen!“ (Walther zu Eva, S. 16)

Unmittelbar bevor Stolzing beginnt, wird ihm vom Bäckermeister Fritz Kothner die Tabulatur vorgehalten und vorgelesen; in ihr sind die Regeln und Gesetze eines Meistersingerlieds peinlich genau verzeichnet. Dann wird Stolzing auf den Singstuhl genötigt, was ebenfalls zum Ritual gehört. Stolzing beginnt mit einer Strophe auf die Laute und Geräusche der Natur. Dabei wird er aber ständig von den Geräuschen gestört, die der Merker mit der Tafelkreide macht. Kurz darauf öffnet dieser den Vorhang und zeigt die mit Fehlerstrichen übersäte Tafel vor. Um ein Haar geraten die Meister in Streit, wie Stolzings Vortrag zu bewerten sei. Nur Pogner und Sachs mahnen zur Ruhe. Sachs verlangt, dass man Stolzing wenigstens zu Ende anhört. Stolzing setzt noch einmal an und karikiert in seinem Liedtext die Meisterrunde als Ganzes; anschließend verlässt er die Szene. Lediglich Sachs lobt Stolzings Mut, seine Begeisterung und sein genuines Künstlertum. Die übrigen Meister lehnen den Vortrag einhellig ab. In ihrer Vorfreude auf den Wettbewerb am nächsten Tag tanzen die Lehrjungen im Hintergrund bereits auf den Bänken.

Altstadtgeflüster

In einer Gasse, nahe den Häusern von Sachs und Pogner, schließen der Schusterlehrling David und die anderen Lehrbuben die Fensterläden. Sie freuen sich auf den morgigen Feiertag, den Johannistag. Die Lehrbuben machen sich ein wenig über David und Magdalene, den „Burschen und die alte Jungfer“, lustig. Sachs tritt dazwischen und holt David ins Haus. Von einem Spaziergang mit seiner Tochter heimkommend, spricht Veit Pogner Eva darauf an, dass ihr ein großer Tag bevorsteht: Vor der ganzen Stadt soll sie zur Braut werden. Doch Eva weicht aus. Ihre Amme Magdalene berichtet ihr kurz, was sie von David gehört hat: Stolzing ist die Aufnahme in die Meistersingerzunft missglückt. David zieht für Sachs noch einen Leisten auf und wird dann zu Bett geschickt. Derweil beginnt Sachs mit der Arbeit an einem Schuh neben der Werkstatttür, lehnt sich aber bald nachdenklich zurück und bringt seine tief empfundene Bewunderung für Stolzings Liedvortrag zum Ausdruck: Obwohl Stolzing sich an keine Regel hielt, klang das Lied für Sachs doch fehlerfrei.

„(...) denn ‚Singer‘ und ‚Dichter‘ müsst Ihr sein, / eh Ihr zum ‚Meister‘ kehret ein.“ (David zu Walther, S. 22)

Eva tritt zu ihm und versucht, ihn hinsichtlich des Ausgangs des Meistersingens am folgenden Tag auszufragen. Sie will ausloten, ob Beckmesser Chancen hat, den Wettbewerb zu gewinnen, und ob Stolzing wirklich keine Aussicht auf den Sieg mehr hat. Sachs tut so, als hielte er Stolzing für hochmütig und chancenlos, worauf Eva mit Empörung reagiert. Magdalene zieht Eva zu Pogners Haus zurück und flüstert ihr zu, dass Beckmesser ihr später am Abend ein Ständchen bringen wolle. Die beiden beschließen, dass sich Magdalene statt Eva am Fenster zeigen soll. In dem Augenblick kommt Walther Stolzing die Gasse entlang. Eva stürmt ihm entgegen und versichert ihm, dass sie nur ihn als Bräutigam erwählen will. Stolzing ist von der Abfuhr der Meister tief gekränkt und schlägt ihr vor, gemeinsam zu fliehen. Als der Nachtwächter herankommt, um zur zehnten Stunde die Glocke zu schlagen, verschwindet Eva kurz im Haus; Stolzing versteckt sich hinter einer Linde. Bald erscheint Eva in Magdalenes Kleidern. Sachs hat das Gespräch der beiden mitgehört und vereitelt die Fluchtpläne zunächst, indem er mit einer hellen Lampe die Straße erleuchtet. Da nähert sich auch schon Beckmesser mit seiner Laute. Eva und Walther bleiben versteckt.

Gassenhauer und Massenschlägerei

Während Beckmesser in der Hoffnung, Eva möge das Fenster öffnen, auf der Laute spielt, hämmert Sachs gegenüber auf das Schuhleder ein. Dazu singt er laut ein kalauerndes Lied darüber, wie die Schuhherstellung begründet wurde, weil Adam und Eva aus dem Paradies verstoßen wurden und barfuß über Steine gehen mussten. Hauptsächlich tut er das, um Beckmessers Ständchen zu stören. Magdalene ist inzwischen in Evas Kleidern am Fenster erschienen. Um endlich in Ruhe sein Lied für Eva vortragen zu können, einigt sich der genervte Beckmesser mit Sachs darauf, dass dieser als Merker fungieren darf, sofern er endlich schweigt. Sachs markiert Beckmessers Fehler mit Hammerschlägen auf den Leisten. Im Verlauf des Vortrags steigern sich die Schläge zu einer Art Trommelwirbel. Beckmesser kommt völlig aus dem Konzept und singt immer lauter, um Sachs zu übertönen. Daraufhin öffnen sich die umliegenden Fenster, die Nachbarn beschweren sich über den Lärm.

„Herr Walther von der Vogelweid’, / der ist mein Meister gewesen.“ (Walther, S. 42)

Auch David ist aufgewacht. Er erblickt Magdalene – und Beckmesser in Ständchenpose. Sofort beginnt er, auf den vermeintlichen Nebenbuhler einzuprügeln. Daraus entwickelt sich im Nu eine Schlägerei auf der Gasse, an der Nachbarn und Nachbarinnen, Lehrbuben und Gesellen beteiligt sind. Es scheint, als hätte jeder mit jedem eine offene Rechnung zu begleichen. Als Eva und Walther das Durcheinander zur Flucht nutzen wollen, tritt Sachs dazwischen. Er stößt Eva in Pogners Haus und zieht Walther am Arm in seines. Schließlich tritt erneut der Nachtwächter auf. Alle verschwinden eiligst in ihren Häusern. Es hat elf geschlagen, die Gasse ist leer.

Die Geburt des Meisterlieds

Hans Sachs sitzt in seiner Werkstatt und liest in einer Weltchronik, als David hinzutritt. Von Sachs’ Wortkargheit eingeschüchtert, erklärt der Lehrjunge seine Fehlbarkeit mit seiner Liebe zu Magdalene. Zudem sagt er einen Spruch zum Johannistag auf, der zugleich der Namenstag von Hans Sachs ist. Sachs trägt David auf, sich für den Feiertag festlich aufzuputzen. Als David gegangen ist, versucht Sachs, die Geschehnisse der vergangenen Nacht zu deuten. Nun tritt der ausgeschlafene Walther Stolzing aus der Kammer nebenan in die Werkstatt und erzählt Sachs von einem Traum. Da Stolzing noch auf der Suche nach einem Meisterlied für den Vortrag auf der Festwiese ist, macht Sachs ihn auf die innere Verwandtschaft von Traumdeutung und Dichtkunst aufmerksam; er lässt sich von Stolzing den Inhalt des Morgentraums diktieren und richtet das Gedicht gleichzeitig so ein, dass es zu den Regeln der Meistersinger passt.

„Dem Vogel, der heut’ sang, / dem war der Schnabel hold gewachsen; / macht’ er den Meistern bang, / gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen.“ (Sachs, S. 68)

Während sich Sachs und Stolzing in der Kammer für das Fest umkleiden, schleicht der von Prügeln arg mitgenommene Beckmesser in die Werkstatt, wo er den Liedtext in Sachs’ Handschrift auf dem Tisch findet. Er steckt ihn ein. Als Sachs zurückkommt, tritt die gegenseitige Abneigung von Sachs und Beckmesser zutage: Beckmesser beschuldigt Sachs, er habe in der Nacht David auf ihn gehetzt. Er vermutet, Sachs wolle sich ebenfalls um Evas Hand bemühen, und zieht als Beweis das Gedicht in Sachs’ Handschrift heraus. Sachs übersieht diesen materiellen wie geistigen Diebstahl und überlässt Beckmesser zu dessen Erstaunen den Text zur freien Verfügung. Beckmesser erkennt die Qualität des Gedichts an; er macht sich daran, den Text auswendig zu lernen.

Die „selige Morgentraumdeut-Weise“

Eva erscheint in prächtigem Festtagsgewand in Sachs’ Werkstatt und beklagt sich darüber, dass ihr Schuh drückt. Während Sachs sich darum kümmert, tritt der ebenfalls herausgeputzte Stolzing hinzu. Bei Evas Anblick trägt er spontan den noch fehlenden dritten Teil seines Liedgedichts vor. Sachs bezeichnet es Eva gegenüber als Meisterlied und sie bedankt sich für Sachs’ väterliche Freundschaft während ihrer Jugend. Magdalene und David erscheinen in Festtagskleidung. In diesem Kreis tauft Sachs Stolzings Lied auf den Namen „selige Morgentraumdeut-Weise“ und erhebt zudem David mit einer rituellen Ohrfeige zum Gesellen. Bevor sie sich auf den Weg zur Festwiese machen, besingen sie in einem Quintett die schicksalhafte Bedeutung dieses Festtagsmorgens für jeden Einzelnen.

Auf Nürnbergs Festwiese

Die Zünfte ziehen vor dem Volk ein, das sich in ausgelassener Stimmung auf der Festwiese vor den Toren der Stadt versammelt hat. Schließlich werden die Meistersinger auf ihr Podium geleitet. Veit Pogner führt Eva an der Hand. Hans Sachs erscheint und hält eine bewegende Ansprache, in der er den Kunstsinn der Nürnberger rühmt. Beckmesser wird als Erster aufgefordert, sein Lied vorzutragen. Doch er bringt nur eine verballhornte und verstümmelte Version des von Sachs niedergeschriebenen Stolzing-Gedichts zustande und wird schon während des Vortrags vom Volk verhöhnt. Nach diesem misslungenen Auftritt denunziert er Sachs als Autor des Liedes. Weder die Meister noch das Volk wollen glauben, dass das kunstlose, unsinnige Gestammel von Sachs stammen soll. Dieser ruft Stolzing als Zeugen und authentischen Dichtersänger auf. Stolzing trägt eine großenteils textlich abgewandelte und improvisierte Version seiner Morgentraumdeut-Weise vor, in der er das Paradies und den Parnass, die Heimat der Musen, in eins setzt. Das Volk und die Meister lauschen dem Vortrag tief bewegt.

„Überall Meister, / wie böse Geister, / seh’ ich sich rotten / mich zu verspotten.“ (Walther, S. 79)

Das Volk fordert die Meister auf, Stolzing den Preis zuzuerkennen. Eva tritt vor und vollzieht die Dichterkrönung mit einem Kranz aus Lorbeer und Myrten. Veit Pogner segnet das Paar. Mehrere Meistersinger fordern Pogner auf, Stolzing unverzüglich in die Meistersingerzunft aufzunehmen, indem ihm eine Ehrenkette umgelegt wird. Doch dem verweigert sich Stolzing mit heftiger Gebärde. Sachs beschwichtigt ihn in seiner großen Schlussansprache, in der er ihn ermahnt, nun seinerseits die Meister nicht zu verachten: Er solle ihre Art von Kunst ehren und ihnen dafür danken, dass sie ihn in ihren Kreis aufnehmen. Zum Schluss setzt Eva Sachs den Dichterkranz auf; der wiederum legt Stolzing die Meisterkette um.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Oper Die Meistersinger von Nürnberg besteht aus drei Akten. Der erste spielt in der Kirche, der zweite in der Nürnberger Altstadt, der dritte in Sachs’ Werkstatt sowie auf der Festwiese. Wie stets bei Wagner gibt es keine Aufteilung in Rezitative und Gesangsnummern, sondern nur eine durchgehende musikalische Handlung. Wagner dichtet in überwiegend gebundener, gereimter Sprache. Es gibt Momente der Ironie, zudem bedient er sich klassischer Versatzstücke der Komödie. So sind etwa die burlesken Verkleidungs- und Prügelszenen, aber auch die dramaturgische Grundkonstellation – eine junge Braut zwischen Pflichtgefühl und Herzenswunsch – ein Komödienklassiker. Die Anweisungen zur Bühnengestaltung und zum Verhalten der Figuren sind sehr ausführlich. Als Oper sind Die Meistersinger von Nürnberg in erster Linie ein musikalisches Meisterwerk. Über 40 musikalische Motive und Leitmotive sind in der Partitur eng miteinander verflochten, klingen immer wieder auf und strukturieren so die Oper. Zudem hat Wagner, anders als in anderen Werken, liedhafte Passagen eingebaut.

Interpretationsansätze

  • Das Motiv des Sängerwettstreits ist nicht in erster Linie ein Rückgriff aufs Mittelalter, sondern auf die Antike. Wagner war sehr bewandert in der Theatergeschichte. Dichterwettstreite spielten im kulturellen Leben der alten Griechen eine herausragende Rolle. Der Dichtersänger ist gewissermaßen die älteste und ursprünglichste Künstlerfigur und repräsentiert bei Wagner das Künstlersein schlechthin. Mit ihrer Hilfe wird ausgelotet, was wahre Kunst ausmacht.
  • Für Wagner zeigt sich wahres Künstlertum im Vitalen, Spontanen, gekonnt Improvisierten, in den Werken, die halb unbewusst aus einem Traumzustand entstehen, so wie auch Stolzings „selige Morgentraumdeut-Weise“. Demgegenüber steht die Welt der erstarrten, regelhaft-akademischen und handwerklichen Kunstproduktion der Meistersinger. Während sie das Alte und Künstliche repräsentieren, steht Stolzing für das Neue und Echte.
  • Die Figur Beckmessers ist in ihrer geistlosen Pedanterie die Karikatur eines unbeholfenen, unproduktiven, selbst ernannten Kunstrichters und Kritikers. Auf sie geht der Ausdruck „beckmessern“ für „kleinlich tadeln“ oder „bemäkeln“ zurück.
  • Die Meistersinger von Nürnberg haben überraschend wenige handelnde Figuren: Aus den zwölf Meistersingern ragen nur Sachs und Beckmesser heraus. Ferner treten Stolzing und Eva auf, sie sind das hohe Paar, sowie Magdalene und David, das niedere Paar. Dadurch ist eine klare, überschaubare Dramaturgie gewährleistet.
  • Dass der verarmte Adlige Stolzing sich um das Nürnberger Bürgerrecht bemüht, ist ein ungewöhnlicher Vorgang angesichts der strengen Standestrennung der vormodernen Gesellschaften. Damit soll angedeutet werden, dass die Zeit der Vorherrschaft des Adels ihrem Ende entgegengeht und nunmehr die bürgerliche Gesellschaft tonangebend wird. Das war auch auf Wagners eigene Zeit gemünzt.

Historischer Hintergrund

Dichtung, Gesang und Künstlertum seit der Antike

Seit Wagners Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg hatte vor allem das deutschsprachige Publikum ein kulturelles Bild des Mittelalters vor Augen, bei dem Minnesänger oder Meistersinger sich auf Burgen der Stauferzeit oder auf Festwiesen zu wahrhaften Song-Contests zusammenfanden. Allerdings ist aus dem Mittelalter Derartiges kaum überliefert; mit Ausnahme einer Sage aus dem Thüringischen um mittelhochdeutsche Spruchgedichte. Der organisierte Meistersang in den süddeutschen Städten vom Spätmittelalter bis zur Spätrenaissance ist eine Fortsetzung dieser Spruchdichtung. Ein „Meister“ ist in diesem Zusammenhang nicht als Handwerksmeister, sondern als Lehrmeister zu verstehen. Die Vorstellung von regelrechten Wettstreiten der Minnesänger schufen erst die Romantiker von Novalis bis Wagner.

Gut überliefert sind die Sängerwettstreite der Antike. Sänger- bzw. Dichterwettbewerbe waren bei den Griechen im Rahmen religiöser Feste, wie der Dionysien in Athen und der Spiele in Olympia oder Delphi, ein fester Bestandteil des Programms. Bei diesen Feiern handelte es sich um Weihespiele zu Ehren von Göttern, also um religiöse Zeremonien. Die enorme Verehrung der Olympiasieger beruht auch auf diesem religiösen Nimbus. Aus den Athener Dionysien mit ihren Prozessionen und Dramen zu Ehren des Gottes Dionysos sind die noch heute gespielten attischen Tragödien von Sophokles oder Euripides hervorgegangen. Sie kamen in einem Dichterwettbewerb zur Aufführung und das Publikum bestimmte einen Sieger.

Diese antiken Dichter galten gleichzeitig als Sänger, weil sie ihre in rhythmische, gebundene Sprache gefassten Texte in einer Art Sprechgesang vortrugen, ähnlich den Evangelienlesungen in katholischen Messen. So war es schon bei Homer, weshalb die Ilias in „Gesänge“ unterteilt ist. In der ganzen Antike, auch im keltischen Bereich, galt der Dichter als der mit einer Gabe begnadete, fast schon göttlich inspirierte Sänger, als der Künstler schlechthin. Andere Künstler gab es nach dieser alteuropäischen Auffassung nämlich nicht: Maler, Baumeister, Bildhauer galten eher als Handwerker (griechisch: „banausos“); polyphone Musik, und damit auch Komponisten, gibt es erst seit dem Spätmittelalter. Die Auffassung des Dichtersängers als Künstler schlechthin hielt sich in Europa bis in die Renaissance, mit Krönungen von Dichtern wie Francesco Petrarca oder Torquato Tasso. Am Vorbild des lorbeerbekränzten Dichtersängers als Fürst der Kunst orientiert sich im Prinzip auch die Idealvorstellung der Moderne vom wahren, autonomen Künstler, der regelfrei und unabhängig nur seiner inneren Berufung und seinem Talent folgt – mittlerweile auf allen Gebieten künstlerischen Schaffens.

Entstehung

Die Handlung der Meistersinger von Nürnberg ist Wagners eigene Erfindung. Es gab also keine literarische Vorlage. Die Figur von Hans Sachs basiert allerdings auf einer historischen Person. Wagner beschäftigte sich schon früh mit der Stoffidee. Bereits 1845, nach Abschluss der Tannhäuser-Partitur, dachte er daran, dieser Oper „wie bei den Athenern“ ein Satyrspiel folgen zu lassen. Im Juli 1845 entstand ein erster Textentwurf. Als Anregungen dienten einige literarische Quellen, darunter ein Text von E. T. A. Hoffmann und historische Werke über den Meistergesang. Dann blieb die Arbeit liegen, bis Wagner Ende 1861 das Projekt einer populären, komischen Oper seinem Verleger Franz Schott vorstellte – um dafür einen Vorschuss zu bekommen. Das Textbuch war Anfang 1862 fertig. Bald entstanden erste musikalische Motive und auch die Ouvertüre, deren Uraufführung in Leipzig Wagner im November 1862 selbst leitete. Im Juni 1865 wurde in München Tristan uraufgeführt. Im Jahr darauf wurde Wagner auf Verlangen der bayrischen Regierung aus München vertrieben; sein Gönner, der junge König Ludwig II. von Bayern, konnte ihn nicht schützen. Hauptsächlich in der Schweiz entstand nun von 1866 bis 1867 die Partitur zu den Meistersingern. Eine von Ludwig II. und Wagner geplante Uraufführung in Nürnberg kam nicht zustande. Nach aufwändigen Vorbereitungen fand sie am 21. Juni 1868 in München statt.

Wirkungsgeschichte

Wagner hatte die Meistersinger von Nürnberg bewusst als populäre Oper, als Volksoper, geplant, die ihm auch gute Einnahmen bringen sollte. Mit Erfolg. Das Stück wurde 1869 in Dresden, 1870 in Wien und Berlin gespielt. 1871 folgten Prag, Rotterdam und Kopenhagen. Die liedhaften Gesangsnummern, die Wagner eingebaut hatte, wurden zu Opernschlagern. Die Meistersinger von Nürnberg wurden im deutschsprachigen Bereich die Festoper schlechthin und neben Carl Maria von Webers Freischütz die Nationaloper der Deutschen. Leider wurden Die Meistersinger von Nürnberg auch mit nationalem Gedankengut im politischen Sinn aufgeladen. Die angebliche Lieblingsoper Adolf Hitlers wurde von den Nazis missbraucht; die Schlussansprache von Sachs entsprechend interpretiert.

Über den Autor

Richard Wagner wird am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Seine musikalische Laufbahn beginnt 1831 mit einem Studium in Leipzig. Verschiedene Engagements führen ihn in der Folge nach Würzburg, Magdeburg, Königsberg und Riga. In Königsberg heiratet der 1836 die Schauspielerin Minna Planer. Riga muss er 1839 verlassen, weil er Schulden gemacht hat; er geht über London nach Paris, wo er in ärmlichen Verhältnissen lebt. Die Oper Rienzi wird 1842 in Dresden sehr erfolgreich aufgeführt; Wagner wird dort Hofkapellmeister. Es folgen Der fliegende Holländer (1843), Tannhäuser (1845) und Lohengrin (1850). Neben seinem Opernschaffen tritt Wagner auch als Autor zahlreicher Schriften hervor, darunter Das Kunstwerk der Zukunft (1850) und Oper und Drama (1851). In Das Judentum in der Musik (1850) kommt Wagners ausgeprägter Antisemitismus zum Ausdruck. Wegen seiner Teilnahme am gescheiterten Dresdner Maiaufstand im Jahr 1849 flieht Wagner in die Schweiz. Hier beginnt die Arbeit am Ring des Nibelungen und an Tristan und Isolde. Unterstützung im Schweizer Exil erfährt Wagner durch den Unternehmer Otto Wesendonck, mit dessen Frau Mathilde er eine Liebesbeziehung beginnt. Ihr sind die Wesendonck-Lieder gewidmet. Nach dem Ende der Unterstützung durch Wesendonck lebt Wagner, inzwischen von seiner Frau getrennt, an wechselnden Orten, unter anderem in Venedig, Luzern und Wien. 1863 wird er von König Ludwig II. in München empfangen; dort erfolgt die Uraufführung von Tristan und Isolde (1865) und von den Meistersingern von Nürnberg (1868), beide unter dem Dirigenten Hans von Bülow. Mit dessen Frau Cosima, der Tochter Franz Liszts, hat Wagner ein langjähriges Verhältnis, sie heiraten 1870. Zusammen leben sie von 1866 bis 1872 in Tribschen bei Luzern, wo sie von König Ludwig II. und häufig von Friedrich Nietzsche besucht werden. 1872 siedelt Wagner nach Bayreuth über, wo die Grundsteinlegung zum Festspielhaus erfolgt, das 1876 mit der ersten kompletten Aufführung des Rings des Nibelungen eingeweiht wird. Die Eröffnung des Festspielhauses ist ein europaweit beachtetes Ereignis. 1882 wird die Oper Parsifal uraufgeführt. Wagner stirbt am 13. Februar 1883 in Venedig und wird im Garten seiner Villa Wahnfried in Bayreuth beigesetzt.

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